Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 17.12.2012 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 S 50.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 123, § 146 VwGO, Artikel 19 Abs. 4 Satz 1, Artikel 33 Abs. 2 GG |
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten der Beschwerde.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 500 Euro festgesetzt.
Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Verwaltungsgerichts, mit der aufgegeben wird, keine der aus den im Rahmen der Beförderungsrunde 2012 gebildeten Einheiten bzw. Listen der Deutsche Telekom AG ausgewählten Beamtinnen/Beamten in ein Amt der Besoldungsgruppe A 12 zu befördern, hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde ist nach § 146 VwGO zulässig. Der Ausschluss der Beschwerdefähigkeit prozessleitender Verfügungen durch § 146 Abs. 2 VwGO greift vorliegend nicht. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts enthält keine prozessleitende Verfügung, deren Gegenstand allein eine Anordnung zum förmlichen Fortgang des Verfahrens sein könnte. Vielmehr wird mit dem Beschluss eine sich materiell-rechtlich auswirkende Regelung getroffen, deren Beschwerdefähigkeit nicht ausgeschlossen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. September 2009 - OVG 4 S 63.09 - und Beschluss vom 24. April 2007 - 3 S 33.07 -, NVwZ-RR 2007, 719, Rn. 2 bei juris; OVG Bautzen, Beschluss vom 17. Dezember 2003 - 3 BS 399/03 -, NVwZ 2004, S. 1134, Rn. 2 ff. bei juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 19. Mai 2004 - 2 Bs 240/04 -, NVwZ 2004, S. 1135; OVG Schleswig, Beschluss vom 31. Mai 2001 - 4 M 38.01 -, NordÖR 2002, S. 224, Rn. 2 bei jurs; OVG Weimar, Beschluss vom 3. Mai 2002 - 4 VO 48/02 -, Rn. 2 f. bei juris; a. A. OVG Berlin, Beschluss vom 3. Februar 1998 - 8 S 184.97 -, NVwZ-RR 1999, S. 212; VGH Kassel, Beschluss vom 23. August 1994 - 1 TG 2086/94, NVwZ-RR 1995, S. 302, Rn. 2 f. bei juris).
2. Die Beschwerde ist allerdings unbegründet.
Im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren kann eine Zwischenverfügung (sog. Hängebeschluss) zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes ausnahmsweise geboten sein, wenn der Eilantrag nicht offensichtlich aussichtslos und zu befürchten ist, dass bis zur Entscheidung über diesen vollendete (irreparable) Tatsachen geschaffen werden (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. September 2009
- OVG 4 S 63.09 - m.w.N.). Diese Maßstäbe hat das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend angewandt und ausgeführt: Die Antragsgegnerin habe lediglich eine beschränkte Zusicherung dahingehend abgegeben, für die auf der Einheit/Liste „Vivento_Abo“ geführten Bewerber bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens keine Beförderungen vorzunehmen und angekündigt, die in anderen Einheit bzw. Listen geführten Beamten zu befördern. Gegenwärtig könne aber auch für keinen der in den weiteren Einheiten bzw. Listen für eine Beförderung in die Besoldungsgruppe A 12 ausgewählten Beamten ausgeschlossen werden, dass gerade nur seine Auswahl den Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin verletze. Diese weiteren Beförderungen habe die Antragstellerin ausdrücklich in ihrem Antrag einbezogen. Nach dem bisherigen Vorbringen der Beteiligten sei für die Kammer nicht erkennbar, dass das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin insoweit offensichtlich aussichtslos sei.
Diese Ausführungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Die Antragsgegnerin trägt insoweit vor: Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes bedürfe es der Zwischenverfügung des Verwaltungsgerichts nicht, weil sie zugesichert habe, auf der Einheit/Liste „Vivento_Abo“, auf der die Antragstellerin sich befinde, keine Beförderungen bis zur abschließenden Entscheidung des Gerichts vorzunehmen. Das Verwaltungsgericht berücksichtige nicht, dass es sich bei der Aufteilung der insgesamt vom Bundesministerium der Finanzen - BMF - zur Verfügung gestellten ca. 2.700 Planstellen auf die verschiedenen Organisationen der Deutsche Telekom AG um eine organisatorische Entscheidung des Dienstherrn handele, die in dessen Ermessen liege und gegen die Rechtsschutz nicht möglich sei bzw. allenfalls eine Willkürkontrolle stattfinde. Hier sei die Verteilung der Beförderungsstellen auf verschiedene Beförderungslisten nicht willkürlich erfolgt. Die Aufteilung sei nach dem prozentualen Anteil der Beamtinnen und Beamten bei den einzelnen Organisationseinheiten und Betrieben erfolgt. Um Beamte in kleineren Betrieben nicht von Beförderungsoptionen auszuschließen, greife ein „Minderheitenschutz“, wonach für alle Betriebe, die in einer Besoldungsgruppe einen Bestand von weniger als 20 Beamtinnen und Beamten habe, ebenfalls Planstellen zugewiesen würden.
Zwar trifft es zu, dass nach der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung gegen die einer Beförderungsentscheidung vorausgehenden organisatorischen Planstellenzuweisungen grundsätzlich nur eingeschränkter Rechtsschutz in Form einer Willkürkontrolle möglich ist (OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. September 2012 - 5 ME 121/12 -, Rn. 15 bei juris; OVG Münster, Beschluss vom 7. Juli 2008 - 6 B 767/08 -, Rn. 6 bei juris). Die Antragsgegnerin übersieht jedoch, dass diese Überlegung im vorliegenden Verfahren zu kurz greift. Hintergrund für die zitierte Rechtsprechung ist, dass das Organisationsermessen des Dienstherrn nicht primär dem Interesse des einzelnen Beamten zu dienen bestimmt ist, sondern an dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Aufgabenerfüllung ausgerichtet ist (OVG Lüneburg, a.a.O., Rn. 13 bei juris, OVG Münster, a.a.O.). Bei den streitigen Planstellenzuweisungen geht es jedoch nicht um eine der Aufgabenerfüllung der Antragsgegnerin dienende organisatorische Maßnahme. Denn die Deutsche Telekom AG nimmt seit ihrer Privatisierung keine öffentlichen Aufgaben mehr wahr. Die Planstellenzuweisungen betreffen vorliegend vielmehr Beförderungen, die keinen Bezug zur betrieblichen Organisation der Deutsche Telekom AG aufweisen. Die bei der Deutsche Telekom AG als Postnachfolgeunternehmen beschäftigten Beamten haben keinen Dienstposten inne, sondern sind in einem Arbeitsbereich tätig, dem fiktiv ein oder mehrere abstrakt-funktionelle Dienstposten mit verschiedenen Statusämtern zugeordnet sind; das vom Antragsgegner praktizierte Beförderungsverfahren kommt daher einer sog. Topfwirtschaft nahe. Bei dieser Ausnahmekonstellation stellt sich die Frage, ob die Verteilung der Beförderungsstellen auf die verschiedenen Organisationseinheiten gleichwohl im weiten Organisationsermessen der Deutsche Telekom AG steht oder aber die Auswahl der zu befördernden Beamten übergreifend anhand einer an Artikel 33 Abs. 2 GG auszurichtenden Bestenauslese hätte vorgenommen werden müssen.
Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ist ferner kein Grund ersichtlich, nicht eine gerichtliche Nachprüfung der Beförderungsauswahlentscheidung auch im Hinblick auf die Verteilung der Planstellen auf die einzelnen Betriebe der Deutsche Telekom AG abzuwarten. Vor dem dargelegten Hintergrund sind keine Beeinträchtigungen der betrieblichen Abläufe zu befürchten. Die Antragsgegnerin hat zudem nicht dargelegt, dass die Beförderungsstellen aus haushaltswirtschaftlichen Gründen noch im laufenden Jahr besetzt werden müssten.
Der vom Verwaltungsgericht erlassenen Zwischenverfügung steht nicht entgegen, dass es sich um ein Verfahren der Massenbeförderung mit mehreren Hundert Beförderungen handelt. Derartige Verfahren sind dem Senat aus anderen Verwaltungen des Bundes und der Länder bekannt, so z.B. beim Auswärtigen Amt, bei der Bundespolizei oder beim Bundeskriminalamt.
Soweit die Antragsgegnerin schließlich geltend macht, es sei rechtsmissbräuchlich, wenn die Antragstellerin verlange, zur Sicherung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs nicht nur die 14 Planstellen der Einheit „Vivento_Abo“ freizuhalten, sondern auch die 260 Planstellen der übrigen Einheiten, auf die der Antragsteller, da er dort nicht beschäftigt sei, keinen Zugriff habe, rechtfertigt dies ebenfalls keine andere Entscheidung. Rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes setzt voraus, dass von vornherein ausgeschlossen ist, dass die Beförderung der Mitbewerber den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt und der Angriff auf eine große Zahl von beabsichtigten Ernennungen von Mitbewerbern ersichtlich nicht der Wahrung des Bewerbungsverfahrensanspruchs dient, sondern Druck auf den Dienstherrn ausüben soll (BVerwG, Beschluss vom 22. November 2012 - 2 VR 5/12 -, Rn. 20 bei juris). Das ist vorliegend schon deshalb zu verneinen, weil aus den oben dargelegten Gründen eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers durch die Verteilung der Planstellen auf die verschiedenen Listen nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG; sie entspricht einem Zehntel des in der Hauptsache festzusetzenden Wertes.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).