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Ausbildungsförderung; Überzahlung; Ersatzpflicht der Eltern; anrechenbares Elterneinkommen; Verletzung der Mitteilungspflicht; Irrelevanz der zivilrechtlichen Unterhaltspflicht; Antrag auf Zulassung der Berufung; ernstliche Richtigkeitszweifel; Darlegungsanforderungen; "Vorausleistungseinrede"; gesamtschuldnerische Haftung mit dem Auszubildenden; (unterbliebene) Beiladung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 01.03.2017
Aktenzeichen OVG 6 N 6.17 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 65 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124a Abs 4 S 4 VwGO, § 11 Abs 2 BAföG, § 20 BAföG, § 36 Abs 1 BAföG, § 47a BAföG

Leitsatz

Zur Frage einer "Vorausleistungseinrede" bei der Ersatzpflicht nach § 47a BAföG.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 13. Dezember 2016 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.

Gründe

Im Streit ist, ob der Kläger nach § 47a BAföG verpflichtet ist, dem Beklagten Ausbildungsförderungsleistungen zu ersetzen, die dieser dessen Tochter zu Unrecht gewährt hat. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.

1. Der hiergegen gerichtete Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die von ihm geltend gemachten ernstlichen Richtigkeitszweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nach dem insoweit allein maßgeblichen Vorbringen im Berufungszulassungsverfahren (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) nicht vor.

a) Der Kläger wendet zu Unrecht ein, das Verwaltungsgericht habe für die streitige Ersatzpflicht nicht außer Acht lassen dürfen, ob er seiner Tochter im ausbildungsförderungsrechtlich relevanten Zeitraum zivilrechtlich zum Unterhalt verpflichtet war.

Das Verwaltungsgericht nimmt zutreffend an, dass es für die hier einschlägige Ermittlung des Umfangs der Ausbildungsförderung nach § 11 Abs. 2 BAföG und die darin vorgesehene Berücksichtigung des Elterneinkommens unerheblich ist, ob die Eltern dem Auszubildenden gegenüber zivilrechtlich zum Unterhalt verpflichtet sind. Denn den nach der Systematik des Gesetzes wird elternunabhängiges BAföG nur unter den - hier unstreitig nicht vorliegenden - Voraussetzungen des § 11 Abs. 2a und 3 BAföG gewährt. Der Gefahr einer ausnahmsweise entstehenden Förderungslücke begegnet das Gesetz auf andere Weise: Sofern trotz angerechneten Einkommens der Eltern ein entsprechender Unterhaltsbetrag tatsächlich nicht erbracht wird, werden unter den Voraussetzungen des § 36 BAföG Vorausleistungen gewährt. Wenn und soweit also die Eltern den förderungsrechtlich ermittelten Unterhaltsbetrag nicht leisten, hat das Förderungsamt unter Beachtung der sonstigen Voraussetzungen, aber ohne Prüfung der zivilrechtlichen Rechtslage, Ausbildungsförderung zu bewilligen und in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob und bejahendenfalls in welcher Höhe ein Unterhaltsanspruch des Auszubildenden gegenüber den Eltern auf das Land übergegangen ist und geltend gemacht werden kann (Humborg, in Rothe/Blanke, BAföG, Loseblatt 33. Lfg., Januar 2011, § 36 Rn. 13.4, S. 30). In dem Fall, dass zivilrechtlich kein Unterhaltsanspruch gegen die Eltern besteht, kann dies faktisch zu elternunabhängigen Leistungen führen (vgl. VGH München, Beschluss vom 4. Dezember 2008 - 12 ZB 07.458 -, Rn. 5 bei juris; Lackner, in Ramsauer / Stallbaum, BAföG, 6. Auflage 2016, § 36 Rn. 2).

Ungeachtet des Umstands, dass es insoweit an die Berufungszulassung rechtfertigende Darlegungen fehlt, nimmt der Senat den Fall zum Anlass, auf Folgendes hinzuweisen: Dass sich die Pflicht zum Ersatz von Ausbildungsförderungsleistung nach § 47a Abs. 1 BAföG nicht auf Leistungen erstreckt, die auch bei wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben gegenüber dem Auszubildenden hätten erbracht werden müssen (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2016 - 5 C 55/15 -, Rn. 18 ff. bei juris zu § 24 BAföG), ändert an dem dargelegten Befund nichts. Denn als solche Leistungen kommen Vorausleistungen nach § 36 BAföG vorliegend nicht in Betracht. Zwar hängt die Frage der Vorausleistungen als faktisch elternunabhängige Leistungen u.a. davon ab, ob der Kläger seiner Tochter gegenüber im maßgeblichen Zeitraum zivilrechtlich zum Unterhalt verpflichtet war. Zudem mag ein Anspruch auf Vorausleistungen im Bewilligungszeitraum entstanden sein, zumal die in § 36 Abs. 1 BAföG vorgesehene Antragstellung keine Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs, sondern nur eine Bewilligungsvoraussetzung ist (Lackner, a.a.O., Rn. 15 a.E. m.w.N.). Ein etwaiger Anspruch könnte indessen nach Ablauf des Bewilligungszeitraums gemäß § 36 Abs. 1, 2. Halbsatz BAföG nicht mehr berücksichtigt werden. Die Vorschrift steht einer „Vorausleistungseinrede“ entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht für den Fall der Rückforderung überzahlter Ausbildungsförderungsleistungen von dem Auszubildenden nach § 20 BAföG ausdrücklich entschieden (Urteil vom 23. Februar 2010 - 5 C 2/09 -, BVerwGE 136, 109 ff., Rn. 15 ff. bei juris), es gilt aber gleichermaßen für die Ersatzpflicht der Eltern des Auszubildenden nach § 47a BAföG, die gesamtschuldnerisch neben den Rückforderungsanspruch gegenüber dem Auszubildenden tritt.

b) Nicht durchzudringen vermag der Kläger darüber hinaus mit seiner Auffassung, die - hier einmal zu seinen Gunsten unterstellte - fehlende Unterhaltsverpflichtung beseitige die subjektiven Voraussetzungen der Ersatzpflicht, so dass kein vorwerfbares Verschulden vorliege. Die vorstehenden Erwägungen verdeutlichen, dass die Frage der zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung bei § 47a BAföG vorliegend irrelevant ist.

c) Sein Einwand, es fehle eine Auseinandersetzung des erstinstanzlichen Urteils mit der Frage, warum nur der Kläger, aber nicht die Auszubildende selbst oder der Vater ihres Kindes in Anspruch genommen werde, rechtfertigt gleichfalls nicht die Annahme ernstlicher Richtigkeitszweifel. Die Ersatzpflicht des Angehörigen tritt neben eine etwaige Ersatzpflicht des Auszubildenden selbst. Beide haften gegebenenfalls gesamtschuldnerisch, so dass die Behörde grundsätzlich ermessensfehlerfrei selbst entscheiden kann, welchen der Gesamtschuldner sie in Anspruch nimmt (Steinweg, in Ramsauer/Stallbaum, a.a.O, § 47a Rn. 3).

d) Der sinngemäß geltend gemachte Verfahrensfehler einer unterbliebenen (notwendigen) Beiladung der Tochter des Klägers, weil „die Entscheidung allen diesen Beteiligten nur einheitlich gegenüber erfolgen“ könne, liegt - ungeachtet der Frage, ob der Kläger ihn rügen könnte - nicht vor. Eine etwaige gesamtschuldnerische Haftung rechtfertigt nicht die Annahme einer notwendigen Beiladung im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO. Die hier allenfalls in Betracht kommende einfache Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO liegt im Ermessen des Gerichts.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtkostenfrei.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).