Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 24.03.2014 | |
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Aktenzeichen | 9 WF 48/14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
2.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3.
Der Beschwerdewert beträgt 3.000 €.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde der Kindesmutter hat Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Unrecht eine Ergänzungspflegschaft für das betroffene Kind hinsichtlich der Vertretung beim Abschluss des Überlassungsvertrages vor dem Notar U… K… in C… (Urkundenregisternummer …) und die Geltendmachung daraus folgender Ansprüche angeordnet.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Senat ist die Bestellung des Ergänzungspflegers, welche einen selbständigen Verfahrensgegenstand bildet (vgl. auch Palandt-Götz, BGB, 73. Aufl. 2014, § 1909 Rn. 11 m.N.). Insoweit ist festzustellen, dass die Voraussetzungen einer Ergänzungspflegschaftsbestellung nach § 1909 BGB nicht vorliegen, da es insoweit an den weiteren Voraussetzungen des § 1795 BGB bzw. § 181 BGB fehlt. Die von den Beteiligten erklärte Überlassung ist wirksam, ohne dass es einer Genehmigung durch einen Ergänzungspfleger bedürfte.
1.
Gemäß § 1909 BGB erhält der unter Vormundschaft stehende Minderjährige einen Pfleger für solche Angelegenheiten, an deren Besorgung der Vormund verhindert ist. Die Verhinderung kann aus tatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen bestehen. Eine Verhinderung aus Rechtsgründen kommt insbesondere bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 1795 f. BGB in Betracht. Insoweit kommt eine Ergänzungspflegschaft nur dann in Betracht, wenn der vertretungsberechtigte Elternteil von der Vertretung seines Kindes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist (§ 1795 BGB) oder durch eine familiengerichtliche Entscheidung in seiner Vertretungsmacht beschränkt wurde (§ 1796 BGB).
Die sorge- und damit im Grundsatz vertretungsberechtigten Kindeseltern sind als Vertragspartei von der Vertretung ihres minderjährigen Sohnes beim Abschluss des Grundstücksübertragungsvertrages, mittels welchem sie u.a. das Eigentum an dem Grundstück auf ihren Sohn übertragen, gemäß §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 2, 181 BGB nicht ausgeschlossen. § 181 BGB ist auf Grund teleologischer Reduktion nicht anwendbar, wenn bei einem Fall des Selbstkontrahierens für den Vertretenen aus dem Rechtsgeschäft ein lediglich rechtlicher Vorteil (vgl. § 107 BGB) erwächst. Entsprechendes gilt für den Vertretungsausschluss nach § 1795 BGB (BGH FamRZ 1975, 480; OLG Frankfurt FPR 2013, 397; OLG Köln OLG-Report 2003, 290).
§ 107 BGB bezweckt in erster Linie, den Minderjährigen vor einer Gefährdung seines Vermögens zu schützen. Ein rechtlicher Vorteil ist zu bejahen, wenn der Minderjährige aus seinem Vermögen, das er bei Abschluss des Vertrags besitzt, nichts aufgeben und auch keine neuen Belastungen auf sich nehmen muss, damit der Vertrag zustande kommt (BayObLGZ 1979, 49, 53). Dagegen wäre der Erwerb für den Minderjährigen nicht nur lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne von § 107 BGB, wenn er in dessen unmittelbarer Folge mit Verpflichtungen belastet wird, für die er nicht allein dinglich mit der erworbenen Sache, sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet (BGH FamRZ 2005, 1738).
Vorliegend kommt es allein darauf an, ob die dingliche Übertragung eines Grundstücks bei isolierter, wirtschaftlicher Betrachtung für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Ist dies der Fall, bedarf seine Auflassungserklärung auch dann nicht der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder eines Ergänzungspflegers, wenn die zugrunde liegende schuldrechtliche Vereinbarung mit rechtlichen Nachteilen verbunden ist. Eine Gesamtbetrachtung des schuldrechtlichen und des dinglichen Rechtsgeschäfts ist in diesem Fall nicht veranlasst (BGH FamRZ 2005, 359).
Hier ist die Übereignung zwar nicht bereits deshalb lediglich rechtlich vorteilhaft, weil die dingliche Übertragung hinsichtlich des Miteigentumsanteils der Kindesmutter aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB) erst zum Erreichen des 25. Lebensjahr des Minderjährigen Wirkung entfaltet, vgl. § 1 Nr. 2a) des Notarvertrags. Denn unabhängig von der aufschiebenden Bedingung entsteht die grundsätzliche Berechtigung/Verpflichtung des Minderjährigen bereits zum jetzigen Zeitpunkt; er erwirbt zumindest ein entsprechendes Anwartschaftsrecht auf den Vermögenserwerb. Unabhängig davon kann es zu einem zeitlich vorherigen (Mit)Eigentumserwerb auch – wie die vertragliche Regelung zeigt, vgl. § 1 Nr. 2b), § 3 des Notarvertrags – durch den Tod des Kindesvaters kommen. Die entsprechenden Ausführungen im Rahmen der Beschwerdebegründung gehen daher fehl.
Jedoch folgt aus einem anderen Grund, dass es sich hier um ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft für das betroffene minderjährige Kind handelt, woraus zugleich folgt, dass die Eltern in ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht nicht eingeschränkt sind. Denn das Kind erhält ein (zumal in den Abteilungen II und III unbelastetes, vgl. § 2 Nr. 1 des Notarvertrags) Grundstück. Dieses nicht von einer unmittelbaren Gegenleistung abhängende dingliche Rechtsgeschäft ist für sich betrachtet allein rechtlich vorteilhaft, auch soweit dies die weiteren notarvertraglichen Regelungen betrifft.
Ein Nachteil im rechtlichen Sinne liegt für den Minderjährigen nicht in der Regelung des § 6 des Notarvertrages. Soweit danach die Kindesmutter des minderjährigen Kindes ein Rückübereignungsverlangen in bestimmten, im Einzelnen aufgelisteten Fällen verlangen kann, handelt es sich um eine Regelung, die einem Rücktrittsvorbehalt gleichsteht. Zum einen handelt es sich insoweit allein um eine schuldrechtliche Verpflichtung des Minderjährigen. Schon von daher bestehen keine Bedenken im Hinblick auf eine rechtliche Nachteiligkeit, da das dingliche und schuldrechtliche Rechtsgeschäft auch im Rahmen des § 107 BGB regelmäßig zwingend voneinander getrennt zu behandeln sind, wie zuvor dargestellt. Zum anderen ist zwar zu beachten, dass ein derartiger Rücktrittsvorbehalt zu einer Belastung des Minderjährigen führen kann, weil er im Falle der Ausübung desselben nach auf ihn übertragenes Grundstückseigentum nicht nur den jeweiligen Miteigentumsanteil zurückzugewähren hätte (§ 346 Abs. 1 BGB), sondern darüber hinaus möglicherweise auch zum Wert- oder Schadensersatz infolge zwischenzeitlicher Verschlechterung des Grundstücks verpflichtet sein könnte (§ 346 Abs. 2 - 4 BGB). Ein derartiger Rechtsnachteil ist jedoch ausschließliche Folge der zwischen den Beteiligten getroffenen schuldrechtlichen Vereinbarung. Selbst wenn der unter Rücktrittsvorbehalt insoweit stehende (schuldrechtliche!) Schenkungsvertrag schwebend unwirksam wäre (§§ 107, 108 Abs. 1 BGB), kann der dingliche Rechtserwerb als solcher aufgrund getrennter Handhabung nicht zu einer Haftung des Minderjährigen gemäß § 346 Abs. 2 bis 4 BGB führen (BGH FamRZ 2005, 359). Diese Belastungen schränken lediglich den im Eigentumserwerb liegenden Rechtsvorteil ein, heben ihn aber keineswegs auf.
Ebenso wenig ist mit der in § 7 Ziffer 3 des Notarvertrages getroffenen Regelung ein rechtlicher Nachteil im Sinne des § 107 BGB für den Minderjährigen verbunden. Innerhalb dieser Regelung haben zur Sicherung des aufschiebend bedingten Anspruchs auf Rückübertragung des Eigentums (§ 6 des Notarvertrags) der Kindesmutter beide Kindeseltern die Eintragung einer Vormerkung zugunsten der Kindesmutter vereinbart. Eine derartige Auflassungsvormerkung (§ 883 BGB) setzt das Entstehen des zu sichernden schuldrechtlichen Übereignungsanspruches voraus (BGHZ 150, 138, 142), begründet diesen jedoch nicht und hat auch keine sonstigen persönlichen Verpflichtungen des Grundstückseigentümers zur Folge, weshalb sie den mit dem Eigentumserwerb verbundenen Vorteil nicht beseitigt (BGH FamRZ 2005, 359).
Zuletzt resultiert ein rechtlicher Nachteil auch nicht daraus, dass mit dem Erwerb des Grundstücks mittelbare, auf öffentlichem Recht beruhende Verpflichtungen des Minderjährigen (vgl. auch § 2 Nr. 2 des Notarvertrags) verbunden sind. Denn die aus der Eigentumsübertragung folgende Haftung des Erwerbers für die gewöhnlichen öffentlichen Lasten des Grundstücks begründet keinen Rechtsnachteil im Sinne des § 107 BGB (BGH FamRZ 2005, 359, 362); einen weitergehenden Inhalt besitzt auch die genannte vertragliche Regelung nicht.
2.
Für das weitere, die Frage einer familiengerichtlichen Genehmigung betreffende Verfahren (54 F 192/13) weist der Senat noch auf Folgendes hin:
Nach § 1643 Abs. 1 BGB bedürfen die Eltern zu Rechtsgeschäften für das Kind in den Fällen einer Genehmigung, in denen ein Vormund nach den §§ 1821, 1822 Nr. 1, 3, 5, 8 – 11 BGB einer solchen Genehmigung bedarf. Ein Fall des § 1822 BGB liegt betreffs des dem Notarvertrag zugrunde liegenden Rechtsgeschäftes (Grundstücksübereignung) erkennbar nicht vor. Ebenso wenig ist § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB einschlägig, da diese Vorschrift lediglich Verfügungen über Grundstück und Grundstücksrechte, die dem Minderjährigen selbst gehören, regelt. Insoweit erscheint es zweifelhaft, ob es hier überhaupt einer familiengerichtlichen Genehmigung bedarf. Der Senat verweist dafür insbesondere auf die Entscheidung des OLG Jena, NotBZ 2012, 429.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.
Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde bestehen nicht.