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Entscheidung 12 Kls 2/19


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 2. Große Strafkammer Entscheidungsdatum 16.10.2019
Aktenzeichen 12 Kls 2/19 ECLI ECLI:DE:LGNEURU:2019:1016.12KLS2.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Angeklagte wird wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, sowie tatmehrheitlich wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung der Geldstrafen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Neuruppin vom 04.10.2018 - 80 Cs 430/18 -, vom 18.12.2018 - 84 Cs 324/18 - und vom 20.03.2019 - 81.1 Cs 33/19 - nach Auflösung der mit rechtskräftigem Beschluss desselben Gerichts vom 19.06.2019 gebildeten Gesamtgeldstrafe zu einer

Gesamtfreiheitsstrafe von 2 - zwei - Jahren

verurteilt.

Die in den Strafbefehlen vom 04.10.2018 und 18.12.2018 angeordneten Maßnahmen (Anordnung einer Sperrfrist und Einziehung eines Reizstoffsprühgeräts) bleiben aufrecht erhalten.

Des Weiteren wird der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen sowie in zwei weiteren Fällen wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung, tatmehrheitlich hierzu wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie wegen siebenfacher Überlassung von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch durch eine Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren, davon zweimal in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, zu einer weiteren

Gesamtfreiheitsstrafe von 4 - vier - Jahren

verurteilt.

Im Übrigen wird der Angeklagte freigesprochen.

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, soweit er verurteilt wurde; soweit er freigesprochen wurde, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Der Angeklagte hat ferner die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zu tragen.

Angewandte Vorschriften: §§ 29a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BtMG, § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, §§ 176 Abs. 1, 176a Abs. 2 Nr. 1, 177 Abs. 1, 5 und 9, 223, 241, 52, 53, 55 StGB.

Gründe

I.

Feststellungen zur Person

Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 22 Jahre alte Angeklagte wuchs in Tschetschenien in einer vollständigen Familie auf. Er ist das älteste Kind seiner Eltern, die sechs Söhne und eine Tochter haben. Der Angeklagte wurde in seiner Heimat altersgerecht eingeschult und besuchte dort die Schule sieben Jahre lang. Im Jahr 2012, als der Angeklagte 15 Jahre alt war, floh sein Vater mit ihm und einem Bruder aus Tschetschenien nach Polen, weil der Vater, der bei den staatlichen Sicherheitskräften als Wachschutz in einem staatlichen Funkwerk gearbeitet hatte, kriegsbedingte Verfolgung befürchtete. In Polen warteten der Vater und die beiden Söhne auf die Mutter und die jüngeren Geschwister, die zunächst in Tschetschenien verblieben waren. Im Sommer 2014 reiste die gesamte Familie nach Deutschland ein und wurde anschließend behördlicherseits in Wittstock unter der im Rubrum aufgeführten Wohnanschrift untergebracht. In Wittstock besuchte der damals 17-jährige Angeklagte einen dreimonatigen Deutschkurs. Er verfügt mittlerweile über gute Deutschkenntnisse. Anfang des Jahres 2018 arbeitete er drei Monate in einem Dönerrestaurant in .... Fortan war er ohne Beschäftigung. In seiner Freizeit betrieb er Kraftsport, Boxen und Selbstverteidigung. Ernsthafte Bemühungen um einen Ausbildungsplatz bzw. Arbeit entfaltete er bislang trotz Unterstützungsangeboten staatlicher Stellen nicht. Bis zu seiner Inhaftierung in vorliegender Sache bezog er - wie seine Familie auch - Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Er ist aktuell ausreisepflichtig. Seine Duldung lief am 31.03.2019 ab. Der Angeklagte ist seit Anfang 2019 nach islamischem Recht mit einer Tschetschenin verheiratet, die von ihm ein Kind erwartet. Er bezieht nach eigenen Angaben aktuell Taschengeld von 200,-- € bis 300,-- € in der Vollzugsanstalt.

Strafrechtlich ist Angeklagte bisher wie folgt in Erscheinung getreten:

1. Am 28.10.2014 sah die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg - 721 Js 16240/14 - in einem gegen ihn wegen unerlaubter Einreise, vermeintliche Tatzeit 07.07.2014, geführten Verfahren von der Verfolgung nach § 45 Abs. 1 JGG ab.

2. Am 21.12.2015 sah die Staatsanwaltschaft Neuruppin - 359 Js 35719/15 - in einem gegen ihn wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz, vermeintliche Tatzeit 26.09.2015, geführten Verfahren von der Verfolgung nach § 45 Abs. 1 JGG ab.

3. Am 08.02.2017 sah die Staatsanwaltschaft Neuruppin - 372 Js 3269/17 - in einem wegen Körperverletzung, vermeintliche Tatzeit 10.10.2016, gegen ihn geführten Verfahren von der Verfolgung nach § 45 Abs. 1 JGG ab.

4. Am 10.08.2018, rechtskräftig seit dem 18.08.2018, verurteilte ihn das Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Neuruppin - 81 Ls 1/18 - nach dreitägiger Hauptverhandlung wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sechs weiteren Fällen, wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung, Diebstahls geringwertiger Sachen und Hausfriedensbruchs, Tatzeitraum von Juli 2016 bis Dezember 2017, zu einer Einheitsjugendstrafe von zehn Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dabei war das Gericht entgegen dem Votum der Jugendgerichtshilfe von Reifeverzögerungen ausgegangen. Die Strafaussetzung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 14.01.2019 (81 BRs 2/18), rechtskräftig seit dem 09.02.2019 widerrufen, weil der Angeklagte weder Kontakt zu Bewährungshilfe aufgenommen noch mit der Erfüllung der auferlegten Arbeitsstunden begonnen hatte.

5. Am 04.10.2018, rechtskräftig seit dem 14.11.2018, ahndete das Amtsgericht Neuruppin im Strafbefehlsverfahren (80 Cs 430/18) ein vom Angeklagten begangenes vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15.-- € und verhängte eine Sperrfrist für die Erteilung der Fahrerlaubnis von sechs Monaten. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Angeklagte befuhr am 24.02.2018 gegen 12:10 Uhr mit einem fahrerlaubnispflichtigen Personenkraftwagen der Marke Opel, Kennzeichen ..., unter anderem die Hauptstraße in .... Er war zum Führen des Fahrzeugs – wie ihm bekannt war – nicht berechtigt, weil er zum Zeitpunkt der Tat die erforderliche Fahrerlaubnis nicht besaß. Durch sein Verhalten hat er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.

6. Am 18.12.2018, rechtskräftig seit dem 29.01.2019, ahndete das Amtsgericht Neuruppin im Strafbefehlsverfahren (84 Cs 324/18) ein vom Angeklagten verwirklichtes unerlaubtes Führen eines Reizstoffsprühgerätes mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15,- € und zog das sichergestellte Reizstoffsprühgerät ein. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Angeklagte wurde am 14.08.2018 in der ...straße in ... gegen 21:50 Uhr einer polizeilichen Personenkontrolle unterzogen. In diesem Zusammenhang stellten die Polizeibeamten ... und ... fest, dass er in seiner Jackentasche ein Reizstoffsprühgerät aus russischer Herstellung mit sich führte, welches nicht über die in der Bundesrepublik Deutschland erforderlichen Prüfzeichen verfügte.

7. Am 20.03.2019, rechtskräftig seit dem 01.06.2019, ahndete das Amtsgericht Neuruppin im Strafbefehlsverfahren (81.1 Cs 33/19) ein vom Angeklagten in Tateinheit mit Steuerhinterziehung begangenen Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,- €. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Angeklagte gestattete, dass der gesondert Verfolgte ... am 21.10.2017 gegen 13:05 Uhr mit dem ihm gehörenden unversteuerten und nicht haftpflichtversicherten Personenkraftwagen der Marke VW Golf, ohne Kennzeichen, unter anderem die ...straße befuhr. Dem Angeklagten war bekannt, dass der nach dem Gesetz erforderliche Haftpflichtversicherungsvertrag nicht bestand. Er ließ die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuererhebliche Tatsachen in Unkenntnis, wodurch wissentlich Steuern für das genutzte Fahrzeug verkürzt wurden.

Mit Beschluss vom 19.06.2019, rechtskräftig seit dem 22.08.2019, führte das Amtsgericht Neuruppin die Einzelgeldstrafen aus den Strafbefehlen vom 04.10.2018 und 18.12.2018 nachträglich auf eine Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 15,-- € unter Aufrechterhaltung der Nebenentscheidungen zurück. Keine der Geldstrafen hat der Angeklagte bislang beglichen.

Der Angeklagte ist in vorliegender Sache am 06.03.2019 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Neuruppin vom 01.03.2019 – 89 Gs 303/19 – festgenommen worden und bis zum 21.03.2019 in Untersuchungshaft gewesen. Seit dem 22.03.2019 verbüßt er die Jugendstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 10.08.2018.

II.

Feststellungen zur Sache

1. (Anklageschrift vom 03.04.2019, 379 Js 12126/19)

An einem nicht mehr genau bestimmbaren Tag in der Zeit vom 01.09. bis zum 07.09.2017 gegen 12 Uhr mittags behauptete der seinerzeit 20 Jahre alte Angeklagte gegenüber seiner damaligen, zierlich gebauten Freundin ... in der Wohnung deren Mutter, Frau ..., im ... Weg in ..., dass ein ihm und seinen Brüdern gehörender alter Pkw Audi, welchen sie am ... Ortsausgang in Richtung ... am Ende einer Abzweigung vom ... Weg am Rand einer Wiese fern der Ortsbebauung abgestellt hatten, in Brand geraten sei. Er überredete die seinerzeit sechzehnjährige ..., das angeblich brennende Fahrzeug mit ihm gemeinsam anzuschauen, weil er sie an dem abgelegenen und einsamen Ort ungestört misshandeln wollte. Unmittelbar nachdem die beiden nach einem Fußweg den Standort des Autos erreicht hatten und ... bemerkt hatte, dass das Fahrzeug nicht brannte, beschimpfte der Angeklagte sie und brachte sie gewaltsam zu Boden. Dann schlug er ihr mehrfach ins Gesicht und in den Bauch, so dass sie erhebliche Schmerzen erlitt. Unter weiteren Beschimpfungen und Schlägen schubste er sie auf den Beifahrersitz des alten Audis und fesselte ihre Hände, indem er diese mit einem von ihm mitgeführten kleinen Seil oder Schnürsenkel zusammenband. Anschließend nahm der Angeklagte das Mobiltelefon von ... an sich, mit dem er sie filmte, wobei er sie weiter anschrie. Er zerrte sie dann auf die Rückbank des Autos, dessen Türen nicht verschlossen waren, holte ein Feuerzeug hervor und drohte - die Situation weiterhin filmend - damit, es in den Fahrzeugtank zu schmeißen.

... hatte nunmehr Todesangst und versuchte in ihrer verzweifelten Lage, den Angeklagten mit der Äußerung zu beruhigen, dass er doch ein Kind von ihr möchte und sie das auch wolle. Sie wies auch auf ihren schwer erkrankten Hund hin, zu dem sie unbedingt zurückwolle. Der Angeklagte löste die Fesselung, legte sich neben das Fahrzeug rücklings auf den Rasen und forderte ... auf, mit ihm den Geschlechtsverkehr auszuüben, was sie auch tat, nachdem sie mit der Hand an dem entblößten Penis des Angeklagten bis zur Erektion manipuliert hatte. Es konnte indes nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte den entgegenstehenden Willen seiner Freundin beim Geschlechtsverkehr erkannt hat. Der Angeklagte löschte im Anschluss das von ihm zuvor gefertigte Video auf dem Handy von ... und gab es ihr zurück. Beide gingen dann zur Wohnung ihrer Mutter zurück, welcher ... unmittelbar, nachdem der Angeklagte die Wohnung verlassen hatte, von den durch ihn begangenen Misshandlungen berichtete, allerdings den Geschlechtsverkehr unerwähnt ließ.

2. (Anklageschrift vom 14.09.2018, 3424 Js 27265/18)

Der Angeklagte befuhr am 22.02.2018 gegen 16:25 Uhr mit einem Pkw Opel Corsa mit dem amtlichen Kennzeichen ... unter anderem die Dorfstraße in ..., einem Ortsteil von .... Er hatte zu diesem Zeitpunkt keine Fahrerlaubnis und war daher zum Führen des Fahrzeugs nicht berechtigt, was ihm auch bewusst war.

3. (Anklageschrift vom 15.11.2018, 3412 Js 33828/18)

Am 06.06.2018 kurz vor 17:00 Uhr beobachtete der Angeklagte im ... Einkaufszentrum „...“ aus einer Entfernung von etwa 20 Metern, wie eine ihm bis dato nicht näher bekannte vierköpfige Familie, die Eheleute ... und ihre beiden Kinder im Kindergartenalter, auf dem Hauptflur des Centers zum Ausgang in Richtung Parkplatz schlenderte und dabei auf Höhe einer flurmittig platzierten Sitzbank einer vollverschleierten Frau nahe kam, als diese beim Überholen den Weg der Familie kreuzte. Obwohl sich ... völlig angemessen verhalten und auch auf ein Anzischen der vollverschleierten Frau nicht reagiert hatten, rannte der Angeklagte von hinten auf ... zu und sprang überraschend in dessen Rücken, so dass dieser nach vorne geschleudert wurde und zu Boden fiel und dabei noch seinen Sohn mitriss. ..., der mit einem Angriff überhaupt nicht gerechnet hatte, prallte mit dem Kopf auf den Fliesenboden auf. Er war kurz bewusstlos und erlitt Prellungen im Schulterbereich sowie ein großes schmerzendes Hämatom an der Stirn. Sein Sohn erlitt eine leichte, nicht behandlungsbedürftige Prellung des Ellenbogens. Der Junge und seine Schwester begannen zu weinen ob des Vorfalls. Frau ... gelang es unterdessen, den aufgebrachten Angeklagten, der weiter auf ihren wehrlos am Boden liegenden Ehemann einwirken wollte, von diesem fernzuhalten, indem sie ihm den Weg verstellte und nicht vorbeitreten ließ. Auf ihre Ankündigung, jetzt sofort die Polizei zu holen, erwiderte der Angeklagte, dass sie das machen solle und verließ kurz danach ruhigen Schrittes das Gebäude in die Richtung, aus welcher er ursprünglich gekommen war. Herr ... wurde im Anschluss mit dem Rettungswagen in die Notfallambulanz der ... Kliniken gebracht und dort ärztlich behandelt. Nach einer bildgebenden Untersuchung konnte er am selben Abend nach Hause zurückkehren. Die noch einige Tage schmerzenden Verletzungen heilten folgenlos aus.

4. (Anklageschrift vom 20.12.2018, 3424 Js 36412/18)

Der Angeklagte befuhr am 17.10.2018 gegen 22:45 Uhr mit einem Pkw Renault, an dem die amtlichen Kennzeichen ... angebracht waren, unter anderem die ... Chaussee in .... Er hatte zu diesem Zeitpunkt keine Fahrerlaubnis und war daher zum Führen des Fahrzeugs nicht berechtigt, was ihm auch bewusst war.

5. - 7. (Fälle 5. - 7. der Anklageschrift vom 20.05.2019, 358 Js 8029/19)

Im Zeitraum von Mitte/Ende Oktober 2018 bis Ende Februar 2019 brachte der Angeklagte in ... an mindestens drei unterschiedlichen, nicht mehr genau bestimmbaren Tagen dem am 27.04.2001 geborenen und damit seinerzeit noch 17 Jahre alten ... jeweils mindestens ein Gramm wirkstoffhaltiges Cannabiskraut (Marihuana) für den gemeinsamen Konsum mit. Der Angeklagte und der gesondert Verfolgte ..., der sich gelegentlich an den Kosten für das Marihuana beteiligte, rauchten an diesen Tagen jeweils unmittelbar anschließend gemeinsam entweder im Freien oder in der vom Angeklagten genutzten Wohnung in der ... in ... einen Joint, wobei möglicherweise auch andere Personen zugegen waren, die ebenfalls von dem Joint konsumierten. Der Angeklagte nahm zumindest billigend in Kauf, dass Zeuge ... jeweils noch minderjährig war, als er ihm die Betäubungsmittel überließ.

8. (Fall 1. der Anklageschrift vom 20.05.2019, 358 Js 8029/19)

Der Angeklagte beauftragte in der von ihm zeitweilig zum Aufenthalt genutzten Wohnung in der ... in ... an einem nicht mehr genau bestimmbaren Tag Anfang Januar 2019 anlässlich seines Geburtstages am 03.01.2019 den am 31.12.2003 geborenen ... damit, für mindestens 5 Euro Amphetamin bei einem unbekannt gebliebenen Dritten zu besorgen und übergab hierfür mindestens 5 Euro an den gesondert Verfolgten .... Nachdem der damals 15jährige ... bei dem unbekannt gebliebenen Dritten Amphetamin gekauft hatte, erschien er mit diesem Amphetamin wieder in der Wohnung in der ... in ..., in der sich neben dem Angeklagten noch der am 17.02.2004 geborene ..., dessen damalige, noch 16jährige Freundin ..., sowie deren Freundin, die 12jährige ..., aufhielten. Der Angeklagte konsumierte nunmehr das von ... mitgebrachte Amphetamin und überließ hiervon auch dem damals 14jährigen ... und dem ... eine gewisse Menge zum unmittelbaren Verbrauch vor Ort, welche diese auch jeweils konsumierten. Dem Angeklagten war das jeweilige tatsächliche Alter von ... und ... hierbei bekannt. ... und ... konsumierten an diesem Tag keine Betäubungsmittel und ihnen wurden solche an diesem Tag auch nicht angeboten.

9. (Fall 4. der Anklageschrift vom 20.05.2019, 358 Js 8029/19)

An einem nicht mehr genau bestimmbaren Tag Mitte Januar 2019 hielt sich der Angeklagte gemeinsam mit ..., ... und dessen Freundin ..., geboren am 05.04.2002, in der ebenfalls in der ...raße in ... gelegenen Wohnung der gesondert Verfolgten ... auf. Der Angeklagte holte von ihm mitgeführtes Marihuana hervor und baute damit einen Joint, den er selbst rauchte und an den damals 14jährigen ... und die 16jährige ...weitergab. Beide zogen jeweils mehrfach an dem Joint, während ... an diesem Tag nicht konsumierte. Der Angeklagte stellte ... und ... den Joint zur Verfügung, obwohl er das Alter der beiden Jugendlichen kannte.

10. (Fall 2. der Anklageschrift vom 20.05.2019, 358 Js 8029/19)

An einem nicht mehr genau bestimmbaren Tag in der ersten Februarhälfte 2019 übergab der Angeklagte in der von ihm genutzten Wohnung in der ...straße 67 in ... der am 24.01.2002 geborenen ... einen Joint, den er mit mindestens einem Gramm Marihuana hergestellt hatte. Die Zeugin rauchte den Joint unmittelbar im Anschluss, woraufhin sie Panikattacken und Herzrasen bekam. Dem Angeklagten war bekannt, dass ... zum Tatzeitpunkt erst 17 Jahre alt war.

11. (Fall 3. der Anklageschrift vom 20.05.2019, 358 Js 8029/19)

An einem nicht mehr genau bestimmbaren Tag in der ersten Februarhälfe 2019, wenige Tage nach der Tat zu 10., offerierte der Angeklagte in der von ihm genutzten Wohnung in der ...straße 67 in ... der am 29.08.2006 geborenen ..., deren Alter er kannte, einen mit Marihuana hergestellten Joint. Die 12 Jahre alte ... tat anschließend so, als ziehe sie an dem Joint, atmete dabei jedoch nicht ein.

12. (Fall 1. der Anklageschrift vom 02.04.2019, 379 Js 7954/19)

Der Angeklagte lernte die am 29.08.2006 geborene Nebenklägerin ... im Dezember 2018 über die gemeinsame Bekannte ... kennen, die ihrerseits damals schon mit dem - mit dem Angeklagten befreundeten - ... liiert war. ... gab seinerzeit ihr tatsächliches Alter zunächst nicht bekannt, sondern behauptete, 13 Jahre alt zu sein. Allerdings offenbarte ... noch im Dezember 2018 dem Angeklagten im Beisein von ..., dass diese erst 12 Jahre alt ist. Der Angeklagte wusste nunmehr, wie alt ... tatsächlich ist, hatte aber gleichwohl - in Kenntnis einer damit verbundenen Strafbarkeit - Interesse daran, mit ... sexuell zu verkehren. Er gab ihr gegenüber vor, erst 16 Jahre alt zu sein, und traf sie regelmäßig, wobei zunächst noch meistens auch ... und ... zugegen waren.

An einem der drei Tage zwischen dem 09.01.2019 und dem 11.01.2019 hielten sich der Angeklagte, ... und ... mit der Nebenklägerin in der Wohnung deren Mutter in ..., ...3, auf. Nachdem ... und ... die Wohnung verlassen hatten, legte sich der Angeklagte mit ... in deren Kinderzimmer auf das Bett und küsste das Mädchen. Der Angeklagte begann, ... auszuziehen, worauf diese zunächst äußerte, dass sie dies nicht wolle, da sie erst 12 Jahre alt sei. Der Angeklagte unterbrach daraufhin kurz das Entkleiden der Geschädigten, setzte dieses dann aber mit der Bemerkung fort, sie solle ihm vertrauen. Als ... nur noch einen BH anhatte, zog sich der Angeklagte ebenfalls aus. Dann entnahm er ein rotes Kondom aus seinem Portemonnaie, streifte es über seinen Penis, legte sich auf die in Rückenlage befindliche ... und vollzog, nachdem er bereits einen Finger in deren Scheide eingeführt hatte, mit ihr den vaginalen Geschlechtsverkehr, der für das Mädchen der erste Geschlechtsverkehr und mit Schmerzen verbunden war.

13. – 14. (Fälle 2 – 3. der Anklageschrift vom 02.04.2019, 379 Js 7954/19)

An mindestens zwei weiteren Tagen im Zeitraum nach der Tat zu 12. bis Anfang Februar 2019 vollzog der Angeklagte in einem Zimmer der von ihm genutzten Wohnung in der ...straße auf einer Matratze mit der Nebenklägerin den vaginalen Geschlechtsverkehr. Dabei benutzte er jeweils kein Kondom und hatte einen Samenerguss. Im betreffenden Zeitraum machte ... mehrere Schwangerschaftstests, die entweder vom Angeklagten oder von ... bezahlt wurden, wobei der Angeklagte in diesem Zusammenhang gegenüber der Nebenklägerin äußerte, sie müsse im Falle einer Schwangerschaft eine Abtreibung vornehmen lassen, da sie noch zu jung für ein Kind sei.

15. (Fall 5. der Anklageschrift vom 02.04.2019, 379 Js 7954/19)

An einem weiteren Tag im Zeitraum nach der Tat zu 12. bis Anfang Februar 2019 forderte der Angeklagte die Nebenklägerin in einem Zimmer der von ihm genutzten Wohnung in der ...straße auf, mit der Hand an seinem Penis zu manipulieren. Er erklärte ihr, dass sie die Hand rauf und runter bewegen solle. ... umfasste daraufhin kurz den erigierten Penis des Angeklagten, allerdings ohne ihre Hand dabei zu bewegen.

16. (Fall 6. der Anklageschrift vom 02.04.2019, 379 Js 7954/19)

An einem nicht mehr genau bestimmbaren Tag im Zeitraum vom 10.02.2019 bis zum 14.02.2019 geriet die Nebenklägerin mit dem Angeklagten in Streit, weil er allein nach Polen fahren und die Nebenklägerin den Grund dafür erfahren wollte. Der Angeklagte wollte die Auseinandersetzung dadurch beenden, dass er das Mädchen immer wieder zu küssen versuchte. Dabei zog er ... mehrfach zu sich heran, obwohl er bemerkte, dass sie dies nicht wollte und sich wehrte, indem sie sich gegen die Festhaltegriffe stemmte. Er umklammerte sie dann und saugte wiederholt mit seinem Mund an der linken Halsseite der sich dagegen sträubenden ..., so dass dadurch zwei direkt übereinander liegende, jeweils circa 2x3cm große Hautunterblutungen, sogenannte „Knutschflecke“, entstanden. Dem Angeklagten war bewusst, dass ... mit diesem Verhalten von ihm nicht einverstanden war.

Am Abend des 21.02.2019 informierte ...X über das soziale Netzwerk „Instagram“ Frau ..., die Mutter der Nebenklägerin, darüber, dass es zwischen dem Angeklagten und ihrer Freundin ... wiederholt zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr gekommen war und gab als Grund für diese Nachricht an, dass ihre Freundin zu jung dafür sei und sie - die Zeugin ... - ihr ganzes Taschengeld für mehrere Schwangerschaftstests für ... habe ausgeben müssen. Frau ... erstattete daraufhin am 22.02.2019 eine Strafanzeige gegen den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs ihrer Tochter.

III.

Beweiswürdigung

1. Zur Person

Die getroffenen Feststellungen zum Lebenslauf des Angeklagten beruhen auf den Angaben der Jugendgerichtshilfe, die der Angeklagte glaubhaft als richtig wiedergegeben bestätigt hat.

Die Feststellungen zu den Vorbelastungen des Angeklagten hat die Kammer auf Grundlage der in der Hauptverhandlung verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentral- und Erziehungsregister vom 05.07.2019 und des im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführten (und noch nicht im vorgenannten Auszug enthaltenen) Gesamtstrafenbeschlusses des Amtsgerichts Neuruppin vom 19.06.2019 getroffen. Soweit bezüglich der gegen den Angeklagten erlassenen Strafbefehle die zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen referiert worden sind, hat die Kammer diese den im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführten entsprechenden Strafbefehlen entnommen. Ebenfalls im Selbstleseverfahren sind das Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 10.08.2018 und dessen Widerrufsentscheidung eingeführt worden.

2. Zur Sache

Zu den Tatvorwürfen hat sich der Angeklagte weder in der Hauptverhandlung noch zuvor eingelassen. Die getroffenen Feststellungen stehen indessen aufgrund der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise und deren Würdigung zur sicheren Überzeugung der Kammer fest:

2.1. Tat zu II.1. (zum Nachteil der Zeugin ...)

2.1.1. Schilderung der Zeugin ...

Die Zeugin ... hat bekundet, dass sie mit dem Angeklagten von Dezember 2016 bis Mai 2018 eine Beziehung geführt habe, die anfangs noch harmonisch verlaufen sei. In den letzten Monaten der Beziehung sei sie nur noch aus Angst vor den Folgen einer Trennung mit ihm zusammen gewesen, er sei teilweise sehr agressiv geworden und habe gedroht, dass ein Ende der Beziehung für sie unangenehme Folgen haben werde. Anfang September 2017, kurz bevor ihr Hund am 08.09.2017 verstorben sei, habe der Angeklagte sie in ... besucht, wo sie mit ihrer Mutter gewohnt habe. Er habe gesagt, dass sein Bruder ihm auf seinem Mobiltelefon geschrieben habe, dass der alte Audi brenne, den er und sein Bruder gekauft und auf einer Wiese am Ortsausgang abgestellt hätten. Er habe sie überredet, zu dem brennenden Auto mitzukommen, obwohl sie eigentlich ihren sehr kranken Hund nicht habe verlassen wollen. Auf dem Weg sei er hektisch gewesen und habe sich ihr gegenüber seltsam benommen. Als sie dort angekommen seien, habe sie gesehen, dass das Auto gar nicht brenne. Er habe sie auf den Boden geworfen, sie in mehreren Sprachen, unter anderem als Schlampe, beleidigt und geschlagen, ins Gesicht und in den Bauch. Dann habe er sie auf den Beifahrersitz gesetzt und ihre Hände mit einem Seil oder Schnürsenkel zusammengebunden. Er habe ihr Handy genommen und sie gefilmt, wobei er sie weiter beleidigt habe. Nachdem er sie auf die Rückbank verfrachtet habe, habe er sein Feuerzeug genommen und gedroht, es in den Tank zu schmeißen, dabei habe er weiter alles gefilmt. Sie habe nunmehr Todesangst gehabt und ihn angefleht, sie gehen zu lassen. Sie habe ihn angefleht, dass sie zu ihrem Hund wolle und alles machen würde, was er wolle. Schließlich habe sie ihn daran erinnert, dass er doch ein Kind mit ihr zeugen wolle, woraufhin er sich schließlich auf den Rasen gelegt, nach Sex verlangt und seine Hose heruntergeschoben habe. Sie habe sich dann auf ihn gesetzt und zunächst mit der Hand an seinem Penis manipuliert, bis er ergiert gewesen sei und dann den ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr vollzogen. Sie habe zu jener Zeit mit der Anti-Baby-Pille verhütet. Während dessen habe sie die ganze Zeit geweint, ihm aber gesagt, dass sie wegen ihres Hundes so traurig sei, obwohl dies an seinem Verhalten gelegen habe. Er habe sie schließlich von sich weggestoßen und sei mit zu ihr nach Hause gekommen. Sie sei aufgewühlt gewesen, habe aber keine äußerlichen Verletzungen gehabt und habe ihrer Mutter, nachdem er weg gewesen sei, erzählt, was passiert sei, wobei sie nichts von dem Geschlechtsverkehr erwähnt habe. Sie hätten aber beide aus Angst nicht die Polizei gerufen, sondern entschieden, die Familie des Angeklagten, zu der sie - die Zeugin - ein gutes Verhältnis gehabt habe, davon in Kenntnis zu setzen, was der Angeklagte mit ihr gemacht habe. Sie hätten den Angeklagten mit dem Auto gesucht und auch gefunden, gemeinsam seien sie dann unter dem Vorwand nach ... gefahren, seine Mutter habe eine Überraschung für ihn. Dort habe sie - die Zeugin ... - im Beisein ihrer Mutter seinen Eltern erzählt, dass er sie habe töten wollen, seine Schwester Petimat habe übersetzt. Seine Eltern hätten doll mit ihm geschimpft, es habe großen Streit zwischen ihm und seinen Eltern gegeben. Sie und ihre Mutter seien schließlich wieder nach Hause gefahren.

2.1.2. Überzeugungsbildung von der Wahrheitsgemäßheit der Aussage der Zeugin ...

Die Kammer ist sich bewusst gewesen, dass sie die belastenden Angaben der Zeugin ... einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung zu unterziehen hatte, weil der schweigende Angeklagte bezüglich der Handlungen zum Nachteil seiner damaligen Freundin allein durch die Aussage dieser Zeugin belastet worden ist. Dabei ist die Kammer methodisch so vorgegangen, dass sie die Beweislage mit der Unterstellung geprüft hat, dass die Aussage der Zeugin ... unwahr sei (sog. Nullhypothese). Allerdings hat sich im Ergebnis der Überprüfung der Angaben der Zeugin ... diese Annahme nicht mehr halten lassen, weil sich die gesammelten Fakten mit der Unterstellung einer Falschaussage nicht vereinbaren ließen und eindeutig für den Realbezug ihrer Aussage sprechen.

2.1.2.1. Keine Einschränkungen ihrer Aussagetüchtigkeit

In der Person der Zeugin ... haben sich keine Einschränkungen hinsichtlich der Funktionen der Wahrnehmung, Speicherung und Reproduktion von Erinnerungsmaterial ergeben. Sie ist ersichtlich normal intelligent. Diese Erkenntnis wird gestützt durch ihre eigenen glaubhaften Angaben, wonach sie ihre schulische Bildung mit dem Abschluss der zehnten Klasse beendet hat, wobei in diesem Zusammenhang hervorzuheben ist, dass sie als gebürtige Polin neben ihrer Muttersprache - im Gegensatz zu ihrer als Zeugin einvernommenen polnischen Mutter, die für ihre Aussage eine Dolmetscherin benötigte - fließend die deutsche Sprache beherrscht.

2.1.2.2. Qualität und Konstanz ihrer Aussage

Während ihrer Aussage in der Hauptverhandlung hat die Nebenklägerin nach anfänglichem Weinen einen ruhigen und sachlichen Eindruck hinterlassen. Für eine erlebnisbasierte Schilderung der Tat zu ihrem Nachteil spricht, dass die Zeugin in der Lage gewesen ist, im Rahmen ihrer Befragung durch die Verfahrensbeteiligten ohne weiteres zwischen den verschiedenen Handlungsabschnitten des Tatgeschehens zu springen. Zudem hat die Zeugin zahlreiche Details zum Kern- und Randgeschehen benannt, die für ein reales Erleben der Situationen sprechen und bei einer konstruierten Falschbezichtigung nicht zu erwarten gewesen wären. Sie hat sich zum Beispiel erinnert, wie der Angeklagte sie zunächst zu Boden gebracht und geschlagen, sodann auf dem Vordersitz des Autos gefesselt und schließlich auf die Rückbank gezerrt habe. Er habe dann sein Feuerzeug herausgeholt und damit gedroht, es in den Fahrzeugtank zu werfen. Überdies hat sie eindrücklich wiedergeben können, dass sie Todesangst gehabt und verzweifelt versucht habe, den Angeklagten zu beruhigen. Auch das ungewöhnliche Angebot, seinem Kinderwunsch auf der Stelle nachzukommen, stellt ein originelles, für ein reales Erleben sprechendes Detail dar. Dass der Angeklagte sie während des Geschehens gefilmt und zudem nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Russisch und auf Tschetschenisch beleidigt habe, sind ebenfalls für einen Erlebnisbezug sprechende Nebendetails. Die Zeugin hat aber auch Unsicherheiten und Erinnerungsdefizite eingeräumt und zudem jegliche Übertreibungen des Geschehens unterlassen. So hat sie bekundet, dass sie nicht mehr mit Sicherheit sagen könne, ob der Angeklagte neben ihren Händen auch ihre Füße gefesselt habe. Im Falle einer lügenden Zeugin wäre mit einer uneingeschränkten und als sichere Erinnerung dargestellten Belastung zu rechnen gewesen. Gegen eine überschießende Belastungstendenz spricht auch ihre Schilderung, dass sie dem Angeklagten einen einvernehmlichen Geschlechtsverkehr vorgespielt und ihr Weinen mit den Gedanken an ihren kranken Hund erklärt habe, so dass der Angeklagte eben nicht habe bemerken müssen, dass es gegen ihren Willen zum Geschlechtsverkehr gekommen sei.

Vor der Aussage der Zeugin in der Hauptverhandlung hat am 05.03.2019 ihre polizeiliche Vernehmung stattgefunden, deren Inhalt zum Zwecke der Feststellung desselben in der Hauptverhandlung verlesen worden ist. Die protokollierten Angaben aus dieser Vernehmung stimmen bezüglich des Kerngeschehens mit der oben wiedergegebenen gerichtlichen Aussage der Zeugin überein. Sie hat auch dort die Umstände des Aufsuchens des Tatorts (Behauptung des Angeklagten nach einer Mitteilung seines Bruders, der alte Audi brenne dort, dies müsse man gemeinsam anschauen) bekundet, die Schläge des Angeklagten in ihr Gesicht und in ihren Bauch, ihre Beleidigung als Schlampe in deutscher, russischer und tschetschenischer Sprache, ihr Verbringen ins Fahrzeug und die Fesselung ihrer Hände, das Filmen der Situation durch den Angeklagten und seine Drohung unter Präsentation seines Benzinfeuerzeuges, das Fahrzeug in Brand zu setzen, als sie sich auf der Rückbank befand, ihre starke Angst und das deshalb von ihr unterbreitete Angebot, jetzt sofort ein Kind mit ihm zu zeugen sowie den sich anschließenden Geschlechtsakt. Auch hinsichtlich des Nachtatgeschehens hat die Zeugin ... in ihrer polizeilichen Vernehmung im Wesentlichen das bekundet, was sie in der Hauptverhandlung angegeben hat. Sie habe zu Hause ihrer Mutter von dem Vorfall berichtet, ohne den Geschlechtsverkehr zu erwähnen. Gemeinsam sei man mit dem Angeklagten unter einem Vorwand zu dessen Familie gefahren, um ihn vor seinen Eltern zur Rede zu stellen. Sie und ihre Mutter hätten seinen Eltern erzählt, dass er sie habe töten wollen, was seine Schwester übersetzt habe. Seine Mutter hätte ihn angeschrien, es habe ihn aber offenbar nicht wirklich beeindruckt.

Insgesamt bleibt daher festzuhalten, dass trotz des zwischenzeitlichen Zeitablaufs von mehreren Monaten eine hohe Aussagekonstanz in den verschiedenen Vernehmungsituationen zum Tatgeschehen besteht.

2.1.2.3. Keine Verfälschung der Aussage durch eine mögliche suggestive Beeinflussung

Die Zeugin ... hat glaubhaft bekundet, bereits am Tattag ihrer Mutter den Tathergang geschildert zu haben, so dass eine suggestive Beeinflussung in der Zwischenzeit ausgeschlossen werden kann. Der von der Zeugin ... beschriebene Handlungsablauf ist zu komplex, als dass er binnen so kurzer Zeit durch autosuggestive Einflüsse generiert worden sein könnte. Dass die Zeugin ... auch nicht in der Zeit zwischen der Tat und ihrer Erstvernehmung suggestiv beeinflusst wurde, zeigt sich aufgrund der Angaben ihrer Mutter, der Zeugin ..., die den am Tattag erfolgten Bericht ihrer Tochter im Kern (mit Ausnahme des verschwiegenen Geschlechtsverkehrs) so wiedergegeben hat, wie jene das Geschehen in ihren späteren Vernehmungen geschildert hat.

Die Zeugin ... hat glaubhaft bekundet, ihre Tochter sei einmal kurz vor dem Tod des Hundes der Familie mit dem Angeklagten aus dem Haus gegangen, um sich ein Auto anzusehen. Ihre Tochter sei sehr aufgeregt gewesen, als sie wiedergekommen sei. Sie habe erzählt, dass der Angeklagte sie in dem Auto gefesselt habe und sie habe töten wollen. Nach dem Bericht von ihrer Tochter habe er damit gedroht, das Auto anzuzünden, in dem ihre Tochter gesessen habe. Ob er dabei das Feuerzeug an einen Lappen gehalten und den Tankverschluss geöffnet haben soll, könne sie nicht mehr sagen. Sie könne nicht ausschließen, dass sie sich die Szene nur so bildlich vorgestellt habe. Sie wisse auch nicht mehr genau, ob ihre Tochter erzählt habe, dass er ihre Hände an das Lenkrad gebunden habe. Möglicherweise seien diese Bilder aufgund der Erzählung ihrer Tochter im Nachgang nur in ihrem Kopf entstanden. Von Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten und ihrer Tochter habe diese seinerzeit und auch später nichts berichtet, Verletzungen habe sie an ihrer Tochter nicht wahrgenommen. Die Zeugin ... hat weiter geschildert, dass sie daraufhin die Schwester des Angeklagten angerufen und ihr erzählt habe, dass er ... habe töten wollen. Seine Schwester habe dies der Mutter des Angeklagten übersetzt, die habe mitteilen lassen, der Angeklagte solle nach Hause gelockt werden, indem ihm vorgespiegelt werde, seine Mutter habe eine Überraschung für ihn. Sie sei dann mit ihrer Tochter ... losgefahren und habe den Angeklagten an den Kleingärten getroffen. Er sei eingestiegen und mitgefahren, nachdem sie ihm von einer Überraschung seiner Mutter erzählt hätten. In ... bei der Familie des Angeklagten habe sie in dessen und im Beisein ihrer Tochter der Schwester des Angeklagten noch einmal erzählt, dass er ihre Tochter habe töten wollen. Der Angeklagte habe daraufhin nur gelacht und gesagt, sie könne ja die Polizei holen, wenn sie es für nötig halte, ihm werde nichts passieren. Seine Eltern seien aber sauer auf ihn gewesen und es habe einen Streit gegeben. Ob der Angeklagte ihr gegenüber eingeräumt habe, dass er Julia habe töten wollen, könne sie heute nicht mehr mit Gewissheit sagen. Sie habe abschließend gesagt, dass sie den Angeklagten nicht mehr sehen wolle und sei mit ihrer Tochter nach Hause gefahren.

In Anbetracht der Aussage der Zeugin ... bezüglich der von ihrer Tochter geschilderten Geschehensabfolge, die im Kern dem entspricht, was die Zeugin ... später in ihrer polizeilichen Erstvernehmung und auch in der Hauptverhandlung bekundet hat, bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugin ... bezüglich ihrer Erinnerung durch Dritte maßgeblich beeinflusst worden sein könnte.

2.1.2.4. Aussagemängel

Die Kammer hat nicht verkannt, dass die Aussage der Zeugin ... Mängel und Unstimmigkeiten aufweist. So hat sie teilweise deutliche Probleme gehabt, sich an Einzelheiten noch genau zu erinnern. Es war ihr beispielsweise nicht mehr möglich, das Fesselungswerkzeug näher zu beschreiben. Auch konnte sie in der Hauptverhandlung nicht mehr mit Gewissheit sagen, ob der Angeklagte neben ihren Händen auch ihre Füße gefesselt habe. Die insoweit zutage getretenen Aussagemängel sind jedoch kein Grund, an der Wahrhaftigkeit der Aussage zu zweifeln. Gerade länger zurückliegende Handlungsabläufe, wie vorliegend, soweit zwischen ihrer Erstvernehmung bei der Polizei und dem Tatgeschehen ein Zeitraum von circa 1½ Jahren liegt, sind von Zeugen häufig nicht mehr konkret zu schildern. Es handelt sich insoweit um Unstimmigkeiten, die bei der Frage, ob die Aussage der Zeugin insgesamt wahrheitswidrig ist, zwar beachtlich sind, aber nicht den Schluss nahelegen, dass die Angaben der Zeugin zum Teil oder sogar insgesamt nicht der Wahrheit entsprechen.

2.1.2.5. Aussagemotivation und -genese

Die Hypothese, die Aussage der Zeugin ... sei falsch, ist mit der beschriebenen Aussagetüchtigkeit der Zeugin und der Qualität und Konstanz ihrer Angaben, die nur wenige und zudem erklärbare Ungereimtheiten enthalten, kaum in Einklang zu bringen.

Schlechthin unvereinbar mit der Unterstellung, die belastenden Angaben der Zeugin seien falsch, ist aber der Umstand, dass mit Blick auf eine Belastungsmotivation keine tragfähigen Hinweise auf eine Falschbezichtigung vorliegen.

Das von der Verteidigung ins Feld geführte Belastungsmotiv möglicher finanzieller Verpflichtungen der Zeugin ... gegenüber der Familie des Angeklagten hat sich nicht als nachvollziehbar erwiesen. Hierzu hat die Zeugin ... auf die Fragen der Verteidigung unumwunden eingeräumt, mehrere Möbelstücke von den Eltern des Angeklagten während der Zeit ihrer Beziehung geschenkt bekommen zu haben. Es erscheint äußerst fernliegend, dass die Befürchtung von allenfalls moderaten finanziellen Forderungen dazu geführt haben soll, dass die Zeugin ... den Angeklagten mit erfundenen, schwerwiegenden Vorwürfen überzieht. Insoweit ist zu bedenken, dass die Zeugin ... die den Angeklagten belastenden Angaben erst rund ein ¾ Jahr nach dem Ende der Beziehung getätigt hat und zwar im Rahmen einer Zeugenvernehmung in anderer Sache. Diese Umstände sprechen gegen eine bewusste Falschbezichtigung, weil regelmäßig derjenige, der einen anderen falsch verdächtigen will, sehr zielstrebig vorgeht und nicht – wie im vorliegenden Fall – Monate abwartet und die betreffende Person „bei Gelegenheit“ belastet. Im Übrigen haben sich in der Hauptverhandlung überhaupt keine Anhaltspunkte für zwischenzeitliche finanzielle Forderungen der Familie des Angeklagten oder zumindest deren Ankündigung ergeben. Die Kammer hat auch bedacht, dass als Falschbelastungsmotiv enttäuschte Liebe in Betracht kommen könnte. Insoweit ist zu erwägen gewesen, dass die Zeugin ... – möglicherweise mit Hilfe ihrer Mutter - sich am Angeklagten hat rächen wollen. Ein derartiges Verhalten der Zeugin ... ist jedoch nach der Überzeugung der Kammer auszuschließen. Denn dies würde die unwahrscheinliche Annahme implizieren, dass sie das spätere Zusammentreffen mit der Familie des Angeklagten inszeniert oder gar unter Mitwirkung ihrer Mutter erfunden hätte. Es hätte zudem insofern nichts näher gelegen, den Angeklagten auch unmittelbar im Anschluss bei der Polizei anzuzeigen und nicht erst im Rahmen einer Zeugenvernehmung in anderer Sache 1 ½ Jahre später.

2.1.2.6. Keine Erschütterung der Aussage der Zeugin ...

Die Aussage der Zeugin ... wird nicht dadurch entwertet, dass die Zeuginnen ... und ..., Mutter und Schwester des Angeklagten, übereinstimmend bekundet haben, niemals an einem Gespräch beteiligt gewesen zu sein, in dem die Zeuginnen ... und ... den Angeklagten beschuldigt hätten, er habe ... töten wollen oder mit dem Tode bedroht. Die Aussagen der Zeuginnen ... und ... waren aufgrund der persönlichen Bindung zum Angeklagten ersichtlich von dem Bemühen getragen, diesen zu entlasten. Sie haben in auffälliger Übereinstimmung bekundet, es sei zwar aufgrund der Verbindung des Angeklagten zu ... zu Zusammenkünften mit dieser und ihrer Mutter gekommen, dabei habe die Zeugin ... jedoch immer nur geäußert, dass sie den Angeklagten sehr liebe und ohne ihn nicht leben könne. Die Zeugin ... habe hingegen erzählt, dass sie gegen die Beziehung ihrer Tochter mit dem Angeklagten sei, dagegen aber nichts machen könne.

Die Zeuginnen ... und ... konnten insoweit nicht plausibel erklären, in welchem Kontext die Zeugin ... ihre wiederholten Liebesbeteuerungen bezüglich des Angeklagten abgegeben haben soll. Die Kammer hat den Aussagen der Zeuginnen ... und ... auch angesichts der detaillierten, nachvollziehbaren und deshalb glaubhaften Angaben der Zeugin ... über das Treffen bei der Familie des Angeklagten und dessen Ablauf kurz nach der Tat, die sich im Wesentlichen mit den Bekundungen der Zeugin ... decken, keinen Glauben geschenkt.

2.2. Tat zu II.2. (Fahren ohne Fahrerlaubnis am 22.02.2018)

Diese Tat hat der Zeuge PHM ... so geschildert, wie die Kammer sie festgestellt hat. Er sei damals als Polizeibeamter dienstlich unterwegs gewesen und habe über Funk den Hinweis erhalten, das ein schwarzer Opel Corsa von einem Fahrer ohne Fahrerlaubnis geführt werde. Er habe dieses Fahrzeug vor sich entdeckt und in der Ortslage G...angehalten. Der Fahrer habe sich mit einem Reisepass oder einer Aufenthaltsgestattung ausgewiesen, es sei der Angeklagte gewesen. Eine polizeiliche Abfrage vor Ort über das Polizeifahrzeug habe ergeben, dass er nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis gewesen sei. Die Kammer hat diese Angaben des Zeugen, die keinerlei Belastungstendenz erkennen ließen, für vorbehaltlos glaubhaft erachtet. Aus dem durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführten Auszug aus dem örtlichen Führerscheinregister des Landkreises Ostprignitz-Ruppin vom 17.08.2018 ergibt sich, dass bis zu diesem Stichtag keine Daten bezüglich des Erwerbs einer Fahrerlaubnis durch den Angeklagten vorhanden waren. Dem Angeklagten war auch bekannt, dass er keine Fahrerlaubnis besaß.

2.3. Tat zu II.3. (Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten Uedinck)

Diese Tat ist von zwei Überwachungskameras des Einkaufzentrums ...“ aufgezeichnet worden. Jene Videoaufnahmen sind in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden. Darauf ist der festgestellte Tathergang aus zwei jeweils entgegengesetzten Blickrichtungen zu erkennen. Zunächst treten ein Mann, eine Frau und zwei Kinder am unteren Rand in die Bildaufnahme der oberhalb des Eingangs platzierten Kamera, welche durch den Flur des Einkaufszentrums schlendern und sich dabei von der Kamera entfernen. Im weiteren Verlauf - auf der Höhe einer in Flur mittig stehenden Bank - kreuzt eine vollverschleierte Frau deren Weg, worauf ein nunmehr am unteren Bildrand derselben Kamera auftauchender schwarzhaariger, junger Mann, bekleidet mit einer weißen Hose und einem weißen Shirt, vom Gehschritt sogleich in den schnellen Laufschritt wechselt, dabei seine Brusttasche abwirft und aus vollem Lauf einer Person von hinten in den Rücken springt. Auf der Frontalaufnahme (aus der Gegenrichtung) ist erkennbar, wie eine Person bäuchlings auf den Fliesenboden aufschlägt und der mit weißem T-Shirt und weißer Hose bekleidete, junge Mann wiederholt an die am Boden liegende Person herandrängt, aber von einer Frau dabei gehindert und abgedrängt wird, die sich ihm beharrlich in den Weg stellt. Die Zeugen ..., soweit jener überhaupt - mit Blick auf den wahrgenommenen Angriff von hinten - Beobachtungen gemacht hatte, haben in ihren Vernehmung in der Hauptverhandlung zudem den äußeren Geschehensablauf so geschildert, wie die Kammer ihn festgestellt hat. Die Zeugin ... hat überdies bekundet, den Angeklagten nicht sicher als Täter identifizieren zu können, obwohl er nach der Tat direkt vor ihr gestanden und sie mit ihm gesprochen habe. Kurz nach der Tat und nach dem Verschwinden des Täters habe sie die Polizei angerufen und eine grobe Personenbeschreibung abgegeben, die auf jeden Fall seine komplett weiße Bekleidung enthalten habe. Zweifel an der Wahrheitsgemäßheit dieser Angaben hat die Kammer insbesondere deshalb nicht haben können, weil die Zeugen sachlich geblieben sind und in keiner Weise eine Belastungstendenz gezeigt haben. Insbesondere haben die Eheleute ... glaubhaft bekundet, auch keinen Anlass dafür gegeben zu haben, dass die vollverschleierte und ihren Weg kreuzende Frau, zunächst in ihre Richtung ein zischendes Geräusch gemacht habe, auf welches sie indes nicht reagiert hätten. Auch auf den in Augenschein genommenen Bildaufnahmen ist eine Kommunikation der betreffenden Personen nicht erkennbar.

Die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten hat die Kammer trotz der Bekundung der Zeugin ..., diesen nicht sicher in der Hauptverhandlung als Täter wiederzuerkennen, mit letzter Sicherheit aufgrund der glaubhaften Aussage des Polizeibeamten PM ... gewonnen. Voranzustellen ist insoweit, dass es sich bei der als Täter auf den Videoaufnahmen erkennbaren Person in weißer Kleidung um einen circa 1,70 m großen und schlanken Mann mit athletischer Statur und kurzgeschnittenen schwarzen Haaren im Alter von Anfang 20 handelt. Sämtliche dieser äußeren Merkmale passen auf das Erscheinungsbild des Angeklagten in der Hauptverhandlung. Ergänzend hierzu hat der Zeuge PM ... bekundet, mit einem Kollegen als Besatzung eines Funkstreifenwagens in die Tatortnahbereichsfahndung eingebunden gewesen zu sein. Ihm sei die Information übermittelt worden, dass ein unbekannter männlicher Täter, ca. 170cm groß, mit schwarzen Haaren und komplett weiß bekleidet, eine andere Person im Einkaufszentrum „... geschubst und am Kopf verletzt haben soll. In der ...-Straße, die sich nur wenige Gehminuten vom „...entfernt befinde, seien zwei Personen beim Herannahen des Streifenwagens hinter eine Häuserecke gesprungen, woraufhin diese Personen im Anschluss von ihm angesprochen worden seien, als sie in Richtung „...“ gegangen seien. Der eine Mann habe eine weiße Hose und eine dunkle Jacke getragen und sei von ihm erkannt worden. Es habe sich um den Angeklagten gehandelt, der ihm seinerzeit bereits dienstlich aus mehreren Einsätzen als Beschuldigter bekannt gewesen sei. Er habe den Angeklagten gefragt, ob dieser gerade im „...“ gewesen sei, was dieser bejaht und gesagt habe, dass es dort einen Streit gegeben habe. Er habe dem Angeklagten daraufhin den Tatverdacht eröffnet, ihn über seine Rechte als Beschuldigter belehrt und zur Sache befragt. Der Angeklagte habe daraufhin geäußert, dass er einen Mann geschubst und dieser Typ es nicht anders verdient habe, weil der die Frau eines Freundes dumm angemacht habe. Während dieser Äußerung habe der Angeklagte ihm laufend Sonnenblumenkerne vor die Füße gespuckt; auch deshalb könne er sich noch gut an die Situation erinnern. Während der Befragung habe er bemerkt, dass der Angeklagte unter der schwarzen Jacke ein weißes Shirt getragen habe, dessen Begleiter sei kleiner und dunkel angezogen gewesen. Die Aussage des Zeugen ... ist verwertbar, weil er den Angeklagten rechtzeitig – nämlich unmittelbar nach Entstehung eines Anfangsverdachts im Anschluss an eine informatorische Befragung – über seine Rechte als Beschuldigter belehrt hat und die Aussage des Zeugen keinen Anhalt dafür ergeben hat, dass er in missbräuchlicher Weise den Zeitpunkt der Belehrung möglichst weit hinausgeschoben hat. Aus den Angaben des Zeugen Glaub ergibt sich eindeutig, dass der Angeklagte die auf der Videoaufnahme zu sehende auffällige, durchgehend weiße Täterbekleidung trug und dem Zeugen ... gegenüber die Tat kurz nach ihrer Begehung unter Mitteilung von Täterwissen eingeräumt hat, so dass keine Zweifel an seiner Täterschaft bestehen.

Die Verletzungsfolgen beim Geschädigten ... stützt die Kammer auf dessen Angaben und dem verlesenen Arztbericht der ... Kliniken vom 06.06.2018, wonach beim Geschädigten nach Einlieferung in die Notaufnhame am 06.06.2018 um 17.34 Uhr und anschließender radiologischer Diagnostik eine Prellung am Kopf befundet wurde. Die Zeugin ... hat zudem bekundet, dass ihr Sohn sich leicht am Ellenbogen verletzt habe. Ihre Familie einschließlich der Kinder seien noch geraume Zeit nach der Tat durch diese psychisch durch ein Gefühl der Verunsicherung im Alltag belastet gewesen. Ergänzend hierzu hat die Kammer die polizeiliche Bildanlage vom 06.06.2018 in Augenschein genommen, die zwei Abbildungen in unterschiedlicher Enfernung zur aufnehmenden Kamera ein und derselben schwach rötlichen, circa 2x3cm großen Blessur am Unterarm eines Kindes kurz unter dem Ellenbogen zeigen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Abbildungen, Bl. 9 der Akte 12 KLs 8/19, verwiesen.

2.4. Tat zu II. 4. (Fahren ohne Fahrerlaubnis am 17.10.2018)

Diese Tat haben die Zeugen ... und ... übereinstimmend und glaubhaft so geschildert, wie die Kammer sie festgestellt hat. Sie seien damals als Polizeibeamte in ihrer Funktion als Besatzung eines Funkstreifenwagens in ... unterwegs gewesen und hätten über Funk den Hinweis erhalten, dass sich der Fahrer eines Pkw Renault mit den angebrachten Kennzeichen ... einer polizeilichen Kontrolle entzogen habe. Dieses Fahrzeug sei ihnen dann in ... auf der ... Chaussee entgegengekommen. Daraufhin hätten sie den Funkstreifenwagen gewendet und anschließend das betreffende Fahrzeug angehalten und sofort kontrolliert. Auf dem Fahrersitz habe der Angeklagte gesessen, der nach Belehrung über seine Rechte als Beschuldigter zugegeben habe, nicht über eine Fahrerlaubnis zu verfügen. Die Kammer hat diese Angaben der Zeugen, die keinerlei Belastungstendenz erkennen ließen, für vorbehaltlos glaubhaft erachtet. Dem Angeklagten war zudem ausweislich seiner Angaben vor Ort bekannt, dass er keine Fahrerlaubnis besaß.

2.5. Taten zu II. 5. – 7. (Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch)

Der Angeklagte ist der Begehung der Taten aufgrund der Aussage des Zeugen ...überführt worden. Der Zeuge ... hat in seiner Zeugenvernehmung die Taten entsprechend den getroffenen Feststellungen geschildert. So hat er ausgeführt, dass er den Angeklagten in den Sommerferien 2018 kennengelernt und etwa im Herbst 2018 begonnen habe, mit ihm gemeinsam Marihuana zu konsumieren. Dies sei bis etwa zur Festnahme des Angeklagten (06.03.2019) so gegangen und in regelmäßigen Abständen meist am Wochenende gewesen, entweder draußen oder in der vom Angeklagten genutzten Wohnung in der ... in .... Der Angeklagte habe - so der Zeuge weiter - gewusst, dass er noch nicht volljährig gewesen sei, weil er dem Angeklagten sein Alter von 17 Jahren in einem Gespräch mitgeteilt habe. Überhaupt hätten alle seine Freunde und auch der Angeklagte, die sich damals häufig zusammen in der ... aufgehalten hätten, voneinander gewusst, wie alt sie seien. Er - so der Zeuge weiter - habe nie Betäubungsmittel beim Angeklagten gekauft, sondern sich nur gelegentlich an den Kosten für das Marihuana beteiligt. Auf den Vorhalt, er habe in seiner polizeilichen Vernehmung ausgesagt, dem Angeklagten drei- bis fünfmal für Marihuana Geld gegeben zu haben, und zwar entweder 10 € oder 20 €, hat der Zeuge in der Hauptverhandlung bekundet, dass dies im Sinne einer Beteiligung an den Kosten für die Herstellung von Joints zu verstehen gewesen sei, die man habe gemeinsam rauchen wollen. Der Zeuge hat insoweit die Anzahl von drei bis fünf Zusammentreffen mit dem Angeklagten, die dem gemeinsamen Konsum eines Joints gedient hätten, bestätigt. Dabei seien nach seiner Erinnerung auch teilweise andere Personen dabei gewesen und hätten mitgeraucht. Eine sichere Zuordnung sei ihm aber nicht mehr möglich.

Die Kammer ist den Bekundungen des Zeugen ... gefolgt. Er hat im Kern eine detaillierte und in sich widerspruchsfreie Aussage gemacht. Soweit Unstimmigkeiten mit Blick auf seine polizeiliche Zeugenaussage aufgetreten sind, konnte der Zeuge diese nach Vorhalt ausräumen. Er hat sachlich und ohne Belastungstendenz ausgesagt, so dass hinsichtlich der von ihm geschilderten Drogenüberlassungen an ihn nicht der Verdacht aufgekommen ist, er wolle den Angeklagten zu Unrecht belasten. Die Kammer hat zugunsten des Angeklagten eine Mindestanzahl von drei Tathandlungen zugrunde gelegt, wobei angesichts der Schilderung des Zeugen ..., der gemeinsame Cannabiskonsum habe etwa im Herbst angefangen, davon auszugehen ist, dass die erste Tat ab Mitte Oktober 2018 stattgefunden hat.

Da der Angeklagte vom Zeugen ... dessen damaliges Alter von 17 Jahren erfahren hat, hat er zumindest billigend in Kauf genommen, dass der Zeuge ... auch zu den Tatzeiten minderjährig war. Die beiden hatten sich nämlich nach der Schilderung des Zeugen ... rst in den Sommerferien 2018 kennengelernt, so dass der Angeklagte nicht davon ausgehen konnte, dass der ... zwischenzeitlich 18 Jahre alt geworden ist. Zudem wäre aus der Sicht des Angeklagten zu erwarten gewesen, dass der Zeuge ... ihm für diesen Fall vom Eintritt der Volljährigkeit berichtet hätte.

2.6. Tat zu II. 8. (Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch)

Die Feststellungen zu dieser Tat beruhen auf den Aussagen der Zeuginnen ... und ... sowie des Polizeibeamten KOK ... als Vernehmungsbeamter der Zeugen ... und .... ... hat sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO mit der Begründung berufen, dass er sich nicht selbst belasten wolle. ... hat zwar Angaben in der Hauptverhandlung gemacht, sich aber trotz diverser Vorhalte zur Gedächtnisunterstützung aus seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 22.03.2019 auf eine fehlende Erinnerung berufen. Die Kammer ist deshalb jeweils auf die Vernehmung des(selben) Vernehmungsbeamten angewiesen gewesen.

Der Zeuge KOK ... hat glaubhaft bekundet, dass ... im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung eingeräumt habe, dem Angeklagten einmal etwas zum Ziehen besorgt zu haben. KOK ... konnte jedoch nicht mehr sicher wiedergeben, ob ... auch den anschließenden Eigenkonsum einer Teilmenge dieser Betäubungsmittel zugegeben habe. Die Zeuginnen ... und ... haben insoweit übereinstimmend bekundet, dass ... im Rahmen einer Zusammenkunft anlässlich des Geburtstages des Angeklagten von diesem in der Wohnung in der ... aufgefordert worden sei, Drogen zu besorgen. ... habe einen oder mehrere Geldscheine vom Angeklagten bekommen, sei losgegangen und dann mit weißem Zeug wiedergekommen. Dieses hätten der Angeklagte, ... und der ebenfalls anwesende ... konsumiert. Der Angeklagte habe ... und ... die Drogen zuvor angeboten, bei denen es sich augenscheinlich um Kokain oder Amphetamin gehandelt habe. Beide Zeuginnen haben zudem ausgesagt, dass der Angeklagte ihnen an diesem Tag keine Drogen angeboten habe und sie auch nichts konsumiert hätten. Des Weiteren hat der Zeuge KOK ..., der auch den Zeugen ... polizeilich vernommen hatte, glaubhaft bekundet, dass ... in seiner polizeilichen Vernehmung eingeräumt habe, dass in der sogenannten Chillbude, der vom Angeklagten genutzten Wohnung in der ...straße, Drogen konsumiert worden seien. ... habe angegeben, dort einmal vom Angeklagten weißes Pulver bekommen zu haben, während die ebenfalls anwesenden ... und ... dies abgelehnt hätten.

Aufgrund der im Kern übereinstimmenden Angaben der Zeugen steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass ... anlässlich des Geburtstages des Angeklagten Drogen auf dessen Geheiß besorgt hat. Zugunsten des Angeklagten ist insofern davon auszugehen, dass es sich nicht um die harte Droge Kokain, sondern um Amphetamin gehandelt hat, was schon angesichts des nicht ausschließbaren Grammpreises von lediglich fünf Euro äußerst nahe liegt. Dass sowohl ... als auch ... eine Teilmenge des Amphetamins vom Angeklagten bekommen und konsumiert haben, steht fest aufgrund der glaubhaften Angaben der Zeuginnen ... und ..., die sich diesbezüglich sicher waren und eine klare Erinnerung an den Sachverhalt hatten. Anhaltspunkte für eine kollusive Falschbelastung der beiden Zeuginnen zum Nachteil des Angeklagten haben sich nicht ergeben.

Der Angeklagte wusste auch, dass ... und ... noch minderjährig waren. Die Zeugin ... hat glaubhaft bekundet, dass dem Angeklagten aufgrund von Gesprächen das wahre Alter von ... und ... bekannt gewesen sei, was im Übrigen in Übereinstimmung mit der Aussage des Zeugen ... steht, untereinander um ihr Alter gewusst zu haben. Der Zeuge ... hat sich zumindest im Rahmen seiner Einvernahme noch daran erinnern können, dass er dem Angeklagten gesagt habe, wie alt er sei. Im Übrigen lassen das sich jeweils in der Hauptverhandlung offenbar gewordene äußere Erscheinungsbild der Zeugen ... und ... keinen Zweifel an deren jugendlichen Alter von aktuell 15 bzw. allenfalls 16 Jahren. Nach alledem liegt es fern, dass der Angeklagte die beiden bereits für volljährig gehalten haben könnte.

2.7. Tat zu II. 9. (Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch)

Die Zeugin ... hat bekundet, dass sie mit dem Angeklagten recht gut befreundet gewesen sei. Im Januar 2019 seien sie mehrfach gemeinsam in der Wohnung von ... in der ...straße gewesen, die nach ihrer Einschätzung mit Drogen gedealt habe. Etwa in der Mitte jenes Monats seien neben dem Angeklagten auch ihr Freund ... und der ... dort gewesen, als der Angeklagte Marihuana rausgeholt habe, das noch in einer kleinen Tüte verpackt gewesen sei. Der Angeklagte habe damit einen Joint gebaut und diesen dann geraucht. Anschließend habe er den Joint an sie weitergegeben, woraufhin sie auch an dem Joint gezogen habe. Sie habe nichts bezahlen müssen, auch ... nicht, der den Joint ebenfalls vom Angeklagten erhalten und auch daran gezogen habe. Der Joint habe mehrfach die Runde gemacht, ihr Freund ... habe an diesem Tag aber nicht mitgeraucht. Sie habe nach dem Konsum eine leicht berauschende Wirkung verspürt. Es sei – so die Zeugin weiter – nicht ihre erste Erfahrung mit dem Konsum von Cannabis gewesen. Der Angeklagte habe gewusst, wie alt sie sei. Sie habe ihm wahrheitsgemäß erzählt, dass sie 16 Jahre alt sei.

Der Zeuge ... hat bestätigt, dass die von der Zeugin ... beschriebene Personengruppe im Januar 2019 einmal in der Wohnung von ... gewesen sei, hat sich aber nicht an einen Drogenkonsum in diesem Zusammenhang erinnern können. Der Zeuge ... hat sich auch diesbezüglich in der Hauptverhandlung auf eine fehlende Erinnerung berufen. Der Zeuge KOK ... als dessen Vernehmungsbeamter im Ermittlungsverfahren hat insoweit bekundet, ... habe in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung einen Drogenkonsum in der Wohnung von ... verneint, jedoch eingeräumt, dort mit dem Angeklagten sowie ... und ... gewesen zu sein.

Die Überzeugung der Kammer, dass die Tat sich so zugetragen hat wie festgestellt, beruht insofern auf der uneingeschränkt glaubhaften Aussage der Zeugin ..., die den Geschehensablauf detailliert, stimmig und lebensnah geschildert hat. Anzeichen für eine Falschbezichtigung haben sich nicht ergeben, zumal sich die Zeugin ... mit ihrer Aussage selbst belastet hat. Die Erkenntnis, dass der Angeklagte von der Minderjährigkeit der Zeugen ... und ... wusste, ergibt sich aus ihrer jeweils glaubhaften Bekundung, ihm das wahre Alter genannt zu haben. Im Übrigen wird auf die Ausführungen hierzu unter 2.6. verwiesen. Zudem erschien auch ... während ihrer gerichtlichen Zeugenaussage altersgerecht in ihrem Aussehen und keineswegs älter als ihr tatsächliches Alter von aktuell 17 Jahren.

2.8. Tat zu II. 10. (Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch)

Die am 24.01.2002 geborene Zeugin ... hat ausgesagt, sie habe sich oft in der „Chillbude“ aufgehalten, dies sei eine kleine Wohnung gewesen, die der Angeklagte genutzt habe. Zwar hat die Zeugin zunächst bekundet, an einen Cannabiskonsum in dieser Wohnung keine Erinnerung zu haben, dann aber auf Vorhalt ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung vom 26.02.2019 angegeben, dass sie tatsächlich dort einmal einen Joint geraucht habe. Diesen habe sie an einem Tag im Zeitraum von Anfang bis Mitte Februar 2019 vom Angeklagten in der „Chillbude“ erhalten und fast ganz allein konsumiert, aber nichts dafür bezahlen müssen. Sie habe nicht gesehen, wie der Angeklagte den Joint gebaut habe. Er habe gesagt, den habe er aus Polen mitgebracht und es seien fast zwei Gramm pures Marihuana darin enthalten. Nach dem Konsum sei es ihr sehr schlecht gegangen, sie habe Panikattacken und Herzrasen bekommen. Es sei aber nicht das erste Mal gewesen, dass sie Drogen genommen habe, schon vier oder fünf Monate zuvor habe sie Cannabis ausprobiert. Der Angeklagte habe ihr Alter gekannt, da sie ihm im Dezember 2018 erzählt habe, wie alt sie sei.

Die Kammer hat keine Zweifel an der Wahrheitsgemäßheit der Aussage der Zeugin, die sehr detailliert und frei von Widersprüchen ist. Die Zeugin war während ihrer Aussage ruhig und sachlich, hat auch Erinnerungslücken eingeräumt und keine Belastungstendenz gezeigt.

2.9. Tat zu II. 11. (Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch)

Die Zeugin ... hat insoweit bekundet, dass der Angeklagte ihr einmal in der „Chillbude“ einen Joint angeboten habe, an dem sie auch gezogen habe, allerdings ohne dabei einzuatmen. Ihre Freundin ... sei dabei gewesen und habe auch an dem Joint gezogen. Die Zeugin hat weiter ausgeführt, dass weder sie noch ihre Freundin ... etwas an den Angeklagten bezahlt hätten. Ein Joint sei eine Zigarette mit Gras, der Angeklagte habe öfter Joints gebaut. Das Gras habe er von einem David gekauft. Der Angeklagte habe – so die Zeugin weiter – ihr Alter gekannt, weil ... es ihm erzählt habe. Sie selbst sei zunächst insoweit nicht ehrlich gewesen und habe vorgegeben, schon 13 Jahre alt zu sein. ... habe aber in ihrem Beisein gegenüber dem Angeklagten richtiggestellt, dass sie – die Zeugin ... – erst 12 Jahre alt sei und noch eine Grundschule besuche.

Die Angaben der Zeugin ... werden im Kern von der Zeugin ... bestätigt. Sie hat ausgeführt, wenige Tage nach ihrem Konsum eines vom Angeklagten erhaltenen Joints mit anschließendem Herzrasen habe auch ... vom Angeklagten in der „Chillbude“ einen Joint bekommen und dann drei Züge genommen, dies aber nicht so richtig getan. An diesem Tag – so die Zeugin weiter – habe sie selbst nicht an dem Joint gezogen, der Angeklagte habe diesen für ... hergestellt. Der Angeklagte habe gewusst, dass ... erst 12 Jahre alt sei. Die Zeugin hat insoweit bekundet, sie selbst habe den Angeklagten darauf hingewiesen, dass ... erst 12 Jahre alt sei und noch zur Grundschule gehe, nachdem ... behauptet habe, schon 13 Jahre alt zu sein.

Wegen der im Kern übereinstimmenden glaubhaften Angaben der Zeuginnen ... und ... ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte auch ... einen Joint zum Rauchen gegeben hat, obwohl ihm ihr Alter von 12 Jahren bewusst gewesen ist. Dies wird noch durch die Aussage der Zeugin KHKin ... gestützt, die glaubhaft angegeben hat, die Zeugin ... habe ihr bereits im Rahmen eines Telefonats am 27.02.2019 geschildert, im Januar 2019 an einem vom Angeklagten gebauten Joint gezogen und dabei nicht eingeatmet zu haben.

Aufgrund der nachvollziehbaren Aussage der Zeugin ... ist davon auszugehen, dass der Vorfall wenige Tage nach dem vom Angeklagten veranlassten Cannabiskonsum der Zeugin ... geschehen ist.

2.10. Taten zu II. 12. – 16. (sexueller Missbrauch zum Nachteil der Nebenklägerin)

Die Feststellungen zu diesen Taten beruhen insbesondere auf den Angaben der Nebenklägerin ..., die die festgestellten sexuellen Kontakte zwischen ihr und dem Angeklagten geschildert hat, aber auch auf weiteren Zeugenaussagen und Beweismitteln, die im Ergebnis einer Gesamtwürdigung zur sicheren Überzeugung der Kammer von den festgestellten Sachverhalten geführt haben.

2.10.1. Aussage der Nebenklägerin ...

Die Nebenklägerin hat bekundet, den Angeklagten im Dezember 2018 über ihre Freundin ... kennengelernt zu haben. Diese und ..., ein Freund des Angeklagten, seien ein Paar gewesen, und ... habe gesagt, wenn sie – die Nebenklägerin – mit dem Angeklagten zusammenkomme, könne man schön zu viert etwas gemeinsam unternehmen. Der Angeklagte habe ihr – so die Nebenklägerin weiter – erzählt, dass er 16 Jahre alt sei, während sie ihm zunächst gesagt habe, sie sei 13 Jahre alt. Einige Tage später habe ... ihn dann allerdings darüber aufgeklärt, dass sie erst 12 Jahre alt sei, bei diesem Gespräch wäre sie selbst auch dabei gewesen. Es sei dann auch einmal vorgekommen, dass der Angeklagte ihr bei Hausaufgaben geholfen habe. Es sei um das Fach Deutsch gegangen, sie habe das Buch der 5. Klasse benutzt, was er auch gesehen habe. Er habe auch von ... gewusst, dass sie noch die Grundschule besuche. Am 08.01.2019 sei sie – so die Nebenklägerin weiter – mit dem Angeklagten zusammengekommen, es habe mit Kuscheln und Küssen angefangen. Sie wisse das Datum noch genau, da sie das Geschehen kurz vor der Hauptverhandlung noch einmal mit ihrem Rechtsanwalt durchgesprochen habe. Dabei sei ihr nichts vorgelegt worden, er habe nur Fragen gestellt. Am 09.01.2019 habe sie das erste Mal mit dem Angeklagten geschlafen, dies sei bei ihr zu Hause passiert. Sie seien zuerst zu viert dort gewesen, dann seien aber zunächst ... und dann ... gegangen. Die beiden hätten sich gestritten. Der Angeklagte habe sie geküsst und dann ausziehen wollen, was sie abgewehrt habe. Er habe immer gesagt, dass sie sich trauen solle und es nicht schlimm sei. Sie habe – so die Nebenklägerin weiter – ständig gesagt, dass er aufhören solle, was er aber nicht getan habe. Schließlich habe sie es zugelassen, dass er sie ausziehe, obwohl sie es nicht gewollt habe. Sie habe nur noch einen BH angehabt, er habe sich dann auch ausgezogen und aus seiner Brieftasche ein Kondom entnommen, welches rot gewesen sei. Er habe dieses Kondom über seinen erigierten Penis gezogen und sich dann auf sie gelegt, sie habe in ihrem Bett auf dem Rücken gelegen. Er habe zunächst einen Finger in ihre Scheide eingeführt und dann mit ihr Sex gemacht, es sei für sie das erste Mal gewesen. Sie habe dabei starke Schmerzen gehabt und auch geblutet, auf dem Bett sei das Blut zu sehen gewesen. Danach sei er gegangen, es habe keinen Streit gegeben. Sie sei anschließend mit dem Hund rausgegangen und habe immer noch Schmerzen im Unterleib verspürt.

Auf den Vorhalt, dass sie bei ihrer polizeilichen Vernehmung angegeben habe, das erste Mal habe sie mit dem Angeklagten in dessen "Chillbude" in der ...straße Sex gehabt, hat die Nebenklägerin bekundet, dass die Polizeibeamtin ihr gesagt habe, dass ihre Mutter das Protokoll der polizeilichen Vernehmung lesen würde, sie - die Nebenklägerin - aber nicht gewollt habe, dass ihre Mutter dadurch erfährt, dass der Angeklagte in ihrer Wohnung gewesen sei. Die Nebenklägerin hat weiter ausgesagt, in den nächsten Wochen in der „Chillbude“ des Angeklagten mehrfach mit ihm Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Dieser habe immer in dem größeren Zimmer stattgefunden, auf einer Matratze mit einem blauen Bettlaken, die auch mal anders gelegen habe. Sie könne eine genaue Anzahl der Geschlechtsakte nicht benennen, sie hätte sich dabei nicht immer in Rückenlage auf der Matratze befunden, sondern sei auch mal auf ihm drauf gewesen. Sie könne nicht mehr sagen, ob sie sich auch einmal hingekniet habe und er dann von hinten mit dem Penis in ihre Scheide eingedrungen sei. Es habe jedenfalls auch zu Hause in ihrem Kinderzimmer noch Sex mit dem Angeklagten gegeben, der zunächst kein Kondom mehr benutzt habe. Sie habe nicht die Pille genommen. Dann habe er doch einmal auf ihr Verlangen ein Kondom verwendet, aber am Ende des Geschlechtsverkehrs sei es nicht mehr über seinem Penis gewesen. Auf den Vorhalt, dass sie nun erstmals im Rahmen der gerichtlichen Vernehmung angegeben habe, auch mehrfach zu Hause in ihrem Kinderzimmer mit dem Angeklagten Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, hat die Nebenklägerin geäußert, sie habe vermeiden wollen, dass ihre Mutter erfährt, dass sie öfter zu Hause miteinander geschlafen hätten. Ferner hat die Nebenklägerin bekundet, seinerzeit noch nicht genau gewusst zu haben, was ein Samenerguss sei, manchmal habe nach dem Sex etwas zwischen ihren Beinen geklebt. Sie habe in der Zeit mehrere Schwangerschaftstests gemacht, weil ihre Freundin ... sie über das Schwangerschaftsrisiko aufgeklärt habe und auch ihre Tage ausgeblieben seien. Die Tests seien von ... oder vom Angeklagten bezahlt worden. ... habe mit ihr geschimpft, weil sie – die Nebenklägerin – noch so jung sei und besser aufpassen müsse. Der Angeklagte habe ihr gesagt, dass sie dann eben abtreiben müsse, wenn sie schwanger sei. Es sei auch einmal vorgekommen, dass der Angeklagte sie in der „Chillbude“ aufgefordert habe, seinen erigierten Penis anzufassen und dabei die Hand rauf und runter zu bewegen. Sie habe daraufhin nur kurz seinen steifen Penis umfasst, aber dabei mit ihrer Hand keine Bewegungen ausgeführt. Seinen Penis habe sie nie in den Mund genommen, er habe auch nie an ihrer Scheide geleckt. Kurz vor dem Ende der Beziehung zum Angeklagten, an einem Tag Mitte Februar 2019, habe dieser in der „Chillbude“ an ihrem Hals gegen ihren Willen einen Knutschfleck gemacht. Sie sei sauer auf ihn gewesen, weil er nach Polen fahren, aber nicht erzählen wollte, was er dort vorhabe. Er habe sie festgehalten und zu küssen versucht, wogegen sie sich gewehrt habe, indem sie versucht habe, ihn wegzustoßen. Schließlich habe er sie umklammert und ihr den Knutschfleck auf den Hals gemacht. Die Nebenklägerin hat weiter ausgesagt, dass sie ... und ... vom Sex mit dem Angeklagten erzählt habe. ... sei auch einmal in der „Chillbude“ in dem kleinen Nebenraum gewesen, während sie in dem großen Zimmer mit dem Angeklagten geschlafen habe. Der Angeklagte habe vor ... damit geprahlt, dass er mit ihr Sex habe und bei ihm keine Jungfrau bleibe. ... habe sie – so die Nebenklägerin weiter - von ihrem ersten Mal berichtet, von den Schmerzen und dem Blut. Sie wisse nicht mehr genau, ob sie ... gesagt habe, dass der Geschlechtsverkehr dann auch mal schön gewesen sei.

Die Kammer hat die Aussage der Nebenklägerin im Kernbereich für uneingeschränkt glaubhaft erachtet, da sie zahlreiche Hinweise auf einen realen Erlebnisbezug enthält und zudem durch weitere Beweismittel gestützt wird.

2.10.1.1. Qualität und Konstanz der Angaben der Nebenklägerin

Die Aussage der Nebenklägerin, an deren Aussagetüchtigkeit sich keine Zweifel ergeben haben, weist etliche Realkennzeichen auf, die für die Erlebnisfundiertheit ihrer Angaben sprechen. So waren die Angaben der Nebenklägerin teilweise sehr detailliert, etwa bei der Beschreibung des vom Angeklagten beim ersten Geschlechtsverkehr verwendeten Kondoms (Farbe: rot) oder der Schilderung der Anbahnung und des Ablaufs dieses Geschlechtsaktes (Überredung durch den Angeklagten, Eindringen des Angeklagten zunächst mit einem Finger in die Scheide, Schmerzen und Blutung der Nebenklägerin). Ein solcher Detailreichtum war angesichts der Bedeutung des Geschehens für die Nebenklägerin auch zu erwarten, während die eher oberflächlichen Schilderungen der nachfolgenden Geschlechtsakte damit zu erklären sind, dass diese ähnlich abgelaufen waren und nur wenige Besonderheiten aufwiesen. Auch zum Randgeschehen enthält die Aussage der Nebenklägerin mehrere originelle Details, zum Beispiel die Umstände des Zustandekommens mehrerer Schwangerschaftstests auf Kosten von ... bzw. des Angeklagten einschließlich dessen Äußerung, sie müsse abtreiben, wenn sie schwanger geworden sei. Für die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben spricht überdies, dass die Nebenklägerin auch ohne weiteres in der Lage war, zwischen den verschiedenen Tatvorwürfen zu springen und insoweit spontan an den jeweiligen Geschehensablauf anzuknüpfen. Die Nebenklägerin hat aber auch Unsicherheiten und Erinnerungsdefizite eingeräumt und zudem jegliche Übertreibungen des Geschehens unterlassen. So hat sie etwa nicht behauptet, dass der Angeklagte vor einem Geschlechtsverkehr oder währenddessen jemals Gewalt angewandt habe. An einen Geschlechtsverkehr von hinten in der sogenannten Chillbude hat sie in der Hauptverhandlung keine Erinnerung mehr gehabt. Insofern wäre es ihr allerdings, wenn es ihr auf eine Belastung des Angeklagten angekommen wäre, ohne weiteres möglich gewesen, eine Erinnerung an einen solchen Geschlechtsakt vorzugeben. Insgesamt kann eine überschießende Belastungstendenz bei der Nebenklägerin nicht festgestellt werden.

Vor ihrer gerichtlichen Vernehmung ist die Nebenklägerin bei der Polizei durch die Kriminalhauptkommissarin ... am 25.02.2019, was die Kammer den hierzu verlesenen Daten des Vernehmungsprotokolls entnommen hat, angehört worden, die über den Inhalt der Anhörung in ihrer Eigenschaft als Vernehmungsbeamtin vernommen worden ist. Die KHKin ... hat ausgeführt, dass ... bei der Anhörung alleine gewesen und darüber in Kenntnis gesetzt worden sei, dass ihre Mutter die Gelegenheit haben werde, das Protokoll der Anhörung zu lesen. ... habe angegeben, dem Angeklagten zunächst im Dezember 2018 erzählt zu haben, 13 Jahre alt zu sein, ... dies jedoch zeitnah auf 12 Jahre korrigiert und der Angeklagte dann zudem gewusst habe, dass sie in die 5. Klasse gehe. ... habe weiter ausgesagt, mit dem Angeklagten Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, den sie eigentlich nicht gewollt habe. Sie sei zwar in ihn verliebt gewesen, habe aber nur mit ihm geschlafen, weil er immer gesagt habe, dass er mit ihr Schluss mache, wenn sie es nicht tue. ... sei in der Lage gewesen, den Geschlechtsakt allgemein genau zu beschreiben, habe jedoch nicht genau gewusst, was ein Samenerguss sei. Amy Löper habe im Rahmen der Anhörung ferner ausgesagt, der Sex mit dem Angeklagten sei immer in dessen Wohnung in der ...straße geschehen, anhand eines Kalenders habe sie die Anzahl auf zehn festgelegt, sechs bis siebenmal sei es im Januar 2018 und noch zwei bis dreimal im Februar 2018 dort zum Geschlechtsverkehr gekommen. Nach den Angaben von ... sei der Angeklagte beim ersten Mal vorher mit dem Finger in ihre Scheide eingedrungen und habe ein rotes Kondom verwendet, danach sei der Geschlechtsverkehr immer ungeschützt passiert. Deshalb habe sie auf Anraten ihrer Freundin ... mehrere Schwangerschaftstests gemacht. ... habe zudem bekundet, einmal auf Verlangen des Angeklagten dessen erigierten Penis angefasst zu haben. Außerdem habe ihr der Angeklagte kurz vor dem Antritt einer Fahrt nach Polen einen Knutschfleck am Hals gemacht, obwohl sie sich gewehrt habe. Die Zeugin ... hat insoweit bekundet, per Email von den Eltern der Nebenklägerin ein Bild von einem Knutschfleck am Hals erhalten zu haben. Die Zeugin ... hat weiter ausgesagt, nach der Anhörung von ... mit dieser noch ein Telefonat geführt zu haben, in dem ... eingeräumt habe, dass der erste Sex mit dem Angeklagten in ihrem Kinderzimmer in der Wohnung ihrer Mutter gewesen sei. ... habe dazu erklärt, sie habe nicht die Wahrheit gesagt, weil sie nicht gewollt habe, dass ihre Mutter davon erfährt.

Die von der Zeugin ... wiedergegebene Schilderung der Nebenklägerin entspricht im Kern deren Angaben in der Hauptverhandlung. Soweit sie im Rahmen ihrer staatsanwaltlichen Vernehmung noch von einem Geschlechtsverkehr auf den Knien von hinten berichtet hat, konnte sie diesbezüglich vor Gericht auf einen entsprechenden Vorhalt keinerlei Erinnerung abrufen. Diese Inkonstanz lässt sich jedoch zwanglos mit dem Phänomen erklären, dass häufig und ähnlich erlebte Geschehnisse mit der Zeit zunehmend mental verschmelzen. Insofern entspricht das Aussagenverhalten der Nebenklägerin, über den ersten Geschlechtsverkehr in ihrem Kinderzimmer in der Hauptverhandlung noch präzise Angaben machen zu können, während dessen ihr dies bezüglich der nachfolgenden, wiederholt und im wesentlichen gleichförmigen Sexualkontakte mit dem Angeklagten nur noch eingeschränkt möglich war, einem erwartungsgemäßen Erinnerungsvermögen.

2.10.1.2. Mängel in der Aussage der Nebenklägerin und deren Erklärung

Die Kammer hat nicht verkannt, dass die Aussage der Nebenklägerin Mängel und Unstimmigkeiten aufweist. So hat die Nebenklägerin bei der zeitlichen Einordnung des Geschehenen Probleme gehabt. Sie hat sich zwar auf den 09.01.2019 als Datum ihres ersten Geschlechtsverkehrs festgelegt, konnte aber nicht erklären, warum sie insoweit sicher sei, während die Zeugin ... den 11.01.2019 eindeutig als den betreffenden Tag angegeben und dies aus dem Umstand geschlossen hat, dass sie an jenem Tag mit ihrem damaligen Freund ... Streit gehabt habe und die Beziehung zu Ende gegangen sei. Auch eine konkrete Anzahl der sexuellen Kontakte mit dem Angeklagten konnte die Nebenklägerin in der Hauptverhandlung nicht mehr ansatzweise angeben.

Die insoweit zutage getretenen Aussagemängel sind jedoch kein Grund, an der Wahrhaftigkeit der Aussage zu zweifeln. Gerade länger zurückliegende und sich wiederholende Handlungsabläufe sind von Zeugen häufig zeitlich nicht mehr sicher einzuordnen.

Allerdings gibt es noch weitere Unstimmigkeiten im Aussageverhalten der Nebenklägerin. Erstmals hat sie in ihrer gerichtlichen Zeugenvernehmung geschildert, dass der Angeklagte einmal auf ihr Verlangen ein Kondom benutzt habe, dies aber nicht bis zum Ende des Geschlechtsverkehrs auf seinem Penis geblieben sei. Ebenfalls erstmals in der Hauptverhandlung hat sie von mehrmaligem Geschlechtsverkehr in ihrem Kinderzimmer mit dem Angeklagten berichtet. Außerdem hat die Nebenklägerin vor Gericht bekundet, keine Erinnerung daran zu haben, ob sie den Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten gegenüber der Zeugin ... auch mal als schön bezeichnet habe, wie diese es glaubhaft bekundet hat.

Es handelt sich hierbei um Unstimmigkeiten, die bei der Frage, ob die Aussage der Nebenklägerin insgesamt wahrheitswidrig ist, zwar beachtlich sind, aber nicht den Schluss nahelegen, dass ihre Angaben zum Teil oder sogar insgesamt nicht der Wahrheit entsprechen. Ergänzungen wie die nochmalige Erwähnung eines Kondoms (außer beim ersten Mal) in zeitlich späteren Vernehmungen können sich daraus ergeben, dass manche Erinnerungen eben erst später als andere bzw. spontan reproduziert werden.

Die erstmalige Offenbarung wiederholter Sexualkontakte in ihrem Kinderzimmer ist auf den nachvollziehbaren Umstand– wie die Nebenklägerin selbst eingeräumt hat - zurückzuführen, dass ihre Mutter nichts davon erfahren sollte. Dass die Nebenklägerin gegenüber der Zeugin ... nach deren glaubhafter Aussage geäußert hat, der Sex mit dem Angeklagten sei dann auch mal schön gewesen, dies aber bei der polizeilichen Vernehmung nicht angegeben und auch in der Hauptverhandlung nicht erinnert bzw. verschwiegen hat, lässt sich auch verständlich mit der Gefühlslage der Nebenklägerin erklären. Ebenso wie sie zunächst wohl aus Rücksicht und Scham nicht wollte, dass ihre Mutter von den sexuellen Kontakten ihrer 12-jährigen Tochter in der mütterlichen Wohnung erfährt, wollte sie deren Erschütterung nicht noch größer werden lassen, indem die Mutter von ihren (höchstpersönlichen) Empfindungen beim Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten Kenntnis erlangt.

2.10.1.3. Suggestion und Falschbezichtigung

Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass fremd- oder autosuggestive Einflussfaktoren die Aussage der Nebenklägerin verfälscht haben. Ihre erste, den Angeklagten erheblich belastende Aussage bei der Polizei fand ausweislich der hierzu verlesenen Vernehmungsdaten am 25.02.2019, mithin drei Tage nach der alleinigen Anzeigenerstattung durch ihre Mutter statt. Nach Angaben der KHKin ... kannte Frau ..., wie von dieser im Rahmen deren Zeugenvernehmung bestätigt, zum Zeitpunkt der Anzeigenerstattung keine Einzelheiten. Auch der Angeklagte war Frau ... bis dato nicht näher bekannt, sodass eine Beeinflussung von außen abwegig erscheint. Auch einen - Scheinerinnerungen generierenden - autosuggestiven Prozess als Grund für eine Falschaussage hat die Kammer ausgeschlossen. Dieser benötigt einen Zeitraum für die Befassung im Sinne eines inneren Vorgangs mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs. Für ein solch intensives und dauerhaftes Nachdenken seitens der Nebenklägerin mit der Möglichkeit, dass nach mehrfacher Wiederholung von bestimmten Gedankengängen diese ab einem gewissen Zeitpunkt als Erinnerung wahrgenommen werden, hat die Hauptverhandlung keinen Ansatz erbracht.

Tragfähige Hinweise auf eine bewusste Falschbezichtigung seitens der Nebenklägerin sind ebenfalls nicht erkennbar. Das vorstellbare Belastungsmotiv der Rache oder Enttäuschung hat sich nicht als nachvollziehbar erwiesen. Nach den glaubhaften Angaben der Zeugin ... ist die von der Mutter der Nebenklägerin gegen den Angeklagten erstattete Strafanzeige nämlich durch einen Hinweis der Zeugin ... ausgelöst worden. Motiv der Unterrichtung der Mutter durch die Zeugin ... war ausweislich der verlesenen und in Augenschein genommenen Textnachricht, den Frau ... durch ein Bildschirmfoto (Screenshot) von ihrem Mobiltelefon gesichert und als Bilddatei an die dienstliche Email-Adresse der KHKin ... während der Anzeigenerstattung versandt hatte, die Sorge um ihre erst 12 Jahre alte Freundin und ihre Unwilligkeit, weitere Schwangerschaftstests zu bezahlen („.. ich musste mein ganzes Taschengeld ausgeben für Schwangerschaftstests wir mussten 4 oder so machen…“). Weder schlägt die Zeugin ... in der Nachricht eine Anzeige vor, noch äußert sie den Wunsch nach Bestrafung. Nach der glaubhaften Aussage von ... wusste ihre Freundin ... auch nichts von der Mitteilung. Im Gegenteil: zu Beginn der Nachricht bittet ... die Mutter um Vertraulichkeit, indem sie formuliert: „Aber sie haben es nicht von mir nachher is sie sauer auf mich …“. Nach alledem kann ein von der Nebenklägerin und der Zeugin ... gegen den Angeklagten geschmiedetes Komplott nach der Überzeugung der Kammer ausgeschlossen werden, weil nichts dafür spricht, dass die beiden den Angeklagten mit erfundenen, schwerwiegenden Vorwürfen im kollusiven Zusammenwirken belastet haben.

Soweit die Nebenklägerin in der Hauptverhandlung bekundet hat, kurz zuvor mit ihrem Rechtsanwalt die Sache durchgesprochen zu haben, hat dies gerade nicht zu einer der Aktenlage angepassten Aussage geführt, da die Nebenklägerin in der Hauptverhandlung Unwahrheiten aus früheren Vernehmungen eingeräumt und zudem belastende Angaben aus diesen Vernehmungen in der Hauptverhandlung nicht wiederholt hat.

2.10.2. Bestätigende Beweismittel

Für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin spricht überdies das Attest des Arztes Dr. ... der ... Kliniken über die Untersuchung von ... vom 25.02.2019, das in der Hauptverhandlung verlesen worden ist. Darin wird attestiert, dass die Scheide leicht eingängig und das Hymen eingerissen ist, was ein Indiz für stattgefundenen Geschlechtsverkehr darstellt.

Für intime Kontakte zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin sprechen auch Bildaufnahmen, die auf dem sichergestellten Mobiltelefon des Angeklagten (Samsung SM-G930F Galaxy S7) gesichert werden konnten und in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen wurden. Die entsprechende richterliche Durchsuchungsanordnung und das die Sicherstellung des Mobiltelefons des Angeklagten beinhaltende Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll vom 05.03.2019 sind durch Verlesung in der Hauptverhandlung eingeführt worden. Die Auswertung des Handys erfolgte durch den bereits an anderer Stelle erwähnten KOK .... Auf einem Bild ist der Angeklagte mit nacktem Oberkörper rücklings auf einem Bett liegend zu sehen, wobei die Nebenklägerin, deren Oberkörper durch eine Decke verdeckt ist, eng an ihn geschmiegt in seinem Arm liegt. Ein anderes Bild zeigt den Kopf und einen Teil des Oberkörpers der Nebenklägerin, die in einer Badewanne liegt und sichtbar nicht bekleidet ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Abbildungen, Bl. 20 und 22 aus dem Sonderband „Handyauswertung II“, gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen. Ausweislich des hierzu insoweit verlesenen polizeilichen Extraktionsberichts wurden die Bilddateien am 14.01.2019 bzw. am 25.01.2019 auf dem Mobiltelefon erstellt und fallen damit in den von der Nebenklägerin angegebenen Zeitraum der geschlechtlichen Beziehung zum Angeklagten.

Von dem vom Angeklagten verursachten sogenannten Knutschfleck am Hals der Nebenklägerin hat diese nach ihren glaubhaften Angaben mit ihrem Handy eine Aufnahme gemacht. Die entsprechende Bilddatei ist per Email von ihrem Vater am 25.02.2019 an die dienstliche Email-Adresse der KHKin ... gesandt, zu den Akten genommen und in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden. Auf ihm sind zwei rote, zum Teil bläuliche, direkt übereinander liegende, jeweils zwei bis drei Zentimeter große Hautunterblutungen an der linken Halsseite zu erkennen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Abbildung, Bl. 79 der Hauptakte gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen. Die festgestellten Hautunterblutungen, die nach Angaben der Mutter der Nebenklägerin mehrere Tage sichtbar waren, belegen ein mehr als nur kurzfristiges bzw. flüchtiges Einwirken des Angeklagten.

Zudem bestätigen andere Zeugenaussagen wesentliche Angaben der Nebenklägerin und sprechen auch aus sich heraus für einen vom Angeklagten wiederholt begangenen sexuellen Missbrauch zu deren Nachteil.

Die Zeugin ... hat bekundet, dass der Angeklagte nicht zurückhaltend mit seiner intimen Beziehung zu ... umgegangen sei. Sie hat bestätigt, dass der Angeklagte und ... am 08.01.2019 ein Paar geworden seien. Es sei am 11.01.2019 zu einem Treffen zu viert in der Wohnung der Mutter von ... gekommen, was zuerst ihr damaliger Freund ... und dann sie selbst verlassen habe. Sie wisse das Datum noch genau, weil ihre Beziehung zu ... an diesem Tag zu Ende gegangen sei. Bereits während ihrer Anwesenheit in der Wohnung habe der Angeklagte ... gestreichelt und geküsst. ... habe ihr hinterher erzählt, dass sie mit dem Angeklagten an diesem Tag Sex gehabt habe und dies ihr erstes Mal gewesen sei. ... habe gesagt, dass der Angeklagte sie überredet habe und zuerst mit einem Finger in die Scheide eingedrungen sei; der Geschlechtsverkehr sei schmerzhaft für sie gewesen und sie habe geblutet. ... habe ihr dann später von weiteren sexuellen Kontakten mit dem Angeklagten berichtet. Nach dem vierten oder fünften Mal habe ... auch geschildert, dass es für sie schön gewesen sei. Der Angeklagte habe – so die Zeugin ... weiter – ihr gegenüber in dieser Zeit einmal geäußert, ... wolle noch mehr und länger Sex mit ihm, sie habe einen Orgasmus gehabt. Er habe in diesem Zusammenhang gesagt, ... stöhne beim Sex, ein solches Stöhnen habe er auch noch vorgemacht. Anhand der Erzählungen von ... gehe sie – die Zeugin ... – davon aus, dass es insgesamt etwa zehnmal zu Sex zwischen dem Angeklagten und ihrer Freundin in der „Chillbude“ gekommen sei. Der Geschlechtsverkehr habe nach den Angaben von ... bis auf das erste Mal ungeschützt stattgefunden und sie habe ... daraufhin über das Risiko einer Schwangerschaft aufgeklärt, so dass auch ... insofern besorgt gewesen sei. ... habe mindestens drei Schwangerschaftstests gemacht, von denen sie - die Zeugin ... - zwei bezahlt habe. Der Angeklagte habe Mitte Januar 2019 in ihrer und der Gegenwart von ... gesagt, diese solle dann halt abtreiben. Die Beziehung zwischen dem Angeklagten und ... sei dann etwa Mitte Februar zu Ende gewesen, weil er in Polen eine Verlobte gehabt, ... das von ... erfahren und sofort mit ihm Schluss gemacht habe. Die Zeugin ... hat ferner ausgesagt, dass es, als sie dabei gewesen sei, kurz vor dem Ende der Beziehung Streit zwischen den beiden gegeben habe, da der Angeklagte habe nach Polen fahren wollen. Sie habe gesehen, wie der Angeklagte versucht habe, ihre Freundin zu küssen, wogegen diese sich gewehrt und versucht habe, ihn wegzustoßen. Dies sei ... jedoch nicht gelungen, er habe sie weiter festgehalten und dann einen Knutschfleck an ihrem Hals gemacht. Schließlich - so die Zeugin weiter - habe sie die Mutter von ... über Instagram darüber informiert, dass der Angeklagte mit ... Geschlechtsverkehr gehabt habe. Sie habe einfach nicht gewollt, dass ... es weiter verschweigt.

Die anschauliche, nachvollziehbare und glaubhafte Aussage der Zeugin ... zeigt den offenen Umgang des Angeklagten bezüglich seiner sexuellen Kontakte mit der Nebenklägerin und weist eine hohe Übereinstimmung mit deren Angaben auf. Eindeutig für einen regelmäßigen Geschlechtsverkehr sprechen insbesondere die von der Zeugin ... und der Nebenklägerin geschilderten Schwangerschaftstests einschließlich der von beiden wiedergegebenen Äußerung des Angeklagten, dass die Nebenklägerin dann eben abtreiben müsse. Dass der Angeklagte gegen den Willen der Nebenklägerin an deren Hals einen Knutschfleck erzeugt hat, wird durch die Bekundung der Zeugin ... gestützt, er habe die sich wehrende Nebenklägerin dabei festgehalten.

Die Zeugin ... hat bekundet, sie habe über Instagram am 21.02.2019 eine Nachricht von ... bekommen, dass ihre Tochter ... ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einem Ausländer gehabt habe und mehrere Schwangerschaftstests gemacht worden seien, was durch den bereits an anderer Stelle erwähnten, verlesenen und in Augenschein genommenen Screenshot von der Textnachricht bestätigt wird. Sie - so die Zeugin weiter - habe ... daraufhin zur Rede gestellt, die dann in einem längeren Gespräch unter Tränen zugegeben habe, dass sie einen Freund gehabt und Schwangerschaftstests gemacht habe. Auf mehrmaliges Nachfragen habe ihr ... einen "Maga" als diesen Freund benannt und ihr sein Profilbild gezeigt. Einzelheiten zu sexuellen Handlungen habe sie von ihrer Tochter nicht erfahren, diese habe jedoch zugegeben, dass der Knutschfleck, den sie – die Zeugin ... - am Hals ihrer Tochter einige Tage zuvor schon bemerkt habe, vom Angeklagten stamme. Da habe ihre Tochter noch behauptet, ... habe diesen gemacht. ... habe auch nie etwas davon gesagt, dass der Angeklagte sie zu Hause besucht habe. Die Aussage der Zeugin ... macht deutlich, dass die Nebenklägerin auch ihr gegenüber sexuelle Kontakte mit dem Angeklagten eingeräumt hat, ohne dabei zu seinem Nachteil zu übertreiben.

Der Zeuge ... hat zwar in der Hauptverhandlung ausgesagt, keine Angaben über das Verhältnis zwischen der Nebenklägerin und dem Angeklagten machen zu können, er habe nichts Besonderes bemerkt oder dies schon wieder vergessen. Der Zeuge KOK ... hat jedoch bekundet, dass ... ihm gegenüber in seiner Beschuldigtenvernehmung angegeben habe, der Angeklagte habe ihm von Sex mit der Nebenklägerin berichtet. Sowohl dem Angeklagten als auch dem Zeugen ... sei nach dessen Angaben bekannt gewesen, dass die Nebenklägerin damals erst 12 Jahre alt war.

Insgesamt haben sich daher keine vernünftigen Zweifel an den Schilderungen der Nebenklägerin bezüglich des Kerngeschehens der Taten zu II. 12. – 16. ergeben. Die Kammer ist neben dem ersten Geschlechtsverkehr im Kinderzimmer der Nebenklägerin von wenigstens zwei weiteren vaginalen, ungeschützten Geschlechtsakten in der vom Angeklagten genutzten Wohnung in der ...straße 67 in ... ausgegangen, da die Nebenklägerin insoweit von mehreren Vorfällen berichtet hat. Eine weitere Tat stellt das vom Angeklagten verlangte Umfassen seines erigierten Gliedes seitens der Nebenklägerin dar, welches sie konstant als vom Geschlechtsverkehr getrenntes Geschehen beschrieben hat. Ebenso verhält es sich mit dem vom Angeklagten gegen den Willen der Nebenklägerin an ihrem Hals erzeugten Knutschfleck, bei welchem die Zeugin ... zugegen war.

IV.

Rechtliche Würdigung

1. Tat zum Nachteil der Zeugin ...

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte eine vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 StGB begangen, indem er die Zeugin ... mehrfach geschlagen und dadurch körperlich misshandelt hat. Zudem hat er durch dieselbe Handlung gemäß § 52 StGB im Sinne eines einheitlichen Tuns eine Bedrohung gemäß § 241 StGB verwirklicht, indem er durch das angekündigte Anzünden des Fahrzeugs, in welchem ... an den Händen gefesselt saß, jener mit dem Verbrechen des zumindest versuchten Totschlags gedroht hat. Dagegen hat der Angeklagte durch sein Verhalten nicht (wie tateinheitlich angeklagt) den Tatbestand einer Freiheitsberaubung nach § 239 StGB erfüllt. Es fehlt insoweit an der Aufhebung der objektiven Fortbewegungsfreiheit der Geschädigten, die nach den getroffenen Feststellungen nur an den Händen gefesselt war (BGH, Beschluss vom 11. September 2014 - 2 StR 269/14 -, juris). Ihr wäre es daher möglich und auch zumutbar gewesen, aus dem Auto zu steigen und sich zu entfernen.

2. Verkehrsstraftaten

Nach den Feststellungen zu Ziffer II. 2. und II. 4. hat sich der Angeklagte insoweit jeweils des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG schuldig gemacht, weil er ein Kraftfahrzeug ohne die entsprechende Fahrerlaubnis im öffentlichen Straßenverkehr geführt hat und um seine fehlende Berechtigung wusste und sich gleichwohl zum Fahrantritt entschlossen hat.

3. Tat zum Nachteil des Zeugen ...

Der Angeklagte hat insoweit ebenfalls eine vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 StGB begangen, indem er dem Zeugen in den Rücken gesprungen ist. Er hat sich jedoch nicht wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB schuldig gemacht. Ein hinterlistiger Überfall im Sinne dieser Vorschrift ist nur dann gegeben, wenn der Täter seine wahre Absicht planmäßig berechnend verdeckt, um gerade dadurch dem Opfer die Verteidigungsmöglichkeiten zu erschweren. Er muss insoweit zur Verschleierung seines Angriffs weitere Maßnahmen treffen. Der Angeklagte hat dagegen den Geschädigten nach den getroffenen Feststellungen spontan und plötzlich von hinten angegriffen, was nach ständiger Rechtsprechung für sich nicht ausreicht, um den Qualifikationstatbestand zu erfüllen (Fischer, StGB, 66. Aufl., § 224 Rn. 22 m.w.N.).

4. Betäubungsmittelstraftaten

Durch die Taten zu II. 5. – 7. hat der Angeklagte sich jeweils gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG schuldig gemacht, indem er als Person über 21 Jahre unerlaubt Betäubungsmittel an eine Person unter 18 Jahren zum unmittelbaren Verbrauch überlassen hat. Eine Abgabe von Betäubungsmitteln im Sinne dieser Vorschrift ist nicht verwirklicht worden, da der Jugendliche ... die Betäubungsmittel vom Angeklagten nicht zur freien Verfügung, sondern zum sofortigen Gebrauch an Ort und Stelle erhalten hat. Der Angeklagte hat auch nicht mit Betäubungsmitteln Handel getrieben, da er nicht mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt hat.

Durch die Taten zu Ziffer II. 8. – 11. hat der Angeklagte sich ebenfalls jeweils gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG schuldig gemacht, indem er als Person über 21 Jahre unerlaubt Betäubungsmittel an eine Person unter 18 Jahren zum unmittelbaren Verbrauch überlassen hat, wobei bezüglich der Taten zu II. 8. und II. 9. rechtliche Handlungseinheit besteht, da er in diesen Fällen die Drogen jeweils zwei Jugendlichen zum Gebrauch an Ort und Stelle gleichzeitig bzw. kurz hintereinander überlassen hat. Bei der Tat zu II. 11. ist Vollendung eingetreten, da die Minderjährige ... die Betäubungsmittel in den Händen gehalten hat. Mit dem insoweit vollzogenen Besitzwechsel ist Vollendung eingetreten (Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Auflage, § 29a Rnr. 19).

5. Sexualstraftaten zum Nachteil der Nebenklägerin

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte durch Begehung der Taten zu Ziffer II. 12. – 14. jeweils einen schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht, da er mit der 12jährigen Nebenklägerin, deren Alter er kannte, den Beischlaf vollzogen hat.

Die Tat zu Ziffer II. 15. ist als sexueller Missbrauch eines Kindes gemäß § 176 Abs. 1 StGB zu würdigen. Diesen Straftatbestand hat der Angeklagte auch durch die Tat zu Ziffer II. 16. verwirklicht, wobei hier aufgrund der vom Angeklagten ausgeübten Gewalt tateinheitlich § 177 Abs. 1, 5 Nr. 1 StGB erfüllt ist. Es handelt sich jeweils auch um sexuell erhebliche Handlungen im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB. Das gilt nicht nur für das, wenn auch nur kurzzeitige Umfassen des immerhin erigierten Geschlechtsteils des Angeklagten mit der Hand, sondern auch für das sexuell motivierte Saugen am Hals einer 12-Jährigen bei gleichzeitigem Festhalten, soweit die festgestellten Hautunterblutungen ein mehr als nur kurzfristiges bzw. flüchtiges Einwirken belegen.

V.

Strafzumessung

1. Strafrechtliche Behandlung des Angeklagten

Mit Ausnahme der Tat zum Nachteil der Zeugin ... (Ziffer II. 1.) hatte der Angeklagte bei Begehung sämtlicher verfahrensgegenständlicher Straftaten das 21. Lebensjahr vollendet, sodass insoweit Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung gekommen ist. Anders liegt der Fall zu Ziffer II.1. Der Angeklagte war zur Tatzeit (Anfang September 2017) 20 Jahre und neun Monate alt und damit Heranwachsender nach § 1 Abs. 2 JGG. Die Kammer hat deshalb für diese Tat die Anwendung von Jugendstrafrecht nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 JGG geprüft, aber nach einer Gesamtwürdigung der bisherigen persönlichen Entwicklung des Angeklagten verworfen, weil bei ihm zur Tatzeit weder jugendtypische Reifeverzögerungen vorlagen, noch es sich um eine jugendtypische Verfehlung handelte.

Zunächst hat die Kammer ausgeschlossen, dass es sich bei der in Rede stehenden Tat zum Nachteil von ... um eine jugendtypische Verfehlung im Sinne des § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG gehandelt hat. Die Tat weist weder nach ihrem äußeren Erscheinungsbild noch nach den Beweggründen Merkmale jugendlicher Unreife auf. Das planvolle Vorgehen des Angeklagten und die skrupellose Durchführung der Tat sind nicht jugendtypisch. Vielmehr sind in der Tat eine verfestigte frauenfeindliche Einstellung und eine erhebliche kriminelle Energie zum Ausdruck gekommen.

Für die Frage der Reifeentscheidung nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG war sich die Kammer bewusst, dass es nicht allein darauf ankommt, ob der Heranwachsende zum Zeitpunkt der Tatbegehung in seiner Entwicklung zurückgeblieben war oder ob er sich altersgemäß entwickelt hat, sondern darauf, ob es sich bei ihm um einen noch in der Entwicklung befindlichen, noch prägbaren Menschen handelte, folglich um einen Menschen, in dem Entwicklungskräfte noch in größerem Umfang wirksam waren (BGH NStZ 2008, 696). Hierbei ist allerdings auch zu beachten, dass selbst ein 21jähriger Erwachsener noch entwicklungsfähig und prägbar ist, so dass es darauf ankommt, ob der junge Mensch die von einem jungen Erwachsenen in dieser Altersstufe zu erwartende Reife noch nicht erreicht hat.

Stehen indes Reiferückstände nicht mehr im Vordergrund und hat der Heranwachsende vielmehr die einen jungen Erwachsenen kennzeichnende Ausformung erfahren, dann ist er nicht mehr einem Jugendlichen gleichzustellen.

Gemessen an diesen Ausführungen stand der Angeklagte zur Tatzeit aufgrund seiner geistigen und sittlichen Reife nicht mehr einem Jugendlichen gleich.

Die Kammer ist dabei dem Votum der Jugendgerichtshilfe gefolgt, welche die Anwendung von Erwachsenenstrafrecht - wie auch schon in dem zur Verurteilung zu einer bedingten Jugendstrafe führenden Verfahren vor dem Amtsgericht Neuruppin (vgl. Ziffer 4. der Vorbelastungen unter II.) - empfohlen hat, weil sie Reifeverzögerungen bei dem durchweg selbstbewusst und erwachsen auftretenden Angeklagten nicht erkennen konnte. Die Einschätzung der Jugendgerichtshilfe erlangt hier besondere Bedeutung, weil der Angeklagte dort bereits seit dem persönlichen Erstkontakt im Januar 2018 durch wiederholte Gespräche und die Teilnahme an der dreitägigen Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Neuruppin bekannt ist, während die Kammer allein aus heutiger Sicht hat beurteilen müssen, ob der Angeklagte damals noch Reifeverzögerungen aufgewiesen hat. Des Weiteren war zu konstatieren, dass beim Angeklagten zum Tatzeitpunkt bereits eine Verselbständigung von seiner Ursprungsfamilie - als ein für eine altersangemessene Entwicklung streitender Gesichtspunkt - stattgefunden hatte, die sich darin zeigt, dass er von der Ermahnung seiner Eltern nach der Tat völlig unbeeindruckt geblieben ist. Andererseits ist das Wohnen des Angeklagten noch in der elterlichen Wohnung vorliegend kein maßgebliches Kriterium für eine jugendliche Unreife, weil hierfür wirtschaftliche Erwägungen der sämtlich von Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz lebenden Familie maßgeblich sind. Für seine bereits ausgeformte und gefestigte Persönlichkeit spricht auch der Umstand, dass er nach der Tat zum Nachteil der Zeugin ... weitere erhebliche Straftaten auch im Erwachsenenalter begangen hat. Dies macht deutlich, dass ein Entwicklungspotential für eine Nachreifung bei ihm kurz vor Vollendung des 21. Lebensjahres nicht mehr bestanden hat. Von einem Heranwachsenden, der zum Tatzeitpunkt in seiner Entwicklung noch einem Jugendlichen gleich stand, kann danach beim Angeklagten nicht die Rede sein.

2. Zäsurwirkung und Härteausgleich

Im Rahmen der Strafzumessung hatte die Kammer zu bedenken, dass die verfahrensgegenständlichen Taten zum Teil vor der eine Zäsur bewirkenden Geldstrafe aus dem unerledigten Strafbefehl des Amtsgerichts Neuruppin vom 04.10.2018 begangen wurden und zu einem weiteren Teil danach. Keine Zäsurwirkung entfaltete hingegen die zeitlich davorliegende Verurteilung vom 10.08.2018 zu einer Jugendstrafe, da die Bildung einer Gesamtstrafe zwischen einer Jugend- und einer Freiheitsstrafe ausscheidet (BGH, Beschluss vom 15. Januar 1998 – 1 StR 725/97 –, juris).

Diese Zäsurwirkung führt dazu, dass zwei (Gesamt-)Strafen zu bilden sind. Diese Zufälligkeit in der zeitlichen Abfolge der Verurteilungen bewirkt ein Gesamtstrafübel zum Nachteil des Angeklagten. Dieser Nachteil wiegt für den Angeklagten vorliegend auch deshalb schwer, weil es sich bei der die Zäsur bewirkenden Vorverurteilung um eine solche zu einer geringfügigen Geldstrafe von 30 Tagessätzen handelt, während insbesondere der schwere sexuelle Kindesmissbrauch zum Nachteil der Nebenklägerin und die vor dem 04.10.2018 begangenen Taten zum Nachteil der Geschädigten ... und des Geschädigten ... gravierend und von wesentlich höherem Unrechtsgehalt sind. Es wäre insoweit für den Angeklagten grundsätzlich günstiger, wenn diese weitaus höheren Einzelfreiheitsstrafen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe zurückgeführt werden könnten. Als Folge der Zäsurwirkung führt die Gesamtstrafenbildung nicht zu einer Verschärfung der Einsatzstrafe, sondern zu einer Kumulation der verhängten Strafen. Diesem Nachteil der zwei zu bildenden Gesamtfreiheitstrafen, die in der Summe ein hohes Gesamtstrafübel für den Angeklagten bedeutet hätten, war sich die Kammer bewusst. Sie hat ihm deswegen einen Härteausgleich zugebilligt (BGHSt 44, 179; BGHR a.a.O. Zäsurwirkung 10). Dabei ist sie in der Weise vorgegangen, dass sie zunächst das gesamte vom Angeklagten begangene verfahrensgegenständliche Unrecht gewürdigt und danach ein Gesamtmaß zwischen fünfeinhalb und sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe für schuldangemessen erachtet hat. Eine danach insgesamt gerechte Bestrafung war folglich nur in der Weise zu erreichen, dass die Kammer über einen Nachteilsausgleich im Rahmen der zu bildenden zwei Gesamtstrafen hinaus dem Angeklagten einen solchen auch für die jeweils einzubeziehenden Einzelstrafen zugebilligt hat (vgl. BGHR a.a.O.; BGHR a.a.O. Härteausgleich 2), und zwar insbesondere für die beiden Einsatzstrafen, weil diese als die jeweils höchsten Einzelstrafen maßgeblich das Gesamtstrafübel bestimmen. Überdies war im Rahmen der Festsetzung der Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafenbildung der „ersten“ Gesamtfreiheitsstrafe ein Härteausgleich wegen der nach dem Gesetz nicht möglichen Einbeziehung der Jugendstrafe vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 15. Januar 1998 – 1 StR 725/97 –, juris m.w.N.).

3. Findung der Einzelstrafen

3.1. Für die Tat zum Nachteil der Zeugin ...

Der Kammer hat der Strafrahmen aus § 223 StGB zur Verfügung gestanden, der von Geldstrafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe reicht und im Verhältnis zur tateinheitlich begangenen Bedrohung nach § 241 StGB die schwerste Strafe androht (§ 52 Abs. 2 StGB). Die Kammer hat nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände in diesem Fall auf eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten erkannt. Dem Angeklagten war bei Bemessung dieser Einzelstrafe, welche zugleich die Einsatzstrafe für die zu bildende (erste) Gesamtfreiheitsstrafe bildet, ein Härteausgleich zuzubilligen, um einem schuldunangemessenen Gesamtstrafübel infolge der oben ausgeführten Zäsurwirkung zu begegnen. Ein weiterer Härteausgleich war - wie ebenfalls oben dargestellt - bei der Bemessung der Einzelstrafe vorzunehmen, weil eine Gesamtstrafenbildung mit der gegenwärtig gegen ihn vollstreckten Jugendstrafe aus dem Urteil des Amtsgericht Neuruppin vom 10.08.2018 nicht möglich war und dies für den Angeklagten ebenfalls eine Härte bedeutet. Für den Angeklagten sprach zudem, dass er bis dato noch unbestraft war, die Tat über zwei Jahre zurückliegt und nennenswerte physische Beeinträchtigungen infolge der Tatbegehung bei der Geschädigten nicht eingetreten sind. Zum Nachteil des Angeklagten hat die Kammer bewertet, dass er die Tatbegehung geplant und eine erhebliche kriminelle Energie aufgewandt hat. Darüber hinaus war ihm anzulasten, dass er mit ein und derselben Tat zwei Gesetzesverletzungen verwirklicht hat. Zudem war die Geschädigte ihm nicht nur deutlich körperlich unterlegen, sondern er hat überdies bewusst eine für sie schutzlose Lage geschaffen, indem er sie an eine einsame Stelle gelockt hat. Darüber hinaus liegt in der Tat gegenüber seiner damaligen Freundin ein besonderer Vertrauensbruch, der durch das herabwürdigende Verhalten des Angeklagten noch verstärkt wurde. Insgesamt hat die Kammer eine Freiheitsstrafe noch im unteren Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens für tat- und schuldangemessen erachtet und auf eine solche von einem Jahr und vier Monaten erkannt.

3.2. Für die Tat vom 22.02.2018

Für das vorsätzliche Führen eines Kraftfahrzeugs ohne die dazu erforderliche Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG hält diese Vorschrift einen Strafrahmen von Geldstrafe bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe vor. Zugunsten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass er zum Tatzeitpunkt strafrechtlich noch nicht vorbelastet war. Für ihn sprach zudem das mit Blick auf die zufällige Zäsurwirkung drohende Gesamtstrafübel, allerdings bei Bemessung dieser Einzelstrafe nur gering, weil es sich nicht um die Einsatzstrafe handelt. Ebenso war ihm ein Härteausgleich wegen der ausgeschlossenen Einbeziehung der Jugendstrafe zuzubilligen. Gegen ihn sprach, dass er mit dem Fahrzeug eine nicht unerhebliche Wegstrecke gefahren ist. Nach Abwägung aller Umstände und dem klaren Überwiegen von Milderungsgründen erschien eine Geldstrafe im unteren Bereich tat- und schuldangemessen, die die Kammer mit 60 Tagessätzen zu je 5,-- Euro festgesetzt hat. Die Tagessätzhöhe war mit fünf Euro zu bemessen, weil der Angeklagte lediglich Taschengeld in der Justizvollzugsanstalt in Höhe von 200,- bis 300,- € bezieht.

3.3. Für die Tat zum Nachteil des Zeugen ...

Zur Findung der tat- und schuldangemessenen Strafe für diese Tat hat die Kammer den Strafrahmen aus § 223 StGB entnommen, der Geldstrafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vorsieht. Es war zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er strafrechtlich zum Zeitpunkt der Tat noch nicht vorbelastet war. Zu seinen Gunsten ist erneut das durch die zufällige Zäsurwirkung drohende Gesamtstrafübel berücksichtigt worden, allerdings bei Findung dieser Einzelstrafe nur maßvoll, weil es sich nicht um die Einsatzstrafe handelt. Ebenso hat die Kammer dem Angeklagten einen Härteausgleich wegen der fehlenden Einbeziehungsmöglichkeit der Jugendstrafe zugebilligt. Zu Lasten des Angeklagten war zu bewerten, dass er den Geschädigten überfallartig von hinten und ohne nachvollziehbaren Grund attackiert hat. Gegen ihn sprach zudem, dass er die Tat in aller Öffentlichkeit vor den Kindern des Geschädigten, wobei dessen Sohn selbst noch mitgerissen und leicht verletzt wurde, verübt hat, wodurch das Sicherheitsgefühl der gesamten Familie empfindlich beeinträchtigt worden ist. Die Kammer hat daher eine Strafe für tat- und schuldangemessen erachtet, die sich zwar noch im unteren Bereich des Strafrahmens bewegt, sich aber spürbar von der Mindeststrafe abhebt. Sie hat insofern auf eine Einzelfreiheitstrafe von einem Jahr erkannt.

3.4. Für die Tat vom 17.10.2018

Für das vorsätzliche Führen eines Kraftfahrzeugs ohne die dazu erforderliche Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG hält diese Vorschrift - wie bereits erwähnt - einen Strafrahmen von Geldstrafe bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe vor. Dem Angeklagten war wiederum ein Härteausgleich mit Blick auf das durch die zufällige Zäsurwirkung drohende Gesamtstrafübel zuzubilligen, jedoch bei dieser Einzelstrafe nur gering, da es sich nicht um die Einsatzstrafe handelt. Strafschärfend hat sich demgegenüber ausgewirkt, dass der Angeklagte zur Tatzeit unter Bewährung stand. Nur gut zwei Monate nach der gegen ihn vom Amtsgericht Neuruppin am 10.08.2018, rechtskräftig seit dem 18.08.2018, unter Strafaussetzung zur Bewährung verhängten Jugendstrafe ist er wieder und zwar einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten. Die vorerwähnte Verurteilung erfolgte nämlich unter anderem wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sieben Fällen. In der Gesamtbetrachtung und nach nochmaliger Abwägung aller maßgeblichen Umstände hielt die Kammer eine Bestrafung im mittleren Bereich des vorgegebenen Strafrahmens für tat- und schuldangemessen. Folglich ist auf eine Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten erkannt worden.

3.5. Für die Betäubungsmittelstraftaten

Bei der Strafzumessung hinsichtlich der Verbrechen nach dem Betäubungsmittelgesetz hatte die Kammer für alle Taten zunächst jeweils von dem Strafrahmen nach § 29a Abs. 1 BtMG auszugehen, der Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr (und bis zu fünfzehn Jahren) vorsieht. Das Vorliegen eines minder schweren Falles, der zur Anwendung des milderen Strafrahmens nach § 29 a Abs. 2 BtMG führt, hat die Kammer in allen Fällen geprüft und im Ergebnis jeweils bejaht. Für sämtliche Taten ließ sich begründen, dass die strafmildernden Gesichtspunkte die strafschärfenden so deutlich überwogen und das Tatbild so stark von dem „typischen“ Fall des unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln an Minderjährige zum unmittelbaren Verbrauch nach unten abweicht, dass der Regelstrafrahmen als insgesamt nicht mehr tat- und schuldangemessen hätte erscheinen können. Insoweit war entscheidend zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er in allen Fällen nur eine Kleinstmenge von Betäubungsmitteln zum Verbrauch an die Jugendlichen überließ. Diese gehörten zu seinem Freundeskreis und erhielten die Betäubungsmittel von ihm aus Gefälligkeit.

Innerhalb des somit für die Verstöße gegen das BtMG zur Verfügung stehenden Strafrahmens nach § 29a Abs. 2 BtMG (drei Monate bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe) hat die Kammer weiter in jedem der Fälle einen Härteausgleich für das durch die zufällige Zäsurwirkung drohende Gesamtstrafübel berücksichtigt. Unter Abwägung dieser und der sonstigen Umstände der Fälle hat sie für die Taten zu II. 5. – 7. unter Anwendung von Art. 12 EGStGB jeweils eine Geldstrafe von jeweils 100 Tagessätzen zu je 5,- Euro für angemessen erachtet. Insoweit war zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er dem Jugendlichen ... die weiche Droge Cannabis überließ und dieser bereits 17 Jahre alt war.

Wegen des Überlassens von Amphetamin an ... und ... (Tat zu II. 8.) hat die Kammer unter Berücksichtigung der aufgrund des Überlassens der Droge an zwei Jugendliche vorliegenden gleichartigen Tateinheit, des jungen Alters der beiden Jugendlichen (14 und 15 Jahre) und mit Blick auf das höhere Abhängigkeitspotential dieses Betäubungsmittels im Vergleich zu den Fällen zu II. 5. – 7. eine Freiheitsstrafe von neun Monaten als Einzelstrafe für angemessen befunden.

Bezüglich der Tat zu II. 9. hat sich wiederum zu seinen Gunsten der Umstand ausgewirkt, dass er den Minderjährigen ... und ... die weiche Droge Cannabis überließ. Zu seinen Lasten ist hingegen das junge Alter des ... (14 Jahre) und die tateinheitliche Begehungsweise mit der Abgabe an die Jugendliche ... (16 Jahre) berücksichtigt worden, so dass die Kammer eine Einzelstrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe für tat- und schuldangemessen erachtet hat.

Für die Tat zu II. 10. hat sie unter Berücksichtigung des Alters von ... (17 Jahre) und des Umstandes, dass sie die weiche Droge Cannabis erhalten hat, auf eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 5,- Euro als angemessene Strafe erkannt.

Hinsichtlich der Tat zu II. 11. war das Überlassen der weichen Droge Cannabis ebenfalls zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, strafschärfend wirkte sich jedoch das - im Spektrum von Straftaten dieses Deliktstypus - als sehr jung zu bewertende Alter von ... (12 Jahre) aus, so dass eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 5,- Euro für tat- und schuldangemessen erachtet und verhängt worden ist.

3.6. Für die Sexualstraftaten zum Nachteil der Nebenklägerin

Wegen der Tat zu II. 12. hat die Kammer zunächst den Strafrahmen aus § 176a Abs. 2 StGB entnommen, der eine zeitige Freiheitstrafe ab zwei Jahren vorhält. Sodann hat sie die Anwendung des minder schweren Strafrahmens nach § 176a Abs. 4 StGB geprüft und im Ergebnis verneint, weil ein beträchtliches Überwiegen der schuldmildernden Faktoren nicht zu konstatieren war. Für den Angeklagten sprachen das relativ knapp unter der Schutzgrenze liegende Alter der Nebenklägerin sowie keine bei dieser festzustellenden nachhaltigen psychischen oder physischen Schäden. Schließlich hat die Kammer dem Angeklagten einen Härteausgleich wegen des drohenden Gesamtstrafübels gewährt, der an dieser Stelle, soweit es sich um eine der einzubeziehenden Einzelstrafen und nicht um die Einsatzstrafe handelt, maßvoll ausfiel. Gegen den Angeklagten wirkten sich seine Vorverurteilung und sein Bewährungsversagen aus, zudem war er die treibende Kraft und hat das Kind zum Geschlechtsverkehr überredet. Die Kammer hat nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände im Fall II. 12. auf eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten erkannt.

Wegen der Taten zu II. 13. – 14. hat die Kammer zunächst den Strafrahmen aus § 176a Abs. 2 StGB entnommen, der eine zeitige Freiheitstrafe ab zwei Jahren vorsieht. Sodann hat sie jeweils das Vorliegen eines minder schweren Falles nach § 176a Abs. 4 StGB geprüft und im Ergebnis verneint, weil ein beträchtliches Überwiegen der schuldmildernden Faktoren nicht vorgelegen hat. Für den Angeklagten sprachen das relativ kurz unter der Schutzgrenze liegende Alter der Nebenklägerin und die im Einvernehmen durchgeführten Sexualkontakte. Aufgrund der eingangs erläuterten zufälligen Zäsurwirkung und des damit für den Angeklagten zu besorgenden Gesamtstrafübels hat die Kammer zudem einen Härteausgleich vorgenommen, der in diesen beiden Fällen deutlich ausfiel.

Allerdings hat der Angeklagte in den Fällen II. 13. und 14. jeweils den ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr vollzogen, was sich strafschärfend ausgewirkt hat. Zu seinen Lasten war insoweit auch zu berücksichtigen, dass er einer Schwangerschaft völlig gleichgültig gegenüberstand und der Nebenklägerin herabwürdigend mitteilte, sie müsse eben gegebenenfalls abtreiben. Zudem hat sich negativ seine Vorbelastung ausgewirkt. Insgesamt waren danach Einzelfreiheitsstrafen zu verhängen, die zwar noch im unteren Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens zu verorten waren, sich aber spürbar von der Strafuntergrenze abhoben. Die Kammer hat für die Taten zu II. 13. – 14. Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren und neun Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet.

Der mit der Tat zu II. 15. begangene sexuelle Missbrauch der Nebenklägerin sieht gemäß § 176 Abs. 1 StGB einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vor. Die Kammer hat unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Nebenklägerin den Penis des Angeklagten nur relativ kurz umfasste, und mit Blick auf den vorzunehmenden Härteausgleich wegen des drohenden Gesamtstrafübels eine Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten für angemessen erachtet und auf eine solche erkannt.

Bei der Tat zu II. 16. hat der Angeklagte neben einem sexuellen Missbrauch nach § 176 Abs. 1 StGB tateinheitlich eine sexuelle Nötigung gemäß § 177 Abs. 1, 5 StGB begangen, die eine Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr vorsieht. Die Kammer hat die Anwendung des minder schweren Strafrahmens nach § 177 Abs. 9 StGB geprüft und im Ergebnis bejaht, weil insoweit ein beträchtliches Überwiegen der schuldmildernden Faktoren zu konstatieren war. Für den Angeklagten sprach der Umstand, dass das Festhalten der Nebenklägerin als relativ geringfügige Gewaltanwendung einzustufen war. Zudem ist die Erzeugung eines Knutschflecks noch als unterdurchschnittliche Sexualhandlung einzustufen. Schließlich hat die Kammer dem Angeklagten einen Härteausgleich wegen des drohenden Gesamtstrafübels gewährt, der an dieser Stelle, soweit es sich nur um eine einzubeziehende Einzelstrafe handelt, gering ausfiel. Danach stand der Kammer der Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe aus § 176 Abs. 1 StGB zur Verfügung, was demselben minder schweren Strafrahmen aus § 177 Abs. 9 StGB entspricht. Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände war eine Einzelfreiheitsstrafe zu verhängen, die deutlich im unteren Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens zu verorten war. Die Kammer hat für die Taten zu II. 16. eine Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet.

4. Gesamtstrafenbildung

Wie bereits oben ausgeführt, hatte die Kammer mit Blick auf die Zäsurwirkung zum 04.10.2018 angesichts der noch nicht erledigten im Strafbefehlswege erfolgten Verurteilung des Amtsgerichts Neuruppin zwei Gesamtstrafen zu bilden.

4.1. „Erste“ Gesamtstrafe

Aus den zuvor genannten drei Einzelstrafen zu 3.1., 3.2. und 3.3. war gemäß §§ 53, 54, 55 StGB unter Einbeziehung der Geldstrafen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Neuruppin vom 04.10.2018, 18.12.2018 und 20.03.2019 nach Auflösung der mit Beschluss vom 19.06.2019 gebildeten Gesamtgeldstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe durch Erhöhung der höchsten Einzelstrafe als Einsatzstrafe (hier ein Jahr und vier Monate Freiheitsstrafe) zu bilden, wobei die Gesamtstrafe die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen durfte und dabei ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe zu entsprechen hatte. Anlass, ausnahmsweise von der Einbeziehung der Geldstrafen nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB abzusehen und insoweit auf eine gesonderte Gesamtgeldstrafe zu erkennen, hat nicht bestanden.

Im Rahmen der Gesamtstrafenbildung hat die Kammer - neben den allgemein und speziell bei den Einzelstrafen berücksichtigten Strafzumessungsgründen - im Besonderen einfließen lassen, dass die Taten zeitlich nicht sehr nah beieinander lagen und in keinem sachlichen und situativen Zusammenhang zueinander standen, so dass ein straffer Zusammenzug daher nicht angezeigt war. Dagegen hatte die Kammer dem Angeklagten mit Blick auf das Gesamtstrafübel und überdies wegen der nicht möglichen Einbeziehung der Jugendstrafe einen Härteausgleich zuzubilligen. Zudem hat sie auch in ihre Abwägung eingestellt, dass es sich bei dem jetzt 22-jährigen Angeklagten um einen vergleichsweise noch jungen erwachsenen Straftäter handelt. Im Ergebnis dieser Überlegungen hat die Kammer eine maßvolle Erhöhung der Einsatzstrafe für angemessen erachtet und auf eine

Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren

erkannt. Die Aufrechterhaltung der in den Strafbefehlen vom 04.10.2018 und vom 18.12.2018 angeordneten Maßnahmen beruht auf § 55 Abs. 2 StGB.

Die Vollstreckung dieser Strafe konnte nicht gemäß §§ 56, 58 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Es ist nicht zu erwarten, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 StGB). Die Entwicklung des Angeklagten in den letzten Jahren hat gezeigt, dass er sich weder durch Geldstrafen noch durch die Verhängung von Jugendstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung von der Begehung weiterer Straftaten auf verschiedenen Deliktsfeldern abhalten lässt. Folgerichtig hatte auch das Amtsgericht Neuruppin vergleichsweise zeitnah, nämlich binnen eines halben Jahres, nach seiner Verurteilung mangels erkennbarer Bereitschaft des Angeklagten, sich zu bewähren, die bewilligte Strafaussetzung widerrufen. Erst recht liegen nach der Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten und seiner Taten keine besonderen Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB vor.

4.2. „Zweite“ Gesamtstrafe

Aus den Einzelstrafen wegen der nach dem Strafbefehl vom 04.10.2018 begangenen verfahrensgegenständlichen Taten hatte die Kammer abermals gemäß §§ 53, 54 StGB unter Erhöhung der Einsatzstrafe (zwei Jahren und neun Monate Freiheitsstrafe) eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden, ohne dass die Summe der Einzelstrafen erreicht werden durfte.

Insoweit war zu berücksichtigen, dass die Sexualstraftaten zum Nachteil der Nebenklägerin in einem ganz engen situativen und zeitlichen Zusammenhang stehen und daher insoweit ein straffer Zusammenzug angezeigt ist. Gleiches gilt für die Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz untereinander, während sie im Verhältnis zu den Sexualdelikten in keinem sachlichen Zusammenhang stehen, unterschiedliche geschützte Rechtsgüter verletzt wurden und deshalb insoweit eine spürbare Erhöhung der Einsatzstrafe angezeigt war. Auch das Fahren ohne Fahrerlaubnis ist situativ und mit Blick auf das insoweit betroffene Rechtsgut der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs isoliert zu betrachten, weist aber zumindest zeitlich eine relativ enge Verknüpfung zu den übrigen Taten auf.

Die Kammer hat nach nochmaliger Abwägung aller bereits oben im Rahmen der Findung der einzubeziehenden Einzelstrafen aufgeführten Strafzumessungserwägungen und unter Berücksichtigung dessen, dass mit Blick auf die bereits gesondert verhängte Gesamtfreiheitsstrafe das dem vergleichsweise jungen Angeklagten zugefügte Gesamtstrafübel nicht den Rahmen der tat- und schuldangemessenen Bestrafung überschreiten durfte, die Einsatzstrafe maßvoll erhöht und auf eine

Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren

erkannt.

Insgesamt sind die beiden Gesamtfreiheitsstrafen nur deshalb so moderat ausgefallen, weil sie in der Summe infolge der zufälligen Zäsurwirkung mit der Konsequenz der Bildung zweier Gesamtfreiheitsstrafen ein angemessenes, aber ausreichendes Strafübel darstellen.

VI. Teilfreispruch

Vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Neuruppin vom 21.02.2019 (3412 Js 5327/19) ist der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen worden. Es war nicht mit der für eine Verurteilung gebotenen sicheren Überzeugung festzustellen, dass der Angeklagte die am 20.06.2018 zum Nachteil des Geschädigten ... verübte Tat begangen hat oder an ihr beteiligt gewesen ist.

VII.

Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 Abs. 1, 467 Abs. 1, 472 StPO.