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Zulassung der Berufung; ernstliche Zweifel; fehlerhafte Beweiswürdigung (verneint); Scheinehe; Verfahrensmangel; Verletzung rechtlichen Gehörs; Ablehnung eines Hilfsbeweisantrages; Ablehnung aus Gründen, die im Prozessrecht keine Stütze finden (verneint); Parteivernehmung; subsidiäres Beweismittel


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat Entscheidungsdatum 31.01.2012
Aktenzeichen OVG 2 N 96.10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 98 VwGO, § 108 Abs 1 S 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 5 VwGO, § 124a Abs 4 S 4 VwGO, § 27 Abs 1a Nr 1 AufenthG, § 450 ZPO

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das ihm und der Beigeladenen zu 2. am 16. August 2010, der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. am 19. August 2010 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Ein Grund, die Berufung zuzulassen (§ 124 Abs. 2 VwGO), ist auf der Grundlage der im Hinblick auf das Darlegungserfordernis (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) allein maßgeblichen Ausführungen des Klägers nicht gegeben.

1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Visum zum Nachzug zu seiner deutschen Ehefrau, der Beigeladenen zu 2., verneint, weil es nach den konkreten Umständen des Einzelfalls davon überzeugt war, dass die Ehe nur geschlossen wurde, um dem Kläger ein ihm ansonsten verwehrtes Aufenthaltsrecht für die Bundesrepublik Deutschland zu verschaffen (§ 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG). Es ist zu dieser Würdigung aufgrund der konkreten Umstände des Kennenlernens der Eheleute und ihrer Eheschließung, der widersprüchlichen Angaben der Eheleute bei deren getrennten Befragungen, der Wissenslücken der Eheleute hinsichtlich persönlicher Informationen des jeweiligen Partners sowie eines aus ihren Angaben folgenden fehlenden wirklichen Interesses der Eheleute aneinander gelangt.

Das Zulassungsvorbringen begründet keine ernstlichen Richtigkeitszweifel an der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es darf aber bei seiner Überzeugungsbildung nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht. Soweit eine fehlerhafte Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts gerügt wird, liegt der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO folglich nur dann vor, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht (vgl. m.w.N. Beschluss des Senats vom 18. August 2011 - OVG 2 N 36.10 -, BA S. 3).

Hieran gemessen zeigt der Kläger einen Fehler in der Beweiswürdigung nicht auf. Soweit er rügt, das Verwaltungsgericht sei der Beziehung nicht mit der gebotenen Objektivität entgegengetreten, was sich insbesondere darin zeige, dass es den zahlreichen in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fotos praktisch keine Beweiskraft beimesse, greift er bei diesem auf S. 20 des Urteilsabdrucks angesprochenen Aspekt lediglich ein einzelnes Element der Gesamtwürdigung des Verwaltungsgerichts heraus, dem angesichts der Vielzahl der herangezogenen Gesichtspunkte offensichtlich für sich genommen keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass allein der Umstand, dass es zu einer weiteren Besuchsreise der Beigeladenen zu 2. Anfang des Jahres 2010 gekommen sei, angesichts der dargestellten gravierenden Auffälligkeiten in den Angaben der Eheleute, ihrem übrigen Verhalten und ihres Altersunterschiedes keine von der Annahme einer Scheinehe abweichende Bewertung rechtfertige. Auch aus den während der Reise entstandenen Fotos, soweit diese die Eheleute im Bett oder auf einem Sofa zeigten, lasse sich angesichts der übrigen Umstände nicht ableiten, diese beabsichtigten tatsächlich, in Deutschland eine eheliche Gemeinschaft herzustellen und dauerhaft zusammen zu leben. Mit seiner Rüge, das Verwaltungsgericht habe die Reise der Beigeladenen zu 2. und die vorgelegten Fotos zu Unrecht als „verfahrensangepasst“ angesehen, benennt der Kläger keinen Fehler in der Beweiswürdigung. Denn es stellt eine im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zulässige Erwägung dar, wenn das Verwaltungsgericht bei der Bewertung der durchgeführten Reise, die nach den Feststellungen des Gerichts erst nach seiner Bitte um die Vorlage von Nachweisen für die von der Beigeladenen zu 2. zuvor ihm gegenüber angekündigte Reise gebucht worden war, und der vorgelegten Fotos zu der Auffassung gelangt, diese wirkten dem Verfahren angepasst. Ebenso wenig ist ein Fehler in der Beweiswürdigung mit dem Hinweis darauf dargetan, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf 24 Seiten begründet hat.

2. Als Verfahrensmangel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO rügt der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), weil das Gericht seinen hilfsweise gestellten Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt habe. Mit dieser Rüge wird ein Gehörsverstoß nicht substanziiert dargelegt. Offen bleiben kann, ob die Ablehnung eines hilfsweise gestellten Beweisantrages – entsprechend der Ablehnung eines unbedingt gestellten Beweisantrages - mit der Gehörsrüge (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. November 2011 - OVG 1 N 35.11 -, juris Rn. 17; Sächs. OVG, Beschluss vom 26. Mai 2005 - 3 B 16/02.A -, juris Rn. 3) oder lediglich mit der Aufklärungsrüge (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 30. November 2004 - 1 B 48.04 -, juris Rn. 6; BayVGH, Beschluss vom 2. April 2007 - 11 ZB 06.3103 -, juris Rn. 10, 11) angegriffen werden kann. Denn letztere hat der Kläger nicht erhoben und eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG ist nicht dargelegt. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt insoweit nur vor, wenn ein Beweisantrag aus Gründen abgelehnt wird, die im Prozessrecht keine Stütze finden (vgl. nur BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. September 2009 - 1 BvR 3501/08 -, juris Rn. 13). Das Verwaltungsgericht ist dem Antrag des Klägers, ihn „persönlich zu hören zum Beweis dafür, dass er keine Scheinehe mit der Beigeladenen zu 2. führen möchte, sondern eine im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG schutzwürdige Ehe“ sowie ihn zu hören „zu den bei seiner Anhörung aufgetauchten Widersprüchen sowie zu den nach der heutigen Anhörung der Beigeladenen zu 2. offenen Fragen, beispielsweise des Kennenlernens der Eheleute“ nicht nachgekommen, weil die Parteivernehmung, die im Ermessen des Gerichts stehe, nicht geboten gewesen sei. Sie könne jedenfalls dann unterbleiben, wenn nichts an Wahrscheinlichkeit für die unter Beweis gestellte Behauptung erbracht sei bzw. das Gericht vom Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache überzeugt sei. Diese Ablehnung des Beweisantrages ist prozessrechtlich vertretbar. Die förmliche Vernehmung eines Beteiligten ist vor dem Hintergrund, dass der Aussage einer Partei wegen deren Interesses am Prozessausgang mit besonderer Zurückhaltung zu sehen ist, als subsidiär anzusehen und kommt gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 450 ZPO nur in Betracht, wenn für die Richtigkeit seiner Behauptung nach der Überzeugung des Gerichts bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, oder wenn die Beweisaufnahme nach Ausschöpfung aller Beweismittel Zweifel offen lässt (vgl. Lang in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 98 Rn. 260 ff.; Bayer. VGH, Beschluss vom 19. Januar 2001 - 19 B 97.32011 -, juris Rn. 29). Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Verwaltungsgericht mit der Anwendung dieser Vorgaben keine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung vorgenommen.

Die Rüge einer Gehörsverletzung erfordert im Übrigen die substanziierte Darlegung dessen, was der Kläger bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und in wie weit der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre. Auch dem genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Mit dem Hinweis darauf, dass die persönliche Anhörung eines Klägers, der sich dem Vorwurf der Scheinehe ausgesetzt sehe, sachdienlich sein könne, zeigt der Kläger nicht auf, was er konkret in der mündlichen Verhandlung noch vorgetragen hätte.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).