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Erlass von Nachzahlungszinsen nach verzögerter Option zur Umsatzsteuer


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 01.09.2010
Aktenzeichen 7 K 7199/07 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 227 AO, § 233a AO, § 9 UStG

Leitsatz

Es ist nicht unbillig, dass bei verzögerter Option zur Umsatzsteuer, die zu einer Umsatzsteuererhöhung führt, Nachzahlungszinsen erhoben werden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin einer Immobilie, die sie in den Streitjahren an verschiedene Mieter (die Betreiber einer Tennishalle, eines Restaurants und eines Fitnessbereiches) vermietete.

Die Mietumsätze behandelte sie in ihren ab 1996 abgegebenen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre zunächst als steuerfrei. Die entsprechenden Umsatzsteuererklärungen wirkten - zum Teil nach Zustimmungen durch den Beklagten - als Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Am 11. Juni 2001 reichte die Klägerin im Rahmen einer Außenprüfung berichtigte Umsatzsteuererklärungen 1994 bis 1997 beim Beklagten ein, die als gegenüber den vorausgegangenen Festsetzungen erhöhte Umsatzsteuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung wirkten. Für das Jahr 1993, in dem die wesentlichen Leistungen für die Errichtung des Vermietungsobjektes bezogen worden waren, reichte die Klägerin aus Gründen der Festsetzungsverjährung keine berichtigte Umsatzsteuererklärung ein. Vielmehr verzichtete sie lediglich für die Jahre ab 1994 für Teile der Vermietungsumsätze auf die Steuerfreiheit und nahm entsprechende Vorsteuerberichtigungen nach § 15 a Umsatzsteuergesetz - UStG - aus den Anschaffungs- und Herstellungskosten vor und machte die Vorsteuer aus laufenden Kosten geltend. Wegen der Einzelheiten nimmt das Gericht auf Bl. 90 ff. der Umsatzsteuerakte Bezug.

Ausgehend von den aufgrund der berichtigten Umsatzsteuererklärungen fälligen Nachzahlungen erließ der Beklagte am 10. September 2001 Zinsbescheide zur Umsatzsteuer 1994 bis 1997, mit denen er die Zinsen zur Umsatzsteuer auf 10.209,- DM für 1994, 5.500,- DM für 1995, 1.881,- DM für 1996 und 1.014,- DM für 1997 festsetzte. Die Zinsbescheide wurden bestandskräftig. Wegen der Berechnung der Zinsen nimmt das Gericht auf die Zinsbescheide (Bl. 97, 108, 114 und 121 der Umsatzsteuerakte) Bezug.

Am 4. Oktober 2001 beantragte die Klägerin beim Beklagten den Erlass dieser Nachzahlungszinsen. Sie trug vor, dem Beklagten sei durch die nachträgliche Option kein Liquiditätsnachteil entstanden, weil der höheren Umsatzsteuer auf Seiten der Mieter in gleicher Höhe zusätzliche Vorsteuerbeträge gegenüber gestanden hätten. Der Beklagte lehnte den Erlassantrag mit Bescheid vom 25. Oktober 2001 ab, wogegen die Klägerin am 14. November 2001 Einspruch einlegte. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2007 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte an, die Erhebung der streitbefangenen Zinsen sei nicht sachlich unbillig. Sie stehe nicht im Widerspruch zu den Zwecken, die mit der Zinserhebung verfolgt würden. Denn die Klägerin habe einen Liquiditätsvorteil gehabt. Dieser habe darin bestanden, dass die Umsatzsteuer für die Streitjahre erst mehrere Jahre nach dem Entstehungszeitpunkt erhöht festgesetzt worden sei. Der Erhebung der Zinsen stehe auch nicht entgegen, dass sich per Saldo ein Ausgleich mit den von den Leistungsempfängern abgezogenen Vorsteuern ergebe. Denn die Zinsregelung des § 233 a Abgabenordnung - AO - stelle auf einen Vorteil des Steuerpflichtigen und nicht des Finanzamtes ab. Soweit die Klägerin grundsätzliche Kritik am Sollprinzip bei der Umsatzbesteuerung erhebe, sei dies für das hiesige Verfahren ohne Belang, weil die Klägerin dann entsprechende Einwendungen gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer hätte erheben müssen. Die Erhebung der Zinsen stehe auch nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung des § 233 a Abs. 2 a AO. Der nachträgliche Verzicht auf die Steuerfreiheit einer Grundstückslieferung sei kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Nur für solche rückwirkenden Ereignisse und den Verlustabzug nach § 10 d Einkommensteuergesetz - EStG - habe der Gesetzgeber einen abweichenden Zinslauf geregelt. Im Übrigen sei nach der Wertung des Gesetzgebers der reguläre Zinslauf hinzunehmen.

Darauf hat die Klägerin am 1. Juni 2007 Klage erhoben. Sie macht geltend, die Erhebung der streitbefangenen Zinsen verstoße gegen den mit der Vollverzinsung verfolgten Zweck, weil sie bis zur Erteilung der korrigierten Rechnungen im Jahre 2001 und der zeitgleich erfolgten Einreichung ihrer berichtigten Umsatzsteuererklärungen keinen Liquiditätsvorteil genossen habe. Denn die Umsatzsteuer aus den berichtigten Rechnungen habe sie erst im Jahre 2001 von den Leistungsempfängern vereinnahmt. Daher sei die Erhebung der Zinsen sachlich unbillig. Sie verstoße gegen das Gebot der Aufkommens- und Finanzierungsneutralität der Umsatzsteuer. Überdies werde generell die Erhebung der Umsatzsteuer nach dem Sollprinzip kritisiert. Es sei auch zweifelhaft, dass der Gesetzgeber die Härte, die sich im Streitfall aus der Anwendung der Vollverzinsung ergebe, bewusst in Kauf genommen habe. Denn es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des § 233 a Abs. 2 a AO erkannt habe, dass damit die nachträgliche Option zur Umsatzsteuerpflicht nicht erfasst sei.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 25. Oktober 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2007 zu verpflichten, die mit den Bescheiden vom 10. September 2001 festgesetzten Zinsen zur Umsatzsteuer 1994 bis 1997 in Höhe von insgesamt 9.522,- € zu erlassen, die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hält die Klage für unbegründet und beruft sich im Wesentlichen auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.

Dem Gericht haben je ein Band Umsatzsteuer- und Rechtsbehelfsakten vorgelegen, die vom Beklagten für die Klägerin unter der Steuer-Nr. … geführt werden.

Entscheidungsgründe

Das Gericht entscheidet entsprechend dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO - ohne mündliche Verhandlung, da die wesentlichen Sach- und Rechtsfragen zwischen den Beteiligten hinreichend erörtert worden sind.

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Ablehnungsbescheid verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, weil ihr kein Anspruch auf Erlass der streitbefangenen Zinsen zur Umsatzsteuer zusteht (§ 101 FGO).

Gemäß § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Zu diesen Ansprüchen gehören auch die Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen wie die streitbefangenen Zinsen zur Umsatzsteuer (§ 37 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 3 AO).

Die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme ist eine Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur in den durch § 102 FGO gezogenen Grenzen nachprüfbar ist. Diese Nachprüfung der Erlassablehnung ist darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Nur im Fall einer sogenannten Ermessensreduzierung auf Null kann das Gericht eine Verpflichtung der Finanzbehörde zum Erlass aussprechen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 23. Oktober 2003, V R 2/02, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE - 203, 410, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2004, 39).

Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab hat der Beklagte zu Recht einen Erlass der streitbefangenen Zinsen abgelehnt.

Unbilligkeit aus sachlichen Gründen im Sinne des § 227 AO ist gegeben, wenn die Geltendmachung eines Anspruches aus dem Steuerschuldverhältnis im Einzelfall zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, aber nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertung zuwider läuft. Härten, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes einer Vorschrift bewusst in Kauf genommen hat, stehen jedoch dem Erlass entgegen. Diese Grundsätze gelten auch für den Erlass festgesetzter Zinsen nach § 233 a AO (BFH, Urteil vom 23. Oktober 2003, V R 2/02, a.a.O. m.w.N.).

Im Streitfall widerspricht die Festsetzung der Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer 1994 bis 1997 nicht den der Verzinsungsregelung des § 233 a AO zugrunde liegenden Wertungen.

Nach der im Streitfall anzuwendenden Fassung des § 233 a AO ist eine Steuernachforderung, die sich aus einer Umsatzsteuerfestsetzung ergibt, gemäß § 233 a Abs. 1 Satz 1 AO zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233 a Abs. 2 Satz 1 AO), hier für die Umsatzsteuer 1994 also am 1. April 1996 usw. Wird die Umsatzsteuerfestsetzung - wie im Streitfall - geändert, ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer maßgebend für die Zinsberechnung (§ 233 a Abs. 5 AO).

Zweck der Regelungen in § 233 a AO ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlass eines Steuerbescheides typischerweise entstanden sind, sollen mit Hilfe der sogenannten Vollverzinsung ausgeglichen werden. Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden sind, ist grundsätzlich unbeachtlich (BFH, Urteil vom 23. Oktober 2003, V R 2/02, a.a.O.).

Im Streitfall beruht die nachträgliche Erhöhung der für die Streitjahre festgesetzten Umsatzsteuer darauf, dass die Klägerin erst im Jahr 2001 auf die Steuerfreiheit der in den Streitjahren ausgeführten Vermietungsumsätze verzichtet hat (§ 4 Nr. 12 Buchstabe a i.V.m. § 9 Abs. 1 UStG). Denn die Klägerin hat in 2001 berichtigte vorsteuerpflichtige Vermietungsumsätze ausweisende Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre eingereicht und entsprechend geänderte Rechnungen an die Mieter übersandt. Dadurch hat die Klägerin Teile ihrer Vermietungsumsätze als steuerpflichtig behandelt. Der Verzicht auf die Steuerfreiheit bewirkte rückwirkend, dass die Vermietungsumsätze, soweit die Klägerin optiert hat, steuerpflichtig sind (BFH, Urteile vom 28. November 2002, V R 54/00, BFHE 200, 38, BStBl. II 2003, 175; vom 23. Oktober 2003, V R 2/02, a.a.O.).

Dieser Effekt führt allerdings nicht dazu, dass der Verzicht des Steuerpflichtigen auf die Steuerfreiheit, der die Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts darstellt, als rückwirkendes Ereignis im Sinne der §§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 233 a Abs. 2 a AO zu würdigen wäre. Das Gericht folgt insoweit der ständigen Rechtsprechung des BFH (BFH, Urteile vom 2. April 1998, V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl. II 1998, 695; vom 28. November 2002, V R 54/00, a.a.O.; vom 23. Oktober 2003, V R 2/02, a.a.O.). Anders verhält es sich auf der Seite des Leistungsempfängers (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 10. Dezember 2009, XI R 7/08, BFH/NV 2010, 1497). Diese Auffassung wird offenbar von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Im Übrigen hätte sie eine gegenteilige Rechtsauffassung in einem Rechtsbehelfsverfahren gegen die Zinsfestsetzung geltend machen müssen, da solche Rechtsmängel nicht im Erlassverfahren berücksichtigt werden können (vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 8. April 2010, V B 20/08, juris).

In Fällen, in denen - wie im Streitfall - erst mehrere Jahre nach Ablauf des Veranlagungszeitraumes auf die Steuerfreiheit von steuerfreien Umsätzen verzichtet wird, ist auch nicht unter Anwendung des § 233 a Abs. 2 a AO zugrunde liegenden Rechtsgedankens ein Billigkeitserlass analog § 233 a Abs. 2 a AO zu gewähren. Denn die Klägerin hat bei ihrem Verzicht auf die Steuerfreiheit von einem ihr zustehenden Wahlrecht nach eingehender Prüfung der damit verbundenen wirtschaftlichen Auswirkungen Gebrauch gemacht. Dem gegenüber sind rückwirkende Ereignisse im Sinne der §§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 233 a Abs. 2 a AO nicht zwangsläufig vom Willen des Steuerpflichtigen abhängig. Das Gericht kann daher nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass es dem gesetzgeberischen Willen entspräche, die nachträgliche Ausübung von Wahlrechten, die nicht zugleich ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AO darstellen, mit solchen rückwirkenden Ereignissen gleich zu behandeln. Der Gesetzgeber hat auch keinen Anlass gesehen, die durch das Jahressteuergesetz 1997 vom 20. Dezember 1996 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - I 1996, 2049) eingeführte Regelung des § 233 Abs. 2 a AO über die seinerzeit dort aufgenommenen Fallgruppen des rückwirkenden Ereignisses und des Verlustabzugs hinaus zu ergänzen.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der nachträgliche Verzicht auf die Steuerfreiheit von Umsätzen komplexe Auswirkungen hat. Insbesondere sind Fallgestaltungen denkbar und verbreitet, in denen der nachträgliche Verzicht aufgrund eines Vorsteuerüberhangs zu einer Steuervergütung oder jedenfalls Steuererstattung zugunsten des Steuerpflichtigen führt, der dann entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 233 a Abs. 2 Satz 1 AO zugunsten des Steuerpflichtigen vom 15. Monat nach Ablauf des Veranlagungszeitraums verzinst würde. Würde das Gericht im Streitfall dem Erlassbegehren der Klägerin stattgeben, würde es das im Gesetz angelegte gleichgewichtige System, nach dem sich Zinslasten in gleicher Weise sowohl gegenüber dem Steuerpflichtigen wie auch gegenüber dem Steuergläubiger ergeben können, durchbrechen, ohne dass dafür eine ausreichende Legitimation erkennbar wäre.

Die Klägerin wendet auch zu Unrecht ein, ihr seien keine Liquiditätsvorteile entstanden. Denn nach dem gesetzlichen Prinzip des § 233 a Abs. 5 AO wird bei der Zinsfestsetzung nur geprüft, wann die zuletzt festgesetzte Steuer fällig gestellt worden ist. Entscheidend für die Zinsfestsetzung und für das Entstehen eines nach den Vorstellungen des Gesetzgebers zu berücksichtigenden Liquiditätsvorteils ist also, ob am für die Zinsfestsetzung maßgeblichen Stichtag für den Beginn des Zinslaufes (15 Monate nach Ablauf des Veranlagungszeitraums, § 233 a Abs. 2 Satz 1 AO) keine bzw. eine abweichende Steuer festgesetzt war.

Im Streitfall waren zu den für den Zinsbeginn maßgeblichen Stichtagen für die Streitjahre niedrigere Umsatzsteuern festgesetzt, sodass nach dem gesetzgeberischen Konzept des § 233 a AO Liquiditätsvorteile für die Klägerin entstanden sind. Denn sie musste die nach ihren berichtigten Umsatzsteuererklärungen in 2001 fällig gewordenen Steuerbeträge noch nicht zu den für den Beginn des Zinslaufes maßgeblichen Stichtagen (1. April 1996, 1. April 1997 usw.) an den Beklagten abführen.

Dem kann sie nicht entgegenhalten, dass sie erst in 2001 die Umsatzsteuerbeträge von ihren Mietern erhalten habe. Wie zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten ist, schuldete die Klägerin nach dem Sollprinzip die Umsatzsteuer unabhängig von der Vereinnahmung. Sollten - was das Gericht nicht geprüft hat - die Mieter der Klägerin aufgrund geänderter, Vorsteuer ausweisender Rechnungen der Klägerin im Jahre 2001 zusätzliche Umsatzsteuerbeträge zur Verfügung gestellt haben, würden sich dies als Entgeltänderung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG im Jahre 2001 auswirken, da aus den bis dahin vereinbarten Entgelten nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG die Umsatzsteuer herauszurechnen gewesen wäre. Sollte die Klägerin unter Missachtung dieser Grundsätze zu hohe Umsatzsteuerbeträge angemeldet haben, wäre dies im Verfahren betreffend die Zinsfestsetzung bzw. deren Erlass unbeachtlich. Die Klägerin hätte dies vielmehr bei Erstellung ihrer berichtigten Umsatzsteuererklärungen oder in einem dagegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahren berücksichtigen bzw. vortragen müssen.

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass den Mietern als Leistungsempfängern der Vorsteuerabzug erst im Jahre 2001 nach Vorlage der berichtigten Rechnungen zustand. Denn es entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH, dass maßgeblich für die Zinsfestsetzung und ihre materielle Berechtigung allein der Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen ist und unbeachtet bleibt, ob und ggf. welche damit korrespondierenden Steuervorteile für andere Steuerpflichtige damit einhergehen (BFH, Urteile vom 20. Januar 1997, V R 28/95, BFHE 183, 353, BStBl. II 1997, 716; vom 12. April 2000, XI R 21/97,  BFH/NV 2000, 1178; Beschlüsse vom 2. November 2006, V B 24/05, BFH/NV 2007, 208; vom 21. Mai 2010, V B 91/09, juris).

Alles in allem ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin eine freie Wahlmöglichkeit hatte, ob sie auf die Steuerfreiheit für die Mietumsätze in den Streitjahren verzichtete. Dabei musste sie entsprechend den gesetzlichen Regelungen und der bereits existenten Rechtsprechung des BFH zum Charakter des nachträglichen Verzichts als bloße Wahlrechtsausübung die ab dem 1. April 1996 einsetzende Vollverzinsung in ihre Kalkulationen einbeziehen. Dies gehörte - wie auch alle anderen mit Zinsverzicht zusammenhängenden steuerlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen - zu den mit einem Verzicht verbundenen Rechtsfolgen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Das Gericht hat nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zugelassen, weil es die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Rechtsfrage nicht als abschließend höchstrichterlich geklärt ansieht. Das Urteil vom 23. Oktober 2003, V R 2/02 (a.a.O.) betraf einen Fall vor Inkrafttreten des § 233 Abs. 2 a AO.