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Betriebs- und Heizkostennachzahlung; Kosten der Unterkunft; zivilrechtliche Durchsetzbarkeit; beendetes Mietverhältnis


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 18. Senat Entscheidungsdatum 03.11.2011
Aktenzeichen L 18 AS 532/09 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 22 Abs 1 SGB 2

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 24. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Übernahme einer Betriebs- und Heizkostennachforderung für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis 31. Mai 2006.

Die 1958 geborene Klägerin zu 1) und der 1955 geborene Kläger zu 2) sind erwerbsfähige Eheleute und Eltern der 1990 geborenen Klägerin zu 3) und des 1982 geborenen Klägers zu 4), mit denen sie im streitigen Zeitraum eine 92 qm große 4-Zimmer-Wohnung in der Z V in J bewohnten. Für diese Wohnung hatten die Kläger zu 1) und 2), die - neben der Vermieterin A. W. - beide Mietvertragspartei waren, anfänglich einen - im Mietvertrag vom 5. März 1997 nicht näher aufgeschlüsselten - Gesamtmietzins von monatlich 552,20 € (= 1080,- DM) zu entrichten. Zahlungen für Betriebs- und Heizkosten waren in dem Mietvertrag nicht gesondert vereinbart. Den seit 1. Januar 2005 durchweg Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) beziehenden Klägern zu 1) bis 3) bewilligte der Beklagte in dem in Rede stehenden Zeitraum SGB II-Leistungen unter (anteiliger) Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) i.H.v. monatlich 489,02 € (bis 31. März 2006) bzw. 478,76 € (ab 1. April 2006; Bescheide vom 14. Februar 2006 und 13. Mai 2006). Zum 1. August 2006 bezogen die Kläger die im Rubrum bezeichnete neue Unterkunft, wobei für die Zeit ab 1. Oktober 2006 allen Klägern – auch dem Kläger zu 4) - SGB II-Leistungen bewilligt wurden (Bescheid vom 16. Oktober 2006).

Im Oktober 2006 legte die Klägerin zu 1) eine an „W., F.“ gerichtete „Gesamtabrechnung“ eines Abrechnungsdienstes vom 13. September 2006 für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis 31. Mai 2006 vor, die unter dem Namen „F, D“ für die Nutzereinheit Nr. 0001 Gesamtkosten für Heizung und Warmwasser i.H.v. 2.713,92 € und für Hausnebenkosten i.H.v. 1.142,82 € auswies und abzüglich einer geleisteten Vorauszahlung für Heizung und Warmwasser in einer Gesamthöhe von 1.320,- € einen Nachzahlungsbetrag i.H.v. 2.536,74 € ergab. Der Beklagte lehnte die beantragte Übernahme der Heiz- und Betriebskostennachzahlung ab (Bescheid vom 16. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2007).

Das Sozialgericht (SG) Potsdam hat die auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der Nachforderung i.H.v. 2.536,74 € gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 24. Februar 2009). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Beklagte sei weder auf der Grundlage von § 22 Abs. 1 SGB II noch auf der Grundlage von § 22 Abs. 5 SGB II verpflichtet, die in Rede stehende Heiz- und Betriebskostennachforderung zu übernehmen. Die insoweit geltend gemachten Kosten stellten zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit keinen tatsächlichen aktuellen Unterkunftsbedarf der Kläger mehr dar. Denn die Kläger hätten zu diesem Zeitpunkt schon in ihrer neuen Wohnung gelebt. Eine Übernahme nach § 22 Abs. 5 SGB II scheide aus, weil diese nicht der Sicherung der gegenwärtig bewohnten Unterkunft dienen könne.

Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie tragen vor: Sie seien auch zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachforderung noch Leistungsempfänger nach dem SGB II gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe der Beklagte die Betriebs- und Heizkostennachforderung zu übernehmen.

Sie beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 24. Februar 2009 und den Bescheid des Beklagten vom 16. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern die sich aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung vom 13. September 2006 für die Wohnung Z V in J für den Zeitraum vom 1. Juni 2005 bis 31. Mai 2006 ergebende Nachzahlung in Höhe von 2.536,74 € zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Leistungsakte des Beklagten (Band 1) und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Kläger, mit der sie ihre statthafte - und zulässig auf die Geltendmachung höherer KdU begrenzte (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 1; nach In-Kraft-Treten der Neuregelung des § 19 Abs. 1 SGB II vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 – B 14 AS 154/10 R - juris) - kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage i.S.v. § 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) weiter verfolgen, ist nicht begründet.

Eine Übernahme der geltend gemachten KdU durch den Beklagten scheidet schon deshalb aus, weil zum einen hinsichtlich der geltend gemachten Nachzahlung für sonstige Betriebskosten (dh ohne Kosten für Heizung und Warmwasser) bereits eine mietvertragliche Vereinbarung zur Zahlung entsprechender Kosten bzw. hierauf entfallender Vorauszahlungen nicht existiert und entsprechende Vorauszahlungen in dem Abrechnungszeitraum auch nicht erbracht wurden. Darüber hinaus, d.h. auch hinsichtlich der Kosten für Heizung und Warmwasser, fehlt es an einer ordnungsgemäßen Betriebskostenabrechnung, die Grundlage der Nachforderung des geltend gemachten - tatsächlich noch nicht an die Vermieterin gezahlten - Gesamtbetrages sein könnte.

Nachforderungen, die nach zuvor erfolgten monatlichen Vorauszahlungen für die Betriebs- und Heizkosten entstehen, gehören als einmal geschuldete Zahlung zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat. Denn zu den tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Mietwohnungen gehören bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung die dem Vermieter geschuldeten Vorauszahlungen für die Betriebs- und die Heizkosten. Soweit sich im Rahmen der Abrechnung dieser Vorauszahlungen Rückzahlungen ergeben, mindern diese nicht die Aufwendungen in den vorangehenden Zeiträumen, sondern aktuell (vgl. die zum 1. August 2006 in Kraft getretene ausdrückliche gesetzliche Bestimmung in § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II, jetzt in § 22 Abs. 3 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011, insofern in Kraft seit 1. Januar 2011). Kommt es im umgekehrten Fall nach Abrechnung der tatsächlich entstandenen Betriebs- und Heizkosten zu Nachzahlungsverlangen des Vermieters, gehören solche einmal geschuldeten Zahlungen zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat und bewirken eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, der nach § 48 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) Rechnung zu tragen ist (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 - B 14 AS 154/10 R - juris; BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 36/08 R = BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 23, jeweils RdNr 16; BSG, Urteil vom 22. März 2010 - B 4 AS 62/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 38 RdNr 13).

Hinsichtlich der Betriebskosten ohne Wärme- und Warmwasserversorgung bestand und besteht keine vertragliche Vereinbarung, aufgrund derer dem Vermieter die entsprechende Nachforderung (hier ein Betrag von der geltend gemachten Gesamtforderung i.H.v. 1.142,82 €) geschuldet würde. Der Mietvertrag vom 5. März 1997 enthält die mieterseitige Verpflichtung zur Zahlung einer monatlichen Bruttowarmmiete in Gestalt eines nicht näher aufgeschlüsselten Gesamtmietzinses, ohne dass Vorauszahlungen für Nebenkosten vereinbart worden wären. Damit war grundsätzlich eine Inklusivmiete vereinbart. Da die Vereinbarung einer Bruttowarmmiete außer bei Gebäuden - was vorliegend nicht der Fall war - mit nicht mehr als zwei Wohnungen, von denen eine der Vermieter selbst bewohnt, mit den Vorschriften der Verordnung über die verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten (Heizkostenverordnung - HeizkV) nicht vereinbar ist und da die Bestimmungen der HeizkV gemäß § 2 HeizkV der vertraglichen Vereinbarung vorgehen, ist die im Mietvertrag vereinbarte Bruttowarmmiete als eine Bruttokaltmiete (Teilinklusivmiete), verbunden mit der Pflicht zur gesonderten verbrauchsabhängigen Abrechnung der Kosten der Versorgung mit Wärme und Warmwasser, zu behandeln (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2006 - VIII ZR 212/05 = NJW-RR 2006, 1305-1307 m.w.N.). Die tatsächliche Abwicklung des Mietverhältnisses entsprach in dem hier in Rede stehenden Abrechnungszeitraum vom 1. Juni 2005 bis 31. Mai 2006 auch dieser rechtlichen Gestaltung. Denn von der Gesamtmietzinszahlung entfielen auf Vorauszahlungen für Heizung und Warmwasser ein monatlicher Betrag i.H.v. 120,- € (Gesamtbetrag = 1.320,- €), wohingegen Vorauszahlungen für sonstige Nebenkosten nicht erfolgten und auch nicht ein Teil des entrichteten Gesamtmietzinses als entsprechende Vorauszahlung behandelt wurde (vgl. die Aufstellung in der Abrechnung vom 13. September 2006).

Auch die geltend gemachte Klageforderung im Übrigen, d.h. die auf die Versorgung mit Wärme und Warmwasser entfallende Nachforderung (= 1.393,92 €), stellt keine dem Vermieter „einmal geschuldete Zahlung“ (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 - B 14 AS 154/10 R -) dar. Zwar wird insoweit davon auszugehen sein, dass entsprechende Vorauszahlungen im streitigen Zeitraum zumindest durch konkludentes Verhalten der Mietvertragsparteien vereinbart waren und auch gezahlt wurden (vgl. insoweit Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Auflage, § 556 Rn 5). Die vorgelegte Abrechnung vom 13. September 2006 ist jedoch keine wirksame Grundlage für die Nachforderung weiterer Kosten für Heizung und Warmwasser. Die Abrechnung muss den Anforderungen des § 259 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entsprechen, also eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthalten. Soweit - wie hier - keine besonderen Abreden getroffen wurden, sind in die Abrechnung bei Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten regelmäßig folgende Mindestangaben aufzunehmen: eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils des Mieters und der Abzug der Vorauszahlungen des Mieters (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2002 - VIII ZR 108/02 = NJW-RR 2003, 442 m.w.N.). Vorliegend fehlt es bereits an der Adressierung der Abrechnung an die Kläger zu 1) und 2) als Mieter der Wohnung. Die Abrechnung erfolgte gegenüber „W., F.“. Zwar ist der Vermieter nicht gehindert, die nach § 556 Abs. 3 BGB geschuldete Abrechnung der Betriebskosten, die eine Nachforderung zu seinen Gunsten aufweist, nur einem von mehreren Mietern gegenüber vorzunehmen und lediglich diesen auf Ausgleich des sich hieraus ergebenden Nachzahlungsbetrags in Anspruch zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2010 - VIII ZR 263/09 = NJW 2010, 1965-1967). Die Namensnennung „F, D“ innerhalb der Verteilung der Gesamtkosten auf die Nutzereinheiten ersetzt jedoch nicht eine zumindest an die Klägerin zu 1) oder den Kläger zu 2) adressierte Einzelabrechnung. Die Abrechnung ist überdies inhaltlich falsch, weil der Abrechnungsdienst für die verbrauchsunabhängigen Kosten ausgehend von dem gewählten Verteilerschlüssel (beheizbare Wohnfläche) 120 qm für die Wohnung der Kläger in Ansatz gebracht hat, obwohl diese Wohnung nur eine Wohnfläche von 92 qm umfasste (vgl. die Mietbescheinigung der Vermieterin vom 25. September 2000 gegenüber der Wohngeldstelle).

Eine Übernahme der Nachforderung für Betriebs- und Heizkosten kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass die Kläger die entsprechenden Aufwendungen an die Vermieterin bereits tatsächlich erbracht hätten. Zwar sind bei der Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II die „tatsächlichen“ Aufwendungen des oder der Hilfebedürftigen berücksichtigungsfähig, soweit sie auf der Grundlage einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung beruhen und tatsächlich gezahlt werden (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 8/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 24 m.w.N.). Somit sind auch tatsächlich erfolgte Mietzahlungen aufgrund einer möglicherweise zivilrechtlich unwirksamen Grundlage grundsätzlich zu erstatten (BSG a.a.O. bei einer möglicherweise unwirksamen Staffelmietvereinbarung). Die hier in streitige Nachforderung der Vermieterin haben die Kläger aber bislang nicht erfüllt und somit auch entsprechende Aufwendungen tatsächlich nicht erbracht. Auch das vom BSG in der zitierten Entscheidung betonte Rückforderungsrisiko besteht somit nicht.

Hinsichtlich des Klägers zu 4), der im September 2006 (dem Fälligkeitsmonat ordnungsgemäßer Abrechnung) nicht im Leistungsbezug des Beklagten stand, fehlt es überdies an einer entsprechenden Antragstellung i.S.v. § 37 SGB II. Der Leistungsantrag der Kläger zu 1) bis 3) vom 24. Januar 2006 für die Zeit ab 1. April 2006 konnte, ohne dass es eines gesonderten Antrags auf Erstattung der Nachforderung für Betriebs- und Heizkosten bedurft hätte (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2010 - B 4 AS 62/09 R - RdNr 14), nur deren angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung umfassen, da der Kläger zu 4) zu diesem Zeitpunkt aufgrund seines Lebensalters nicht zur Bedarfsgemeinschaft zählte (vgl. § 7 Abs. 3 Nrn. 2 und 4 SGB II in der bis 30. Juni 2006 geltenden Fassung).

Besteht somit bereits keine rechtliche Grundlage für das in Rede stehende Nachforderungsverlangen der Vermieterin, kann dahinstehen, ob Nachforderungen, die nach zuvor erfolgten monatlichen Vorauszahlungen für Betriebs- und Heizungskosten entstehen, als einmal geschuldete und tatsächlich aufgewendete Zahlung auch dann zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat (vgl. zur Fälligkeit BGH, Urteil vom 27. November 2002 - VIII ZR 108/02 -) zählen, wenn das betreffende Mietverhältnis, aus dem die Nachforderung resultiert, bereits beendet ist (bejahend LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. September 2010 - L 5 AS 1397/09 - juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß0 § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.