Gericht | VG Potsdam 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 09.03.2018 | |
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Aktenzeichen | VG 8 M 4/18 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2018:0309.8M4.18.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 28 Abs 1 VwVG BB, § 3 Abs 2 VwZG, § 31 Abs 1 S 1 VwVG BB |
Die Hinweispflicht nach § 31 Abs. 1 Satz 1 VwVGBbg auf die Zulässigkeit der Ersatzzwangshaft wird nicht durch einen fehlerhaften Hinweis der Behörde erfüllt, sie könne bei Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes (selbst) die Ersatzzwangshaft anordnen.
1. Der Antrag auf Anordnung von Ersatzzwangshaft vom 23. Januar 2018 wird abgelehnt.
Die Vollstreckungsgläubigerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 400 € festgesetzt.
I. Die Vollstreckungsgläubigerin beantragt die Anordnung der Ersatzzwangshaft gegen den Vollstreckungsschuldner, weil dieser der Aufforderung, einen Personalausweis zu beantragen, nicht Folge geleistet habe und die daraufhin festgesetzten Zwangsgelder von 150 € und 250 € nicht hätten beigetrieben werden können. Der Vollstreckungsschuldner hat sich weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren geäußert.
II. Der Antrag ist abzulehnen, weil die verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Ersatzzwangshaft nicht erfüllt sind.
1. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg (VwVGBbg) kann das Verwaltungsgericht auf Antrag der Vollstreckungsbehörde die Ersatzzwangshaft nach Anhörung des Vollstreckungsschuldners anordnen, wenn das zuvor festgesetzte Zwangsgeld uneinbringlich ist und bei Androhung des Zwangsgeldes oder nachträglich spätestens einen Monat vor Antragstellung auf die Zulässigkeit der Ersatzzwangshaft hingewiesen worden ist.
a) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es fehlt bereits an dem formalen Erfordernis des vorherigen Hinweises auf die Ersatzzwangshaft. Allerdings findet sich sowohl im ersten Zwangsgeldfestsetzungsbescheid vom 2. Januar 2017 als auch im zweiten Festsetzungsbescheid vom 30. März 2017 der Hinweis, „…dass ich anstelle des Zwangsgeldes Ersatzzwangshaft nach § 31 Abs. 1 VwVG Bbg anordnen kann“. Dieser Hinweis ist unrichtig, weil er als zur Anordnung von Ersatzzwangshaft befugte Stelle die Behörde anstatt des Verwaltungsgerichts benennt. Ein solcher unrichtiger Hinweis wird den Anforderungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 VwVGBbg nicht gerecht. Die Vorschrift stellt eine Schutzbestimmung zu Gunsten des Schuldners dar (vgl. OVG Weimar, Beschluss vom 7. Mai 2015 - 3 VO 515/13 -, juris, zu der insoweit inhaltsgleichen Regelung in § 49 Abs. 1 ThürVwZVG; OVG Münster, Beschluss vom 20. April 2012 - 13 E 64/12 -, juris, Rz. 48, zu § 61 Abs. 1 VwVG NRW). Sie soll dem Schuldner verdeutlichen, dass bei Erschöpfung aller Zwangsmittel unter dem Vorbehalt richterlicher Anordnung die Möglichkeit besteht, das behördliche Vollstreckungsverfahren ersatzweise durch Ersatzzwangshaft fortführen zu können (OVG Weimar, a.a.O.). Angesichts der einschneidenden Freiheitsbeschränkungen, die mit der Anordnung von Ersatzzwangshaft einhergehen, muss der Hinweis, um seiner Schutzfunktion zu Gunsten des Schuldners gerecht werden zu können, inhaltlich richtig sein. Ist das - wie hier - nicht der Fall, ist die gerichtliche Anordnung von Ersatzzwangshaft ausgeschlossen (offen gelassen von OVG Weimar, a.a.O.; vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 2. April 2009 - 20 E 210/09 -, juris, Rz. 2).
b) Darüber hinaus fehlt es auch deswegen an den Voraussetzungen für die Anordnung der Ersatzzwangshaft, weil die der Vollstreckung zu Grunde liegende Grundverfügung nicht, wie erforderlich, unanfechtbar oder sofort vollziehbar ist (vgl. Sadler, Verwaltungsvollstreckungsgesetz/Verwaltungszustellungsgesetz, 9. Aufl. 2014, Rz. 19 zu § 16 VwVG). Die mit der Androhung des ersten Zwangsgeldes von 150 € verbundene Aufforderung vom 24. Juni 2016, einen Personalausweis zu beantragen, ist dem Vollstreckungsschuldner nicht wirksam zugestellt und damit mangels Bekanntgabe nicht wirksam geworden.
Nach den gemäß § 1 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes für das Land Brandenburg (BbgVwZG) entsprechend anwendbaren Bestimmungen des Verwaltungszustellungsgesetzes des Bundes (VwZG) ist in der Zustellungsurkunde, wenn sich die Behörde für die Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde (§ 3 VwZG) entschieden hat, die Angabe des Aktenzeichens des zugestellten Schreibens in der Zustellungsurkunde erforderlich. Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 VwZG i.V.m. der Anlage 1 zu § 1 Nr. 1 der Zustellungsvordruckverordnung (vgl. Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, 11. Aufl. 2017, Rz. 8 zu § 3 VwZG). Dadurch soll die Identifizierung der zugestellten Sendung und damit der Nachweis ihrer Zustellung gewährleistet werden (vgl. hierzu OVG Bautzen, Beschluss vom 5. September 2000 - 1 BS 226/00 -, juris, Rz. 7; vgl. auch BFH, Urteil vom 18. März 2004 - V R 11/02 - BFHE 205, 501 = juris, Rz. 13). Dazu ist erforderlich, dass sowohl das zuzustellende Schriftstück als auch die Postzustellungsurkunde jeweils dasselbe Aktenzeichen angeben (vgl. Sadler, a.a.O., Rz. 18 zu § 3 VwZG in Bezug auf die Zustellungsurkunde und den zugehörigen Briefumschlag).
Daran fehlt es hier, da das im Verwaltungsvorgang der Vollstreckungsgläubigerin befindliche Belegexemplar der Grundverfügung vom 24. Januar 2016 das Aktenzeichen „32.33pae“ ausweist, während als Aktenzeichen in der entsprechenden Zustellungsurkunde „ZWG 32.33“ angegeben ist. Das reicht angesichts der Formstrenge, die die Regelungen des Verwaltungszustellungsgesetzes über die förmliche Zustellung auszeichnen (BFH, Urteil vom 16. März 2000 - III R 19/99 -, juris, Rz. 15) nicht aus, um eine wirksame Zustellung nachzuweisen. Abweichende Aktenzeichen finden sich im Übrigen auch hinsichtlich des ersten Zwangsgeldfestsetzungsbescheides vom 2. Januar 2017 („32.33pae“) und der Zustellungsurkunde („32.33pae zwg“) sowie des zweiten Festsetzungsbescheides vom 30. März 2017 („32.33schö“) und der diesbezüglichen Zustellungsurkunde („32.33“).
Abgesehen davon bedarf es für eine wirksame Zustellung der Angabe eines Aktenzeichens, das das zuzustellende Schriftstück eindeutig identifiziert. Hierzu reicht das Aktenzeichen, unter dem ein gesamter Vorgang mit potentiell zahlreichen zuzustellenden Schriftstücken zusammengefasst ist, grundsätzlich nicht aus (OVG Bautzen, a.a.O., Rz. 7; BFH, Urteil vom 12. Januar 1990 - VI R 137/86 -, BFHE 160, 103 = juris, Rz. 17 zur Steuernummer). Verwendet die Behörde, wie hier die Vollstreckungsgläubigerin, für einen Vorgang ein einheitliches Aktenzeichen („32.33“ mit Kürzel des Bearbeiters), so ist zur näheren Identifizierung eines zuzustellenden Schriftstücks eine beschreibende Eintragung unter Nr. 1.2 der Zustellungsurkunde („Ggf. weitere Kennz.“) erforderlich; auch dem werden die Grundverfügung und die Zwangsgeldfestsetzungen hier nicht gerecht.
Der Zustellungsmangel ist schließlich nicht geheilt. Nach § 8 VwZG gilt ein Dokument, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Vollstreckungsschuldner hat sich im gerichtlichen wie im vorgerichtlichen Verfahren jeder Äußerung enthalten, insbesondere keine Erklärungen dazu abgegeben, wann ihn die in Rede stehenden Bescheide erreicht hätten. Andere Umstände, aus denen sich deren Zugang und der jeweilige Zeitpunkt sicher entnehmen lassen könnten, sind nicht ersichtlich.
2. Ohne dass es für die tenorierte Antragsablehnung noch darauf ankäme, weist die Kammer darauf hin, dass die in den Festsetzungsbescheiden vom 2. Januar 2017 und 30. März 2017 jeweils zugleich verfügten weiteren Zwangsgeldandrohungen fehlerhaft sind. Die weiteren Androhungen sind, obwohl es sich hierbei um Regelungsgegenstände der Bescheide handelt, nicht in den jeweiligen Bescheidtenor aufgenommen, sondern finden sich ohne jegliche Heraushebung im Begründungstext des Bescheides, sind also gewissermaßen im Fließtext „versteckt“. Darüber hinaus sind die Zwangsgeldandrohungen entgegen § 28 Abs. 1 Satz 2 VwVGBbg jeweils nicht mit einer Fristbestimmung versehen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG), wobei die zur Vollstreckung festgesetzten Zwangsgelder in Höhe von gesamt 400 € zu Grunde gelegt worden sind (vgl. Nr. 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 31. Mai/1. Juni 2012 sowie der am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen; abgedruckt in der Beilage 2 zur NVwZ 2013, S. 58 ff.).