Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 10.04.2013 | |
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Aktenzeichen | L 1 KR 1/13 B ER | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 5 Abs 5a SGB 5, § 123 BGB, § 142 BGB, § 193 Abs 6 VVG |
Rückwirkende Anfechtung eines bereits vor Beginn des Alg-II-Bezugs für beendet gehaltenen Privatversicherungsvertrages - Berücksichtigung bei Frage der Privatversicherung unmittelbar vor Leistungsbezug
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2012 wird geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bis zum 31. Juli 2013 zu gewähren und ihr hierfür unverzüglich eine Versicherungskarte zu übergeben. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten. Eine weitere Kostenerstattung findet nicht statt.
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin begehrt, als Bezieherin von Arbeitslosengeld II bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert zu sein.
Die Antragstellerin war jedenfalls vor dem Jahr 2012 selbstständig tätig und bei der Beigeladenen zu 1 privat kranken- und pflegeversichert. Mit einem unter dem 5. Dezember 2011 gefertigten Schreiben kündigte die Antragstellerin die Versicherungen bei der Beigeladenen zu 1 zum 31. Dezember 2011 wegen einer dort ausgesprochenen Prämienerhöhung (Bl. 23 der GA). Sie legte der Beigeladenen zu 1 eine von der Beigeladenen zu 2 unter dem 23. November 2011 ausgestellte Versicherungsbescheinigung über die Versicherung in der substitutiven Krankenversicherung und der Pflegepflichtversicherung (Bl. 24 der Gerichtsakte - GA).
Unter dem 9. Februar 2012 und erneut unter dem 11. Februar 2012 erklärte die Beigeladene zu 2 den Rücktritt von dem mit ihr geschlossenen Vertrag wegen Nichtzahlung der Erstprämie (Bl. 53 der GA).
Ausweislich einer Gewerbeabmeldung vom 3. September 2012 gab die Antragstellerin das von ihr betriebene Nagelstudio am 1. Juni 2012 (Tag der Betriebsaufgabe) auf (Bl. 4 GA).
Aufgrund eines Antrags vom 24. August 2012 bewilligte das Jobcenter Berlin-Mitte der Antragstellerin Arbeitslosengeld II ab dem 1. August 2012 (zuletzt mit Bescheid vom 5. Februar 2013 befristet bis zum 31. Juli 2013).
Mit einem auf den 20. April 2012 datierten Bescheid, den die Antragstellerin nach eigenen Angaben am 1. Oktober 2012 erhalten haben will, lehnte die Antragsgegnerin eine Mitgliedschaft der Antragstellerin ab. Die Versicherungspflicht aufgrund des Alg II Bezuges begründe keine Aufnahme bei einer gesetzlichen Krankenkasse. Die Antragsgegnerin verwies ferner auf die Möglichkeit einer Versicherung in der privaten Krankenversicherung.
Unter dem 6. September 2012 erteilte die Beigeladene zu 1 der Antragstellerin eine Versicherungsbestätigung für den Zeitraum vom 1. April 2007 bis 31. Dezember 2011 und teilte einen Beitragsrückstand von 3691,25 Euro mit (Bl. 5 der GA).
Am 26. September 2012 ging ein Prüfbogen zur Feststellung der Anspruchsberechtigung auf Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bei der Antragsgegnerin ein.
Die Antragstellerin erhob gegen den auf den 20. April 2012 datierten Bescheid am 9. Oktober 2012 Widerspruch.
Am 29. Oktober 2012 hat sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Berlin beantragt. Der Versicherungsvertrag bei der Beigeladenen zu 1 sei wegen ihrer Zahlungsunfähigkeit noch zum 31. Dezember 2011 gekündigt worden, weil sie sich keine private Krankenversicherung mehr habe leisten können. Sie sei bis heute nicht versichert. Sie benötige dringlich ärztliche Behandlung.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Dieser sei mangels Abschluss des Vorverfahrens unzulässig. Die Antragstellerin sei bei Beginn des Bezugs von Arbeitslosengeld II hauptberuflich selbstständig und privat krankenversichert gewesen.
Die in erster Instanz allein beigeladene Beigeladene zu 1 hat auf die Möglichkeit der Antragstellerin zum Abschluss eines neuen Vertrages im Basistarif verwiesen.
Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 5. Dezember 2012 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht habe, dass die Ausschlussvorschrift des § 5 Abs. 5 a SGB V nicht eingreife, wonach nicht versicherungspflichtig ist, wer unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Die Antragstellerin habe trotz zweifacher Nachfrage weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass die Versicherung bei der Beigeladenen zu 2 nicht bis unmittelbar vor Bezug von Arbeitslosengeld II bestanden habe.
Nachdem am 12. Dezember 2012 Kopien der Rücktrittserklärungen der Beigeladenen zu 2 bei dem Sozialgericht eingegangen waren, hat die Antragstellerin am 20. Dezember 2012 ausdrücklich Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass § 5 Abs. 5a SGB voraussetze, dass die betroffene Person unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat versichert gewesen sei und unter die Abs. 5 oder § 6 Abs. 1, 2 SGB V falle. Sie sei wegen des Rücktritts der Beigeladenen zu 2 auch nicht privat krankenversichert gewesen. Aufgrund häufig auftretender Zahnschmerzen müsse sie jedenfalls einen Zahnarzt aufsuchen. Zudem stünden diverse Vorsorgeuntersuchungen an, u.a. beim Frauenarzt.
Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Der Senat hat durch Beschluss des Berichterstatters vom 4. Januar 2013 die Beigeladene zu 2 beigeladen. Im Beiladungsbeschluss wurde diese darauf hingewiesen, dass § 193 Abs. 6 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) auch § 37 VVG verdrängen dürfte und sich dies zudem aus § 8 Abs. 7 MB/KK ergebe, denen die auf der Webseite der Beigeladenen zu 2 abrufbaren Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) entsprächen.
Die Beigeladene zu 2 hat daraufhin unter dem 16. Januar 2013 die Anfechtung des Vertrages gegenüber der Antragstellerin wegen arglistiger Täuschung erklärt. Sie hat sich insoweit darauf bezogen, dass die Antragstellerin im Antrag angegeben habe, bei keinem Krankenversicherer im Zahlungsrückstand zu sein. Die Beigeladene zu 2 habe die Information erhalten, dass bei der Beigeladenen zu 1 eine Beitragsverrechnung erfolgt sei. Unter Berücksichtigung der Anfechtungserklärung bestehe auch dann kein privater Krankenversicherungsvertrag, wenn man der Auffassung folge, dass ein Rücktritt nach § 37 VVG bei Nichtzahlung der Erstprämie für Pflichtversicherungen des § 193 Abs. 3 VVG ausgeschlossen sei.
Die Antragstellerin hat dahingehend Stellung genommen, dass es den Tatsachen entspreche, dass sie die Erst- und Folgeprämien nicht gezahlt habe. § 193 VVG schließe die Vorschrift des § 37 VVG nicht aus. Was die Anfechtung betreffe, lege sie wert auf die Feststellung, dass sie gegenüber der Beigeladenen zu 2 keine vorsätzlich falschen Angaben getätigt habe.
Die Beigeladene zu 2 hat die Auffassung vertreten, das Ergebnis einer Auseinandersetzung zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 2 über die Wirkung der Anfechtung, sei für die Beendigung des mit ihr geschlossenen Versicherungsvertrages ohne Belang.
Die Antragsgegnerin hat den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. April 2012 mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie sich auf die Verfristung des Widerspruchs berufen. Im Übrigen sei der Bescheid auch rechtmäßig.
Die Antragstellerin hat hiergegen zwischenzeitlich Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben.
Ein Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakte, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg.
Da die Antragstellerin einen ausdrücklichen Antrag im Beschwerdeverfahren nicht gestellt hat, ist Gegenstand des Verfahrens ihr in erster Instanz verfolgter Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, sie „als Alg-II-Empfängerin zu versichern“ (Blatt 1 der Gerichtsakte).
Der Antrag ist als solcher auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 S. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zulässig. Danach kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen. Das Verfahren nach § 86 b Abs. 1 SGG ist vorliegend nicht einschlägig, weil die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel nicht durch die vorläufige Beendigung der Wirkungen eines Verwaltungsaktes erreichen kann, sondern gerade die durch Verwaltungsakt abgelehnte Feststellung eines Versicherungsverhältnisses begehrt. Insoweit hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung (etwa Beschluss vom 7. Januar 2008, Az.: L 1 B 336/07 KR ER - Juris) fest, dass im Wege der einstweiligen Anordnung auch die Feststellung des Bestehens eines Versicherungsverhältnisses bzw. die Verpflichtung der Krankenkasse zur Erbringung der gesetzlichen Leistungen dem Grunde nach erfolgen kann. Ob die Voraussetzungen einer solch weitgehenden Regelungsanordnung vorliegen, ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Der Ablehnungsbescheid ist auch noch nicht bestandskräftig geworden.
Ein Anspruch auf Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ist nur gegeben, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu muss der Antragsteller gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft machen. Vom Bestehen eines Anordnungsanspruchs ist auszugehen, wenn nach (summarischer) Prüfung die Hauptsache Erfolgsaussicht hat. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn dem Antragsteller unter Abwägung seiner sowie der Interessen Dritter und des öffentlichen Interesses nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten.
Ein Anordnungsanspruch liegt vor. Nach gegenwärtigem Sachstand ist die Versicherungspflicht der Antragstellerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V überwiegend wahrscheinlich.
Der Feststellung eines Anordnungsanspruchs steht nicht die mögliche Verfristung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 20. April 2012 entgegen. Die Antragsgegnerin hat den Widerspruch zwar ausweislich der Ausführungen im Widerspruchsbescheid wegen Verfristung als unzulässig zurückgewiesen. Sie ist jedoch dennoch in die Sachprüfung eingetreten und hat auf Seite 3 des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2013 dargelegt, wieso der angegriffene Bescheid rechtmäßig sein soll. Die Ausführungen schließen mit dem Satz „Aus den vorstehend dargelegten Gründen ist Ihr Widerspruch zurückzuweisen“. Durch diese jedenfalls auch in der Sache erfolgte Entscheidung ist eine etwaige Verfristung geheilt. Im Übrigen stellt der am 26. September 2012 bei der Antragsgegnerin eingegangene Feststellungsbogen auch einen sinngemäßen neuen Antrag auf Feststellung der Versicherungspflicht dar, unabhängig davon, dass er sich auf einen konkreten Versicherungspflichttatbestand bezieht.
Dass die Antragstellerin mit Wirkung ab dem 1. August 2012 (gegenwärtig bewilligt bis 31. Juli 2013) Arbeitslosengeld II bezieht und damit die Voraussetzungen des Versicherungspflichttatbestandes des § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V erfüllt, ist durch die entsprechenden Bescheide nachgewiesen. Die Leistungen werden weder darlehensweise gewährt und erfassen in jedem Fall auch den Regelbedarf.
Das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes des § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V, für den im Übrigen die Antragsgegnerin die objektive Feststellungslast trägt, kann der Senat hingegen gegenwärtig nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen. Hiernach ist nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versicherungspflichtig, wer unmittelbar vor Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehört oder bei seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Unmittelbarkeit setzt dabei einen direkten zeitlichen Zusammenhang zwischen dem (Noch-)Bestehen eines privatrechtlichen Krankenversicherungsvertrages und dem SGB-II-Bezug voraus (Urteil des Senats vom 11. März 2011 – Az.: L 1 KR 326/10 – Revision anhängig unter B 12 KR 11/11 R). Im Rahmen der Prüfung des Bestehens des privaten Krankenversicherungsvertrages ist eine rückwirkende Beendigung durch Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB (vgl. zur Rückwirkung auch bei Versicherungsverträgen etwa Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, 2010, Rn. 6 zu § 39) jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn aus dem Vertrag faktisch bis zum Beginn des Bezugs von Arbeitslosengeld II kein Versicherungsschutz in Anspruch genommen wurde bzw. werden konnte, weil die Beteiligten – rechtsirrig – von einer anderweitigen früheren Beendigung ausgegangen sind. Ausgangspunkt der Bewertung ist insoweit nach Auffassung des Senats die Einheit der Rechtsordnung, die es gebietet die zivilrechtliche Wertentscheidung einer rückwirkenden Nichtigkeit des Krankenversicherungsvertrages auch im Sozialversicherungsrecht zu beachten. Soweit hiergegen angeführt wird, dass das krankenversicherungsrechtliche Verhältnis nicht von zukünftigen ungewissen Ereignissen wie einer Anfechtung abhängen kann (LSG NRW, Beschluss vom 3. September 2012 – Az.: L 5 KR 258/12 B ER), mag dies eine abweichende Wertung für den Fall bis zum Zugang der Anfechtungserklärung tatsächlich vollzogener Versicherungsverhältnisse zutreffen. Letztlich setzt die Gegenauffassung eine Auslegung des Begriffs „privat krankenversichert“ voraus, der nicht mit dem des wirksamen Bestehens eines privaten Krankenversicherungsvertrages übereinstimmt. Angesichts der gesetzlichen Systematik, Bezieher von Arbeitslosengeld II weiterhin der Versicherungspflicht zu unterwerfen und nur ausnahmsweise auf die Privatversicherung zu verweisen, kann es bei einem solchen Verständnis dann aber nur auf ein tatsächlich vollzogenes Versicherungsverhältnis, d.h. die Gewährung von faktischem Versicherungsschutz ankommen. Da sich private Versicherungsunternehmen im Fall der Inanspruchnahme regelmäßig auch mit der Vertragsanfechtung verteidigen, wäre es inkonsequent bei einer solchen von der zivilrechtlichen Rechtslage gelösten Betrachtung die Anfechtbarkeit außer Acht zu lassen (vgl. im Übrigen auch zur Möglichkeit der Arglisteinrede gegen einen Leistungsanspruch BGH, Urteil vom 22. Februar 1984 – Az.: IV a ZR 63/82). Dass am Tag vor dem Beginn des Bezugs von Arbeitslosengeld II ein Vertrag wirksam besteht und nur anfechtbar ist (hierauf abstellend: LSG Thüringen, Beschluss vom 30. Juli 2012 – L 6 KR 462/12 B ER) ist insoweit ohne Bedeutung. Die Entscheidung der Verwaltung nach den Gegebenheiten zu diesem Zeitpunkt mag richtig sein, soweit sich jedoch ein Rechtsstreit anschließt ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen, einschließlich ihrer materiell-rechtlichen Rückwirkung.
Vorliegend war die Antragstellerin bis zum 31. Dezember 2011 unstreitig bei der Beigeladenen zu 1 privat krankenversichert. Dieser Vertrag endete mit allen Rechten und Pflichten durch die Kündigung der Antragstellerin unter Vorlage einer Bescheinigung des Abschlusses des Vertrages bei der Beigeladenen zu 2. Die spätere Beendigung des Vertrages mit der Beigeladenen zu 2 führt nicht zu einem Wiederaufleben des Vertrages. Die Obliegenheit des Versicherungsnehmers ist in § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG auf den Abschluss des Vertrages gerichtet. Dementsprechend wird selbst für den Fall des Widerrufs des neuen Vertrages nach Wirksamwerden der Kündigung davon ausgegangen, dass dieser nicht wieder auflebt (Marlow/Spuhl VersR 2009, 593, 598 unter Bezugnahme auf Marko, Private Krankenversicherung nach dem GKV-WSG und VVG-Reform 2008, S. 37f.).
Nach dem Kenntnisstand des Senats im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der Vertrag der Antragstellerin mit der Beigeladenen zu 2 nicht durch den Rücktritt wegen mangelnder Zahlung der Erstprämie (sog. Einlösung) beendet worden. Nach wohl ganz überwiegender Auffassung verdrängt die besondere Regelung der Folgen des Prämienverzugs in § 193 Abs. 6 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) auch § 37 VVG, so dass ein Rücktritt mangels Einlösung ausgeschlossen ist (vgl. etwa Schäfer in VersR 2010, 1525, 1526 m.w.N.; Marlow/Spuhl in VersR 2009, 593, 603). Unabhängig von der bereits kraft Gesetzes bestehenden Rechtslage sehen die MB/KK 2009 in § 8 Abs. 7 MB/KK vor, dass bei anderen als Verträgen nach § 8 Abs. 6 MB/KK (solchen, die der Erfüllung der Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 VVG dienen) u.a. die nicht rechtzeitige Zahlung des Erstbeitrages zum Verlust des Versicherungsschutzes führen kann. Ausweislich der auf der Webseite der Beigeladenen zu 2 abrufbaren Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung entsprechen die AVB insoweit den MB/KK 2009. Tatsächlich sind aber die Antragstellerin und die Beigeladene zu 2 nach Abgabe der Rücktrittserklärungen von einem Ende des Versicherungsverhältnisses ausgegangen.
Es erscheint jedenfalls überwiegend wahrscheinlich, dass die Beigeladene zu 2 den Vertrag mit der Antragstellerin wirksam wegen arglistiger Täuschung nach §§ 123, 142 Abs. 1 BGB angefochten hat. Nach dem vorgelegten Vertragsformular liegt eine falsche Angabe im Antragsformular hinsichtlich von Beitragsschulden bei früheren Versicherern vor. Da die Antragstellerin zum Zeitpunkt des Antrags auch seit vor 2009 bei der Beigeladenen zu 1 privat krankenversichert war und der Vertrag zudem nicht im Basistarif abgeschlossen worden ist, erscheint die Erheblichkeit der Angaben für die Prüfung durch den Versicherer naheliegend, weil dieser keinem Kontrahierungszwang unterlag (vgl. § 193 Abs. 5 VVG). Soweit die Antragstellerin vorsätzliche Fehlangaben bestreitet, erscheint dies zumindest zweifelhaft. Dafür dass die Beigeladene zu 2 von den Beitragsschulden der Antragstellerin bei ihrem früheren Versicherer bereits länger als ein Jahr Kenntnis gehabt hat, ist nichts ersichtlich.
Letztlich wird im Hauptsacheverfahren die Beendigung des Vertrages zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 2 abschließend aufzuklären sein.
Nach dem Ausgeführten ist jedoch gegenwärtig überwiegend wahrscheinlich, dass der von den Vertragsparteien bereits für beendet gehaltene Vertrag zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 2 jedenfalls mit der Erklärung der Anfechtung rückwirkend als nichtig anzusehen ist.
Das Vorliegen der zweiten Alternative des § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V kann der Senat ebenfalls nicht feststellen. Die Antragstellerin gehörte bei Beginn des Leistungsbezugs nach dem SGB II nicht mehr zu den hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen im Sinne des § 5 Abs. 5 SGB V. Ausweislich der Gewerbeabmeldung hat sie ihre Tätigkeit am 1. Juni 2012 eingestellt. Da das Gesetz darauf abstellt, ob jemand zu dem genannten Personenkreis „gehört“ (mithin Präsens), kommt es auf die Umstände bei Beginn des Bezugs von Arbeitslosengeld II an. Dies ergibt sich aus der eindeutigen inneren Systematik des § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V, der gerade nur in der ersten Alternative auf die Verhältnisse vor dem Leistungsbezug („privat krankenversichert war“) abstellt (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Dezember 2012 – Az.: L 9 KR 469/12 B ER). Soweit der Senat im Urteil vom 11. März 2011 – Az.: L 1 KR 326/10 das Erfordernis der Unmittelbarkeit auch auf die zweite Alternative des § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V bezogen und damit eine Relevanz der Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 5 Abs. 5 und § 6 Abs. 1 und 2 SGB V für möglich gehalten hat, war dies im dort zu entscheidenden Zusammenhang nicht tragend. Der Senat hält nach erneuter Prüfung an dieser Auffassung nicht fest. Für eine (fernliegende) Zugehörigkeit der Antragstellerin zu dem Personenkreis der nach § 6 Abs. 1 und 2 SGB V versicherungsfreien Personen ist nichts ersichtlich.
Es liegt auch ein Anordnungsgrund vor. Insoweit sind nach Auffassung des Senats bei fehlenden Krankenversicherungsschutz und Vorliegen eines Anordnungsanspruchs keine hohen Anforderungen zu stellen. Die Antragstellerin hat vorliegend Zahnschmerzen und notwendige Vorsorgeuntersuchungen geltend gemacht. Dies erachtet der Senat als ausreichend.
Im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG hat der Senat die zu treffende Regelung dahingehend getroffen, dass die Antragsgegnerin zur vorläufigen Leistungserbringung einschließlich der Aushändigung einer Versichertenkarte verpflichtet wird.
Da gegenwärtig Arbeitslosengeld II nur bis zum 31. Juli 2013 bewilligt ist, hat der Senat die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin entsprechend befristet. Soweit die Antragsgegnerin die Versicherung hiernach – bei unverändertem Sachverhalt – nicht fortsetzen sollte, steht es der Antragstellerin frei, beim Sozialgericht erneut einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
Die Zurückweisung der Beschwerde erfolgt nur, soweit die Antragstellerin zeitlich unbeschränkt die Versicherung bei der Antragsgegnern begehrt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dem zurückgewiesenen Teil der Beschwerde kommt dabei keine eigene wirtschaftliche Bedeutung zu. Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen, die keine Anträge gestellt haben, war nicht geboten.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).