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Prozesskostenhilfe; PKH-Beschwerde; Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes; Anzeige der Masseunzulänglichkeit; Bedürftigkeit der Masse; Kosten der Prozessführung; Zumutbarkeit der Kostentragung durch wirtschaftlich beteiligten Insolvenzgläubiger; wertende Abwägung der Gesamtumstände; Rechtsverteidigung gegen Vollstreckungsabwehrklage; Inhaber des Pfandrechts an zu vollstreckender Forderung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 27.02.2012
Aktenzeichen OVG 10 M 52.10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 166 VwGO, § 116 S 1 Nr 1 ZPO, § 769 ZPO, § 208 InsO

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter eines Erschließungsträgers, der von der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der Erschließung eines Industrie- und Gewerbegebiets beauftragt worden war und dem aufgrund rechtskräftigen Urteils ein Zahlungsanspruch gegenüber der Klägerin in Höhe von (ursprünglich) mehr als 1,6 Millionen Euro zusteht, aus dem laufend vollstreckt wird. Die Klägerin hat unter Berufung auf eine Aufrechnung Vollstreckungsabwehrklage erhoben mit dem Ziel, die Vollstreckung aus dem genannten Urteil für unzulässig zu erklären. Den Antrag des Beklagten, ihm für die Rechtsverteidigung Prozesskostenhilfe zu bewilligen, hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgelehnt, den Gläubigern der Insolvenzschuldnerin sei es zuzumuten, die Kosten der Rechtsverfolgung aufzubringen. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht dem Beklagten als Partei kraft Amtes die Gewährung von Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO versagt. Zwar können die Kosten der Prozessführung nicht aus der verwalteten Vermögensmasse aufgebracht werden (1.), es ist aber jedenfalls einem der am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten, diese Kosten aufzubringen (2.).

1. Der Beklagte hat im Insolvenzverfahren Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO angezeigt. Dies indiziert eine Bedürftigkeit der Masse im Sinne des § 116 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ZPO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Februar 2006 - BVerwG 8 PKH 4.05 -, ZIP 2006, 1542, juris Rn. 4; BGH, Beschluss vom 12. März 2008 - XII ZB 4/08 -, ZIP 2008, 1035, juris Rn. 6, jeweils m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass dem Beklagten (in Zukunft) freie Mittel zur Finanzierung der Rechtsverteidigung zur Verfügung stehen, bestehen nicht (so auch OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 10. Mai 2011 - OVG 10 M 11.09 -, juris Rn. 5); die titulierten Zahlungsansprüche gegenüber der Klägerin hat er verpfändet, so dass Zahlungen hierauf nicht der freien Masse zufließen (vgl. schon Beschluss des Senats vom 27. September 2011 - OVG 10 S 48.10 -, mit dem dem Beklagten im Verfahren auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt worden ist).

2. Der M… AG ist es jedoch nach Aktenlage zuzumuten, die Kosten der Prozessführung zu tragen. Im Insolvenzfall sind am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich beteiligt diejenigen Gläubiger, deren Befriedigungsaussichten sich dadurch konkret verbessern, dass der Insolvenzverwalter obsiegt (BGH, Beschluss vom 28. Februar 2007 - IV ZR 320/04 -, NJW-RR 2007, 993, juris Rn. 7). Die Frage, inwieweit diesen wirtschaftlich Beteiligten eine Kostenaufbringung für das Verfahren zumutbar ist, beurteilt sich anhand einer Gegenüberstellung der Kosten des Verfahrens und der möglichen Vorteile für die Gläubiger, wobei nur die Insolvenzgläubiger i.S.d. § 38 InsO in die Betrachtung einzubeziehen sind, da es den Massegläubigern nach §§ 53 ff. InsO - ebenso wie dem Insolvenzverwalter selbst - nicht zugemutet werden kann, Prozesskosten aufzubringen (BFH, Beschluss vom 9. Dezember 2004 - VII S 29/03 (PKH) -, ZInsO 2005, 1216, juris Rn. 11). Zumutbar erscheint ein Kostenbeitrag dann, wenn der Insolvenzgläubiger die benötigten Mittel unschwer aufbringen kann und der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger Betrachtung unter Beachtung des Prozessrisikos voraussichtlich deutlich größer sein wird als die aufzubringenden Kosten (BVerwG, Beschluss vom 8. Februar 2006, a.a.O., Rn. 10). Dies bedarf einer wertenden Abwägung aller Gesamtumstände des Einzelfalls, wobei insbesondere eine zu erwartende Quotenverbesserung im Falle des Obsiegens, das Prozess- und Vollstreckungsrisiko und die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2010 - VII ZB 71/08 -, ZIP 2011, 98, juris Rn. 9 m.w.N.).

Vorliegend hat die M… AG, der als Insolvenzgläubigerin noch immer Forderungen von rund einer Million Euro gegenüber der Gemeinschuldnerin zustehen, ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Klageverfahrens, weil die titulierten Erstattungsansprüche aus dem Urteil vom 2. September 2002, um deren Vollstreckbarkeit es im Ergebnis geht, an sie verpfändet worden sind. Bei einem Erfolg der Vollstreckungsgegenklage würde sie diese Sicherheiten verlieren, ohne damit rechnen zu können, ihre Forderungen aus der Insolvenzmasse befriedigen zu können. Wird die Zwangsvollstreckung hingegen fortgesetzt, kommt ihr deren Erlös unmittelbar zugute.

Die Höhe der Verfahrenskosten dürfte zwar angesichts des voraussichtlichen Streitwerts von ca. 934.000 Euro (vgl. den die Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zurückweisenden Beschluss des Senats vom 27. September 2011 - OVG 10 S 48.10 -, NZI 2011, 954, juris Rn. 26 sowie die vorläufige Streitwertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht) nicht unerheblich sein. Die voraussichtlichen Kosten der Prozessführung dürften unter Zugrundelegung einer Gerichtsgebühr von 4.306 Euro und einer Rechtsanwaltsgebühr von 4.346 Euro für die unterlegene Partei bei knapp 26.000 Euro liegen. Der mit der Rechtsverteidigung verbundene finanzielle Nutzen für die M… AG ist jedoch um ein Vielfaches größer. Denn bei Eingang der Vollstreckungsgegenklage war noch eine titulierte Forderung von ca. 934.000 Euro offen, deren Vollstreckung ihr unmittelbar zugutekommt.

Da zudem das Prozessrisiko der Rechtsverteidigung als nicht besonders hoch einzuschätzen ist, weil viel dafür spricht, dass die Klägerin mit ihrem Einwand der Aufrechnung ausgeschlossen ist (vgl. im Einzelnen den Beschluss des Senats vom 27. September 2011 zur Zurückweisung der Beschwerde, a.a.O.), und nicht ersichtlich ist, warum die M… AG Schwierigkeiten haben sollte, die zur Prozessführung benötigten Mittel aufzubringen, muss sich der Beklagte auf eine Kostenübernahme durch diese Insolvenzgläubigerin verweisen lassen. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt danach nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).