Gericht | VG Cottbus 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 16.11.2017 | |
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Aktenzeichen | VG 3 K 29/14 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2017:1116.3K29.14.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 2 Abs 1 KAG BB, § 8 Abs 1 S 2 KAG BB |
Der Vorausleistungsbescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2013 sowie der Bescheid des Beklagten vom 17. Juni 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. April 2015 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Straßenbaubeiträgen für den Ausbau der ... in ... .
Die ... liegt in der amtszugehörigen Gemeinde ... im Landkreis ... und verläuft in etwa parallel zur ... Straße, L62. Sie mündet im Westen in die ... Straße und im Osten in die ... Straße, wobei es zwei weitere Verbindungen zwischen der ... Straße und dem Hauptverlauf der ... auf Höhe der ... 4 und 10 gibt. Die zur ... ausgerichteten Gebäude sind bebaut mit zumeist eingeschossigen Einfamilienwohnhäusern. Jedenfalls die Gebäude in der ... 7, 10 und 11 verfügen über zwei Geschosse. Demgegenüber sind die Gebäude, welche im rückwärtigen Bereich oder sonst in Teilen an die ... und ihre Abzweigungen angrenzen, jedoch im vorderen Bereich zur ... Straße ausgerichtet sind, durchgehend zweigeschossig bebaut. Dies betrifft namentlich die Grundstücke in der ... Straße 1, 3, 5, 7, 9, 15, 17 und 19. Mittig in der ... liegen die unbebauten Flurstücke 41, 45 und 46 der Flur 1, Gemarkung ... . Dort befindet sich ein Hügel, welcher einen Böschungsunterschied im Verhältnis zur ... von ca. 3 m aufweist.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks in der ... Straße 2. Ihr Grundstück zur Flurstücknummer 813 der Flur 1, Gemarkung ..., grenzt im Nord-Westen an die ... an. Die Einfahrt zu dem Grundstück sowie das Wohnhaus sind zur ... Straße ausgerichtet. Das Grundstück ist bebaut mit einem eingeschossigen Wohnhaus und liegt insgesamt im Geltungsbereich der Abrundungssatzung der Gemeinde ... vom 19. Oktober 1994, in der Fassung vom 9. Februar 2005.
Die Grundstücke in der ... 3 (Flurstück 31, Flur 1, Gemarkung ...), 5 (Flurstück 29, Flur 1, Gemarkung ...), 9 und 10 (Flurstücke 24 und 25, Flur 1, Gemarkung ...) sind länglich. Im Norden grenzen sie an die ... an und sind bebaut mit Wohnhäusern. Im Süden schließen Freiflächen an. Die Grundstücke liegen nur zu Teilen im Geltungsbereich der Abrundungssatzung der Gemeinde ... Die südlichen Teilflächen werden von der Abrundungssatzung nicht umfasst.
Das Grundstück in der ... Straße 15 (Flurstück 50, Flur 1, Gemarkung ...) liegt vollständig im Geltungsbereich der Abrundungssatzung. Zwischen dem Flurstück 50 und der Verbindungsstraße zwischen ... Straße und ... befindet sich das Flurstück 51/1, ein teilweise sehr schmales Flurstück. Beide Grundstücke stehen im Eigentum des Klägers in dem Parallelverfahren 1293/14 und sind mit Wohngebäuden bebaut. Die Außenwand des Gebäudes grenzt unmittelbar an die Verbindungsstraße.
Im vorliegenden Verfahren sind folgende Satzungsregelungen der Gemeinde ... in den Blick zu nehmen:
1) Die Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen in der Gemeinde ..., welche die Gemeindevertretung der Gemeinde ... am 15. März 1994 beschlossen hat (EBS 1994). Der Bürgermeister und der Amtsdirektor unterschrieben die Satzung am 7. Januar 1994.
2) Die Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Erweiterung oder Verbesserung von Straßen vom 17. März 1992 (SBS 1992), welche von dem Gemeindevertretervorsteher und dem Bürgermeister unterschrieben wurde, für welche jedoch auch auf Nachfrage keine Bekanntmachungsnachweise vorgelegt wurden. Auszugsweise lauten die Regelungen wie folgt:
„§ 3 – Entstehen der Beitragsschuld
(1) Die Beitragsschuld entsteht, wenn die Baumaßnahme tatsächlich beendet ist. […]
(2) Darf das Grundstück erst nach dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt bebaut oder gewerblich genutzt werden, so entsteht die Beitragsschuld erst mit dem Eintritt der baulichen oder gewerblichen Nutzbarkeit.
§ 4 – Beitragsschuldner
Beitragsschuldner ist, wer im Zeitpunkt des Entstehend der Beitragsschuld Eigentümer des Grundstücks oder Erbbauberechtigter ist.
[…]
§ 7
[…]
(3) […] b) Wenn ein Bebauungsplan nicht besteht oder die erforderlichen Festsetzungen nicht enthält und es gröblich unangemessen ist, den Flächeninhalt des Buchgrundstücks zugrundezulegen, ist die Fläche auf das Maß einer wirtschaftlichen Grundstückseinheit zu reduzieren.“
3) Die Satzung über die Erhebung von Beiträgen für straßenbauliche Maßnahmen in der Gemeinde ... vom 15. März 1994 (SBS 1994) (einschl. Änderungssatzung vom 4. Juli 1995), welche von dem Amtsdirektor sowie dem Bürgermeister unterzeichnet und im amtlichen Mitteilungsblatt des Amtes ... („Der Amtsbote“) vom 17. August 1994 bekanntgemacht wurde.
4) Die Satzung über die Erhebung von Beiträgen für straßenbauliche Maßnahmen in der Gemeinde ... vom 15. März 1999 (SBS 1999), welche von dem Amtsdirektor sowie dem ehrenamtlichen Bürgermeister und Vorsitzenden der Gemeindevertreter unterzeichnet und im Amtsblatt für das Amt ... vom 10. November 1999 bekanntgemacht wurde. Mit dem Inkrafttreten dieser Satzung soll gem. § 12 SBS 1999 gleichzeitig die bisherige Satzung über die Erhebung von Beiträgen für straßenbauliche Maßnahmen der Gemeinde ... außerkrafttreten.
Sowohl die SBS 1994 als auch die SBS 1999 setzen einen Gemeindeanteil für Fahrbahn und Oberflächenentwässerung bei Anliegerstraßen von 50 Prozent fest.
5) Die Satzung über die Erhebung von Beiträgen für straßenbauliche Maßnahmen in der Gemeinde ... vom 5. Dezember 2000 (SBS 2000), welche von dem Amtsdirektor sowie dem ehrenamtlichen Bürgermeister und Vorsitzenden der Gemeindevertretung unterzeichnet und im Amtsblatt für das Amt ... vom 17. Januar 2001 bekanntgemacht wurde. Auch in dieser Satzung beträgt der Gemeindeanteil für Fahrbahn und Oberflächenentwässerung bei Anliegerstraßen 50 Prozent. Mit dem Inkrafttreten dieser Satzung soll gem. § 21 SBS 2000 gleichzeitig die bisherige Satzung über die Erhebung von Beiträgen für straßenbauliche Maßnahmen der Gemeinde ... außerkrafttreten.
6) Die Satzung über die Erhebung von Beiträgen für straßenbauliche Maßnahmen in der Gemeinde ... vom 16. November 2004 (SBS 2004), welche vom Amtsdirektor unterschrieben und im Amtsblatt für das Amt ... vom 8. Dezember 2004 bekanntgemacht wurde. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 a) und e) SBS 2004 soll der Gemeindeanteil für Fahrbahn und Oberflächenentwässerung bei Anliegerstraßen bei 49,99 Prozent liegen. Nach § 7 SBS 2004 wird der sich nach § 5 Abs. 1 ergebende Betrag bei Eckgrundstücken nur zu zwei Dritteln erhoben.
Die Gemeindevertretung ... beschloss in ihrer Sitzung am 8. Mai 2012 den Ausbau der ... entsprechend der Beschlussvorlage 11/12 mit 8 Ja-Stimmen und 3 Enthaltungen. Die Gesamtkosten wurden auf 193.500 Euro geschätzt. Die Gemeinde erhielt eine Zuwendung entsprechend der Richtlinie zur Förderung der integrierten ländlichen Entwicklung in Höhe von 60.800 Euro. Entsprechend dem Beschluss der Gemeindevertretung vom 1. März 2013 wurde der Zuschlag für die Ausführung der Bauleistungen in der ... an die Firma ... GmbH erteilt. Die Baumaßnahmen umfassten den Ausbau der gesamten ... unter Einbeziehung der Verbindungsstraßen zwischen ... und ... Straße, welche jedenfalls rein namentlich ebenfalls Teil der ... sind. Im Rahmen des Ausbaus sollte die Fahrbahn samt Oberflächenentwässerung erneuert werden. Die ... bestand zuvor aus einem Aufbau aus einem Sand-Schottergemisch. Das Oberflächenwasser wurde über die Straßenoberfläche mit starkem Ost-West-Gefälle abgeleitet, weshalb sich tiefe Erosionsrinnen gebildet hatten. Zudem befanden sich einige gemauerte flache Schächte und Straßeneinläufe im Bereich der ..., deren Ableitung unklar war. Das Dachflächenwasser wurde teilweise auf die Straße offen abgeleitet. Mit den Ausbaumaßnahmen wurde die ... auf einer Länge von 230 m mit einer Fahrbahnbreite von 4-5 m grundhaft in der Bauklasse V ausgebaut. Im Straßenkörper wurde ein Regenwasserkanal DN 240 verlegt. Die Straßenoberfläche wurde als Verbundpflasterdecke ausgeführt. Die ... GmbH begann am 6. Mai 2013 mit dem Ausbau der ...
Mit Bescheid vom 15. Oktober 2013 erhob der Beklagte eine Vorausleistung auf den Beitrag für den Bau der ... . Den Berechnungen lag ein auf die Anlieger zu verteilende Aufwand von 112.189,85 Euro (= 49,99 % der voraussichtlichen Kosten) und ein voraussichtlicher Beitragssatz von 8,50744 Euro/m² zugrunde. Die erhobene Vorausleistung entsprach 70 % des in dem Bescheid ermittelten, voraussichtlichen Straßenbaubeitrages. Gegenüber der Klägerin wurde eine Vorausleistung in Höhe von 5.042,08 Euro erhoben.
Die Bauabnahme erfolgte nach dem Abnahmeprotokoll am 3. Dezember 2013.
Den von der Klägerin erhobenen Widerspruch gegen den Vorausleistungsbescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2013 unter Verweis auf das Kommunalabgabengesetz des Landes Brandenburg (KAG) sowie die Satzung über die Erhebung für straßenbauliche Maßnahmen in der Gemeinde ... vom 9. Dezember 2004 (SBS 2004) zurück.
Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben.
Mit Bescheid vom 14. Juni 2014 setzte der Beklagte den „noch ausstehenden“ Straßenbaubeitrag fest. Seinen Berechnungen legte der Beklagte Gesamtkosten in Höhe von 215.832,19 Euro zugrunde, was zu einem vom Beklagten errechneten Anliegeranteil von 107.937,68 Euro und einem Beitragssatz von 8,19021 Euro/m² führte. Im Rahmen der Begründung des Bescheides wurde zunächst der Gesamtbeitrag berechnet und nach Abzug des zu zahlenden Vorausleistungsbeitrages der nunmehr festgesetzte Restbeitrag ermittelt. Dieser Rest- bzw. Differenzbetrag beläuft sich für die Klägerin auf 1.892,30 Euro (Gesamtbeitrag: 6.934,38 Euro).
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 1. April 2015 zurück.
Auch hiergegen hat die Klägerin Klage (vormals 3 K 551/15) erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, die Satzung sowie die zugrundeliegende Hauptsatzung seien mangels ordnungsgemäßen Erlassens und Bekanntmachens bereits formell rechtswidrig. Es fehle auch an Satzungsregelungen betreffend die Möglichkeit der Erhebung von Vorausleistungen. Die Satzungsregelungen seien außerdem materiell rechtswidrig, da ein Anliegeranteil von über 50 Prozent überzogen sei. Aus der Satzung ergebe sich nicht, dass die ... eine Anliegerstraße sei. Des Weiteren sei unklar, ob ein ordnungsgemäßes Ausschreibungsverfahren stattgefunden habe und ob und wie Fördermittel angerechnet worden seien. Der Ausbau der ... stelle eine Luxussanierung dar, da keine Notwendigkeit der Maßnahmen bestanden habe, zumal die ... keine Durchgangsstraße sei und lediglich durch die entsprechenden Anwohner weitestgehend genutzt werde. Auch sei eine Verbesserung oder ein Mehrwert für die Anwohner nicht eingetreten. Vielmehr sei fraglich, ob die Gemeinde ihren Unterhaltungspflichten überhaupt nachgekommen sei. Neben Fragen betreffend die Flächenermittlung – insbesondere der südlich der ... befindlichen Grundstücke sowie der Grundstücke zu den Flurstücknummern 44, 45 und 46 sowie 43, 42 und 41 –, zieht die Klägerin auch in Zweifel, dass die richtigen Nutzungs- und Vollgeschossfaktoren angewendet wurden. Des Weiteren sei das klägerische Grundstück schon kein Anliegergrundstück, da es von der ... Straße aus erschlossen würde und nur in 10 m Länge an die ... angrenze. Lediglich die Hinterwand des Hauses sowie eine Mauer gingen auf der Straße entlang. Außerdem sei aufgrund der unterschiedlichen Höhenlage (Differenz 1 m) eine Nutzung der ... vom klägerischen Grundstück aus nicht möglich.
Die Klägerin beantragt,
den Vorausleistungsbescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2013 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 17. Juni 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. April 2015 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Aus Sicht des Beklagten sei der klägerische Vortrag betreffend die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Satzung pauschal und könne keine Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung hervorrufen. Rechtsgrundlage für die Erhebung von Vorausleistungen sei § 10 SBS 2004. Ein Anliegeranteil für Fahrbahnen bei Anliegerstraßen von bis zu 75 Prozent werde von der Rechtsprechung (VG Cottbus, 4 K 28/12) als vorteilsgerecht angesehen. Des Weiteren sei die ... im Straßenverzeichnis, veröffentlicht im Amtsblatt Nr. 8/2008, als Anliegerstraße eingetragen. An der Kategorisierung als Anliegerstraße bestünden auch mit Blick auf die Ausführungen der Klägerin, die Straße sei keine Durchgangsstraße und werde weitestgehend nur durch die entsprechenden Anwohner genutzt, keine Zweifel. Eine Ausschreibung habe stattgefunden. Dabei habe von den 12 Bewerbern derjenige mit dem wirtschaftlichsten Angebot den Zuschlag erhalten. Fördermittel seien geflossen und ausschließlich auf den Gemeindeanteil angerechnet worden. Die Ausbaumaßnahme stelle keine Luxussanierung dar, sondern sei sachgerecht und erforderlich gewesen. Die Beitragsflächenermittlung sei entsprechend der Abrundungssatzung vorgenommen worden. Die Anwendung der Vollgeschossfaktoren bestimme sich nach den vorhandenen Vollgeschossen. Von einer Beitragserhebung betreffend die Flurstücke 41, 45 und 46 der Flur 1, Gemarkung ..., sei abgesehen worden, da diese nicht über die ... erschlossen seien. Angesichts der Böschungsunterschiede von ca. 3 m sei auf Grund der natürlichen Gegebenheiten für diese Grundstücke eine Erschließung über die ... objektiv ausgeschlossen. Bei dem Flurstück 50 der Flur 1, Gemarkung ..., sei zu berücksichtigen, dass das herangezogene Flurstück 50 mit dem Flurstück 51/1 eine wirtschaftliche Einheit bilde und darüber auch durch die ... erschlossen werde. Hinsichtlich des klägerischen Grundstücks sei die prinzipielle Beitragspflicht von Eckgrundstücken für beide anliegenden Straßen in der Rechtsprechung seit langem anerkannt. Die übliche Ermäßigung in Höhe von 1/3 sei vorliegend auch gewährt worden. Auf die Lage des Haupteinganges und den Nutzungswillen der Klägerin komme es nicht an.
Die Kammer hat die Verfahren betreffend den Vorausleistungsbescheid (3 K 29/14) und betreffend den endgültigen Bescheid (3 K 551/15) in der mündlichen Verhandlung zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. In dem vormals getrennt geführten Verfahren betreffend den Vorausleistungsbescheid, hat der klägerische Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 18. September 2017, am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen, eine Erledigungserklärung abgegeben. Auf richterlichen Hinweis, dass sich das Verfahren nach überschlägiger Prüfung noch nicht erledigt haben dürfte, hat der Prozessbevollmächtigte seine Erledigungserklärung „zurückgenommen“. Der entsprechende Schriftsatz wurden dem Gericht per Post am 25. September zugeleitet. Ebenfalls am 25. September 2017 ist bei Gericht um 15.26 Uhr ein Fax des Prozessbevollmächtigten des Beklagten eingegangen, in welchem er sich der Erledigungserklärung der Klägerin angeschlossen hat.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der örtlichen Begebenheiten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Ortsterminsprotokolls Bezug genommen. Für weitere Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Inhalte der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, welche jeweils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
1. Zunächst ist festzustellen, dass die Kammer weiterhin zu einer Entscheidung der Rechtsstreitigkeit betreffend den angegriffenen Vorausleistungsbescheid berufen ist, da das vormals separat unter dem Aktenzeichen 3 K 29/14 geführte Verfahren im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch anhängig war.
Insbesondere endete die Rechtshängigkeit nicht infolge übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten. Zwar erklärte der klägerische Prozessbevollmächtigte in dem Verfahren 3 K 29/14 mit Schreiben vom 18. September 2017, am selben Tag beim Verwaltungsgericht eingegangen, die Hauptsache für erledigt. Diese Erklärung wurde dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten per Fax vorab am 21. September 2017 zugeleitet. Daraufhin gingen beim Gericht am 25. September 2017 sowohl ein Fax des Prozessbevollmächtigten des Beklagten (15.26 Uhr) ein, in welchem er sich der Erledigungserklärung der Klägerin anschloss, als auch ein Schreiben des klägerischen Prozessbevollmächtigten ein, in welchem dieser seine Erledigungserklärung „zurück nahm“.
Eine Erledigungserklärung ist grundsätzlich frei widerruflich, solange sich der Beklagte ihr nicht angeschlossen hat. Denn bei der einseitigen Erledigungserklärung handelt es sich um eine Prozesshandlung, die eine nach § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Klageänderung darstellt. Sie umfasst für diesen Fall den Antrag festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat (BGH, Beschluss vom 26. Mai 1994 – I ZB 4/94 –, juris). Die Rechtshängigkeit der ursprünglichen Klage endet durch die (einseitige) Erklärung nicht (vgl. BGH, Urteil vom 01. Juni 1990 – V ZR 48/89 –, juris). Solange über diesen Antrag noch nicht entschieden ist, kann die Rückkehr zu den ursprünglichen Klageanträgen ebenfalls als eine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageänderung behandelt werden. Eine unmittelbare prozessgestaltende Wirkung geht von der Erledigungserklärung, solange sie einseitig bleibt, also nicht aus (BGH, Urteil vom 07. Juni 2001 – I ZR 157/98 –, juris; Lackmann, in: Musielak, ZPO, 10. Aufl. 2013, § 91a Rn. 16; a.A. wohl Baumbach/Lauterbach/Aolbers/Hartmann, ZPO, 73. Aufl. 2015, § 91a Rn. 74).
Der klägerische Prozessbevollmächtigte schickte seine Rücknahmeerklärung per Post an das Gericht. Die Erklärung ging, wie der Eingangsstempel zeigt, am 25. September 2017 bei Gericht ein. Da die Post nur einmal täglich, morgens bei Gericht ankommt und die Schreiben mit einem Eingangsstempel vom 25. September 2017 versehen wurden, ist davon auszugehen, dass die Rücknahmeerklärung des Klägers vor der Zustimmungserklärung des Beklagten bei Gericht ein- bzw. zuging.
2. Die Anfechtungsklage ist auch zulässig. Insbesondere hat sich der angegriffene Vorausleistungsbescheid nicht durch Erlass des endgültigen Beitragsbescheides erledigt, § 113 Abs. 1 S. 1, 4 VwGO. Die Klägerin hat weiterhin ein schutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung ihrer diesbezüglichen Klage.
Für die Beurteilung, ob ein Vorausleistungsbescheid mit dem Erlass eines endgültigen Beitragsbescheides vollständig abgelöst wird, kommt es auf den Regelungsgehalt des endgültigen Beitragsbescheides im Verhältnis zum Vorausleistungsbescheid an. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Regelungsinhalt von Vorausleistungs- und endgültigem Beitragsbescheid zwei verschiedene Gegenstände haben kann, nämlich die Festsetzung des Beitrags einerseits und die Zahlungsaufforderung (das Leistungsgebot) andererseits. Soweit es die Beitragsfestsetzung als Rechtsgrund betrifft, löst der endgültige Beitragsbescheid den Vorausleistungsbescheid im Falle der erfolgten wie der nicht erbrachten Zahlung grundsätzlich ab, weil nunmehr der endgültige Beitragsbescheid den Rechtsgrund für das endgültige Behaltendürfen der erbrachten bzw. für die Forderung des noch ausstehenden Beitrags darstellt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 1997 – 8 B 244/97 –, juris Rn. 9 und OVG Weimar, Beschluss vom 29. Juni 2001, 4 ZEO 917/97, Rn. 8).
Anders jedoch die vorliegende Situation: Mit dem endgültigen Bescheid vom 17. Juni 2014 sollte ausdrücklich nur der „noch ausstehende Straßenbaubeitrag für den Bau der ...“ „festgesetzt“ werden. Der gegenständliche Vorausleistungsbescheid stellt daher nach wie vor den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der bereits erbrachten Teilbeiträge dar. Nur für den nach endgültiger Berechnung der Gesamtforderung noch ausstehenden Teilbeitrag dient der „endgültige“ Bescheid (welcher Gegenstand des vormals separat geführten Verfahrens 3 K 551/15 war) als Rechtsgrundlage. Der Beklagte entschied sich gerade nicht dazu, den Gesamtbetrag endgültig „festzusetzen“ und lediglich die Zahlungsaufforderung auf den noch ausstehenden Betrag zu begrenzen. Eine gegenläufige Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB analog scheitert zum einen an der Wahl des Wortlautes und zum anderen an der gewählten Struktur bzw. Darstellungsweise der endgültigen Bescheide, durch welche der Gesamtbeitrag in den Hintergrund und der festgesetzte Teilbeitrag in den Vordergrund tritt. Bei Anlegung eines objektiven Empfängerhorizontes verbietet sich eine anderweitige Auslegung.
Auch besteht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung gem. § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO selbst in den Fällen, in denen die Nichtigkeit einer Satzungsregelung im Ergebnis zu dem Schluss führt, die Klägerin sei zu niedrig veranlagt worden. Denn mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 GG liegt eine Rechtsverletzung im Sinne der genannten Bestimmungen immer dann vor, wenn dem Bürger ohne tragfähige Rechtsgrundlage eine Geldleistungspflicht auferlegt wird, und zwar ungeachtet der Frage, welcher Rechtsverstoß das Fehlen der tragfähigen Rechtsgrundlage bewirkt (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Mai 2015 – 9 S 8.14 -).
Des Weiteren ist der Amtsdirektor des Amtes ... richtiger Beklagter gem. § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Dezember 2013 - 9 N 163.12 -).
3. Die Klage ist sowohl hinsichtlich des endgültigen Bescheides, als auch hinsichtlich des Vorausleistungsbescheides begründet. Den Gebührenbescheiden mangelt es – unabhängig von der Frage, ob vorliegend Erschließungsbeitragsrecht oder Straßenbaubeitragsrecht Anwendung findet - an einer gültigen satzungsrechtlichen Grundlage.
Die einzige vom Beklagten vorgelegte Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde ..., welche am 15. März 1994 von den Gemeindevertretern beschlossen wurde, wurde bereits am 7. Januar 1994 von dem Bürgermeister und dem Amtsdirektor unterschrieben. Dieses Vorgehen erfüllt nicht die Anforderungen an eine wirksame Ausfertigung. Mit der Ausfertigung soll bezeugt werden, dass der Inhalt der Urkunde mit dem Beschluss des zuständigen Organs übereinstimmt. Dieser Zweck kann denknotwendig nicht erreicht werden, wenn die Unterschrift noch vor der Beschlussfassung der Gemeindevertreter erfolgt. Das Unterbleiben der Ausfertigung ist ein stets beachtlicher Mangel, auf den einfach gesetzliche Unbeachtlichkeitsregelungen keine Anwendung finden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. September 2015 – 10 A 3.13 – zitiert nach juris). Insoweit ist auch die Aussage des Vertreters des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung, die Gemeinde verfüge über keine Erschließungsbeitragssatzung, angesichts dieses schwerwiegenden und offenkundigen Mangels zutreffend.
Auch bei Zugrundelegung der Annahme, die durchgeführten Maßnahmen seien nach Straßenbaubeitragsrecht abzurechnen (wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgingen), scheitert eine rechtmäßige Beitragserhebung am Fehlen einer satzungsrechtlichen Grundlage.
Nach § 8 Abs. 1 S. 2 Kommunalabgabengesetz des Landes Brandenburg (im Fol-genden: KAG) sollen die Gemeinden bei den dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wegen und Plätzen Straßenbaubeiträge erheben. Die Beiträge sind nach den Vorteilen zu bemessen (§ 8 Abs. 6 S. 1 KAG), wobei die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung berücksichtigt werden sollen. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen Beiträge für bestimmte Ausbaumaßnahmen nur aufgrund einer Satzung erhoben werden. Als erforderliche Satzungsgrundlage kommen in der Gemeinde ... folgende Satzungen in Betracht: Satzung über die Erhebung von Beiträgen für straßenbauliche Maßnahmen der Gemeinde ... vom 16. November 2004 (SBS 2004); vom 5. Dezember 2000 (SBS 2000), vom 12. Oktober 1999 (SBS 1999); vom 15. März 1994 (SBS 1994) sowie die Satzung über die Erhebung von Beiträgen oder Verbesserung von Straßen 1992 (SBS 1992).
3.1 Zunächst erweist sich die Satzung über die Erhebung von Beiträgen für straßenbauliche Maßnahmen der Gemeinde ... vom 16. November 2004 (SBS 04) aus materiellen Gründen als nichtig. Zwar enthält die Satzung formal die von § 2 Abs. 1 Sätze 2 und 3 KAG vorgesehenen Satzungsmindestbestandteile, jedoch widersprechen die Regelungen zum Gemeindeanteil betreffend Fahrbahn, Beleuchtung und Oberflächenentwässerung bei Anliegerstraßen in § 4 Abs. 3 Nr. 1 a) und e) SBS 2004 einer vorteilsgerechten Verteilung der anfallenden Aufwendungen. Die Regelungen kamen hier auch zur Anwendung, sodass die materiellen Fehler nach dem Grundsatz der regionalen Teilbarkeit verfahrensrelevant sind.
Die Gemeinde ... setzt in der SBS 2004 einen Gemeindeanteil von 49,99 % für Aufwendungen betreffend Fahrbahn, Beleuchtung und Oberflächenentwässerung bei Anliegerstraßen fest. Damit liegt der Gemeindeanteil zwar unter 50 % - wie teilweise von der Rechtsprechung als ausreichend angesehen – jedoch ist die Differenz von 0,01 % derart marginal, dass von einer vorteilsgerechten Verteilung keine Rede sein kann. Vielmehr stellt eine solche Aufteilung reine Förmelei dar und bedeutet eine Umgehung der durch die länderspezifische Rechtsprechung geprägten Kriterien zur Verteilung des Gesamtaufwandes.
Die vierte Kammer des Verwaltungsgerichtes Cottbus (Urteil vom 19. November 2015 – 4 K 1056/13 -) führte hinsichtlich einer Straßenbaubeitragssatzung unter Festsetzung eines Gemeindeanteils von 50% für die Fahrbahnen an Anliegerstraßen überzeugend aus:
§ 8 Abs. 4 Satz 7 KAG bestimmt, dass bei der Ermittlung des Aufwandes ein dem wirtschaftlichen Vorteil der Allgemeinheit oder der Gemeinde oder des Gemeindeverbandes entsprechender Betrag außer Ansatz bleibt, wenn die Einrichtungen oder Anlagen erfahrungsgemäß auch von der Allgemeinheit oder von der Gemeinde oder dem Gemeindeverband selbst in Anspruch genommen werden. Der beitragsfähige Aufwand, der dem Vorteil der Allgemeinheit entspricht, ist danach von der Gemeinde als deren „Repräsentantin“ zu tragen. Die demnach erforderliche Bestimmung des Gemeindeanteils am veranschlagten Beitragsaufkommen kann nicht von der Verwaltung der Gemeinde vorgenommen werden, sie muss vielmehr notwendigerweise in der Satzung festgelegt werden (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2004 - 2 B 124/04 - S. 5 EA, m. w. N.). Hier hat der Satzungsgeber den Anteil der Gemeinde als Repräsentantin der Allgemeinheit und auch den entsprechenden Anteil der Beitragspflichtigen in § 4 Abs. 3 der Straßenbaubeitragssatzung vom 2. September 2013 (im Folgenden: SBS) festgesetzt.
Die Ermittlung des Gemeindeanteils ist kein exakter Berechnungsvorgang, sondern in den gesetzlichen Grenzen des § 8 Abs. 4 Satz 7 KAG eine ortsgesetzgeberische Ermessens- und Gestaltungsentscheidung (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2004 - 2 B 124/04 - S. 6 EA, m. w. N.). Die Gemeinde muss dabei berücksichtigen, dass § 8 Abs. 4 Satz 7 KAG die Beitragspflichtigen davor schützt, mit hohen, nicht vorteilsgerechten Beiträgen überzogen zu werden. Zusätzlich hat die Gemeinde bei Wahrnehmung des Ermessensspielraums aber auch die im Regelfall bestehende Pflicht zur Beitragserhebung („Sollvorschrift“ des § 8 Abs. 1 Satz 2 KAG) i. V. m. dem Gebot einer vorteilsgerechten Beitragsbemessung (Vorteilsprinzip des § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG) zu beachten (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. September 2005 - OVG 9 S 11.05 - S. 5 EA).
Das Verhältnis der durch die Inanspruchnahme für die Allgemeinheit und die Anlieger gebotenen wirtschaftlichen Vorteile hängt sowohl von der Verkehrsbedeutung ausgebauter Straßen als auch davon ab, welche Teileinrichtungen ausgebaut worden sind (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 34 Rn. 10). Dabei kann für die Bemessung des Gemeindeanteils und des dazu gehörenden Anliegeranteils im Einzelnen grundsätzlich von bestimmten, an Erfahrungssätzen orientierten „Leitlinien“ ausgegangen werden (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, a. a. O. Rn. 17; vgl. auch: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. September 2005 - OVG 9 S 11.05 - S. 8 EA). Danach können (aus der Sicht der „Kehrseite“ des Gemeindeanteils, nämlich des Anliegeranteils, betrachtet) auf die Anlieger bei reinen Wohnstraßen bis zu 75 % der Ausbaukosten umgelegt werden, bei sonstigen Straßen mit starkem innerörtlichen Verkehr für den Fahrbahnausbau bis zu 40 %, den Bürgersteigausbau bis zu 60 %. Bei reinen Durchgangsstraßen scheint in der Regel ein Satz von 20 % bis allenfalls 30 % für den Fahrbahnausbau angemessen zu sein, während der Vorteil für den Bürgersteigausbau auch hier bis 60 % angenommen werden kann, weil der Bürgersteig den Anliegern besondere Vorteile bietet (vgl. Urteil der Kammer vom 6. April 2006 – 4 K 243/02 – S. 15 f. EA, m. w. N.; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, a. a. O. Rn. 17). Es bestehen jedoch keine Bedenken, wenn die Sätze des Gemeinde- und des Anliegeranteils zu Gunsten der Anlieger im gewissen Umfange von diesen Leitlinien abweichen, sofern stets dem Vorteilsprinzip angemessen Rechnung getragen wird (vgl. Urteil der Kammer vom 6. April 2006 – 4 K 243/02 – S. 16 EA).
Dies zugrunde gelegt, hat die Klägerin die Grenzen ihres ortsgesetzgeberischen Ermessens bei der Festsetzung eines Gemeindeanteils von 50 % für die Fahrbahnen von Anliegerstraßen in ihrer Straßenbaubeitragssatzung vom 2. September 2013 überschritten.
Ausgangspunkt für die im Rahmen der Festsetzung des Gemeinde- bzw. Anliegeranteils erforderliche Vorteilsbemessung ist die Definition einer Anliegerstraße und die daraus ersichtliche verkehrliche Nutzung. Anliegerstraßen sind Straßen, die überwiegend der Erschließung der angrenzenden oder der durch private Zuwegung mit ihnen verbundenen Grundstücke dienen (§ 4 Abs. 5 Nr. 1 SBS). Anliegerverkehr ist also derjenige Verkehr, der zu den angrenzenden Grundstücken hinführt und von ihnen ausgeht, der Ziel- und Quellverkehr der angrenzenden Grundstücke ist das kennzeichnende Moment für den Anliegerverkehr (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, a. a. O., Rn. 32).
Sind Anliegerstraßen definitionsgemäß Straßen, die überwiegend der Erschließung der angrenzenden und durch private Zuwegungen mit ihnen verbundenen Grundstücke dienen, also Straßen, auf denen der Ziel- und Quellverkehr der angrenzenden Grundstücke überwiegt, muss der Vorteil der Allgemeinheit, also der Gemeindeanteil, für die Fahrbahnen von Anliegerstraßen jeweils unter 50 % liegen. Es liegt damit nicht mehr im Rahmen des Spielraums der Gemeinde, wenn sie im Hinblick auf die beschriebene Funktion der Anliegerstraßen den Anteil der beitragspflichtigen Anlieger nicht auf mehr als 50 % festsetzt (vgl. Beschluss der Kammer vom 13. Februar 2014 – VG 4 L 145/13 – S. 7 f. EA; Verwaltungsgericht Dessau, Urteil vom 7. September 2000 – 2 A 756/99 DE – a. a. O.; OVG Lüneburg, Urteil vom 6. Juni 2001 – 9 LA 907/01 – NVwZ–RR 2002, 294; s. auch Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 34 Rn. 17: mindestens 60 %).
An dieser Rechtsprechung hält die Kammer auch in Ansehung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Mai 2015 (- OVG 9 S 8.14 – juris Rn. 12) fest. Dieses hatte die Frage, ob ein Gemeindeanteil von 50 % für die Fahrbahnen an Anliegerstraßen zu hoch sei, im Eilverfahren als offen behandelt im Wesenlichen mit den Erwägungen, dass das Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg dem Muster des nordrhein-westfälischen Kommunalabgabengesetzes nachgebildet sei und die Mustersatzungen hierzu einen Gemeinde- und Anliegeranteil von 50 % für die Fahrbahnen von Anliegerstraßen für ausreichend hielten und auch die Verwaltungsgerichte im Land Nordrhein-Westfalen an diesem Anteilssatz, soweit ersichtlich, keinen Anstoß nähmen; ein Anliegeranteil von 50 % für die Fahrbahnen von Anliegerstraßen sei auch noch in der ersten Mustersatzung zum Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg empfohlen worden; das Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg könne zwar einerseits dahin zu verstehen sein, dass der Anliegeranteil für Fahrbahnen an Anliegerstraßen nicht unter 50 % liegen dürfe, andererseits könnte ein Anliegeranteil von 50 % aber auch ausreichen, da die Festlegung einer höheren Untergrenze schwierig sei.
Zuzugeben ist zwar, dass die vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zitierten Entscheidungen zum nordrhein-westfälischen Landesrecht (vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 18. Februar 2010 - 7 K 3607/08 -, juris Rn. 69; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. Juli 2009 - 13 K 3307/07 -, juris Rn. 107; VG Münster, Urteil vom 29. April 2009 - 3 K 1311/08 -, juris Rn. 29) Anlieger- bzw. Gemeindeanteile für Fahrbahnen an Anliegerstraßen in Höhe von 50 % akzeptieren. Eine nähere Begründung hierfür lässt sich den genannten Entscheidungen allerdings nicht entnehmen. Einer solchen bedürfte es aber mit Blick darauf, dass Anliegerstraßen definitionsgemäß überwiegend der Erschließung der angrenzenden oder durch private Zuwegungen mit ihnen verbundenen Grundstücke dienen. Der weiter angeführte Umstand, dass in Mustersatzungen ein derartiger Gemeindeanteil empfohlen wird, vermag nicht zu überzeugen, da schon eine Verpflichtung der Gemeinden zur Übernahme derartiger Mustersatzungen nicht besteht und letztlich auch eine Mustersatzung fehlerhaft sein kann. Auch die praktischen Schwierigkeiten bei der Festlegung der konkreten Untergrenze des Anliegeranteils (etwa: 51 %, 55 % oder 60 %) können kein Grund sein, eine Untergrenze von 50 % für zulässig zu erachten, welche im Ergebnis der Annahme gleicher Anteile von Anlieger- und Durchgangsverkehr auf den Fahrbahnen der Anliegerstraßen gleichkommt, was typischerweise eher dem Verkehrsaufkommen auf Fahrbahnen von Haupterschließungsstraßen entspricht. Die ferner vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zitierte Entscheidung des VG Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 27. September 2010 – 7 K 379/08 – juris Rn. 27), in welcher unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg ausgeführt wird, bei Fahrbahnen von Anliegerstraßen sei satzungsmäßig ein Anteilssatz der Anlieger von mindestens 50 % zu bestimmen, führt nicht weiter, da in der in Bezug genommenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg gerade ausgeführt wird, bei Anliegerstraßen müsse der Vorteil der Anlieger jedenfalls über 50 % und damit der Gemeindeanteil unter 50 % liegen (vgl. Beschluss vom 15. August 2007 – 10 LA 271/05 – juris Rn. 15). Da sich allen genannten Entscheidungen letztlich keine Erklärung dafür entnehmen lässt, weshalb Anliegerstraßen zwar einerseits überwiegend der Erschließung der angrenzenden oder der durch private Zuwegung mit ihnen verbundenen Grundstücke – und damit überwiegend den Vorteilen der Anlieger - dienen sollen, es gleichwohl aber gerechtfertigt sein soll, diesen Vorteil im Hinblick auf die Fahrbahnen in gleicher Weise zu gewichten wie denjenigen der Allgemeinheit, hat die Kammer keine Veranlassung, ihre bisherige Rechtsprechung aufzugeben (vgl. i.Ü. auch die Kritik an der zuvor zitierten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg von Driehaus in ders., KAG Kommentar, Stand: September 2015, § 8 Rn. 371).
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bestätigte die zitierte Entscheidung in seinem Beschluss vom 13. März 2017 (OVG 12 N 11.16 ).
Die Kammer schließt sich den obigen Ausführungen an und führt ergänzend aus, dass auch die Festsetzung von einem Gemeindeanteil in Höhe von 50,01 % nicht vorteilsgerecht ist. Um dem – auch nach der vorliegenden Satzung definitionsgemäßen (§ 4 Abs. 6 Ziff. 1 SBS 2004) – „Überwiegen“ der Anliegervorteile Rechnung zu tragen wird jedenfalls eine spürbare Differenz zwischen Anlieger- und Gemeindeanteil zu verlangen sein, von der bei einem Unterschied von 0,02 % Prozentpunkten zwischen Gemeinde- und Anliegeranteil jedenfalls nicht die Rede sein kann.
Schon bei natürlicher Betrachtungsweise geht mit dem Begriff der Anliegerstraße einher, dass die Straße „schwerpunktmäßig“ dem Ziel- und Quellverkehr der Anliegergrundstücke dient. Auch ohne ausdrückliche Regelung in der satzungsrechtlichen Definition der Anliegerstraße erscheint es daher nach dem natürlichen Wortsinn sachgerecht und nach § 8 Abs. 4 Satz 7 KAG erforderlich ein „spürbares“ bzw. „erhebliches“ Überwiegen der Anliegervorteile zu verlangen. Dieses Verständnis führt auch zu Klarheit bei der Abgrenzung einer Anliegerstraße zu den anderen satzungsrechtlichen Straßenkategorien. Während etwa die Definition der Haupterschließungsstraße - namentlich Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und „gleichzeitig“ dem Verkehr innerhalb von Baugebieten oder innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen dienen – einen sehr weiten Anwendungsbereich eröffnet, liefert die Definition der Anliegerstraße mit der Begrifflichkeit „überwiegend“ das maßgebliche Abgrenzungskriterium. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass nach obigen Ausführungen zur Abgrenzung der verschiedenen Straßenkategorien gerade nicht hauptsächlich auf die tatsächliche Verkehrsbelastung abgestellt wird. Demnach ist ein „Überwiegen“ der Erschließungsfunktion für die Anlieger nicht schon dann anzunehmen, wenn im Rahmen einer Verkehrserhebung ermittelt wird, dass zahlenmäßig eine (geringfügig) höhere Belastung durch Anliegerverkehr als durch innerörtlichem Verkehr besteht. Vielmehr kommt es auf die verkehrstechnische Bedeutung der Straße an. Diese ist durch eine Gesamtbetrachtung zu ermitteln. Um im Rahmen einer solchen Gesamtbetrachtung zu einem Ergebnis zu kommen, muss die verkehrstechnische Bedeutung der Straße für die Anlieger spürbar bzw. erheblich höher sein, als ihre Bedeutung für den übrigen Verkehr.
Dass eine Festsetzung von 49,99 % dem erheblichen „Überwiegen“ der Anliegervorteile nicht hinreichend Rechnung trägt zeigt sich auch rein rechnerisch am vorliegenden Fall. Würde man statt eines Anliegeranteils von 50,01 % einen Anteil von 50,00 % ansetzen und die umlagefähigen Aufwendungen durch die, den (endgültigen) Bescheiden zugrundeliegende Gesamtbeitragsfläche teilen, so ergäbe sich bei Runden auf zwei Nachkomma-Stellen derselbe Beitragssatz. Statt einem exakten Beitragssatz von 8,19021 Euro/m² ergäbe sich ein Satz von 8,18858 Euro/m². Der Unterschied ist marginal und nicht „spürbar“ für die Allgemeinheit oder die Anlieger.
Nach alledem wird eine Mindest-Differenz von 10 Prozentpunkten zwischen Gemeinde- und Anliegeranteil zulasten der Anlieger (namentlich 45 % zulasten der Gemeinde und 55 % zulasten der Anlieger) bei Anliegerstraßen für erforderlich gehalten. Den Gemeinden steht im Übrigen ein weiter Ermessensspielraum zu, der nur in äußerst seltenen Ausnahmefällen derart beschränkt sein kann, dass eine Festsetzung des Anliegeranteils im – aus Anliegersicht – niedrigen, aber dennoch vorteilsgerechten Bereich (etwa 55 %) oder im höheren Bereich (etwa 75 %) unbedingt geboten ist. Für ein derart weites Verständnis und Ermessen der Gemeinden spricht der seitens des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 22. Mai 2015 (9 S 8.14) angeführte Umstand, dass es gänzlich unpraktisch wäre, wenn man aus dem Überwiegensgedanke ableiten würde, dass die Gemeinden jeweils bezogen auf ihr Gebiet, oder sogar das konkrete Abrechnungsgebiet, in eine nähere, nachvollziehbare Untersuchung der Anlieger- und Gemeindeanteile einer Straße eintreten und sodann einen dem Untersuchungsergebnis entsprechenden Anliegeranteil regeln müssten. Es muss also ein gewisses Grad an Pauschalierung möglich sein, da mit der Festsetzung eines Gemeindeanteils in der Satzung eine Vielzahl von Maßnahme-spezifischen Abrechnungsfällen abgedeckt werden soll, um nicht standardmäßig eine Maßnahme-spezifische Satzung aufstellen zu müssen. Dennoch sind dem Ermessen der Gemeinden mit Blick auf die Vorteilsgerechtigkeit Grenzen gesetzt. Diese werden mit einem Gemeindeanteil von 49,99 % für Fahrbahn und Entwässerung bei Anliegerstraßen überschritten.
Das Gericht hält auch weiterhin an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine Straßenbaubeitragssatzung mangels wirksamer Regelung des Gemeindeanteils in ihrer Gesamtheit unwirksam ist und damit keine Grundlage für die Erhebung von Straßenbaubeiträgen sein kann – unabhängig davon, ob der die Unwirksamkeit der Festsetzung des Gemeindeanteils begründende Ermessensfehler zu einer übermäßigen Belastung der Beitragspflichtigen führt, oder, ob umgekehrt der Gemeindeanteil zu niedrig festgesetzt wurde. Ob ein Straßenbaubeitragsbescheid auf Grund einer Satzung mit (zu Gunsten der Anlieger) nicht vorteilsgerechtem Anliegeranteil aufrecht erhalten bleibt, ist eine Frage der Auslegung von Landesrecht (BVerwG, Beschluss vom 4. September 2008 – 9 B 2/08 -, juris Rn. 13).
Insofern sind neben den allgemeinen Regelungen zur Teil- oder Gesamtnichtigkeit von Satzungen die Besonderheiten des brandenburgischen Kommunalabgabengesetzes zu berücksichtigen.
Soweit das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 22. Mai 2015 (9 S 8.14) andeutet, dass eine Satzung gegebenenfalls trotz zu hohen Gemeindeanteils in ihrer Gesamtheit aufrecht erhalten bleiben könnte, so wird dem nicht gefolgt. Das Oberverwaltungsgericht wirft namentlich die Frage auf, „ob eine Satzung, die einen zu hohen Gemeindeanteil und einen zu niedrigen Anliegeranteil regelt, nicht wenigstens hinsichtlich des – immerhin – geregelten niedrigen Anliegeranteils teilwirksam ist und Beitragsbescheide tragen kann, mit der Folge, dass die Gemeinde die Satzung nur noch ergänzen und Nacherhebungsbescheide erlassen muss, um an den vollen Beitrag zu gelangen“.
Dieser Annahme steht bereits entgegen, dass die Satzung entsprechend den Vorgaben des § 2 Abs. 1 S. 3 KAG nicht den Anlieger- sondern den Gemeindeanteil festsetzt. Demnach kommt eine Auslegung dahingehend, dass der „geregelte“ Anliegeranteil als „Mindest-Anteil“ bzw. teilweise Festsetzung des noch zu bestimmenden Gesamt-Anliegeranteils zu verstehen ist, schon nicht in Betracht. Der festzusetzende Gemeindeanteil ist demgegenüber jedenfalls zu hoch, sodass eine geltungserhaltende Auslegung denknotwendig mit einer Herabsetzung des Gemeindeanteils einhergehen müsste. Die Festsetzung des Gemeindeanteils steht indes im weiten Ermessen der Gemeinde. Dem Gericht ist es nicht gestattet, diese gemeindliche Festsetzung durch eine eigene, gerichtliche Ermessensentscheidung zu ersetzen.
Versteht man den festgesetzten Gemeindeanteil nach dem Gedanken des Oberverwaltungsgerichts als eine Art „Höchst-Gemeindeanteil“, oder versteht man den spiegelbildlich, jedoch nicht ausdrücklich festgesetzten Anliegeranteil als eine Teilregelung des noch zu bestimmenden Gesamt-Anliegeranteils, so bestehen erhebliche Zweifel an der Bestimmtheit einer solchen Regelung. Für den Beitragsschuldner ist die zu erwartende Beitragshöhe so nicht zu ermitteln.
Große Bedenken ruft eine geltungserhaltende Auslegung von Satzungen mit nicht vorteilsgerechtem, zu hohem Gemeindeanteil auch hinsichtlich des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung hervor. Das Oberverwaltungsgericht führt hierzu in seinem Beschluss vom 22. September 2017 (OVG 9 S 8.17) für das Anschlussbeitragsrecht aus:
Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung und das hieraus folgende Verbot der Doppelbelastung besagen, dass die sachliche Beitragspflicht für ein Grundstück bezogen auf eine beitragsfähige Ausbaumaßnahme einer bestimmten Anlage nur einmal und endgültig in Höhe des nach Maßgabe der Satzung abzugeltenden Vorteils entsteht und dass der entsprechende Aufwand durch einen einmaligen Beitrag in der entstandenen Höhe gedeckt wird. Ist die sachliche Beitragspflicht aufgrund einer wirksamen Satzung entstanden und der Beitragstatbestand erfüllt, ist die erneute Entstehung einer Beitragspflicht im Grundsatz gesperrt. Demgegenüber ist – unter dem Blickwinkel des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung – eine Nacherhebung prinzipiell zulässig, wenn der erste Beitragsbescheid die sachliche Beitragspflicht für ein bestimmtes Grundstück noch nicht vollständig ausgeschöpft hat. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung ist nicht gleichbedeutend mit einem Grundsatz der Einmaligkeit des Beitragsbescheides.
Da im vorliegenden Fall die konkrete sachliche Beitragspflicht nach den Regelungen der, in diesem Szenario wirksamen, SBS 2004 bereits einmal vollständig entstanden wäre, würde eine erneute Heranziehung nach einer noch aufzustellenden Satzung ausscheiden. Denn einer derartigen – nachträglich durch Auslegung der vormals abschließenden Satzungsregelung geschaffenen – „peu-à-peu-Regelung“ dürfte der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung entgegenstehen (vgl. Sächsisches OVG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – 5 A 625/13 -, juris Rn. 20). Etwas anderes könnte mit Blick auf den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung sowie unter Vertrauensgesichtspunkten allenfalls gelten, wenn in einer Straßenbaubeitragssatzung ausdrücklich darauf hingewiesen würde, dass die Regelung zum Anliegeranteil nur eine Teilregelung darstellt und eine Nacherhebung zeitnah erfolgen soll. In diesem Fall wäre für den Beitragsschuldner erkennbar, dass die konkrete sachliche Beitragspflicht noch nicht vollständig zur Entstehung gelangt ist. Eine derartige Regelung dürfte jedoch daran scheitern, dass dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht hinreichend Rechnung getragen würde. Ferner müsste sich eine Satzung, die einen höheren Anliegeranteil bestimmt, Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Eintritts der sachlichen Beitragspflicht beimessen. Angesichts der (infolge der Teilnichtigkeit) wirksamen Satzung dürfte dies aber eine echte Rückwirkung darstellen, welche vorliegend jedenfalls nicht aus Gründen der Heilung unwirksamen Satzungsrechts zulässig sein dürfte. Effektiv würde damit außerdem eine Art Vorausleistung nach Eintritt der abstrakten sachlichen Beitragspflicht, jedoch vor Eintritt der konkreten sachlichen Beitragspflicht ermöglicht werden, für die ein sachlicher Grund nicht erkennbar ist. Vielmehr regelt § 8 Abs. 3 KAG die Möglichkeiten einer teilweisen Beitragserhebung (Kostenspaltung), was gegen eine Ausweitung dieser Option spricht.
Die vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 22. Mai 2015 (9 S 8.14) angegebenen Quellen zur Begründung der Ansicht, dass ein Straßenbaubeitragsbescheid auf Grund einer Satzung mit (zugunsten der Anlieger) nicht vorteilsgerechtem Anliegeranteil aufrecht erhalten bleibt, vermögen die obigen Zweifel nicht auszuräumen. Die dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. März 2011 (15 A 1643/10) zugrundeliegende Konstellation ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Dort wurden unsachgerechte (fiskalische) Erwägungen bei der Festsetzung der Anliegeranteile berücksichtigt, was grundsätzlich die Rechtswidrigkeit der Festsetzung zur Folge hat. Jedoch bewegten sich die Festsetzungen noch im Rahmen des ortsgesetzgeberischen Einschätzungsspielraumes und waren daher vorteilsgerecht ausgestaltet. Im vorliegenden Fall hingegen geht es um eine klare Überschreitung des Einschätzungsspielraumes, sodass insgesamt eine nicht vorteilsgerechte Regelung getroffen wurde. Auch die Entscheidung des OVG Schleswig-Holstein vom 19. Mai 2010 (2 KN 2/09) liefert keine überzeugenden Gegenargumente, da die Frage über eine durch die Beitragspflichtigen „einklagbare Verpflichtung“ der Gemeinde zur Festsetzung von Mindestsätzen für Anliegeranteile und deren prozessuale Folgen ausdrücklich offen gelassen wurde. Wiederum handelte es sich um eine Festsetzung, die nicht gegen das Vorteilsprinzip verstieß. Die Ausführungen von Prof. Dr. ... in seinem Beitrag „Planerhaltung und kommunales Beitragsrecht“ (NVwZ 2011, 1006) vermögen mangels dogmatischer Aufhängung ebenfalls nicht zu überzeugen.
Nach alledem führt der materielle Mangel betreffend die nicht vorteilsgerechte Ausgestaltung des Gemeindeanteils im Land Brandenburg notwendiger Weise zur Gesamtnichtigkeit einer Straßenbaubeitragssatzung.
Der Grundsatz der „Teilnichtigkeit“ zivilrechtlicher Willenserklärungen nach § 139 BGB gilt auch im öffentlichen, speziell im Satzungsrecht (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Oktober 2007 – OVG 11 A 7.05 –, juris Rn. 52). Teilnichtigkeit setzt einen auf einen (räumlichen oder sachlichen) Teil der Norm isolierbaren Fehler voraus. Der fehlerbehaftete Teil darf mit dem gesamten restlichen Normgefüge nicht so verflochten sein, dass die Restbestimmung ohne den nichtigen Teil nicht sinnvoll bestehen bleiben kann (Grundsatz der Teilbarkeit). Daran fehlt es u.a., wenn der verbleibende Teil der Rechtsordnung nicht entspricht, etwa eine unter Gleichheitsaspekten unzureichende Regelung darstellt oder den gesetzlichen Regelungsauftrag verfehlt. Ferner muss mit Sicherheit anzunehmen sein, dass der Normgeber die Restbestimmung ohne den nichtigen Teil erlassen hätte (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers; vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2008 – 9 B 40/08 –, juris Rn. 13; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Oktober 2007 – OVG 11 A 7.05 –, juris Rn. 52; Wuttig, Gemeindliches Satzungsrecht, 14. EL 1994, Teil I, Frage 24). Mit Blick auf die Regelung in § 2 Abs. 1 S. 2, 3 KAG verfehlt eine Satzung, die weder den Satz der Abgabe noch den Gemeindeanteil am veranschlagten Beitragsaufkommen nach § 8 Abs. 4 Satz 7 KAG angibt – wovon vorliegend mangels Wirksamkeit des § 4 Abs. 3 Nr. 1 a) und e) SBS 2004 auszugehen ist – den gesetzlichen Regelungsauftrag. § 2 Abs. 1 S. 2, 3 KAG definiert Mindestbestandteile einer kommunalen Abgabensatzung, deren Fehlen die Nichtigkeit der gesamten Satzung nach sich zieht.
Die Gesamtnichtigkeit der SBS 2004 hat wiederum zur Folge, dass gem. § 2 Abs. 1 S. 1 KAG keine Abgaben erhoben werden dürfen (vgl. auch VG Dessau, Urteil vom 07. September 2000 – 2 A 756/99.DE – zitiert nach juris).
Im Ergebnis kommt es demnach nicht mehr auf die Frage an, ob § 7 SBS 2004 mit Blick auf die Ungleichbehandlung von Eckgrundstücken und sonstigen, mehrfach erschlossenen Grundstücken vorteilsgerecht ausgestaltet ist.
3.2 Mit Blick auf die Ausführungen unter 3.1 leiden auch die SBS 2000, die SBS 1999 sowie die SBS 1994 unter materiellen Fehlern hinsichtlich den dortigen Festsetzungen eines Gemeindeanteils von 50 % für Fahrbahn und Oberflächenentwässerung bei Anliegerstraßen. Darüber hinaus verfügen jedenfalls die SBS 1999 sowie die SBS 2000 jeweils über eine Regelung wonach mit dem Inkrafttreten der jeweiligen Satzung gleichzeitig die bisherige Satzung über die Erhebung von Beiträgen für straßenbauliche Maßnahmen der Gemeinde ... außer Kraft treten soll (vgl. OVG Brandenburg, Urteil vom 3. Dezember 2003 – 2 A 417/01 -, juris 8. Leitsatz sowie Rn. 54).
3.3 Unabhängig von der Frage, ob auf eine Vorgängersatzung (hier SBS 1992) überhaupt noch zurückgegriffen werden kann, wenn nachfolgende Satzungen (hier bspw. SBS 1999) durch Regelungen in wiederum nachfolgenden Satzungen (hier bspw. SBS 2000) ausdrücklich außer Kraft gesetzt wurden, ist die SBS 1992 jedenfalls formell unwirksam. Es fehlt an einem Nachweis der ordnungsgemäßen öffentlichen Bekanntmachung der SBS 1992 gemäß den Vorgaben des § 16 der Hauptsatzung der Gemeinde ... vom 14. September 1990, für welche dem Gericht darüber hinaus ebenfalls kein Bekanntmachungsnachweis vorliegt.
Ob die SBS 1992 darüber hinaus materiell rechtswidrig ist, bedarf daher keiner abschließenden Klärung. Zweifel bestehen jedoch hinsichtlich der Regelung in § 3 Abs. 2 SBS 1992, wonach die Beitragsschuld – entgegen den Regelungen in § 8 Abs. 7 S. 1 KAG – auch später eintreten kann, falls ein Grundstück erst nach dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt bebaut oder gewerblich genutzt werden darf. Der Umstand, dass die Regelung in § 4 SBS 1994 den Kreis der Beitragsschuldner nicht vollständig benennt, dürfte demgegenüber nach dem Grundsatz der regionalen Teilbarkeit nur dann zur Unwirksamkeit der gesamten Satzung führen, wenn im Abrechnungsgebiet ein Nutzer im Sinne des § 9 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes hätte herangezogen werden können. Darüber hinaus dürfte auch die Regelung des § 7 Abs. 3 b) SBS 1992 nicht hinreichend bestimmt sein, um als Äquivalent für die fehlende Tiefenbegrenzungsregelung herzureichen. Dies ist vorliegend vor allem für die Grundstücke südlich der ... relevant.
Die Klägerin ist durch die angegriffenen Bescheide, welchen es an einer satzungsrechtlichen Grundlage fehlt, in ihren Rechten verletzt.
Höchst vorsorglich und zur Schaffung von Rechtsfrieden weist die Kammer darauf hin, dass bei der Ermittlung des Nutzungsfaktors gem. § 6 Nr. 4 SBS 2004 auf die maximal zulässige Geschosszahl und nicht auf die tatsächlich vorhandene Geschosszahl abzustellen ist. Des Weiteren dürfte zu prüfen sein, ob das Flurstück 44 mit den Flurstücken 45 und 46 eine wirtschaftliche Einheit bildet und insofern bei der Beitragsflächenberechnung zu berücksichtigen gewesen wäre. Die Einbeziehung des klägerischen Grundstückes sowie des Flurstücks 50 begegnet hingegen keinen durchgreifenden Bedenken. Inwiefern die Regelung des § 7 SBS 2004 auch auf sonstige, mehrfach erschlossene Grundstücke, die keine Eckgrundstücke sind, hätte angewendet werden müssen, bedarf weiterer Prüfung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Berufung gegen das Urteil ist gemäß § 124a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache hinsichtlich der Frage zur Teil- oder Gesamt-(Un-)Wirksamkeit einer Straßenbaubeitragssatzung, welche den Gemeindeanteil zu Gunsten der Anlieger zu hoch festsetzt, grundsätzliche Bedeutung hat.