Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 12.12.2013 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | OVG 7 S 102.13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 AufenthG, § 31 Abs 4 AufenthG, § 19 Abs 1 S 1 AuslG 1990, § 19 Abs 2 S 1 AuslG 1990, § 146 Abs 4 VwGO |
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsgegner.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Die rechtzeitig erhobene und begründete Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Oktober 2013, mit dem u.a. die aufschiebende Wirkung der Klage VG 15 K 368.13 gegen den die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers ablehnenden Bescheid vom 9. September 2013 angeordnet worden ist, hat auf der Grundlage des nach § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO allein maßgeblichen Beschwerdevorbringens keinen Erfolg.
Der Antragsgegner macht zur Beschwerdebegründung im Wesentlichen geltend, die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es für den Beginn des Eingliederungsjahres nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht auf den Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern auf den Ablauf der zu Eheführungszwecken erteilten Aufenthaltserlaubnis ankomme, sei nicht überzeugend. Sie widerspreche der Intention der Norm, die darin bestehe, dem Ausländer im ersten Jahr nach dem Scheitern der Ehe die Möglichkeit der Begründung einer eigenen Existenz einzuräumen. Eine solche habe dieser jedoch - wie im vorliegenden Fall - faktisch bereits dann gehabt, wenn er nach Trennung vom Ehegatten noch mindestens ein Jahr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zu Eheführungszwecken gewesen sei. Ein Bedarf für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 AufenthG bestehe in einem solchen Fall nicht. Zudem würde der Betreffende andernfalls im Vergleich zu Ausländern besser gestellt, die aufgrund einer Trennung nach drei Jahren nur eine Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG für die Dauer eines Jahres erhielten. Soweit sich das Verwaltungsgericht auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2011 - 1 C 5.10 - berufe, sei dieses nicht einschlägig. Auch der Wortlaut der genannten Norm spreche gegen die verwaltungsgerichtliche Auslegung, da die eheliche Lebensgemeinschaft hiernach „seit“ mindestens drei Jahren bestanden haben müsse.
Diesen Erwägungen vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Er hält vielmehr die genannte Auffassung des Verwaltungsgerichts für überzeugend und schließt sich damit auch dem Beschluss des 12. Senats des OVG Berlin-Brandenburg vom 22. November 2013 im Verfahren OVG 12 S 103.13 an. Dieser hatte dort zur Begründung - im Wesentlichen gesetzessystematisch argumentierend (vgl. insoweit zur im Kern identischen Vorgängerregelung in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 AuslG auch das BVerwG; Urteil vom 16. Juni 2004 - 1 C 20.03 -, juris Rz. 13) - zutreffend ausgeführt, dass die zu Eheführungszwecken erteilte Aufenthaltserlaubnis anders als im Rahmen des § 34 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht quasi automatisch mit der - zudem oft zeitlich streitigen - Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft erlösche, zumal eine „Verlängerung“ mangels fortbestehender Wirksamkeit dann auch ausgeschlossen sei, sondern dass es ggf. einer im behördlichen Ermessen stehenden Verkürzungsentscheidung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG bedürfe (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Juni 2011 - 1 C 5.10 - und 9. Juni 2008 - 1 C 11.08 -).
Soweit die Beschwerde auf den angeblich entgegenstehenden Wortlaut des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG verweist, wonach das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft „seit“ mindestens drei Jahren verlangt werde, überzeugt das schon deshalb nicht, weil dies nur die tatbestandliche Voraussetzung der Verlängerung benennt. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass Anknüpfungspunkt für die Verlängerung die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft ist. Im Gegenteil legt der Wortlaut, wonach „die Aufenthaltserlaubnis … als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert“ wird, nahe, dass Anknüpfungspunkt die bisherige Aufenthaltserlaubnis ist. Dafür spricht insbesondere auch, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 22. Juni 2011 - 1 C 5.10 - (juris Rz. 13) ausführt:
„Denn der Anspruch nach Absatz 1 der Vorschrift bezieht sich auf den Aufenthalt nur in dem Jahr unmittelbar nach Ablauf der Gültigkeit der ehegattenbezogenen Aufenthaltserlaubnis (Urteile vom …)“.
Soweit sich die Beschwerde demgegenüber auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Mai 1995 - 1 C 7.94 - beruft, steht das dem nicht entgegen. Denn die dortigen Ausführungen betreffend die Vorgängerregelung in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 AuslG beziehen sich ersichtlich nur auf den Fall, dass der weitere Aufenthalt des Ausländers „aufgrund der Fiktionswirkung seines Verlängerungsantrags … oder infolge der Anordnung der aufschiebende Wirkung seines Rechtsbehelfs“ als erlaubt gilt. Denn insoweit wird weiter ausgeführt, hiermit werde der „Gesetzeszweck ebenfalls erreicht, wenn wie im Falle des Klägers die Fiktionswirkung länger als ein Jahr dauert … . Einer Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis um ein Jahr nach § 19 Abs. 2 Satz 1 AuslG bedarf es dann nicht mehr“ (juris Rz. 19).
Nichts anderes gilt für den von der Beschwerde in diesem Zusammenhang ferner herangezogenen Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. Juni 2010 - 3 B 386.09 -. Denn auch hierin (vgl. juris Rz. 3) wird, wie zudem der dortige Orientierungssatz nahelegt, letztlich nur darauf abgestellt, dass die Fiktionswirklung des Erteilungs- bzw. Verlängerungsantrags länger als ein Jahr andauerte, so dass der Zweck der Regelung von § 31 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erfüllt sei, „ohne dass es noch einer (erstmaligen) Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis um ein Jahr gemäß § 31 Abs.1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 AufenthG bedurfte“ und insoweit anschließend auf das genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Mai 1995 Bezug genommen.
Soweit die Beschwerde ferner geltend macht, die Auffassung des Verwaltungsgerichts widerspreche der Intention der Regelung in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, dem Ausländer im ersten Jahr nach dem Scheitern der Ehe die Möglichkeit der Begründung einer eigenen Existenz einzuräumen, ist das nicht überzeugend. Zwar könnte der Ausländer auch die Zeit der Fortgeltung einer zu Eheführungszwecken erteilten Aufenthaltserlaubnis nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft entsprechend nutzen. Daraus ergibt sich aber nicht, dass auch die Einräumung eines Eingliederungsjahres nach Auslaufen der bisherigen Aufenthaltserlaubnis diesen Zweck verfehlt, zumal dem Ausländer auf diesem Wege die Notwendigkeit einer eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts erst oder jedenfalls besonders deutlich gemacht wird. Dass der Gesetzgeber dies vor Augen hatte, legt die Begründung zum Entwurf der gesetzlichen Regelung in § 31 Abs. 4 AufenthG nahe, wenn es dort heißt (BT-Drs. 15/420, S. 83):
Auf erstmalige Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis besteht der in Absatz 1 eingeräumte Rechtsanspruch auch, soweit nach dem Eintritt der Voraussetzungen für die Verselbständigung des Aufenthaltsrechts noch Sozialhilfebedürftigkeit gegeben ist. Da die Notwendigkeit einer eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts regelmäßig erst nach dem Scheitern einer Ehe besteht, sollten die Ehegatten zunächst die Gelegenheit haben, sich ohne Gefährdung ihres Aufenthaltsrechts eine eigene wirtschaftliche Existenz zu schaffen. Die nach Ablauf der erstmalig eigenständig erteilten Aufenthaltserlaubnis erforderliche Verlängerung richtet sich nach den allgemeinen Voraussetzungen.“
Eine andere Auffassung ist auch nicht deshalb geboten, weil der Antragsgegner rügt, im Falle einer trotz Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft unter Umständen noch Jahre fortbestehenden Aufenthaltserlaubnis zu Eheführungszwecken würde ein Ausländer bei Einräumung eines anschließenden weiteren Eingliederungsjahres im Vergleich zu Ausländern besser gestellt, die aufgrund einer Trennung nach drei Jahren nur eine Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG für die Dauer eines Jahres erhielten. Denn hierbei handelt es sich um Folgen, die sich aus der eingangs dargelegten Gesetzessystematik ergeben, wonach eine zu Eheführungszwecken erteilte Aufenthaltserlaubnis nicht quasi automatisch mit der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft erlischt, es vielmehr ggf. einer im behördlichen Ermessen stehenden Verkürzungsentscheidung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG bedarf. Im Übrigen kann die Ausländerbehörde eine ungerechtfertigte Privilegierung aber auch dadurch verhindern, dass sie der eheabhängigen Aufenthaltserlaubnis von vornherein eine entsprechende Nebenbestimmung, z.B. eine auflösende Bedingung, beifügt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2004, a.a.O., Rz. 13).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).