Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 26.01.2015 | |
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Aktenzeichen | OVG 9 B 7.14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 113 Abs 1 S 1 VwGO, § 2 Abs 1 S 2 KAG BB, § 79 BewG |
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin wendet sich gegen den Zweitwohnungssteuerbescheid des Beklagten vom 11. Januar 2010, mit dem der Beklagte die Zweitwohnungssteuer für ihren Bungalow S... für das Jahr 2010 auf 59,14 Euro festsetzte.
§ 3 der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer für die Gemeinde L... vom 16. Juli 2009 (im Folgenden: ZwStS) lautet auszugsweise:
"§ 3
Steuermaßstab
(1) Die Steuer wird nach der Jahreskaltmiete berechnet.
(2) Die Jahreskaltmiete ist das Entgelt, das der Steuerpflichtige für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für ein Jahr zu entrichten hat.
(3) Statt des Betrages nach Abs. 2 gilt als jährlicher Mietaufwand die übliche Miete für solche Wohnungen, die eigengenutzt, ungenutzt, zum vorübergehenden Gebrauch oder unentgeltlich überlassen sind. Die übliche Miete wird in Anlehnung an die Jahreskaltmiete geschätzt, die für Räume gleicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Ist der jährliche Mietaufwand für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung nicht zu ermitteln, wird die übliche Miete gemäß § 12 KAG i.V. mit § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) in der jeweils gültigen Fassung auf andere sachgerechte Art geschätzt. […]“
§ 5 Abs. 3 ZwStS lautet wie folgt:
„Die Steuerpflicht endet mit Ablauf des Kalendermonats, in dem der Steuerpflichtige die Wohnung aufgibt. Die zuviel gezahlte Steuer ist auf Antrag zu erstatten.“
Den Widerspruch der Klägerin vom 1. Februar 2010 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2010 zurück.
Der am 11. März 2010 erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) mit der Begründung stattgegeben, die Zweitwohnungssteuersatzung sei insgesamt nichtig, weil § 5 Abs. 3 ZwStS gegen höherrangiges Recht verstoße; die Vorschrift sehe vor, dass die Zweitwohnungssteuer u. U. auch noch für Zeiten anfalle, in denen die Zweitwohnung bereits aufgegeben worden sei.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 26. März 2014 zugelassenen Berufung.
Er beantragt,
das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils und trägt zudem vor, die vom Beklagten vorgenommene Schätzung der Jahreskaltmiete sei für sie nicht nachvollziehbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (4 Hefte) Bezug genommen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angegriffene Zweitwohnungssteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zwar ist die Zweitwohnungssteuersatzung wirksam (1). Indessen liegt der konkret vorgenommenen Zweitwohnungssteuerfestsetzung eine fehlerhafte Schätzung zu Grunde (2).
1. Gegen die Wirksamkeit der Zweitwohnungssteuersatzung bestehen keine durchgreifenden Bedenken.
a) § 5 Abs. 3 ZwStS ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Nach § 5 Abs. 1 ZwStS wird die Steuer als Jahressteuer erhoben. Die Steuersätze sind auf das Kalenderjahr bezogen. Beginnt das Innehaben der steuerpflichtigen Wohnung im Laufe des Jahres, so beginnt die Steuerpflicht mit Beginn des folgenden Monats (§ 5 Abs. 2 ZwStS). Sie endet nach § 5 Abs. 3 ZwStS mit Ablauf des Monats, in dem die Wohnungseigenschaft wegfällt. Die in § 5 getroffenen Regelungen sind gleichheitskonform (siehe bereits OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Mai 2014 – OVG 9 A 4.11, juris, Rdnr. 54; anders noch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. November 2006 - OVG 9 A 68.05 -, juris, Rdnr. 63 ff.). Zwar entstehen zu Beginn und Ende der Steuerpflicht jeweils Ungleichbehandlungen zwischen verschiedenen Steuerpflichtigen mit Blick auf konkrete Besteuerungstage. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch unter dem Aspekt der Vereinfachung der Steuererhebung gerechtfertigt. Die Vorschrift des § 5 ZwStS ist in der Zusammenschau eine Vereinfachungszwecknorm. Es sollen keine zu kleinteiligen Differenzierungen mit entsprechendem Ermittlungsaufwand hinsichtlich des genauen Datums der Wohnungsübernahme oder -übergabe vorgenommen werden. Die stattdessen auf volle Monate abstellende Regelung erscheint akzeptabel, weil es um eine Jahressteuer geht. Ebenfalls akzeptabel ist es, dass hinsichtlich des Beginns der Steuerpflicht zu Gunsten, hinsichtlich des Endes der Steuerpflicht zu Lasten des Bürgers pauschaliert wird. Auch die Tatsache, dass nach Ende der Wohnungseigenschaft kein besteuerbarer Gegenstand mehr vorliegt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Vielmehr ist die Tatsache des Innehabens und Unterhaltens einer Wohnung während des Besteuerungszeitraums Anknüpfungspunkt für die Besteuerung. Die Monatsregelung gestaltet die Steuererhebung demgegenüber nur pauschalierend aus.
b) Die in § 3 ZwStS der Satzung enthaltene Regelung über den Steuermaßstab ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Zweitwohnungssteuer ist eine örtliche Aufwand-steuer. Sie ist eine Steuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 - 2 BvR 1275/79 -, BVerfGE 65, 325 <346>; BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2009 - BVerwG 9 C 8.08 -, Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 27 Rdnr. 23). Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Es ist weithin üblich und nicht zu beanstanden, den Aufwand nicht in seiner Gänze, sondern gleichsam ausschnittsweise zur Bemessungsgrundlage der Zweitwohnungssteuer zu machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2003 – 9 C 3.02 -, BVerwGE 117, 345 ff., juris, Rdnr. 28). Das ist vorliegend zulässigerweise durch den Rückgriff auf die Jahreskaltmiete geschehen. Dabei schadet es nicht, dass es im Satzungsgebiet keine gemieteten Zweitwohnungen gibt. Allerdings kann die Zweitwohnungssteuer im Satzungsgebiet danach weder nach der tatsächlich gezahlten Jahreskaltmiete (§ 3 Abs. 1 und 2 ZwStS) noch nach einer fiktiven Miete für die betreffende Wohnung bemessen werden, die in Anlehnung an die Miete geschätzt wird, die für nach Art, Lage und Ausstattung vergleichbare Wohnungen üblicherweise gezahlt wird (§ 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 ZwStS); vielmehr ist die übliche Miete auf andere sachgerechte Art zu schätzen (§ 3 Abs. 3 Satz 3 ZwStS in Verbindung mit § 162 Abs. 3 AO). Das führt aber noch nicht dazu, dass der Satzungsgeber die Entscheidung über die Bemessung der Zweitwohnungssteuer - unter Verstoß gegen das Wesentlichkeitsprinzip und das Gebot, den Abgabenmaßstab in der Satzung zu regeln (§ 2 Abs. 1 Satz 2 KAG) - unzulässig in die Hand der Gemeindeverwaltung gelegt hätte. Denn die Gemeindeverwaltung ist bei der Schätzung nicht frei, sondern hat mit Blick auf § 3 Abs. 1 und 2 ZwStS gerade die hypothetische Jahreskaltmiete für die jeweils in Rede stehende Wohnung sachgerecht, d. h. im Bemühen um ein möglichst richtiges Ergebnis plausibel zu schätzen. Jahreskaltmiete ist hierbei das Gesamtentgelt, das der Mieter als Steuerschuldner für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für ein Jahr zu entrichten hat. Ausgenommen bleiben die Nebenkosten, insbesondere Heizung, Wasser- und Abwassergebühren, Müllgebühren und Kabelanschluss. Die Kaltmiete unterscheidet sich begrifflich damit von der Jahresrohmiete, in der entsprechende Nebenkosten teilweise mit enthalten sind (vgl. Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, Stand Dezember 2005, § 79, Rn. 33).
2. Die vom Beklagten konkret vorgenommene Schätzung ist indessen fehlerhaft und der Zweitwohnungssteuerbescheid dadurch rechtswidrig (a). Der Bescheid ist auch nicht teilweise aufrecht zu erhalten (b).
a) Dem Bescheid liegt ausweislich des beiliegenden Verwaltungsvorgangs eine Berechnung zugrunde, die einer ermessensleitenden Verfügung vom 9. Dezember 2009 (Bl. 27 der Akte.) folgt. Danach wurde ein allgemeiner Wert einer ortsüblichen Miete von 3,85 Euro bestimmt und sodann mit verschiedenen Abschlägen gearbeitet. Dies ergab für den in Rede stehenden Bungalow eine fiktive Jahreskaltmiete von 591,36 Euro. Dies ist nicht plausibel. Der Senat hat zwar mit Beschluss vom 13. Mai 2011 – OVG 9 B 19.10 -, juris, ausgeführt, dass es methodisch nicht unzulässig ist, ausgehend von der ortsüblichen Miete, die für eine bestimmte Kategorie von vermieteten Erstwohnungen gezahlt wird, auf die hypothetische Miete von Zweitwohnungen zu schließen, indem Zu- und Abschläge nach Art, Lage und Ausstattung vorgenommen werden. Allerdings muss die Bemessung der Zu- und Abschläge nach plausiblen und nachvollziehbaren Parametern folgen. Eine Schätzung muss die Realität nicht in allen Einzelfällen treffen, muss sie aber nach nachvollziehbaren und auf allen zur Verfügung stehenden Erkenntnis- und Erfahrungsquellen fußenden Kriterien abzubilden suchen. Danach muss zunächst einmal diejenige Ausgangsmiete sachgerecht ermittelt werden, die durch Zu- und Abschläge auf eine hypothetische Miete für die in Rede stehende Wohnung "herunter-" oder "heraufgerechnet" wird. Diese Ausgangsmiete darf zwar ein Durchschnittswert sein; der Durchschnitt muss sich aber auf eine nach Art, Lage und Ausstattung fassbare Wohnungskategorie beziehen; ein Durchschnittswert der Mieten für Wohnungen unterschiedlicher Art, Lage und Ausstattung kann nicht Ausgangspunkt für Zu- und Abschläge in Bezug auf Art, Lage und Ausstattung sein. Überdies müssen die Zu- und Abschläge selbst plausibel sein.
Dem wird die auf der ermessensleitenden Verfügung vom 9. Dezember 2009 beruhende Schätzung des Beklagten nicht gerecht. Denn dabei wurden die Mieten beliebiger Objekte im Satzungsgebiet herangezogen, um eine durchschnittliche Miete zu ermitteln. Dies führte zu dem fraglichen Wert von 3,85 Euro, der Ausgangspunkt der weiteren Berechnung ist. Es ist mit Blick auf das Vorstehende nicht erkennbar, dass der ermittelte Wert in einem logisch nachvollziehbaren Zusammenhang zu dem bei den vorhandenen Zweitwohnungen zu besteuernden Aufwand steht.
Auch die ergänzenden Überlegungen des Beklagten vom 5. April 2012 und 14. Mai 2014 tragen eine plausible Schätzung der Jahreskaltmiete nicht. Mit seinen ergänzenden Überlegungen hat der Beklagte versucht, sich der fiktiven Miete für den hier in Rede stehenden Bungalow über den Gedanken der Kostenmiete zu nähern. Das ist nicht per se ausgeschlossen. Allerdings hat der Beklagte verkannt, dass insoweit nicht auf eine geschätzte Kostenmiete bezogen auf die Jahresrohmiete nach § 79 BewG (hierzu Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, Stand Mai 2014, § 79, Rdnr. 60 ff.) abgestellt werden darf, weil diese nicht die Jahreskaltmiete repräsentiert, sondern weitere, in der Jahreskaltmiete gerade nicht enthaltene Posten umfasst.
b) Der angegriffene Bescheid ist nicht zu einem - jedenfalls gerechtfertigten - Teil aufrecht zu erhalten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Senats vom 27. Mai 2009 - OVG 9 N 61.07 -, juris. Mit diesem Beschluss hat der erkennende Senat die Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassen, nachdem der dortige Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass auch nach der vom Verwaltungsgericht selbst für zutreffend angesehenen Schätzungsmethode immer noch ein Teilbetrag der festgesetzten Zweitwohnungssteuer gerechtfertigt gewesen wäre. So liegt es hier indessen nicht; die bisherigen Überlegungen des Beklagten enthalten keinen Kern, der eine ausreichende Grundlage für die Feststellung bieten würde, dass die festgesetzte Zweitwohnungssteuer jedenfalls in einer bestimmten Höhe gerechtfertigt ist. Auch die Überlegungen zur Kostenmiete geben hierfür nichts her. Sie enthalten nicht nur den Ansatz von Posten, die nicht zur Jahreskaltmiete gehören; vielmehr erscheinen auch die Posten, die der Jahreskaltmiete zurechnen sind, nur gegriffen und nicht plausibel geschätzt. Eine eigene Schätzungsbefugnis auf die Jahreskaltmiete kommt dem Senat ohnehin nicht zu.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.