Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 07.01.2014 | |
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Aktenzeichen | VG 6 K 491/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 8 KAG BB, § 19 nF KAG BB, § 161 Abs 2 VwGO |
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Der Streitwert wird auf 3.094 € festgesetzt.
Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.
Nachdem die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Maßgeblich ist insoweit die Sach- und Rechtslage vor Eintritt des erledigenden Ereignisses. Hiernach sind dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da er ohne das erledigende Ereignis im Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre.
Der angefochtene Beitragsbescheid begegnete ursprünglich mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 -, zit. nach juris wegen einer Verfassungswidrigkeit des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG mangels Festlegung einer zeitlichen Obergrenze für die Beitragserhebung rechtlichen Bedenken. Die Kammer hat insoweit mit Beschlüssen vom 8. Mai 2013 (- 6 L 328/12 -, veröff. in juris), vom 20. Juni 2013 (– 6 L 338/12 -, veröff. in juris) und vom 28. August 2013 (- 6 L 52/13 -, veröff. in juris) entschieden, dass die Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 Kommunalabgabengesetz (KAG) in der Gesamtschau der KAG- Regelungen und der von ihr in Bezug genommenen Bestimmungen der Abgabenordnung Einfluss auf die Bewertung der Vereinbarkeit des Kommunalabgabengesetzes Brandenburg mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit habe. Betrachte man diese Regelung zusammen mit den Vorschriften über die Verjährung in § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b), Abs. 3 a KAG i.V.m. §§ 169 ff. Abgabenordnung (AO), so sei das Kommunalabgabengesetz Brandenburg unvollständig. Denn indem § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n.F. für die Erhebung von Anschlussbeiträgen bestimme, dass die Beitragspflicht entstehe, sobald das Grundstück an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen werden könne (1. Halbsatz), frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Satzung (2. Halbsatz), wobei die Satzung sogar einen späteren Zeitpunkt bestimmen könne (3. Halbsatz), ohne dass insoweit eine zeitliche Obergrenze für den Beginn der Verjährung im vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Sinne normiert sei, seien auch hier Fälle denkbar, für die das Gesetz im Sinne der zitierten Entscheidung des BVerfG keine zeitliche Grenze für die Beitragserhebung gewährleiste, zumal eine Verpflichtung des Satzungsgebers die erste wirksame Beitragssatzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten Beitragssatzung im Kraft zu setzen, nicht (mehr) bestehe. Eine Beitragserhebung sei vielmehr noch „nach Jahr und Tag“ denkbar. Dies sei unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip in seiner vom Bundesverfassungsgericht konkretisierten Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hätte die Klägerin ohne eine Änderung des Kommunalabgabengesetzes im vorliegenden Verfahren voraussichtlich obsiegt. Entgegen der Auffassung des Beklagtenvertreters ist insoweit nicht der Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg (vgl. Beschluss vom 27. Mai 2013 - 9 S 75.12 – und nunmehr Urteile vom 13. November 2013 – 9 B 34.12 und 9 B 35.12 -) zu folgen, wonach eine verfassungsrechtliche Teilvereinbarkeit der Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG in der Gesamtschau der KAG- Regelungen und der von ihr in Bezug genommenen Bestimmungen der Abgabenordnung deshalb anzunehmen sei, weil der Landesgesetzgeber durch Gesetz vom 2. Oktober 2008 (GVBl. I S. 218) einen Absatz 3 a in § 12 KAG eingefügt habe, so dass die gesetzlichen Vorschriften auch derzeit ohne weiteres solche Beitragsfestsetzungen trügen, die - wie auch die hier in Rede stehende Beitragsfestsetzung - bis zum Ablauf des 31. Dezember 2011 erfolgt seien. Dies hat die Kammer bereits mit Beschluss vom 20. Juni 2013 (a.a.O.), worauf Bezug genommen wird, festgestellt. An dieser Rechtsprechung wird festgehalten. Der vom OVG Berlin- Brandenburg in den zitierten Urteilen vom 13. November 2013 (a.a.O.) angestellte „Erst-Recht-Schluss“ verfängt nicht, da § 12 Absatz 3 a KAG eine Regelung enthält, mit der der Eintritt der Festsetzungsverjährung – bei wirksamem Satzungsrecht - hinausgeschoben wird, das Bundesverfassungsgericht in der zitierten Entscheidung vom 5. März 2013 (a.a.O.) indes eine zeitliche Höchstgrenze für die Beitragsveranlagung aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit - insbesondere bei bislang unwirksamem Satzungsrecht - jenseits der Vorschriften über die Festsetzungsverjährung verlangt (hat).
Da sich der Beklagte als abgabenerhebende Behörde auf das Kommunalabgabengesetz beruft, ist ihm dessen (ursprüngliche) Verfassungswidrigkeit auch zuzurechnen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang (auch), dass gemäß Art. 100 Grundgesetz (GG) das Verwerfungsmonopol für verfassungswidrige Normen beim Bundesverfassungsgericht liegt. Denn im summarischen Verfahren nach § 161 Abs. 2 VwGO ist bei einer Nichtanwendung der Norm noch kein endgültiges Verdikt über deren Verfassungswidrigkeit gefallen. Jede Seite hat insoweit das Risiko zu tragen, dass die für sie günstige streitentscheidende Norm für verfassungswidrig bzw. nichtig erklärt wird (vgl. Kopp/Schenke, VwGO Komm., 19. Aufl. 2013, § 161 Rn. 18 m.w.N.).
Den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Bedenken hat der Landesgesetzgeber allerdings mit Art. 1 des 6. Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (6. KAGÄndG) vom 20. November 2013 (Beschlussdatum)/5. Dezember 2013 (Ausfertigungsdatum) (GVBl. I, Nummer 40 S. 1), in Kraft getreten am 7. Dezember 2013 (vgl. Art. 2 des Gesetzes) in (verfassungs)rechtlich nicht zu beanstandender Weise Rechnung getragen, indem in dem – neu eingefügten - § 19 KAG (Zeitliche Obergrenze für den Vorteilsausgleich) nunmehr Folgendes geregelt ist: (1) „Abgaben zum Vorteilsausgleich dürfen mit Ablauf des 15. Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Vorteilslage folgt, nicht mehr festgesetzt werden. §§ 169 Absatz 1 Satz 3 und 171 Abgabenordnung gelten in der in § 12 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b angeordneten Weise entsprechend. Aufgrund der Sondersituation nach der Deutschen Einheit ist der Lauf der Frist bis zum 3. Oktober 2000 gehemmt. (2) ….“ (vgl. zur Unbedenklichkeit dieser Regelung Urteil der Kammer vom 12. Dezember 2013 – 6 K 83/13)
Infolge dieser KAG- Änderung wäre dem Rechtsschutzbegehren der Klägerin nunmehr der Erfolg voraussichtlich versagt geblieben; denn an der Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung im Übrigen bestehen bei der allein gebotenen summarischen Prüfung keine Bedenken. Ist aber die Erledigung Folge einer Rechtsänderung, um eine bis dahin fehlerhafte Rechtslage zu „sanieren“, so ist das alte Recht der Beurteilung zugrunde zu legen (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 161 Rn. 18).
Die Streitwertfestsetzung entspricht dem streitbefangenen Geldbetrag (§ 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes)