Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 26.06.2012 | |
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Aktenzeichen | VG 6 K 815/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | §§ 169ff AO, §§ 68ff VwGO, § 8 KAG BB, § 12 KAG BB |
Zwar geht die Rechtsprechung davon aus, dass ein ordnungsgemäß durchgeführtes Vorverfahren im Falle des Adressatenwiderspruchs, also in der zweipoligen Beziehung dann entbehrlich ist, wenn der Beklagte als Ausgangs- und Widerspruchsbehörde im Widerspruchsbescheid den Widerspruch nicht als unzulässig weil verfristet oder nicht formgerecht erhoben zurückweist, sondern die Verfristung oder nicht formgerechte Erhebung durch sachliche Einlassung heilt oder wenn sich der Beklagte in der Klageerwiderung sachlich auf die Klage eingelassen hat, ohne die fehlende oder nicht ordnungsgemäße Durchführung des Widerspruchsverfahrens zu rügen. Dies gilt aber dann nicht, wenn der Beklagte im Widerspruchsbescheid bzw. in der Klageerwiderung zwar Ausführungen zur Sache macht, zugleich aber das Fehlen oder die nicht ordnungsgemäße Durchführung des Vorverfahren und die daraus folgende Unzulässigkeit der Klage rügt. Eine Sachentscheidung der Widerspruchsbehörde, die die Zulässigkeit des Widerspruchs trotz eines Frist- oder Formmangels begründet und den Klageweg wieder eröffnet oder die sich über ein fehlendes Vorverfahren hinwegsetzt, ist daher nur dann anzunehmen, wenn die Widerspruchsbehörde vor-behaltlos, d.h. nicht nur hilfsweise neben dem maßgeblichen Einwand, dass der Widerspruch unzulässig bzw. ein Vorverfahren unterblieben sei, auf die materielle Rechtslage eingeht, sich mithin über das Fehlen oder die Unzulässigkeit des Widerspruchs hinwegsetzt. Dies mag auch dann gelten, wenn die Widerspruchsbehörde die Zurückweisung des Widerspruchs mit der Einlassung auch zur Sache aus der insoweit maßgeblichen Sicht des verständigen objektiven Empfängers auf zwei selbständig nebeneinander stehende - je für sich tragende und gleichrangige - Gründe gestützt hat.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in der Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Kanalanschlussbeitrag.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Flur X, Flurstück 91,B.- Straße 81, 82 in B., Gemarkung ….
Mit Bescheid vom 8. Juni 2011, dem Kläger zugestellt am 9. Juni 2011 zog der Beklagte den Kläger für die Möglichkeit der Heranziehung des o.g. Grundstücks an die zentrale öffentliche Schmutzwasserentsorgung zu einem Anschlussbeitrag in Höhe von 5.860,75 Euro heran.
Hiergegen legte der Kläger unter dem 4. Juli 2011 mit der Begründung Widerspruch ein, dass das Grundstück schon vor dem Jahr 1949 angeschlossen worden sei.
Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2011 zurück. Zur Begründung führte er aus: Der Widerspruch sei unzulässig, weil er verspätet eingelegt worden sei. Da der Bescheid am 9. Juni 2011 zugestellt worden sei, habe die Widerspruchsfrist am 9. Juli 2011 geendet. Der Widerspruch sei aber erst am 14. Juli 2011 bei der Stadtverwaltung eingegangen. Infolgedessen sei der Beitragsbescheid in Bestandskraft erwachsen.
Am 2. November 2011 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, nachdem er bereits am 30. September 2011 beim erkennenden Gericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Beitragsbescheides gestellt hatte, den die Kammer mit Beschluss vom 20. Dezember 2011 zurückwies (Az.: 6 L 302/11). Zur Begründung führt der Kläger aus: Der Widerspruch vom 4. Juli 2011 sei am 5. Juli 2011 dem Kurier „……“ übergeben worden. Der Kurier habe innerhalb von B. eine Auslieferungszeit von maximal zwei Tagen. Der Widerspruch müsse also spätestens am 7. Juli 2011 bei der Stadtverwaltung B. eingegangen sein.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Bescheid des Beklagten vom 8. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt er aus: Die zulässige Klage sei unbegründet, wobei auf die Ausführungen im Verfahren 6 L 302/11 verwiesen werde.
Die Kammer konnte gemäß § 87 a Abse. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch den Vorsitzenden als Berichterstatter und ferner gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im Wege des schriftlichen Verfahrens entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit jeweils – der Beklagte mit Schriftsatz vom 27. Januar 2012, der Kläger mit Schriftsatz vom 8. Mai 2012 – einverstanden erklärt haben.
Die statthafte Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO) ist bereits unzulässig, weil der Kläger nicht innerhalb der von § 70 Abs. 1 VwGO vorgesehenen Frist von einem Monat nach Bekanntgabe des Beitragsbescheides vom 8. Juni 2011 gegen diesen Widerspruch eingelegt hat und der Beitragsbescheid daher in Bestandskraft erwachsen ist.
Der – mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene (vgl. hierzu Urteil der Kammer vom 23. Januar 2012 – 6 K 588/11 -, S. 6 ff. des E.A.) - Beitragsbescheid wurde dem Kläger ausweislich der im Verwaltungsvorgang befindlichen Postzustellungsurkunde am 9. Juni 2011 zugestellt. Der Mitarbeiter der Firma … GmbH hat ausweislich der Postzustellungsurkunde das zuzustellende Schriftstück zu übergeben versucht und - weil die Übergabe in dem Geschäftsraum nicht möglich war - am genannten Tag "in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt". Damit gilt der Bescheid mit der Einlegung am 9. Juni 2011 als zugestellt. Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Zustellung hat der Kläger weder geltend gemacht noch sind diese sonst ersichtlich (vgl. auch hierzu Urteil der Kammer vom 23. Januar 2012, a.a.O., S. 5 f. des E.A.). Der Widerspruch des Klägers vom 4. Juli 2011 ist ausweislich des Verwaltungsvorganges, an dessen Richtigkeit zu zweifeln – zumal angesichts des sich im pauschalen Bestreiten erschöpfenden Vortrag des Klägers - keine Veranlassung besteht - aber erst am 14. Juli 2011 und damit nach Ablauf der Monatsfrist beim Beklagten eingegangen. Fristgerecht erhoben ist der Widerspruch nämlich nur dann, wenn er mit Wissen und Wollen des Widerspruchführers vor Ablauf der gesetzlichen Frist in den Machtbereich der zuständigen Behörde gelangt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1992 - 7 C 16/92 - BVerwGE 91, 334).
Dem Kläger war auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren. Zwar ist das Verwaltungsgericht gemäß §§ 60 Abs. 4, 70 Abs. 2 VwGO zur Entscheidung über eine Wiedereinsetzung zuständig; für die Versäumung der Widerspruchsfrist gelten gemäß § 70 Abs. 2 VwGO die Vorschriften des § 60 Abs. 1 bis 4 VwGO entsprechend (vgl. Bier in Schoch u.a., VwGO Komm., § 60 Rn. 70). Ungeachtet der Frage, ob der Kläger vorliegend die Widerspruchsfrist ohne sein Verschulden nicht eingehalten hat, hat der Kläger eine solche Wiedereinsetzung nicht gemäß § 60 Abs. 1 VwGO beantragt. Der die Wiedereinsetzung von Amts wegen ermöglichende § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO ist in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Rechtshandlung vor Wegfall des Hindernisses bereits vorgenommen worden war, nicht einschlägig. Jedenfalls wird infolge der genannten Vorschrift nur der Widereinsetzungsantrag ersetzt. Die für die Wiedereinsetzung erheblichen Tatsachen müssen dem Gericht also auch bei dieser Variante innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist mitgeteilt und glaubhaft gemacht werden (vgl. Bier, a.a.O., § 60 Rn. 66). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn der Kläger hat in seiner Klagebegründung zwar mitgeteilt, der Widerspruch vom 4. Juli 2011 sei am 5. Juli 2011 dem Kurier „……..“ übergeben worden. Der Kurier habe innerhalb von B. eine Auslieferungszeit von maximal zwei Tagen. Der Widerspruch müsse also spätestens am 7. Juli 2011 bei der Stadtverwaltung B. eingegangen sein. Der Kläger hat es indes versäumt, diese Angaben glaubhaft zu machen (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO Komm., 17. Aufl. 2011, § 60 Rn. 29 ff.); ungeachtet dessen ist der diesbezügliche Vortrag nicht fristgerecht erfolgt (vgl. dazu noch sogleich).
Selbst wenn man in den Erklärungen des Klägers in der Klagebegründungsschrift einen konkludent gestellten Wiedereinsetzungsantrag (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17. Januar 2006 – XI ZB 4/05 -, zit. nach juris; VGH Baden- Württemberg, Urteil vom 22. Mai 1979 – II 199/79 -, ZKF 1981, 54) sähe, käme eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht. Denn auch insoweit mangelte es bereits an einer Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe (s.o.). Jedenfalls wäre ein solcher Antrag nicht gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses und damit nicht fristgerecht gestellt und wären die zu seiner Begründung dienenden Tatsachen nicht innerhalb dieser Frist vorgetragen worden. Behoben im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist das Hindernis, sobald die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt oder ihr Fortbestehen von dem Beteiligten oder seinem Vertreter (§§ 51 Abs. 2, 85 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO i.V.m. § 173 VwGO) nicht mehr unverschuldet ist. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem dem Betroffenen oder seinem Prozessbevollmächtigten die Fristversäumung bekannt ist oder bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt bekannt sein musste (vgl. Bier, a.a.O. § 60 Rn. 52; Kopp/Schenke, a.a.O., § 60 Rn. 26 jew. m.w.N.). Dies war vorliegend mit der nach dem eigenen Vortrag des Klägers am 7. Oktober 2011 erfolgten, durch die vom Beklagten eingereichte Kopie des Rückscheines des Einschreibens bestätigte Zustellung des Widerspruchsbescheides, mit dem der Kläger auf die Verfristung seines Widerspruchs hingewiesen wurde, der Fall, so dass der erst am 2. November 2011 (möglicherweise) gestellte Wiedereinsetzungsantrag zu spät kam.
Die Klage ist auch nicht deshalb ausnahmsweise zulässig, weil die Beklagte sich im Klageverfahren zur Sache eingelassen hat, indem er die Klage als zwar zulässig, aber unbegründet bezeichnet hat. Zwar geht die Rechtsprechung davon aus, dass ein ordnungsgemäß durchgeführtes Vorverfahren im Falle des Adressatenwiderspruchs, also in der zweipoligen Beziehung dann entbehrlich ist, wenn der Beklagte als Ausgangs- und Widerspruchsbehörde im Widerspruchsbescheid den Widerspruch nicht als unzulässig weil verfristet oder nicht formgerecht erhoben zurückweist, sondern die Verfristung oder nicht formgerechte Erhebung durch sachliche Einlassung heilt oder wenn sich der Beklagte in der Klageerwiderung sachlich auf die Klage eingelassen hat, ohne die fehlende oder nicht ordnungsgemäße Durchführung des Widerspruchsverfahrens zu rügen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1963 – V C 26.78 -, BVerwGE 15, 306, 310; Urteil vom 15. Januar 1982 – 4 C 26.78 -, BverwGE 64, 325, 330; Urteil vom 4. Juli 2002 – 2 C 13/01 -, NVwZ 2002, 1505, 1506; Urteil vom 19. Februar 2009 – 2 C 56/07 -, NVwZ 2009, 924, 925). Dies gilt aber auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, dann nicht, wenn der Beklagte im Widerspruchsbescheid bzw. in der Klageerwiderung zwar Ausführungen zur Sache macht, zugleich aber das Fehlen oder die nicht ordnungsgemäße Durchführung des Vorverfahren und die daraus folgende Unzulässigkeit der Klage rügt. Eine Sachentscheidung der Widerspruchsbehörde, die die Zulässigkeit des Widerspruchs trotz eines Frist- oder Formmangels begründet und den Klageweg wieder eröffnet oder die sich über ein fehlendes Vorverfahren hinwegsetzt, ist daher nur dann anzunehmen, wenn die Widerspruchsbehörde vorbehaltlos, d.h. nicht nur hilfsweise neben dem maßgeblichen Einwand, dass der Widerspruch unzulässig bzw. ein Vorverfahren unterblieben sei, auf die materielle Rechtslage eingeht, sich mithin über das Fehlen oder die Unzulässigkeit des Widerspruchs hinwegsetzt. Dies mag auch dann gelten, wenn die Widerspruchsbehörde die Zurückweisung des Widerspruchs mit der Einlassung auch zur Sache aus der insoweit maßgeblichen Sicht des verständigen objektiven Empfängers auf zwei selbständig nebeneinander stehende – je für sich tragende und gleichrangige – Gründe gestützt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. September 1989 – 8 B 39/89 -, Buchholz 310 § 68 VwGO Nr. 35; ebenso OVG Brandenburg, Urteil vom 16. April 1996 – 2 A 10/95 – S. 10 des E.A.; ferner VGH Baden- Württemberg, Urteil vom 4. März 2009 – 9 S 371/08 -, zit. nach juris; OVG Hamburg, Urteil vom 18. Februar 1994 – Bf IV 17/93 -, NVwZ-RR 1995, 122; VG Saarland, Beschluss vom 13. März 2007 – 2 L 343/07 -, zit. nach juris; Urteil vom 16. Januar 2008 – 5 K 1101/07 -, zit. nach juris; VG Neustadt, Urteil vom 9. Juli 2009 – 4 K 409-09.NW -, zit. nach juris; VG Halle, Urteil vom 6. Dezember 2010 – 1 A 204/09 -, zit. nach juris; LG Darmstadt, Kammer für Baulandsachen, Urteil vom 22. November 1996 – 9 O(B) 12/96 – zitiert nach juris); an seiner früheren, abweichenden Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 1980 – 2 A 4/78 -, DVBl. 1981, 502; Urteil vom 2. September 1983 – 7 C 97/81 -, NVwZ 1984, 507; Urteil vom 9. Mai 1985 – 2 C 16.83 -, NVwZ 1986, 374; wohl auch Urteil vom 2. September 1983 – 7 C 97/81 -, NVwZ 1984, 507) hält das Bundesverwaltungsgericht ersichtlich – wenn auch ohne ausdrückliche Aufgabe - nicht mehr fest (offen lassend insoweit BVerwG, Urteil vom 15. September 2010 – 8 C 21/09 -, BVerwGE 138, 1). Der hier zu entscheidende Fall ist insoweit vergleichbar. Der Beklagte hat in seinem Widerspruchsbescheid ausdrücklich darauf abgestellt, dass der vom Kläger erhobene Widerspruch wegen der Versäumung der Widerspruchsfrist unzulässig sei. Allein dadurch, dass er sich nun in der Klageerwiderung dahingehend geäußert hat, dass die Klage zulässig, aber unbegründet wäre, nimmt er weder eine erneute Entscheidung zur Sache vor noch ist hieraus zu schließen, dass er auf die ordnungsgemäße Durchführung des Vorverfahrens verzichten will. Vielmehr hat er damit, dass er den Widerspruch im Widerspruchsbescheid als unzulässig angesehen hat, gerade deutlich gemacht, dass er davon ausgehe, dass der angefochtene Beitragsbescheid in Bestandskraft erwachsen sei. Dies stellt er unter Ziffer 2. des Widerspruchsbescheides auch ausdrücklich fest. Der Hinweis in der Klageerwiderung, die Klage sei zulässig, aber unbegründet, kann insoweit nur als Versehen, jedenfalls aber nicht als bewusste Entscheidung, sich vorbehaltlos über eine Verfristung hinwegzusetzen und die Bestandskraft zu durchbrechen, angesehen werden. Dafür spricht maßgeblich auch, dass die im Hinblick auf die Disponibilität des Widerspruchsverfahrens angenommene Entbehrlichkeit eine entsprechende Disposition der Beklagten voraussetzt. Diese fehlt jedoch in Konstellationen, in denen im Widerspruchsbescheid zunächst und ausdrücklich auf das fehlende oder nicht ordnungsgemäße Vorverfahren hingewiesen worden ist. Auch hier fehlt es an der Disposition der Widerspruchsbehörde, auf die Zulässigkeit des Widerspruchs zu verzichten
Die Klage ist darüber hinaus auch unbegründet. Der angefochtene Beitragsbescheid des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger (daher) nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Beitragsbescheid findet in der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Satzung der Stadt B. über die Erhebung eines Beitrages für die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage der Stadt B. vom 26. November 2008 (Kanalanschlussbeitragssatzung - KABS 2008) eine i.S.d. § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) hinreichende Rechtsgrundlage. Die Kammer hat mit Urteilen vom 8. Juni 2011 im Verfahren 6 K 1033/09 (veröff. in juris), vom 3. November 2011 im Verfahren 6 K 15/11 (veröff. in juris) und vom 9. Februar 2011 – 6 K 2/11 – (veröff. in juris) die genannte Beitragssatzung für rechtmäßig befunden. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird daher Bezug genommen. Dies gilt insbesondere für den satzungsmäßig festgelegten Beitragssatz, der ordnungsgemäß kalkuliert wurde und in den zu Recht auch künftiger Investitionsaufwand einbezogen wurde, wobei Fördermittel in Abzug gebracht wurden. Auch der in der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 geregelte sogenannte Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab ist entgegen der – im Verfahren 6 L 302/11 geäußerten - Auffassung des Klägers nicht zu beanstanden. Bei ihm handelt es sich um einen anerkannten Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Dass sich der Beklagte zum Betrieb der Einrichtung eines privaten Dritten bedient ist aus den in den Entscheidungen dargelegten Gründen entgegen der Auffassung des Klägers gleichfalls nicht zu beanstanden.
Soweit der Kläger die Unwirksamkeit der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 möglicherweise daraus herzuleiten sucht, dass der Beklagte keine (ordnungsgemäße) Ermessensentscheidung darüber getroffen habe, die sog. altangeschlossenen Grundstücke (Altanschließer) gemäß der durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg vom 27. Mai 2009 eingeführten und am 4. Juni 2009 in Kraft getretenen (vgl. Art. 2 des Gesetzes) Vorschrift des § 8 Abs. 4a KAG zu einem geringeren Herstellungsbeitrag heranzuziehen (- eine diesbezügliche Verpflichtung sieht das Kommunalabgabengesetz entgegen dessen Auffassung gerade nicht vor -), ist dem gleichfalls nicht zu folgen. Zwar eröffnet die genannte Vorschrift dem Satzungsgeber die Befugnis, für die Altanschließer in der Beitragssatzung geringere Beitragssätze festzulegen. Mit dieser dem Einrichtungsträger eröffneten „Option“ (vgl. Möller in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Komm., § 8 Rn. 2019 b) ist jedoch – ungeachtet der Frage, ob auch solche Einrichtungsträger von ihr Gebrauch machen können, die – wie hier der Beklagte – bei Inkrafttreten der Norm bereits über eine wirksame Beitragssatzung verfügten (vgl. hierzu Möller, a.a.O., § 6 Rn. 2019 c), nicht die Verpflichtung desselben verbunden, die Entscheidung für oder gegen differenzierte Beitragssätze zu begründen oder auch nur eine ausdrückliche (Ermessens-)Entscheidung darüber zu treffen, ob er von diesem Optionsmodell Gebrauch machen wolle oder nicht. Es genügt, dass aus der Entscheidung für einheitliche Beitragssätze deutlich wird, dass sich der Satzungsgeber gegen die genannte Option entschieden hat. Dementsprechend bedarf es auch keiner ausdrücklichen Ermessensbetätigung und erst recht keiner näheren Begründung, warum nach dem Inkrafttreten des § 8 Abs. 4a KAG von dem sog. Optionsmodell kein Gebrauch gemacht werden soll. Es genügt, dass der Satzungsgeber schlicht an den zuvor beschlossenen Beitragssätzen unverändert festhält. Ebenso steht es im Ermessen des Einrichtungsträgers, den Investitionsaufwand der öffentlichen Einrichtung über Beiträge und Benutzungsgebühren, nur über Beiträge oder nur über Benutzungsgebühren zu refinanzieren. Ob der Vermieter die Möglichkeit hat, die Beiträge auf seine Mieter umzulegen, ist daher ebenso irrelevant wie die Frage, wie andere Einrichtungsträger hinsichtlich der Umlage des Investitionsaufwandes verfahren.
Auch die konkrete Veranlagung des Klägers ist nicht zu beanstanden.
Auf der Grundlage der wirksamen Satzung ist die Beitragspflicht für das klägerische Grundstück entstanden.
Der Beitragstatbestand des § 4 Abs. 1 lit. b) KABS 2008 ist erfüllt. Danach unterliegen an die betriebsfertige zentrale Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung angeschlossene oder anschließbare Grundstücke, die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils (§ 34 Baugesetzbuch - BauGB) liegen und bebaut, bebaubar, gewerblich genutzt oder gewerblich nutzbar sind oder bei deren sonstiger Benutzung Schmutzwasser anfällt, der Beitragspflicht. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Das Grundstück liegt nach dem vom Kläger nicht bestrittenen Vortrag des Beklagten im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 BauGB. Das Grundstück ist auch an die zentrale Abwasserentsorgungseinrichtung angeschlossen. Ob von der genannten Tatbestandsregelung nur solche (baulich oder gewerblich nutzbare) Grundstücke erfasst werden, für die erst nach dem Inkrafttreten der Satzung eine Anschlussmöglichkeit geboten wird, nicht aber (ohne weiteres) solche Grundstücke, bei denen die Anschlussmöglichkeit – wie hier – schon vor dem Inkrafttreten der Satzung eingetreten ist (in diesem Sinne etwa OVG Nordrhein- Westfalen, Urt. vom 21. Dezember 1976 – II A 596/75 -, S. 2 ff. des E.A.; Urt. vom 20. Juni 1984 – 2 A 1300/82 -, S. 5 ff. des E.A.; Urt. vom 26. September 1984 – 2 A 2649/91 -, S. 5 ff. des E.A.; Urteil vom 31. Mai 1988 – 2 A 2608/85 -, S. 12 ff. des E.A.; 13. September 2004, a.a.O.; Dietzel in: Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 555; a.A. etwa OVG Mecklenburg- Vorpommern, Beschluss vom 26. März 2001 – 1 M 101/00 -, zit. nach juris; VG Schwerin, Urteil vom 13. September 2004, a.a.O.), bedarf vorliegend keiner abschließenden Klärung. Denn wenn – wie hier - die den Gegenstand der Beitragspflicht regelnde Vorschrift den Begriff „Anschlussmöglichkeit“ nicht näher konkretisiert, so genügt es jedenfalls, dass sich ein entsprechender Wille des Ortsgesetzgebers, auch schon früher anschließbare Grundstücke der Beitragspflicht zu unterwerfen, mit hinreichender Deutlichkeit aus anderen Vorschriften der Satzung ergibt, die insoweit (im weitesten Sinne) zur Tatbestands(gesamt)regelung gehören (vgl. o.g. Entscheidungen des OVG Nordrhein- Westfalen, jew. a.a.o.). Ein solcher Wille ergibt sich im vorliegenden Fall aus § 7 Abs. 3 KABS 2008, in dem im Zusammenhang mit der Regelung über den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht bestimmt wird, dass für Grundstücke, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung bereits an die Abwasseranlage angeschlossen werden konnten, die Beitragspflicht mit dem Inkrafttreten der Satzung entstehe. Dass die Vorschrift an sich den Entstehungszeitpunkt betrifft, ist ohne Belang. Denn indem sie ein Regelung über den Zeitpunkt trifft, setzt sie voraus, dass auch solche Grundstücke, die schon vor Inkrafttreten der Satzung angeschlossen oder anschließbar waren, unter den Beitragstatbestand fallen (vgl. OVG Nordrhein- Westfalen, jew. a.a.O.).
Hinsichtlich der Frage der zeitlichen Erfassung des Zeitpunkts der erstmaligen Inanspruchnahmemöglichkeit durch den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 am 1. Januar 2009 gilt, dass diese entgegen der Auffassung des Klägers auf der Grundlage des neu gefassten Kommunalabgabengesetzes nicht erforderlich ist. Dem steht insbesondere nicht die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg bzw. des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg entgegen stehen, wonach der Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht zeitlich fixiert wird durch die erstmalige Anschlussmöglichkeit an die zentrale Schmutzwasserentsorgungseinrichtung – frühestens mit dem (beabsichtigten) Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung – und sich eine nach diesem Zeitpunkt erlassene Beitragssatzung Rückwirkung auf diesen Zeitraum messen muss, um den Sachverhalt in abgabenrechtlicher Hinsicht zu erfassen (vgl. statt vieler OVG Berlin -Brandenburg, Urteile vom 12. Dezember 2007 – 9 B 44.06 und 9 B 45/06 –, LKV 2008, 369). Diese Rechtsprechung beruht nämlich auf der Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Neuregelung des Kommunalabgabengesetzes aufgrund des 2. Gesetzes zur Entlastung der Kommune von pflichtigen Aufgaben vom 17. Dezember 2003 (GVBl. I S. 294ff.) zum 1. Februar 2004. Nach dieser entstand die Beitragspflicht gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F., sobald das Grundstück an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen werden konnte, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung. Vorliegend findet indes die Neuregelung des Kommunalabgabengesetzes aufgrund des vorgenannten Gesetzes Anwendung, weil der Beklagte – wie in den oben zitierten Urteilen der Kammer ausgeführt, worauf Bezug genommen wird - vor dem 1. Januar 2009 nicht über eine rechtswirksame Schmutzwasseranschlussbeitragssatzung verfügte – die sachliche Beitragspflicht vor diesem Zeitpunkt dementsprechend nicht entstehen konnte -, sich die Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 als erste wirksame Beitragssatzung keine Rückwirkung auf einen Zeitpunkt vor dem 1. Februar 2004 beimisst und auch die konkrete Beitragsveranlagung der Kläger erst nach diesem Zeitpunkt mit der letzten Behördenentscheidung vom 2. März 2010 abgeschlossen war (vgl. zu diesen Voraussetzungen OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 12. Dezember 2007, a.a.O., auch dazu, dass in der Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 7 KAG n.F. auf Fälle der vorliegenden Art keine unzulässige Rückwirkung liege). Nach § 8 Abs.7 Satz 2 KAG n.F. entsteht die sachliche Beitragspflicht nunmehr frühestens mit dem Inkrafttreten einer rechtswirksamen Beitragssatzung. Darauf, wann die Anschlussmöglichkeit für das klägerische Grundstück gegeben war, kommt es insoweit in diesem Zusammenhang nicht an.
Der Beitragserhebung steht – entgegen der zumindest sinngemäß geäußerten Auffassung des Klägers – auch nicht der Eintritt der Festsetzungsverjährung nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG i.V.m. § 169 f. der Abgabenordnung (AO) entgegen. Insoweit erweist sich als maßgebend, dass die Verjährungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) und Abs. 3 a KAG nach § 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die sachliche Beitragspflicht entstanden ist, zu laufen beginnt. Die sachliche Beitragspflicht ist jedoch vor Inkrafttreten der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 nicht entstanden. Denn alle vorangegangenen Kanalanschlussbeitragssatzungen waren unwirksam. Auch insoweit wird auf die bereits zitierten Urteile der Kammer Bezug genommen. Mit dem Begriff „rechtswirksam“ gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n.F. ist erkennbar die Eigenschaft einer Satzung gemeint, eine materiell rechtmäßige Abgabenerhebung zu ermöglichen (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 12. Dezember 2007, a.a.O.; Antrag auf Zulassung der Revision zurückgewiesen durch BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2008 – 9 B 22.08 -, zit. nach juris; Beschluss vom 17. Mai 2011 – 9 N 58.09 -, zit. nach juris). Diese Eigenschaft kann sogar solchen Satzungen fehlen, gegen die bereits von einem anderen erfolglos ein Normenkontrollantrag gestellt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1984 - 3 C 88.82 -, juris Rn. 20; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 121 Rn. 93). Sie kann erst Recht bei Satzungen fehlen, die noch nicht einmal Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens gewesen sind. Beide Arten von Satzungen können im Rahmen eines Anfechtungsprozesses inzident als unwirksam angesehen werden. Dies dient dem Rechtsschutz der Bürger. Der Umstand, dass dieser weitgehende Rechtsschutz gleichsam die Kehrseite hat, dass auch noch nach Jahr und Tag Satzungsfehler entdeckt werden können und damit festgestellt wird, dass die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden und deshalb auch keinerlei Festsetzungsverjährung eingetreten ist, mag als misslich empfunden werden; er wiegt indes die Vorteile, die mit der Möglichkeit der Inzidentprüfung verbunden sind, nicht auf, so dass es unerheblich ist, ob insoweit rechtskräftige Entscheidungen in einem Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO vorliegen oder nicht (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 17. Mai 2011, a.a.O.).
Erweisen sich mithin sämtliche vor dem 1. Januar 2009 Geltung beanspruchende Schmutzwasserbeitragssatzungen der Stadt B. als unwirksam, bestimmt sodann der durch Artikel 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg vom 2. Oktober 2008 (GVBl. 2008 S. 218) eingeführte § 12 Abs. 3 a KAG, dass – soweit hier von Interesse - bei der Erhebung eines Beitrags für den Anschluss an eine leitungsgebundene Einrichtung oder Anlage im Bereich der Abwasserbeseitigung oder für die Möglichkeit eines solchen Anschlusses die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2011 endet (Satz 1), sofern nicht die Festsetzungsverjährung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des genannten Gesetzes (am 7. Oktober 2008, vgl. Art. 2 des Gesetzes) bereits eingetreten ist (Satz 2). Ist die sachliche Beitragspflicht damit frühestens am 1. Januar 2009 entstanden, war die Festsetzungsverjährungsfrist zum Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides wie auch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Dritten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg vom 2. Oktober 2008 erkennbar nicht verstrichen.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die erstmalige Begründung einer Beitragspflicht des Klägers durch die Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 bestehen gleichfalls nicht.
Besondere Rückwirkungsregelungen sind im Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg nicht vorgesehen. Begrifflich ist insoweit zu unterscheiden zwischen echter und unechter Rückwirkung (so die Terminologie des 1. Senates des Bundesverfassungsgerichts, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 22. März 1983 – 2 BvR 475/78 -, BVerfGE 63, 343, 356f; Beschluss vom 10. April 1984 – 2 BvR 19/82 -, BVerfGE 67, 1,14, Beschluss vom 25. Mai 1993 – 1 BvR 1509/91 – und - 1 BvR 1648/91 -, BVerfGE 88, 384; Beschluss vom 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44/92 – und - 48/92 – BVerfGE 95, 64) bzw. – in der Regel ohne nennenswerte sachliche Unterschiede – Rückbewirkung von Rechtsfolgen und tatbestandlicher Rückanknüpfung (so die Terminologie des 2. Senates des Bundesverfassungsgerichts, der allein die Rückbewirkung von Rechtsfolgen als Rückwirkung qualifiziert und unmittelbar am Rechtsstaatsprinzip, die tatbestandliche Rückanknüpfung dagegen vorrangig an den Grundrechten misst, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 -, BVerfGE 72, 200, 242 ff.; Beschluss vom 15. Mai 1995 – 2 BvL 19/91 u.a. -, BVerfGE 92, 277, 325; Beschluss vom 3. Dezember 1997 – 2 BvR 882/97 –, BVerfGE 97, 67, 78f.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt hiernach eine echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen vor, wenn nachträglich ändernd in vor der Verkündung liegende und damit der Vergangenheit angehörende, nicht nur dort begonnene, sondern abgewickelte Tatbestände eingegriffen wird bzw. wenn der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm – durch Verkündung – rechtlich existent, d.h. gültig geworden ist (vgl. BVerfG, vorgenannte Entscheidungen jeweils a.a.O.). Bei Abgabensatzungen liegt eine echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen vor, wenn im Zeitpunkt der Verkündung die Abgabenschuld bereits entstanden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. November 1965 – 2BvL 8/64 -, BVerfGE 19,187, 195; Beschluss vom 23. März 1971 – 2 BvL 17/69 -, BVerfGE 30, 392, 401 jeweils für das Steuerrecht). Eine unechte Rückwirkung liegt demgegenüber vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1996, a.a.O.). Vorliegend bestimmt zwar – wie bereits ausgeführt - § 7 Abs. 3 KABS 2008, dass für Grundstücke, für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Satzung bereits ein Anschluss oder eine Anschlussmöglichkeit bestand, die sachliche Beitragspflicht mit Inkrafttreten dieser Satzung entsteht. Da indes – wie ausgeführt – sämtliche vor Inkrafttreten der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 Geltung beanspruchenden Schmutzwasseranschlussbeitragssatzungen des Beklagten ungültig waren, kann mit Blick auf die genannte Vorschrift des § 7 Abs. 3 KABS 2008 mangels Entstehung der sachlichen Beitragspflicht bis zum Inkrafttreten einer erstmals wirksamen Beitragssatzung aber nicht von einer echten, sondern allenfalls – wenn, da die Satzung erst nach ihrer Veröffentlichung in Kraft getreten ist, überhaupt - von einer unechten Rückwirkung bzw. tatbestandlichen Rückanknüpfung ausgegangen werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. November 2008 – 9 A 3.08 -, S. 13f d. E.A.).
Die vorliegend allenfalls gegebene unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung begegnet keinen Bedenken. Solche Regelungen sind verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig und genügen dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Februar 2008 – 1 BvR 2137/06 -, BVerfGE 101, 239, 263). Eine unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung ist demnach nur dann ausnahmsweise unzulässig, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen braucht, den er also bei seinem Dispositionen nicht berücksichtigen konnte (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1985 – 1 BvL 5/80 u.a. –, BVerfGE 69, 272, 309; Beschluss vom 13. Mai 1986 – 1 BvR 99,461/85 -, BVerfGE 72, 175, 196). Zudem muss das Vertrauen des Betroffenen schutzwürdiger sein als die mit dem Gesetz verfolgten Anliegen. Für das Vorliegen solcher der Zulässigkeit einer unechten Rückwirkung bzw. tatbestandlichen Rückanknüpfung entgegenstehenden Umstände hat der Kläger nichts vorgetragen. Er hat keinerlei (gewichtige) Interessen angeführt, die dem öffentlichen Interesse, kommunale öffentliche Einrichtungen der vorliegenden Art nicht aus dem allgemeinen Haushalt, sondern durch den bevorteilten Personenkreis finanzieren zu lassen, vorgehen. Vielmehr war zu dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge von der Satzung durch die Vorschrift des § 7 Abs. 3 KABS 2008 möglicherweise zurückbezogen wird, mit einer solchen rückwirkenden Regelung, welche der Körperschaft die Wahrnehmung der gesetzlich eingeräumten Befugnis einer Geltendmachung des Kanalanschlussbeitrags ermöglicht, zu rechnen. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn bereits eine unwirksame Beitragssatzung vorlag und damit der Wille des Satzungsgebers zur Beitragserhebung manifestiert war. Denn in einem solchen Fall ist aufgrund des bereits beschlossenen Satzungsrechts ein etwaiges Vertrauen des Bürgers auf die Unwirksamkeit der Satzung nicht schutzwürdig; ebenso wenig kann der Bürger damit gehört werden, er habe auf die Wirksamkeit des bisherigen Satzungsrechts vertraut und sei deshalb von einer Verjährung der Beitragsforderung ausgegangen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1978 – VIIC 32.76 –, Buchholz 401.69 Nr. 3; Urteil vom 15. Dezember 1978 – VIIC 3.78 -, KStZ 1979, 71; Beschluss vom 15. April 1983 – 8 C 170/89 -, BVerwGE 67, 129 zum Anschlussbeitragsrecht; Beschluss vom 7. Februar 1996 – 8 B 13.96 –, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36 zum Anschlussbeitragsrecht).
Einer Veranlagung des Klägers steht auch nicht entgegen, dass sein Grundstück bereits vor dem 3. Oktober 1990 an das öffentliche Schmutzwassernetz angeschlossen bzw. anschließbar gewesen sein mag.
In der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg (vgl. Urteil vom 12. April 2001, a.a.O.; Urteil vom 5. Dezember 2001, a.a.O.; Urteil vom 3. Dezember 2003, a.a.O.) bzw. des OVG Berlin- Brandenburg (Urt. vom 12. Dezember 2007, a.a.O.; Antrag auf Zulassung der Revision zurückgewiesen durch BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2008, a.a.O.) ist – wie bereits ausgeführt - geklärt, dass keine rechtliche Kontinuität zwischen den Anlagen der Trink- und Abwasserversorgung zu DDR-Zeiten und den nach der Wende entstandenen kommunalen Ver- und Entsorgungseinrichtungen bzw. Anlagen besteht. Die auf der Grundlage der Kommunalverfassung der DDR, der Gemeindeordnung bzw. des Gesetzes für kommunale Gemeinschaftsarbeit neu entstandenen kommunalen öffentlichen Abwasserentsorgungseinrichtungen sind rechtlich nicht identisch mit der früheren staatlichen Abwasserentsorgung der DDR. Das gilt ungeachtet der Übernahme und weiteren Bewirtschaftung von technischen Entsorgungsanlagen, die in der DDR gebaut wurden. Anknüpfungspunkt für die Beitragserhebung nach dem KAG sind nicht Anlagen im technischen, sondern öffentliche Einrichtungen und Anlagen im kommunalrechtlichen Sinne. Diese entstanden originär erst, seit die Abwasserentsorgung aufgrund der kommunalverfassungsrechtlichen Vorschriften aus den Händen der VEB WAB wieder auf die Kommunen übergegangen waren. Dementsprechend sind auch die "altangeschlossenen" Grundstücke, d.h. diejenigen Grundstücke, die bereits vor dem 3. Oktober 1990 bzw. dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes an die zentrale Trinkwasserversorgungs- bzw. Abwasserentsorgungseinrichtung angeschlossen waren bzw. angeschlossen werden konnten (vgl. zu diesem Begriffsverständnis OVG Brandenburg, Urt. vom 3. Dezember 2003, a.a.O.), durch diese Einrichtungen beitragsrechtlich bevorteilt. Durch die Berechtigung, diese neuen kommunalen öffentlichen Einrichtungen dauerhaft zu nutzen, entstand auch für sie erstmalig eine Vorteilslage im Sinne des § 8 Abs. 6 Satz 1 KAG. Diese rechtfertigt die Beitragserhebung nicht nur, sondern gebietet sie sogar vor dem Hintergrund einer gleichmäßigen und gerechten Beteiligung aller durch die Anschlussmöglichkeit zu der öffentlichen Einrichtung bevorteilten Grundstücke, sofern der Einrichtungsträger von dem ihm insoweit durch § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG eingeräumten Ermessen, Beiträge zu erheben, durch den Erlass einer Beitragssatzung Gebrauch macht und sich so das durch § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG eröffnete Ermessen zur Beitragserhebung zur Beitragserhebungspflicht verdichtet (vgl. für den Bereich der Trinkwasserversorgung OVG Brandenburg, Urteil vom 5. Dezember 2001, a.a.O.; ferner Urteil vom 3. Dezember 2003 – 2 A 417.01 –, S. 17 d.E.A.; Urteile vom 3. Dezember 2003 – 2 A 733.03 -, a.a.O.; zur Beitragserhebungspflicht vgl. auch Schmidt-Wottrich, LKV 2008 S. 355, 356). An dieser Rechtsprechung ist ). An dieser Rechtsprechung ist auch unter Berücksichtigung der keine neuen Erkenntnisse liefernden Argumentation des Klägers festzuhalten. Es kann daher gerade nicht davon ausgegangen werden, dass die Heranziehung des Klägers gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstieße. Das Gegenteil ist der Fall.
Unter Zugrundelegung des in der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 geregeltenkombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstabes ist es ferner nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die gesamte Grundstücksfläche veranlagt hat, ohne zwischen bebauten und unbebauten Flächen zu differenzieren. Dies entspricht den – wie ausgeführt - keinen Bedenken begegnenden Vorgaben des § 6 Abs. 2 lit b.) KABS 2008. Liegt ein Grundstück – wie hier - vollständig im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 BauGB, so ist es grundsätzlich mit seiner gesamten Fläche, also auch hinsichtlich der – wobei dahinstehen kann, ob vorliegend ein solcher Fall gegeben ist – nicht bebauten oder sogar einer Bebauung entzogenen Grundstücksteile beitragspflichtig, da unter der Anwendung des wirtschaftlichen Grundstücksbegriffs regelmäßig die gesamte Grundstücksfläche Baulandqualität hat und auch mit ihren ggf. nicht überbaubaren bzw. überbauten Flächenteilen nach Maßgabe des in der Satzung festgelegten Verteilungsmaßstabes in die Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes einzubeziehen, mithin das gesamte Grundstück durch den Anschluss bzw. die Anschlussmöglichkeit bevorteilt ist (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 9 S 58/06 -, S. 3 des E.A.; Beschluss vom 1. August 2005 – 9 S 2.05 -, S. 9 ff. des E.A.; OVG Brandenburg, Beschluss vom 12. Dezember 2002 – 2 B 133/02 -, S. 11 des E.A.; OVG Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 25. September 2001 – 15 A 3850/99 -, KStZ 2002, 190). Ob die Grundstücke rentierlich genutzt werden können, ist gleichfalls irrelevant. Denn bei innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegenden Grundstücken bezieht sich – wie gesagt - der durch die Anschlussmöglichkeit vermittelte, in der Steigerung des Gebrauchswertes des erschlossenen Grundstücks liegende wirtschaftliche Vorteil auf das gesamte Grundstück. Für das Brandenburgische Kommunalabgabengesetz ist dabei vom sogenannten grundstücksbezogenen Vorteilsbegriff auszugehen. Maßgeblich ist auf die wirtschaftlichen Auswirkungen des durch die Erschließung vermittelten Vorteils im Sinne einer Steigerung des Gebrauchswerts des Grundstücks abzustellen. Dieser besteht zum einen darin, dass das Grundstück über den bloßen Besitz und die Veräußerungsmöglichkeit hinaus in einer bestimmten Weise mit einer gewissen Renditeerwartung wirtschaftlich genutzt werden kann (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Urteil vom 6. September 2006 – 9 B 24.05 -, MittStGBBbg 2006, 347, 348; OVG Brandenburg, Urteil vom 7. Dezember 2004 – 2 A 168/02 -, Seite 17 f. des E.A.), zum anderen darin, dass dem Grundstück mit dem Anschluss an die leitungsgebundene öffentliche Einrichtung bzw. mit der Möglichkeit desselben eine langfristige und umweltgerechte Ver- bzw. – hier - Entsorgungssicherheit in einem öffentlichen Solidarsystem geboten wird; auch diese Gebrauchsvorteile bewirken eine Verbesserung der Erschließungssituation und steigern durch die bessere Nutzbarkeit den Gebrauchswert (so zutreffend Möller in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Komm., § 8 Rn. 1849; Dietzel in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, § 8 Rn. 534 ff.). Für den Vorteil eines im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 BauGB belegenen Grundstücks kommt es dabei allein auf die – im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht – zulässige bzw. in absehbarer Zeit bestehende Bebaubarkeit bzw. Nutzbarkeit an, nicht hingegen darauf, ob und inwieweit diese Bebaubarkeit oder Nutzbarkeit bereits verwirklicht ist oder künftig überhaupt (in – bei wirtschaftlicher Betrachtung - sinnvoller Weise) verwirklicht werden soll. Auch ein – wie hier – unbebautes Stück Bauland ist – im Falle seiner Bebaubarkeit - zu veranlagen. Ob die veranlagten Flächen gegenwärtig genutzt werden und auch zukünftig – mangels Rentierlichkeit einer Bebauung – eine Nutzung beabsichtigt oder wirtschaftlich sinnvoll ist, ist daher ohne Relevanz. Entscheidend ist einzig die entsprechende Nutzungsmöglichkeit (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 21. Dezember 2006 – 9 S 70.06 -, Seite 5 des E.A.; Beschluss vom 29. Dezember 2006 – 9 S 53.06 -, Seite 5 des E.A.; Beschluss vom 19. Dezember 2006, a.a.O.; Beschluss vom 15. Dezember 2006 – 9 S 50.06 -, Seite 7 f. des E.A.; OVG Brandenburg, Urt. vom 8. Juni 2000 – 2 D 29/98. NE-LKV 2001, 132; Urt. v. 23. März 2000 – 2 A 226/98 – Seite 26 ff. d. E.A.; VG Münster, Beschluss vom 8. Oktober 2008 – 3 L 298/08 -, zit. nach juris; VG Kassel, Urteil vom 16. November 1981 – II E 298/79 – HGZ 1985, 251, 252 f.).
Schließlich hat der Kläger einen Begründungsmangel des Beitragsbescheides nicht dargetan. Zur (ordnungsgemäßen) Begründung eines Beitragsbescheides gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG i.V.m. § 121 AO gehören weder Angaben zum beitrags- bzw. umlagefähigen Aufwand und zu den in die Kalkulation eingestellten Grundstücksflächen noch dazu, ob es sich bei den in Rede stehenden Anlageteilen um eine öffentliche Einrichtung handelt und wie die Eigentumsverhältnisse zu beurteilen sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).