Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 27.08.2020 | |
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Aktenzeichen | 9 UF 192/18 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2020:0827.9UF192.18.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I. Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 12. September 2018 – Az. 20 F 84/17 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
In Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Torgau vom 9. Juni 2016 – Az. 3 F 122/15 – wird der Mutter allein das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S... K..., geboren am.... Juli 2008, übertragen und im Übrigen das gemeinsame elterliche Sorgerecht wiederhergestellt.
II. Es bleibt bei der Kostenentscheidung des Amtsgerichts.
Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren haben die Eltern jeweils hälftig zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Die Beteiligten sind die Eltern der am... Juli 2008 geborenen S... K..., für die gemeinsame elterliche Sorge bestanden hat. S... wurde nach ihrer Geburt überwiegend durch den (seinerzeit arbeitslosen) Vater und die Großmutter mütterlicherseits betreut. Die Mutter hatte bereits als Kind und erneut nach der Geburt S...s erhebliche psychische Probleme; sie ist seit ihrem 12. Lebensjahr - mit Unterbrechungen und in sehr loser Folge - in ambulanter Behandlung gewesen und hat sich wiederholt in - teils auch stationäre - Therapie begeben, die sie allerdings zeitweise vorzeitig abbrach.
Die Eltern trennten sich im Jahre 2010. Das Kind blieb bei der Mutter, die in der Betreuung S...s krankheitsbedingt in großem Umfang auf ihre Eltern zurückgegriffen hat. Der Vater hatte Umgang mit S..., zuletzt seit Anfang 2015 im üblichen 14-Tages-Rhythmus übers Wochenende.
Der Vater hat seit etwa 2011 eine neue Partnerin. Aus der Beziehung stammt ein im vergangenen Sommer geborenes weiteres Kind. Diese Partnerin war bis zum Beginn der (anhaltenden) Elternzeit als Physiotherapeutin (in T...) beschäftigt. Der Vater arbeitet als Paketzusteller bei (X…) mit täglichen Arbeitszeiten von 6.30 Uhr bis spätestens 18.00 Uhr, gelegentlich auch an Samstagen.
Die Mutter führt seit Ende 2015 eine Partnerschaft mit einem selbständig tätigen Rechtsanwalt, mit dem sie seit November 2016 eine Wohnung teilt. Im Juni 2018 haben sie geheiratet. Seit August 2017 arbeitet sie in Teilzeit in der ambulanten Altenpflege bzw. jetzt in geteilten (Tag-)Schichten im Sanitätsdienst beim (Y…). Sie ist geprüfte Altenpflegehelferin und hat weitere Fortbildungsmaßnahmen erfolgreich absolviert.
Zur familiären bzw. Verfahrens-Vorgeschichte ist auszuführen, dass sich in den Jahren nach der Trennung der Eltern im Jahr 2010 das Verhältnis der Mutter zu den Großeltern mütterlicherseits des Kindes zunehmend verschlechterte; die Großeltern warfen der Mutter unzureichende Fürsorge und kindeswohlschädigende Verhaltensweisen vor. Das Jugendamt N... veranlasste am 27. März 2015 die Inobhutnahme des Kindes zu den Großeltern. Der persönliche Kontakt zwischen der Mutter und ihren Eltern brach in der Folgezeit vollständig ab und ist anhaltend bis heute erheblich beeinträchtigt. Beide Eltern riefen daraufhin das Familiengericht mit gegenläufigen Anträgen auf vorläufige Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts für S... an. Mit Beschluss des Amtsgerichts Torgau vom 15. April 2015, Az. 3 F 121/15, wurde – fußend auf krankheitsbedingten Ausfallszeiten der Mutter, die vor einer stationären Therapie stand, und ausdrücklich gegen den erklärten Wunsch des Kindes - der Vater vorläufig alleiniger Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts. (Die dagegen gerichtete Beschwerde der Mutter blieb erfolglos Beschluss des OLG Dresden vom 17. Juli 2015, Az. 20 UF 540/15). Seither lebt S... bei dem Vater; die Mutter hatte zunächst begleiteten Umgang und schließlich seit Herbst 2015 14-tägigen Wochenendumgang mit einer Übernachtung; Ferienumgang gab es zunächst nicht.
In dem zum Az. 3 F 122/15 geführten Hauptsacheverfahren hat das Amtsgericht Torgau sodann – nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens (ausschließlich) zur Erziehungsfähigkeit der Mutter - mit Beschluss vom 9. Juni 2016 das gemeinsame Sorgerecht insgesamt aufgelöst und dieses unter Zurückweisung des gegenläufigen Antrages der Mutter dem Vater allein übertragen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Mutter leide an einer ausgeprägten Persönlichkeitsstörung, zeige ein äußerst hohes Maß an Egozentrik und verfüge über eine sehr gut ausgeprägte Manipulationsstrategie. Sie sei nicht ansatzweise in der Lage, sich in die Tochter einzufühlen und gerate schnell in Überforderung. Das Verhältnis der Eltern sei hochkonflikthaft. Es komme immer wieder zu ausgeprägten Streitigkeiten auch in Anwesenheit des Kindes.
Der Vater ist Anfang 2017 von N... nach F... (…) verzogen. S... besuchte weiterhin die Grundschule in T… . Seit September 2017 wurde S... zweimal wöchentlich wegen einer Anpassungsstörung psychotherapeutisch in F... behandelt. Von Sonntag bis Dienstag einer jeden Woche hielt sich S... bei den Großeltern mütterlicherseits auf. Den Schulwechsel nach B... hatte der Vater für das neue Schuljahr 2017/18 geplant. Im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens, das die Mutter gegen den Schulwechsel angestrengt hatte, einigte man sich auf einen fortgesetzten Schulbesuch in T… .
Im Juni 2017 hat die Mutter das hier zugrunde liegende sorgerechtliche Abänderungsverfahren und parallel dazu ein Umgangsabänderungsverfahren (Az. 20 F 76/17 des Amtsgerichts Bad Liebenwerda) eingeleitet. Ziel war und ist die Wiederherstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge bis auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das ihr allein übertragen werden solle das Umgangsverfahren zielte auf eine Ausweitung des Umgangs mit S.... Die Mutter hat geltend gemacht, nach einer dreimonatigen stationären Therapie bis Mitte April 2017 seien die behandelnden Therapeuten/Ärzte zu der Einschätzung gelangt, es liege aktuell keine krankheitswertige Persönlichkeitsstörung in der von der seinerzeit beauftragten Sachverständigen festgestellten Ausprägung vor. Sie setze – wie empfohlen – ihre Behandlung ambulant fort. Aus ihrer Sicht gebe es deshalb keine Gründe mehr, weshalb die – selbst einen Wechselwunsch und insbesondere (unstreitig) Ängste vor dem drohenden Schulwechsel formulierende - Tochter nicht bei ihr leben könne. Der Vater sei im Leben des Kindes, das keinen Anschluss in F... gefunden habe, kaum präsent; die Lebensgefährtin verhalte sich gegenüber der Tochter grob und beleidigend; es zeigten sich auch Mängel in der Gesundheitsversorgung S...s.
Der Vater ist dem Abänderungsantrag und den Vorhaltungen gegen seine Erziehungsfähigkeit im Einzelnen entgegen getreten. Er sieht die Beziehung zu seiner Tochter durch Manipulationsversuche der Mutter, die den Schulwechsel verhindert habe, gefährdet; er trat jeder Erweiterung des Umgangs strikt entgegen. Er bezweifelte eine hinreichende Stabilisierung der Mutter, die den Wechsel des Lebensmittelpunktes vorrangig aus egoistischen Motiven anstrebe. Eine gemeinsame Ausübung des Sorgerechts war für ihn nicht denkbar; zu einer Elternberatung war er nicht mehr bereit.
Das Jugendamt und der Verfahrensbeistand berichteten über offensichtliche Beeinflussungen des Kindes gegen die Mutter durch den Vater und seine Partnerin.
Das Amtsgericht hat - zugleich auch für das Umgangsverfahren - ein neues familienpsychologisches Gutachten bei der Dipl.-Psychologin T... in Auftrag gegeben, das diese im Mai 2018 vorgelegt hat. Für die abschließende Empfehlung betonte die Sachverständige das - biografisch begründete - besondere Bedürfnis S...s nach Stabilität und Kontinuität der Lebensbedingungen. Die psychische Gesundheit der Mutter sei trotz unverkennbarer, aber noch nicht hinreichend verfestigter Therapieerfolge langfristig ein starker Risikofaktor. Eine erneute Dekompensation der Mutter sei S... gegenüber keinesfalls vertretbar. Das wesentliche Risiko beim Verbleib beim Vater liege in dessen stark eingeschränkter Bindungstoleranz und der erheblichen Einflussnahme auf das Kind. S... würde vor die nicht zu bewältigende psychische Aufgabe gestellt, die Mutter weiter lieben zu wollen und gleichzeitig eine kühle Distanz zu ihr wahren zu müssen; das komme einer Kindeswohlgefährdung gleich. Zur Minimierung dieses Risikos sei eine Intensivierung der persönlichen Kontakte zur Mutter angezeigt, damit S... eigene Erfahrungen sammeln und diese eigenständig bewerten könne. Dringend nötig sei ein Bemühen der Erwachsenen aufeinander zuzugehen. Die Kommunikation der Eltern sei zwar entwicklungsbedürftig, aber grundsätzlich ausreichend, so dass die Wiederherstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge jenseits des Aufenthaltsbestimmungsrechts, die sich S... wünsche, möglich und zur Entlastung des Kindes zu empfehlen sei. Dem Vater solle aufgegeben werden, geeignete Leistungen der Hilfe zur Erziehung in Anspruch zu nehmen. Die Weiterführung der aktuellen kindeswohlabträglichen Familiensituation wurde von der Sachverständigen als äußerst brisant für die gesunde Entwicklung des Kindes eingeschätzt.
Mit Beschluss vom 12. September 2018 hat das Amtsgericht die Sorgerechtsanträge der Mutter abgewiesen und den Vater beauflagt, Beratungsangebote des Jugendamts zum Themenkreis „Kind im Blick“ in Anspruch zu nehmen und keinen Schulwechsel vor Rechtskraft der Entscheidung vorzunehmen. Das Gericht hat sich dabei an den gutachterlichen Einschätzungen orientiert und unter Berücksichtigung der Defizite und Ressourcen auf Seiten beider Eltern die geringere Gefährdung für das Wohl des Kindes bei einem Verbleib im väterlichen Haushalt gesehen, der durch die erteilten Auflagen begegnet werden solle. Die Voraussetzungen für eine gemeinsame elterliche Sorge lägen derzeit nicht vor; die Fronten hätten sich nach dem Anhörungstermin spürbar verhärtet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Mutter, die unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens an ihren Anträgen aus erster Instanz festhält und insbesondere der Risikoeinschätzung auf ihrer Seite mit näheren Ausführungen zu ihren Therapiebemühungen und –erfolgen entgegenzutreten sucht. Sie führt an, dass sie in ihren erweiterten Umgangszeiten auf Wunsch S...s wiederholt Begegnungen mit den Großeltern mütterlicherseits gestattet habe; das Verhältnis der Mutter zu ihren Eltern sei allerdings tatsächlich weiterhin erheblich gestört. Die Umgänge mit der Tochter gestalteten sich unproblematisch; es gebe keine Überforderung der Mutter; die bekannte Diskutierfreude des Kindes müsse allerdings gelegentlich mit klaren/strengen Ansagen begrenzt werden.
Der Vater verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung.
Die Eltern hatten in dem Umgangsverfahren im Oktober 2018 eine gerichtlich gebilligte Einigung dahin erzielt, dass die Mutter regelmäßigen 14-tägigen (erweiterten) Wochenendumgang hat, und zwar abwechselnd von Freitag bis Montag zum Schulbeginn und beim nächsten Mal von Freitag bis Mittwoch zum Schulbeginn; außerdem verständigte man sich auf eine Ferien- und Feiertagsregelung. Gleichfalls beginnend im Oktober 2018 haben die Eltern bei einem Umgangsbegleiter Beratungsgespräche aufgenommen und diese bis Herbst 2019 kontinuierlich wahrgenommen.
Im Sommer 2019 stand in Sa... der Wechsel S...s auf die weiterführende Schule an. Daraus entwickelte sich ein von der Mutter initiiertes einstweiliges Anordnungsverfahren, mit dem sie – anknüpfend an die Auflage aus der angefochtenen Entscheidung - für sich die sorgerechtliche Entscheidung für einen fortgesetzten Schulbesuch S...s (an einem Gymnasium) in T… zu erreichen suchte, während der Vater in Ausübung seines Sorgerechts das Kind zum neuen Schuljahr in einer Grundschule an seinem Wohnort angemeldet hatte. Dieses Verfahren endete beim Amtsgericht (Az. 21 F 224/19) und in der Folge dann auch beim erkennenden Senat (Az. 9 UF 185/19) damit, dass – dem in der Kindesanhörung bekundeten Wunsch auch S...s selbst folgend und mit Blick auf die von der Mutter gegen die Empfehlung der Schule favorisierte Aufnahme an einem Gymnasium - die Auflage eines fortgesetzten Schulbesuchs des Kindes in T… aus der hier angefochtenen sorgerechtlichenen Entscheidung aufgehoben worden ist. S... besucht seit August 2019 die … Grundschule in F....
Im hier zugrunde liegenden sorgerechtlichen Abänderungsverfahren hat der Senat eine Aktualisierung ihres familienpsychologischen Gutachtens bei der Sachverständigen T... in Auftrag gegeben, das diese im April dieses Jahres vorgelegt hat; die Sachverständige empfiehlt schlussendlich nunmehr einen Wechsel des Kindes in den mütterlichen Haushalt.
Die Mutter sieht sich in ihrer Position klar bestätigt. Das Jugendamt und der Verfahrensbeistand treten der gutachterlichen Einschätzung bei. Der Vater kann den empfohlenen Aufenthaltswechsel nicht nachvollziehen. Er betont die von der Sachverständigen angeführten Risikofaktoren im mütterlichen Bereich.
Der Senat hat im Anhörungstermin am 23. Juli 2020 alle Beteiligten eingehend angehört; die Sachverständige hat ihr schriftliches Gutachten ergänzend mündlich erläutert.
II.
Die Beschwerde der Mutter ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 FamFG statthaft und form- und fristgerecht gemäß §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2, 65 Abs. 1 FamFG eingelegt worden. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Die Voraussetzungen des § 1696 Abs. 1 BGB für die antragsgemäße Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts Torgau vom 9. Juni 2016 zum Sorgerecht für die heute 12 Jahre alte S... K... liegen vor. Nach dieser Vorschrift ist eine Sorgerechtsentscheidung zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist.
1.
Die Regelung in § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB entfaltet eine Stabilisierungsfunktion für gerichtlich angeordnete Sorge- und Umgangsverhältnisse, wobei vorliegend, da es sich um die Frage der Abänderung einer sorgerechtlichen Entscheidung handelt, der Anwendungsbereich des Sorgerechts betroffen ist. Die Vorschrift dient dem Schutz des Kindes wie auch des/der Sorgeberechtigten vor Verunsicherung und Infragestellung dieser Ordnung. Gegen eine Änderung sprechen regelmäßig das Kontinuitätsbedürfnis des Kindes sowie sein Interesse an einer Stabilität seiner Lebens- und Erziehungsbedingungen. Bei der Änderungsfrage gewinnt somit der Stabilitätsaspekt besonderes Gewicht dieses bildet den Maßstab, an dem konkrete Gesichtspunkte für eine Änderung zu messen sind. Jedoch können im Einzelfall aufgrund von Verschlechterungen auf Seiten des sorgeberechtigten oder Verbesserungen auf Seiten des nicht sorgeberechtigten Elternteils die Gründe für eine Änderung so schwerwiegend sein, dass das Kontinuitäts- und Stabilitätsbedürfnis dahinter zurückzutreten hat und ein Aufenthaltswechsel geboten ist. Hierbei ist das Kindeswohl maßgebliches Entscheidungskriterium, und zwar einerseits als grundlegende Eingriffslegitimation als auch als Entscheidungsmaßstab für Art und Umfang von Änderungen. Die vom Gesetz normierte Änderungshürde ist kein Selbstzweck, sondern nur Konkretisierung generell vermuteten Kindeswohls. Das individuelle Kindeswohl ist der ausschlaggebende Gesichtspunkt, so dass sich erhebliche Relativierungen der Änderungsschwelle ergeben. So wenig allerdings allein ein geäußertes Änderungsinteresse eines Kindes eine entsprechende Abänderungsentscheidung trägt ist umgekehrt ein Verbleibenswunsch des Kindes – wenn auch vor dem Hintergrund des besonders zu würdigenden Kontinuitätsinteresses - nur einer von mehreren Gesichtspunkten für den übergeordneten Entscheidungsmaßstab des Kindeswohls (vgl. dazu BGH FamRZ 2020, 252 - Rdnr. 8 und 14 bei juris - im Nachgang zu OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Oktober 2018, Az. 1 UF 263/17 – Rdnr. 34 ff. bei juris; Staudinger/Coester (2019), § 1696 BGB, Rdnr. 52 ff.).
2.
Im Streitfall ist nach den überzeugenden Feststellungen und Empfehlungen der Sachverständigen T... in ihrem aktualisierten Gutachten und den diesen folgenden Einschätzungen des Jugendamts und des Verfahrensbeistands die äußerliche Kontinuität der Lebensumstände S...s beim betreuenden Vater zu durchbrechen, weil sich die Lebens- und Entwicklungsbedingungen bei der Mutter für das Kind in seiner jetzigen Lebensphase als entscheidend besser darstellen.
Der Senat teilt nach eigener kritischer Würdigung die Feststellungen und daraus abgeleiteten Empfehlungen der Sachverständigen; die in diesem Verfahren vorgelegten schriftlichen Gutachten erfüllen die methodischen und inhaltlichen Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht der Arbeitsgruppe Familienrechtliche Gutachten 2019; die Sachkunde der Diplom-Psychologin T... ist nicht in Zweifel zu ziehen. Die Darstellung der Informationserhebung (aus psychodiagnostischen Interviews, testpsychologischen Untersuchungen, kriteriengeleiteten Interaktions- und Verhaltensbeobachtungen sowie themenzentrierten Gesprächen mit in die Familiengeschichte und Krankenhistorie der Mutter involvierten Personen und Institutionen) und der daraus abgeleiteten Befunde und Empfehlungen ist transparent und nachvollziehbar. Keiner der Beteiligten stellt die Verwertbarkeit des Gutachtens in Frage; dies gilt auch für den Vater, der mit einer eigenen abweichenden Risikoabwägung zwar die Schlussfolgerungen in dem aktualisierten Gutachten und vor allem die Empfehlung eines Aufenthaltswechsels der Tochter angreift, nicht aber die tatsächlichen Feststellungen der Sachverständigen.
2.1.
Die Sachverständige T... hat in ihrem Gutachten zur Überzeugung des Senats festgestellt, dass die – der gerichtlichen Sorgerechtsentscheidung aus dem Jahre 2016 entscheidend zugrunde liegende – psychische Störung der Mutter inzwischen kein Hinderungsgrund mehr ist für eine verantwortliche Ausübung des elterlichen Sorgerechts für die Tochter, die insbesondere auch die hauptverantwortliche Betreuung, Versorgung und Erziehung im Alltag der Tochter einschließt. Damit ist das nach allgemeiner Ansicht im Tatbestandsmerkmal der triftigen Gründe nach § 1696 Abs. 1 BGB enthaltene Erfordernis erfüllt, dass neue tatsächliche Umstände vorliegen müssen, die zu einer veränderten Beurteilung der Verhältnisse Anlass geben, weil allein eine abweichende Beurteilung bei ansonsten unveränderter Ausgangs- (Sach- und Rechts-)Lage den Anforderungen des § 1696 Abs. 1 BGB nicht genügt.
Die Mutter hat – beginnend mit der stationären Therapie im ersten Quartal des Jahres 2017, die sie beratungsgemäß gleichermaßen engagiert und konsequent ambulant fortgesetzt hat – eine deutliche Verbesserung im Sinne einer umfassenden Stabilisierung ihrer psychischen Konstitution bei gleichzeitiger Entwicklung von Verbindlichkeit in allen Lebensbereichen erreicht, die sie inzwischen hinreichend verlässlich unter Beweis gestellt, mithin tragfähig verstetigt hat. Sie lebt in einer festen Partnerschaft, die zwischenzeitlich in einer Eheschließung mündete; die Mutter hat sich den Herausforderungen einer beruflichen Ausbildung mit weiteren Qualifizierungsmaßnahmen gestellt und ist – wenn auch nicht in Vollzeit, allerdings in dem psychisch herausfordernden Feld der Altenpflege/des Sanitätsdienstes – berufstätig. Sie hat sich den damit einhergehenden persönlichen und beruflichen Belastungen bei gleichzeitig spürbarer Intensivierung der persönlichen Beziehung zu S... gewachsen gezeigt. Bereits mit Ende der stationären Therapie am 13. April 2017 wurde seitens des Fachkrankenhauses … attestiert, dass bei der Mutter eine deutliche Verbesserung ihrer Depressivität und Instabilität erreicht werden konnte und eine krankheitswertige Störung aktuell nicht mehr vorliegt. Die eigene Testung der Mutter durch die Sachverständige im Verfahren erster Instanz im Februar 2018 führte zu keinem anderen Ergebnis; es fanden sich keine Hinweise auf eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ in krankheitswertiger Ausprägung oder eine behandlungsbedürftige depressive Störung. In dem ergänzenden ärztlichen Attest vom 21. Juni 2018 wurde seitens der genannten Klinik darauf hingewiesen, dass „aus wissenschaftlicher Grundlage heraus konstatiert werden (kann), dass sich Rückfälle in depressive Symptomatiken oder psychische Krisen nach einem Jahr (nach … stationärer Behandlung) drastisch verringern“. Auch die ambulant weiter behandelnden Ärzte und Therapeuten fanden – bis März 2019 – keinerlei (krisenhafte) Symptomatik, sondern beobachteten eine sich verfestigende Stabilisierung. Eine Beziehungskrise haben die Mutter und ihr Ehemann erfolgreich überwunden; dies zeigt im Übrigen, dass die Mutter gelernt hat, möglichen Krisen offensiv zu begegnen und sich dabei fachlicher Unterstützung zu versichern, um nachteilige Auswirkungen auf die Lebensführung möglichst gering zu halten. Es gibt im weiteren Verlauf und anhaltend bis heute keinerlei tragfähige Hinweise auf ein konkretes Rückfallgeschehen. Die Mutter hat damit Ausdauer und Durchhaltevermögen, eine kontinuierliche Einhaltung von Alltagsstrukturen, soziale Kompetenz und Beziehungsfähigkeit wie auch Konfliktfähigkeit nachhaltig unter Beweis gestellt. Das Rückfallrisiko wird – fachärztlich und psychologisch – nicht negiert, aber als äußerst gering eingeschätzt. Dieser Beurteilung folgend kann erwartet werden, dass die mütterlicherseits gewonnene Stabilitiät in allen Lebensbereichen – auch durch das geschaffene sozial-familäre und therapeutische Umfeld - auch Belastungen aushält, ohne dass es zu einer neuerlichen Dekompensation kommt. Aus der zeitlichen Begrenzung der Schweigepflichtsentbindung für die Zeit bis März 2019 (allein) lässt sich tragfähig kein anderer Schluss ziehen. Dieses Restrisiko erscheint jedenfalls nicht signifikant größer als das allgemeine Lebensrisiko einer psychischen Krise, vor dem auch der – seinerseits familiär und beruflich sichtbar belastete und seinem Ruhebedürfnis wiederholt Ausdruck verleihenden - Vater nicht gefeit ist (dessen Bereitschaft zur Inanspruchnahme fach(ärzt)licher Unterstützung im Bedarfsfalle - wie noch auszuführen sein wird - zumindest in Zweifel zu ziehen ist).
Nach alledem stellt die psychische Konstitution der Mutter keinen erheblichen Risikofaktor für die Betreuung, Versorgung und Erziehung der 12-jährigen Tochter mehr dar.
2.2.
Allein diese wesentlich veränderten Umstände in der Person der Mutter rechtfertigen indes die begehrte Sorgerechtsänderung noch nicht, weil damit das in § 1696 Abs. 1 BGB besonders hervorgehobene generelle und im Streitfall zudem biografisch besonders begründete Bedürfnis S...s nach Kontinuität und Stabilität ihrer Lebens- und Erziehungsbedingungen nicht tauglich in Frage gestellt ist.
S... lebt seit April 2015 im väterlichen Haushalt, zunächst in T…, seit Anfang 2017 in F.... Zum väterlichen Haushalt gehört die Partnerin des Vaters, zu der S... eine gute, von Vertrauen und Respekt getragene Beziehung hat und die sich (den übereinstimmenden Angaben des Vaters und S... zufolge) aufgrund beruflicher Eingespanntheit des Vaters im Alltag überwiegend um S... kümmert. S... liebt das im Sommer vergangenen Jahres hinzugetretene Halbgeschwisterkind; Eifersüchteleien oder das Gefühl, zurückgesetzt zu werden, sind bei S... nicht zu erheben. Die (auch) wegen des zunächst fortgesetzten Schulbesuchs in T… regelmäßigen (Übernachtungs-)Umgänge bei den Großeltern mütterlicherseits wurden spürbar zurückgefahren; der gute persönliche Kontakt zu S... allerdings besteht fort. In die Schule in F... hat sich S... (die dem ursprünglich schon für Sommer 2018 geplanten Schulwechsel noch mit Ängsten begegnet war) gut eingelebt. Sie pflegt – auch nach der ihren Bekundungen dem Senat gegenüber von ihr selbst ausgehenden Beendigung ihrer lange Zeit geliebten sportlichen Betätigung bei den Tanzmäusen – vielfältige soziale Beziehungen; sie berichtet über eine erste Schwärmerei für einen Klassenkameraden, zu dem sie sich besonders hingezogen fühlt. Der Alltag im väterlichen Haushalt ist verlässlich strukturiert; Veränderungen dieser Umgebungssituation plant der Vater nicht.
Aus alledem folgt, dass mit einem Verbleib beim Vater die für S... grundsätzlich wichtige Erziehungs-, Umgebungs- und Sozialkontinuität gewährleistet werden kann.
2.3.
Diese Kontinuität der äußeren Lebensbedingungen beinhaltet allerdings zugleich auch die Verstetigung der – entwicklungsschädlichen – Übertragung der ebenso ausschließlich wie unverändert von Abwertung gegenüber der Mutter geprägten Einstellung des Vaters auf das Kind, die bereits im Verfahren erster Instanz als starker Risikofaktor für das Wohl des Kindes beschrieben worden war. Der Vater macht seit jeher allein die Mutter für die innerfamiliären Brüche und das – über Generationen hinweg, also die Großeltern mütterlicherseits einschließend – massiv gestörte Familiensystem verantwortlich. Er nimmt die Mutter als egoistischen Zielen folgenden Störfaktor wahr und kann nicht anerkennen, dass diese im Leben S...s eine wesentliche Bedeutung hat. Das Engagement der Mutter in allen Angelegenheiten der gemeinsamen Tochter ist ihm sichtlich lästig; der Vater ist nicht bereit, die erheblichen Veränderungen der Mutter in ihrer psychischen und Alltags-Stabilität anzuerkennen. Diese grundlegend von Abwehr und Abwertung geprägte Haltung des Vaters, die die Sachverständige T... sowohl in ihrem Ausgangsgutachten als auch in ihrer Aktualisierung auf selbst erhobene Äußerungen des Vaters und geschilderte Beobachtungen Dritter (hier insbesondere der Elternberaterin) stützt, vermittelt sich spürbar auf S..., deren Loyalitätsdruck im direkten Zusammensein mit dem Vater weiterhin besonders stark ausgeprägt ist. Die Sachverständige hat nachvollziehbar dargestellt, dass sich das Kind offensichtlich unausgesprochen aufgefordert fühlt, die Vorteile des Vaters herauszustellen und gleichzeitig eine Vielzahl von Beispielen für das (vemeintliche) Versagen der Mutter anzuführen, wobei S... während dieser Schilderungen sehr genau verfolgt, wie diese Darstellung auf den Vater wirkt. Ihrem - von den übernommenen abwertenden Äußerungen stark abweichenden – eigenen Erleben der Mutter-Tochter-Beziehung kann S... nicht frei von Zwängen Ausdruck verleihen.
Die seelische Not des in diesem schädigenden Loyalitätskonflikt gefangenen Kindes und seinen Beitrag durch die jahrelange starke Einflussnahme konnte und kann der Vater nicht (an-)erkennen. Ihm fehlen sowohl Einsicht in die Notwendigkeit einer eigenen Verhaltensänderung insoweit als auch jede Veränderungsbereitschaft. Er hat – gegen die erstinstanzlich erteilte Auflage zur wirksamen Bearbeitung seines schädigenden Einflusses auf S... – keinerlei Anstrengungen unternommen, sein Verhalten mit geeigneter fachlicher Unterstützung kritisch zu reflektieren und zu korrigieren. Der Verbleib beim Vater war und ist deshalb mit der für S... nicht zu bewältigenden psychischen Aufgabe verbunden, die Mutter weiter lieben zu wollen und gleichzeitig eine kühle Distanz zu ihr wahren zu müssen. Das Risiko für die weitere Entwicklung des Kindes liegt – so führt die Sachverständige gut nachvollziehbar aus – darin, dass sich S... in Bezug auf ihre Rollenvorbilder und mögliche Identifikationen mit beiden Eltern nur eingeschränkt entwickeln kann, weil der – vom Vater aufrechterhaltene Loyalitätskonflikt für psychische Unfreiheit sorgt. Ein solcher Loyalitätsdruck nach Elterntrennung birgt darüber hinaus ein langfristiges Risiko für eine (spätere) Entwicklung psychischer Störungen, da er nachhaltig die Bindungsqualität zu beiden Elternteilen beeinträchtigt und Kinder bei der Auflage, sich emotional gegen einen Elternteil zu stellen, immer auch einen Teil von sich selbst ablehnen müssen. Diese Kinder nehmen auf lange Sicht die psychische Erfahrung mit, im Konflikt zwischen den Eltern instrumentalisiert und in ihren Bedürfnissen nicht ausreichend wahrgenommen worden zu sein.
Bei dieser Sachlage verliert der der Änderungsschwelle in § 1696 Abs. 1 BGB zugrunde liegende Stabilitätsaspekt an Bedeutung, während andere Aspekte des Kindeswohls an Gewicht gewinnen. Dabei sind insbesondere auch die spezifischen Bedürfnisse der am Beginn der pubertären Entwicklung stehenden 12-jährigen S... in den Blick zu nehmen.
2.4
Mit Beginn der Pubertät treten kindliche Aspekte der Persönlichkeit gegenüber denjenigen einer Jugendlichen zunehmend in den Hintergrund. Bedeutsam bleiben für das Kind gleichwohl eine überschaubare Umwelt, kontinuierliche Abläufe bzw. weitgehend kontrollierbare Umstände, weil die entwicklungsgemäß zunehmende Autonomie eine sichere Basis braucht, auf deren Grundlage S... Zutrauen entwickeln kann, sich mehr aus der Herkunftsfamilie heraus, an Gleichaltrigen oder Gleichgesinnten (peergroup) oder anderen Vorbildern zu orientieren. Mit beginnendem und zunehmendem Ablöseverhalten ist zu erwarten, dass sich die – an endlosen Diskussionen - bereits jetzt erkennbare Tendenz des Kindes zur Auslotung von Grenzen weiter ausprägen und vielleicht sogar in aggressiv getönte Auseinandersetzungen mündet. Die Sachverständige leitet daraus überzeugend das Erfordernis einer engen Begleitung der Tochter und ein Halt gebendes, konsequentes Erziehungsverhalten der Eltern ab, das die Eroberung eigener Räume durch das Kind gleichwohl zulässt. Hierfür ist es wichtig, so die Sachverständige weiter, dass die Eltern die psychische und soziale Stabilität S...s im Blick haben und feinfühlig die jeweils angemessene Reaktion auf S...s Verhalten und auch Souveränität gegenüber möglichen begleitenden Abwertungen des Kindes im Rahmen seiner Autonomiebestrebungen zu zeigen.
In der Begleitung und Unterstützung S...s in dieser Lebensphase sieht die Sachverständige – plausibel und überzeugend begründet – spürbare Vorteile auf Seiten der Mutter, die sie auf ein größeres Einfühlungsvermögen in die Bedürfnisse des Kindes, ein Mehr an erzieherischem Engagement und eine ausgeprägtere Bindungstoleranz stützt. Aus der Sicht S...s ist die Mutter bereits jetzt erste Ansprechpartnerin in spezifisch pubertären Fragen (etwa für die bevorstehende Menstruation, sexualkundliche Fragestellungen oder für die Beziehungsgestaltung zu ihrem Freund …, „weil Mama von Beziehungen Ahnung habe, ihr „alles mit Jungs“ gut erklären und ihr helfen könne“).
Die Erhebungen der Sachverständigen tragen die Einschätzung, dass die Mutter eine differenzierte Sicht auf das Kind hat, dessen seelische Nöte eher erkennt und feinfühliger auf Verhaltensweisen und Bedürfnisse des Kindes reagiert und im Kontakt mit S... in erzieherischen Situationen vergleichsweise eindeutiger und bestimmter agiert als der Vater und dem Diskussionsstreben des Kindes in angemessener Weise begegnet und dieses (anders als der Vater) zeitnah beendet. Sie verfolgt die Entwicklung des Kindes engagiert(er) und sucht aktiv den Austausch mit dem Vater.
Dieser wiederum zeigt sich in seiner Beschreibung zur Entwicklung des Kindes wenig differenziert, begegnet dem Durchsetzungsstreben seiner Tochter eher langmütig und gewährend, wird in der Förderung des Kindes, seinem erzieherischen Engagement und der Gestaltung der Beziehung auf der Elternebene eher als zurückhaltend bis passiv beschrieben. Dies gilt auch für die Verfolgung der – bisher allerdings tatsächlich erfolgreich verlaufenden - schulischen Laufbahn des Kindes, in der er eher auf Eigenverantwortung S...s setzt, während die Mutter auch insoweit aktive Förderung betreibt. (Zumindest) In der Begutachtung zeigte sich eine Fokussierung auf eigene Wünsche und die Alltagsanforderungen, eine spürbare Betonung seines Ruhebedürfnisses (die auch im Rahmen der Elternberatung zutage trat) und wenig Interesse an einer Reflektion seiner Situation als Vater oder der Situation des Kindes.
Die Sachverständige verschweigt dabei nicht, dass das Engagement der Mutter in Angelegenheiten der Tochter auch Schwächen ihrer Erziehungsfähigkeit zutage treten lässt. Beispielhaft sei hier zu nennen das von ihr thematisierte (vermeintliche) Übergewicht des Kindes oder die Gefahr eines zu großen Leistungsdrucks in Bezug auf die Schullaufbahn S...s, die allerdings in der Gesamtabwägung keine erhebliche Bedeutung gewinnen, zumal der Mutter eher zuzutrauen ist, die entsprechenden Hinweise aus dem Gutachten aufzunehmen und ihr Verhalten selbstkritisch zu reflektieren.
(Auch) In der Bindungstoleranz sieht die Sachverständige einen Vorrang der Mutter. Richtig ist, dass der Vater den gerichtlich geregelten bzw. mit gerichtlicher Billigung vereinbarten Umgang zwischen S... und ihrer Mutter gewährt hat und es insoweit auch verschiedentlich (wenn auch nach teils langwierigen und auf beiden Seiten von Misstrauen und Sorge vor Benachteilung begleiteten Verhandlungen) zu einvernehmlichen Änderungen gekommen ist. Von einer Umgangsverweigerung seitens des Vaters kann daher keine Rede sein. Es bleibt gleichwohl die – im Ereignishorizont des Kindes verankerte und schon lange nicht mehr sachlich begründbare - Beharrung auf seiner grundlegenden Abwertung der Mutter, die sich als konkretes Entwicklungsrisiko für S... darstellt und seine Bindungstoleranz gravierend einschränkt (vgl. oben).
Für eine vergleichbare Beeinflussung des Kindes gegen den Vater durch die Mutter gibt es keine belastbaren Hinweise. Die Mutter musste im Übrigen zwar ihrerseits ihre Bindungstoleranz bisher nicht unter Beweis stellen. Es gibt aber keine tragfähigen Anknüpfungstatsachen für die Annahme, die Mutter werde im Falle des Aufenthaltswechsels die Beziehungs- und Kontaktgestaltung der Tochter zum Vater beeinträchtigen. Immerhin hat die Mutter trotz anhaltender persönlicher Distanz zu ihren eigenen Eltern in ihren Umgangszeiten auch Kontakte S...s zu ihren geliebten Großeltern ermöglicht.
Während also die Aufrechterhaltung der Erziehungs- und Umgebungskontinuität im väterlichen Haushalt mit dem schwer wiegenden Makel einer kindeswohlschädigenden Störung der psychischen Gesundheit des Kindes aufgrund des vom Vater anhaltend ausgehenden Loyalitätsdrucks behaftet ist, steht mit der Mutter eine Person zur Verfügung, die die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes weitreichend und besser zu unterstützen vermag. Hier bietet sich dem Kind die Chance im Kontext der Familie eine stabile Beziehungsbasis zu erleben, die Bindung an beide Elternteile als primäre Bezugspersonen erlaubt und größeren Spielraum für die innere emotionale Bandbreite und Differenzierungen ermöglicht und damit zugleich Freiräume für die im Zentrum des Jugendalters stehende Verselbständigung, zunehmende Selbststeuerung und Identifikationsfindung schafft. Bietet aber der Aufenthaltswechsel für das Kind die besseren Lebens- und Entwicklungsbedingungen, dann ist auch nach Maßgabe von § 1696 Abs. 1 BGB die Durchbrechung des Kontinuitätsinteresses gerechtfertigt.
2.5
Die Bindungs- und Beziehungsgestaltung zwischen den Elternteilen und anderen Bezugspersonen und S... und insbesondere auch der Wille des Kindes stehen der sorgerechtlichen Änderung hinsichtlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht entgegen.
a)
Beide Eltern sind für S... die wesentlichen Bezugspersonen; beide Eltern lieben das Kind und sind ihm emotional zugewandt. Die Beziehung des Kindes sowohl zum Vater wie auch zur Mutter ist grundlegend positiv. Die wiederholt von S... verbalisierte Abwertung und kritische Distanz zur Mutter findet in den Verhaltens- und Interaktionsbeobachtungen keinen Niederschlag. S...s Beziehung zur Mutter hat nach Ausweitung des Umgangs im Herbst 2018 weiter an Nähe und Stabilität gewonnen; nach den Verhaltens- und Interaktionsbeobachtungen ist S... im persönlichen Kontakt mit der Mutter authentisch und selbstverständlich. Zwischen Mutter und Tochter ist eine tragfähige Vertrauensbasis entstanden. Dies zeigt sich etwa darin, dass die Mutter in wichtigen Themenkreisen inzwischen erster Ansprechpartner für das Kind ist und S... gegenüber der Mutter – unter Hintanstellung von Befürchtungen – durchaus Kritik anbringen kann, etwa hinsichtlich eigener Wünsche zur Freizeitgestaltung in der Umgangszeit.
Die Beziehung S...s zu ihrer Halbschwester ist gleichfalls positiv; das Kind fühlt sich durch deren Existenz im väterlichen Haushalt nicht zurückgesetzt. Die große Altersdifferenz und der Umstand, dass die (Halb-)Geschwister keine gemeinsame streitige Familienbiografie haben, die bei Trennungskindern in der Regel erhebliches Unterstützungspotenzial hat, führt dazu, dass diese – auch im Falle der Platzierung bei der Mutter über die Umgangskontakte zu erhaltende - Beziehung für die hier zu treffende Entscheidung kein ausschlaggebendes Gewicht erlangt.
Ähnliches gilt für die biografisch für S... wichtige Beziehung zu den Großeltern mütterlicherseits, die sowohl der Vater als auch die am gleichen Ort wohnhafte Mutter trotz der anhaltenden persönlichen Differenzen auf Erwachsenenebene erhalten kann und wird.
b)
Richtig ist, dass seit Verfahrenseinleitung im Sommer 2017 kein aktiver Wunsch des Kindes nach einem Wechsel in den mütterlichen Haushalt zu erheben war, sondern sich S...s Willensäußerungen zum Lebensmittelpunkt im gesamten Verfahren ganz überwiegend auf den väterlichen Haushalt richten und diese zur Verstärkung dieser Haltung – sowohl gegenüber der Sachverständigen als auch gegenüber dem erkennenden Senat – demonstrativ und teilweise mit theatralischem Pathos vorgetragen werden („Sie sei ja eigentlich nicht gläubig, werde aber jetzt jeden Abend darum beten, dass sie bei Papa bleiben könne“ „wenn sie nicht beim Vater wohnen bleiben könnte, würde sie in tausend Stücke zerfallen“; wenn sie bei Mama wohnen wüsste, wäre das für sie „der Weltuntergang“). Die Willensäußerungen des Kindes stützen daher vordergründig den Vorrang des Stabilisierungsinteresses, der in § 1696 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommt.
Da familiengerichtliche Entscheidungen maßgeblichen Einfluss auf das künftige Leben eines Kindes nehmen und es damit unmittelbar betroffen wird, ist das Kind bei jeder Entscheidung eines Familiengerichts in seiner Individualität und mit seinem Willen einzubeziehen. Dieser Gesichtspunkt gewinnt mit zunehmendem Alter und zunehmender Einsichtsfähigkeit des Kindes an Bedeutung, denn nur so kann sich das Kind zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Person entwickeln. Der Kindeswille ist zum einen Ausdruck seiner inneren Verbundenheit mit einem Elternteil, somit also Indiz für seine innere Bindung zu diesem Elternteil; andererseits kann der Wille aber auch einen Akt der Selbstbestimmung darstellen. Zu den Mindestanforderungen an einen beachtlichen Kindeswillen gehören die Zielorientierung, die Intensität, die Stabilität und die Autonomie des Willens und seiner Bekundung. Dabei bedeutet das Erfordernis der Autonomie, dass der Wille des Kindes Ausdruck der individuellen, selbst initiierten Bestrebungen und somit quasi ein Baustein zur Selbstwerdung des Kindes, zur Bestätigung seines Subjektseins und Beweis sein soll für die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen des Kindes, wobei dies nicht ausschließt, dass auch Fremdeinflüsse an der Formierung des Willens beteiligt waren. Waren Fremdeinflüsse an der Formierung des Willens beteiligt, so kann der Wille dann nicht als Akt der Selbstbestimmung respektiert werden, wenn sich der Kindeswille nur als projizierter Elternwille, also eigentlich als Ausdruck von Fremdbestimmung darstellt der selbst induzierte Kindeswille kann aber auch allein deshalb zu beachten sein, weil er sich jedenfalls als eine zu respektierende, psychische Lebenswirklichkeit darstellt (vgl. (Dettenborn/Walter, Familienrechtspsychologie, 3. Aufl., S. 83 f.). Ist der Kindeswille eher weniger Ausdruck bewusster Selbstbestimmung, jedoch auf Grund einer solchen psychischen Lebenswirklichkeit zu beachten, so kann er im Verhältnis zu den übrigen Kindeswohlkriterien im Einzelfall weniger stark gewichtet werden, zumal im Rahmen der Prüfung von Abänderungsvoraussetzungen gemäß § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Im Streitfall ist also zu fragen, ob ein nach vorstehend angeführten Kriterien zu beachtender Beharrungswille S...s den mit der Verlagerung des Lebensmittelpunktes zu erwartenden deutlichen Verbesserungen ihrer Lebens- und Entwicklungsperspektiven entgegensteht. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Die Sachverständige hat – schon in ihrem Ausgangsgutachten aus Mai 2018 und erneut in der aktualisierten Ergänzung aus April 2020 – überzeugend herausgearbeitet, dass die Willensäußerungen des Kindes nicht stabil, intensiv und noch weniger autonom entwickelt worden, sondern Ergebnis der mehrjährigen starken Involvierung des Kindes und der direkten und mittelbaren Einflussnahme auf das Kind durch die Erwachsenen, insbesondere das auf die Mutter bezogene Ausgrenzungs- und Abwertungsverhalten des Vaters sind, der aus seiner Erwartung, dass S... zusammenbrechen würde, wenn sie zur Mutter müsste, weiterhin keinen Hehl macht.
Schon im Verfahren erster Instanz hatte S... – konfrontiert mit der Möglichkeit der Verlagerung des Lebensmittelpunktes zur Mutter – auch erklärt, dies zwar nicht gut zu finden, aber akzeptieren zu können. In der ergänzenden Begutachtung zeigt sich, dass S... – gespeist aus zunehmend eigenen Erfahrungen aus der intensivierten Beziehungsgestaltung zur Mutter – erkennbar an innerem Freiraum gewinnt und eher in der Lage ist, eigene Überlegungen und Abwägungen zur Frage ihres künftigen Lebensmittelpunktes anzustellen, auch wenn diese Freiheit in der Willenshaltung in Anwesenheit und unter dem Loyalitätsdruck des Vaters sichtlich schwindet. So hat S... im Erstgespräch mit der Sachverständigen (in der Schule am 19. Dezember 2019) – nach ausdrücklicher Positionierung für einen Verbleib beim Vater – für den Fall angeordneten Wechsels zugestanden, dass es ihr auch nicht richtig schwer fallen würde, sich bei der Mutter einzuleben. Sie wäre dann „vielleicht (…) erst etwas entsetzt“, dies vor allem aber, „weil der Vater das nicht schön finden würde“ und sie befürchte, dass der Vater ihren Weggang nicht verkraften würde, traurig werde und darüber vielleicht nicht hinwegkommen könne. Der Wunsch nach Verbleib beim Vater ist also eher nicht von einem eigenen inneren Antrieb getragen, sondern folgt vorrangig der Bedürfnislage des Vaters. Noch deutlicher wurde die Ambivalenz ihrer Willenshaltung, als S... – unmittelbar nach einem überstandenen Konflikt über die Freizeitgestaltung während des Umgangs im mütterlichen Haushalt – die Sachverständige zur Seite genommen und ihr zum künftigen Lebensmittelpunkt anvertraut hat: „Ich will Ihnen nämlich sagen, dass ich beides nicht schlecht finde. Ich möchte eigentlich bei Papa wohnen, aber wenn Sie meinen, ich solle bei Mama wohnen, ist das auch in Ordnung und ich werde mich hier einleben. Das soll auch das Gericht wissen; es wäre in Ordnung bei Mama, ich würde mich hier auch einleben.“ Die Sachverständige ordnet diese Äußerungen S...s als „offensichtlich intrinsisch motiviert“ ein. Neben der Sachverständigen hat auch die S... (über einen langen Zeitraum) behandelnde Psychotherapeutin neben einer deutlichen Tendenz, beim Vater leben zu wollen, auch Anteile feststellen können, die Raum für einen Lebensmittelpunkt des Kindes bei der Mutter geben. Zu dieser zunehmend differenzierten Betrachtung wird auch der Umstand beigetragen haben, dass sich der Vater im Frühsommer 2019 ernsthaft mit dem Gedanken getragen hatte, einer Verlagerung des Lebensmittelpunktes der Tochter zur Mutter zuzustimmen und dem Kind diese Absicht auch vermittelt hat, die sich deshalb gedanklich damit befasst hat.
Der teilweise mit übertriebener Theatralik vorgetragene Verbleibenswunsch S...s ist danach erkennbar weniger Ausdruck der emotional engeren Bindung an den Vater, sondern Ergebnis dessen starker Beeinflussungs- und Instrumentalisierungstendenzen, den S... mit dem Gewinn innerer Freiheit durchaus selbst in Frage zu stellen willens und in der Lage ist, der also gerade nicht zu einer psychischen Lebenswirklichkeit geworden ist und deshalb – unabhängig von der Art und Weise der Entstehung – für die hier zu treffende sorgerechtliche Entscheidung zu respektieren wäre. Da die Willenshaltung S...s nicht Ausdruck kindlicher Selbstbestimmung ist, kommt dieser in der Gesamtabwägung mit den vorstehend erörterten übrigen Aspekten der Kindeswohlprüfung kein entscheidungserhebliches Gewicht bei.
2.6
Der Senat verkennt nicht, dass die Sachverständige für den Fall der Bestimmung des Lebensmittelpunkts des Kindes bei der Mutter trotz der erwarteten besseren Entwicklungs- und Lebensbedingungen am neuen Wohnort in der beschriebenen Bindungsintoleranz des Vaters auch einen Risikofaktor für das Kind sieht, wenn der Vater – was angesichts der fehlenden Einsicht in den Loyalitätsdruck der Tochter zu erwarten ist - sich gegen seine elterliche Verantwortung dem Kind gegenüber nicht dazu durchringen kann, S... die authentische Erlaubnis für den neuen Lebensmittelpunkt bei der Mutter zu geben, und dadurch Schuldgefühle des Kindes ihm gegenüber evozieren würde.
Die Sachverständige hat aber – auch das ist nachvollziehbar – eine Vielzahl von Faktoren angeführt, die dieses Risiko als beherrschbar erscheinen lassen. So verfügt das Kind erkennbar über eine natürliche psychische Resilienz, die sie gegen die unkritische Einvernahme durch den Vater schützt. Außerdem ist zu erwarten, dass die Mutter etwaigen Anpassungsschwierigkeiten des Kindes feinfühlig begegnet und die für das Kind wichtige Beziehungsgestaltung zum Vater unterstützt. Der Übergang vom väterlichen in den mütterlichen Haushalt wird im Übrigen dadurch erleichtert, dass die Mutter zugesagt hat, dass S... die insgesamt 6-jährige Grundschulzeit in F... wird beenden können. Das Kind könnte dadurch – so die Sachverständige weiter – die Früchte ihrer eindrucksvollen Anpassungsleistung nach dem erst im Sommer 2019 vollzogenen Schulwechsel nach B... ernten und mit ihren gleichaltrigen Bezugspersonen diesen ersten Schulabschnitt regulär beenden. Die Herausforderungen einer Umschulung nach Sa... nähmen sich mit Blick auf den dann auch in B... anstehenden Wechsel auf die weiterführende Schule mit entsprechenden Brüchen in der sozialen Kontinuität zu gegebener Zeit weniger schwer wiegend aus. Im Übrigen unterhält S... im Ergebnis ihrer mehrjährigen Schulzeit in T… und dem deutlich erweiterten Wochenendumgang der Mutter durchgehend soziale Kontakte auch an deren Wohnort, an die sie zwanglos anknüpfen kann. Der zugesagte fortgesetzte Schulbesuch in F... ermöglicht es darüber hinaus, das derzeit praktizierte Umgangsmodell auf die Kontaktgestaltung zwischen Vater und Tochter zu übertragen und den anstehenden Wechsel gleitend zu gestalten. Der Senat betont, dass er – anders als das Amtsgericht und nicht zuletzt aufgrund der entsprechenden Zusage der Mutter – keinen hinreichend tragfähigen Anhaltspunkt hat, dass diese von der Sachverständigen und dieser folgend auch von dem Verfahrensbeistand hervorgehobenen wichtigen Begleitumstände für den befürworteten Aufenthaltswechsel von der Mutter nicht eingehalten werden und die hier zu treffende Entscheidung insoweit mit einer entsprechenden Auflage zu versehen ist. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen des § 1666 BGB liegen nicht vor. Der Zusage der Mutter kommt – jenseits des Umstandes, dass die wiederhergestellte gemeinsame elterliche Sorge insoweit einer Alleinentscheidungsbefugnis des betreuenden Elternteils ohnehin entgegensteht – aber jedenfalls eine Bindungswirkung bei, die nicht ohne Weiteres auszuhebeln sein wird.
In der Gesamtabwägung der Vor- und Nachteile der erstrebten Änderung stellt sich nach alledem aufgrund der deutlich besseren Lebens- und Entwicklungschancen des Kindes im mütterlichen Haushalt der Aufenthaltswechsel als spürbar vorteilhafter dar, so dass der mit dem Makel psychischer Unfreiheit des Kindes behaftete Aspekt der Erziehungs- und Umgebungskontinuität im väterlichen Haushalt zurückzutreten hat.
Folglich war in Abänderung der sorgerechtlichen Entscheidung des Amtsgerichts Torgau vom 9. Juni 2016 der Mutter allein das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S... zu übertragen.
3.
Jenseits des Aufenthaltsbestimmungsrechts war – gleichfalls in Abänderung der vorgenannten Ausgangsentscheidung – antragsgemäß die gemeinsame elterliche Sorge wiederherzustellen.
Der Senat folgt auch insoweit den überzeugenden Einschätzungen der Sachverständigen, die dies empfohlen hat. Zwar nötigt der Aufenthaltswechsel des Kindes nicht zugleich auch zu der Wiederherstellung der Beteiligung der nun hauptverantwortlich die Betreuung, Versorgung und Erziehung des Kindes übernehmenden Mutter am elterlichen Sorgerecht. Die (erneute) Begründung gemeinsamer elterlicher Sorge für alle Bereiche jenseits des Aufenthaltsbestimmungsrechts stellt sich allerdings für S... als deutlich vorteilhafter dar als der Fortbestand alleiniger Sorge des Vaters insoweit. Zum einen liegt darin für das Kind ein sichtbares Signal für die Gleichrangigkeit beider Elternteile, die S... emotional ohnehin wahrnimmt. Außerdem sind im Begutachtungsprozess spürbare Unterschiede in der erzieherischen Haltung beider Elternteile zutage getreten. Während die Mutter – etwa in gesundheitlichen oder schulischen Angelegenheiten - offensiver vorgeht und hier eher Handlungsbedarf sieht, agiert der Vater eher zurückhaltender und vertraut sehr auf eine Selbständigkeitsentwicklung des Kindes. Beide Erziehungsstile haben für die 12-jährige S... Vor- und Nachteile. In wichtigen Angelegenheiten des Kindes erscheint es bei dieser Ausgangslage – die nicht für Trennungskinder typisch, sondern auch in intakten Familien vorzufinden ist – besser, wenn beide Eltern in gemeinsamer Verantwortung ihre Sachargumente austauschen und um die im Einzelfall für das Kind beste Lösung „ringen“.
Der Senat verkennt nicht, dass die Kommunikations- und Kooperationsbasis der Eltern weiterhin mit Schwierigkeiten behaftet ist. Durchgreifende Hinderungsgründe für die gemeinsame Ausübung elterlicher Sorge bestehen aber nicht. Die Sachverständige hat im Ergebnis ihrer Erhebungen und gründend tragfähig insbesondere auch auf die Einschätzung der mit der Elternberatung befassten Frau Br… festgestellt, dass die Eltern zwischenzeitlich Strategien entwickelt hätten, sich in Angelegenheiten des Kindes auszutauschen und – wenn auch weiterhin gelegentlich mühsam – zu gemeinsam getragenen Lösungen zu gelangen. Sicherlich ist es wünschenswert, dass beide Eltern insoweit weiterhin an sich arbeiten, die Mutter also ihren gelegentlich zu fordernden und insistierenden Kommunikationsstil überdenkt und der Vater seinerseits weniger passiv und mit Gleichgültigkeit auf Gesprächsinitiativen der Mutter reagiert. Die von beiden Eltern als wesentlicher Hinderungsgrund für eine weitere Verbesserung ihrer sozialen Basis in Bezug auf Angelegenheiten der gemeinsamen Tochter angegebene Unsicherheiten in Bezug auf den künftigen Lebensmittelpunkt und Schulbesuch der Tochter ist jedenfalls mit der hier ergangenen Entscheidung beseitigt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 40 Abs. 1, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.