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Entscheidung 13 UF 66/19


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 17.05.2019
Aktenzeichen 13 UF 66/19 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2019:0517.13UF66.19.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antragsgegnerin wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Ihr wird Rechtsanwalt …, …, beigeordnet.

Gründe

Bei Gelegenheit der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, die keiner Begründung bedarf, rät der Senat, die Beschwerde zurückzunehmen. Sie wird unbegründet sein.

Die Tochter der Antragsgegnerin hatte gegen die Antragsgegnerin keinen Unterhaltsanspruch, der auf den Antragsteller übergegangen sein könnte. Der Anspruchsübergang setzt voraus, dass „die leistungsberechtigte Person [die Tochter] ... nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch“ hat (§ 94 I 1 SGB XII). Nur wenn die Tochter einen Barunterhaltsanspruch gegen die Antragsgegnerin hat, kann dieser Anspruch auf den Antragsteller übergehen, so dass dann der Antragsteller und nicht mehr die Tochter von der Antragsgegnerin die Geldzahlung verlangen kann. Von der ehernen Regel der zivilrechtlichen Abtretung - nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet - gibt es für die Legalzession weder eine allgemeine Ausnahme (§ 412 BGB), noch regelt das Sozialrecht eine spezielle Abweichung. Insbesondere bezieht sich die Vermutung des § 94 II 2 SGB XII allein auf die im Satz zuvor angeordnete Privilegierung des Unterhaltsschuldners. § 94 II SGB XII ist hingegen kein Bestandteil des bürgerlichen Rechts; er regelt nicht ein Tatbestandsmerkmal oder eine Ausnahme oder eine Vermutung des Kindesunterhaltsanspruchs der Tochter gegen die Antragsgegnerin.

In der vom Antragsteller mehrmals angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofes wird es so ausgedrückt: „§ 94 II 1 SGB XII beinhaltet nur – zu Gunsten des Unterhaltspflichtigen – eine sozialstaatlich begründete Ausnahme von dem umfassenden Anspruchsübergang nach § 94 I SGB XII. Dagegen enthält § 94 II 2 SGB XII eine die Darlegungs- und Beweislast umkehrende Vermutungsregelung, die der Verwaltungsvereinfachung dient. In diesen Regelungen erschöpft sich die Vorschrift; eine Außerkraftsetzung der unterhaltsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen enthält sie nicht“ (BGH, NJW 2012, 926, Abs. 12).

Auf den Antragsteller ist ein Zahlungsanspruch nicht übergegangen, weil der Tochter ein Zahlungsanspruch gegen die Antragsgegnerin nicht zustand. Ein Kindesunterhaltsanspruch besteht nicht, wenn der grundsätzlich Unterhaltspflichtige nicht leistungsfähig ist (§ 1603 I BGB). Die Antragsgegnerin war in der fraglichen Zeit, in den Jahren seit 2014, nicht unterhaltspflichtig, weil sie nicht leistungsfähig war, und sie war nicht leistungsfähig, weil ihre Einnahmen den ihr zuzugestehenden Selbstbehalt nicht überstiegen (vgl. Wendl/Dose-Klinkhammer, UnterhR, 9. Aufl. 2015, § 2 Rdnr. 240). Es ist zwischen den Beteiligten bislang nicht umstritten, dass die Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin gegenüber ihrer Tochter allein durch die tatsächlich erzielten Einnahmen gekennzeichnet wird, nicht etwa durch eine darüber hinausgehende, aber nicht ausgenutzte Arbeitskraft.

Der Selbstbehalt betrug gegenüber einem volljährigen Kind im Jahr 2014 1.200 Euro (Nr. 21.3.1 UL); inzwischen ist er auf 1.300 Euro gestiegen. Der Bundesgerichtshof hält es in der oben angeführten Entscheidung (Abs. 20) eher für angemessen, gegenüber volljährigen pflegebedürftigen Kindern die Selbstbehaltssätze des Elternunterhalts zu verwenden; sie liegen höher und werden zudem um die Hälfte des bereinigten Einkommens weiter erhöht.

Selbst ein Vergleich nur mit dem geringeren Selbstbehaltsbetrag und eine der Antragsgegnerin in jeder Hinsicht ungünstige Einkommensberechnung führt nicht zu einem Überschreiten des Selbstbehalts und also nicht zu einem Unterhaltsanspruch der Tochter. Selbst wenn das Kindergeld zum Einkommen der Antragsgegnerin zu rechnen wäre (entgegen § 1612 b I BGB), erreichte sie zusammen mit den von ihr bezogenen ALG II-Leistungen den Selbstbehalt nicht. Die Angaben im angefochtenen Beschluss (S. 6 f. BA) stellt der Antragsteller nicht in Frage (Beschwerdebegründung, S. 9 = Bl. 265). Es braucht deshalb nicht vertieft zu werden, ob der Tochter gegenüber Antragsgegnerin, wenn sie leistungsfähig wäre, überhaupt ein vollständiger Barunterhaltsanspruch zustehen könnte oder ob und wie die Pflege und Betreuung im Haushalt der Antragsgegnerin sich auf einen Geldzahlungsanspruch auswirken müssten.

Ob die nach § 74 II EStG anwendbaren Normen dem Antragsteller einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin verschaffen könnten, darf der Senat nicht prüfen. Solche Ansprüche sind auf dem Finanzrechtsweg zu prüfen. Die rechtswegüberschreitende Sachkompetenz (§ 17 II 1 GVG) gilt nicht in Bezug auf mehrere prozessuale Ansprüche (Musielak/Voit-Wittschier, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 17 GVG Rdnr. 9). Ob dem Antragsteller auf Grund der Zahlung von Sozialhilfeleistungen an die Tochter und der Zahlung des Kindergeldes an die Antragsgegnerin ein Erstattungsanspruch zustehen könnte, ist Gegenstand eines anderen prozessualen Anspruches, nämlich eines anderen Lebenssachverhalts, als der hier geltend gemachte Anspruch, der auf dem Kindesunterhaltsanspruch der Tochter gegen die Antragsgegnerin beruhen soll. Das hier geführte Verfahren dient nach § 17 II 1 GVG nicht der Prüfung aller erdenklichen Rechtsverhältnisse, die dem Antragsteller einen Zahlungsanspruch gegen die Antragsgegnerin verschaffen könnten, sondern allein der Anwendung aller erdenklichen Rechtsgrundlagen auf den unterbreiteten Sachverhalt, also auf die Verkettung zwischen Kindesunterhaltsanspruch und Sozialleistung an die Tochter; die Verkettung zwischen Kindergeldzahlung an die Antragsgegnerin und Sozialleistung an die Tochter ist ein anderer Sachverhalt.

Der Antragsteller sollte innerhalb von drei Wochen erwägen, die Beschwerde zurückzunehmen. Andernfalls würde der Senat anhand der bislang in den Schriftsätzen vollständig vorgetragenen, eventuell noch ergänzten Behauptungen und Rechtsansichten entscheiden (§§ 117 III, 68 III 2 FamFG).