Gericht | OLG Brandenburg Kartellsenat | Entscheidungsdatum | 10.07.2018 | |
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Aktenzeichen | 6 U 4/16 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2018:0710.6U4.16.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.10.2016 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 2 O 305/15 - abgeändert und wie folgt neu gefasst.
1. Die Beklagte wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, verurteilt, es zu unterlassen,
Gewerbeflächen für Schilderpräger auf dem Gelände der Kfz-Zulassungsstelle …, …, Flur 8, Flurstück 52/53, an Mitbewerber der Klägerin ohne vorherige öffentliche Ausschreibung zu vermieten oder anderweitig zu überlassen.
2. Die Beklagte wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, verurteilt, es zu unterlassen,
die Klägerin im geschäftlichen Verkehr unbillig zu behindern dadurch, dass sie die unter 1. genannten Gewerbeflächen an Mitbewerber der Klägerin vermietet und überlässt, ohne zugleich der Klägerin zu gestatten, auf dem unter 1. bezeichneten Gelände Schilder aufzustellen mit Hinweis auf die Lage der Verkaufsstelle der Klägerin, deren Entfernung von der Kfz-Zulassungsstelle sowie die von der Klägerin angebotenen Preise, ein Schild in unmittelbarer Nähe zum Eingangsbereich der Kfz-Zulassungsstelle.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung gemäß Kostenrechnung vom 04.11.2015 in Höhe des dort ausgewiesenen Nettobetrages von 1.642,40 € freizustellen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
I.
Die Klägerin bietet an zahlreichen Standorten in Ost- und Mitteldeutschland Kfz-Zulassungsdienste an und prägt und vertreibt Kfz-Kennzeichnen.
Die beklagte Stadt … unterhielt ihre Zulassungsstelle zunächst auf dem Grundstück …-Eck 22/23. Im Jahr 2012 führte sie ein Interessenbekundungsverfahren für die Vermietung einer Stellfläche auf dem genannten Grundstück zur Aufstellung eines Verkaufspavillons (Container) für die Herstellung und den Vertrieb von Kfz-Kennzeichen durch. Die Klägerin beteiligte sich am Auswahlverfahren. Den Zuschlag erhielt die Fa. F. Sc… Zulassungsdienst & Kennzeichenherstellung (Fa. Sc…). Mit dieser schloss die Beklagte einen Mietvertrag für die Zeit vom 01.01.2013 bis zum 31.12.2017. Die Klägerin betrieb ihre Verkaufsstelle auf einem benachbarten Grundstück.
Seit Juli 2014 befindet sich die Zulassungsstelle im Gebäude des Straßenverkehrsamtes in der …straße 38. Ohne erneute Ausschreibung wies die Beklagte der Fa. Sc… eine neue Stellfläche auf dem Grundstück in der …straße zu. Mitte 2015 verlegt die Fa. Sc… mit Einverständnis der Beklagten den Verkaufscontainer auf einen anderen Platz auf demselben Grundstück, und zwar nach Ansicht der Klägerin in eine noch bessere Lage. Die Klägerin unterhält ihre Verkaufsstelle wiederum auf einem benachbarten Grundstück. Der Verkaufs-container der Klägerin steht hinter einer Mauer.
Die Klägerin und die Fa. Sc… bewarben ihre Angebote zunächst durch Werbeschilder (Aufsteller). Auf Aufforderung der Beklagten entfernten beide die Werbeaufsteller Mitte 2015 vom Grundstück der Beklagten. Die Beklagte errichtete sodann auf dem Grundstück zwei Wegweiser-Schilder, welche unter dem Text „Zulassungsstelle“ mit der Angabe „Schilderpräger" und zwei Pfeilen die jeweilige Richtung der Lage der Verkaufscontainer der Klägerin und der Fa. Sc… anzeigen.
Die Klägerin sieht in der zugunsten der Fa. Sc… ohne erneute Ausschreibung erfolgten Zuweisung des Stellplatzes am neuen Standort der Zulassungsstelle und ebenso in der späteren Umverlegung des Stellplatzes auf demselben Gelände einen Verstoß gegen das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach §§ 19, 20 GWB. Die Beklagte habe einen neuen Stellplatz nur nach erneuter öffentlicher Ausschreibung vergeben dürfen. Ihr Absatz an Kfz-Kennzeichen werde durch die Beklagte behindert, denn die Kunden der Zulassungsstelle würden im Bereich des Ein- und Ausgangs des Amtsgebäudes nur nach links gelenkt, wo sich auf kurzem Weg der Container der Fa. Sc… befinde und die Betriebsstätte der Klägerin weiter hinten nicht mehr wahrgenommen werde. Infolge des Standortwechsels sei ihr Umsatz um bis zu 70% zurückgegangen.
Eine unbillige Behinderung liege ebenfalls darin, dass die Beklagte weder ihr, der Klägerin, gestatte, auf das von ihr auf dem Nachbargrundstück vorgehaltene Angebot mit eigenen Hinweisschildern unter Preisangabe hinzuweisen, noch ihrerseits in geeigneter Weise auf eben dieses Angebot hinweise. Die aufgestellten Wegweiser-Schilder der Beklagten seien nicht ausreichend.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte unter Ordnungsmittelandrohung zu verurteilen, es zu unterlassen,
die Klägerin dadurch im geschäftlichen Verkehr unbillig zu behindern, dass die Beklagte Gewerbeflächen für Schilderpräger auf dem Gelände der Kfz-Zulassungsstelle …, …, Flur 8, Flurstück 52/53, an Mitbewerber der Klägerin ohne vorherige öffentliche Ausschreibung, also ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren, vermietet oder aber anderweitig überlässt, insbesondere einen Wechsel des vormaligen Containerstandortes der Betriebsstätte der Mitbewerberin Fa. F… Sc… Zulassungsdienst & Kennzeichenherstellung vom früheren Standort …-Eck 22/23, zunächst hin zur …straße 38, …, Flurstück 53 und sodann hinüber auf das angrenzende Flurstück 52 ohne vorherige Ausschreibung zu gestatten und dieser letztgenannte Fläche zu überlassen;
2. die Beklagte unter Ordnungsmittelandrohung zu verurteilen, es zu unterlassen,
die Klägerin dadurch im geschäftlichen Verkehr unbillig zu behindern, dass die Beklagte die im Antrag zu 1. genannten Gewerbeflächen an Mitbewerber der Klägerin vermietet und überlässt, ohne dass die Beklagte hierbei an geeigneter Stelle im Gebäude und auf dem Gelände der Kfz-Zulassungsstelle geeignete Hinweisschilder - d.h. solche in geeigneter Anzahl und in jedermann wahrnehmbarer Größe von ca. 0,5 qm Fläche mit Preisangabe bezüglich des Angebots der Klägerin an geeigneter sichtbarer Stelle - welche auf die Betriebsstelle der Klägerin hinweisen, aufstellt oder anbringt oder dieses der Klägerin gestattet;
hilfsweise,
die Klägerin dadurch im geschäftlichen Verkehr unbillig zu behindern, dass die Beklagte die im Antrag zu 1. genannten Gewerbeflächen an Mitbewerber der Klägerin vermietet und überlässt, ohne dass die Beklagte hierbei an geeigneter Stelle im Gebäude und auf dem Gelände der Kfz-Zulassungsstelle geeignete Hinweisschilder - d.h. mindestens solche Hinweise, die in Anzahl, Größe, Wahrnehmbarkeit und Deutlichkeit den Angaben wie auf den vormaligen Werbeaufstellers der Klägerin gemäß Anlage K14 entsprechen, also in jedermann wahrnehmbarer Größe von mindestens ca. 0,5 qm Fläche mit Preisangabe bezüglich des Angebots der Klägerin an geeigneter sichtbarer Stelle, z.B. an den Standorten, die den vormaligen Werbeaufstellers der Klägerin gemäß Anlage 14 entsprechen - welche auf die Betriebsstelle der Klägerin hinweisen, aufstellt oder anbringt oder dieses der Klägerin gestattet;
3. die Klägerin von den außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung gemäß Kostenrechnung vom 04.11.2015 in Höhe des dort ausgewiesenen Nettobetrages von 1.642,40 € freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat eine Diskriminierung oder Behinderung der Klägerin in Abrede gestellt. Eine erneute Ausschreibung der Stellfläche auf dem neuen Gelände der Zulassungsstelle sei nicht erforderlich gewesen, da durch den Umzug an den neuen Standort und auch den späteren Standortwechsel keine Vertragsänderung erfolgt sei, bei der wesentliche Vertragsinhalte geändert worden seien. Die Fa. Sc… sei schutzbedürftig gewesen, da sie auf eine Vertragslaufzeit von fünf Jahren habe vertrauen dürfen. Die aufgestellten Schilder seien ausreichend. Einen Anspruch auf Angabe von Preisen auf Hinweisschildern habe die Klägerin nicht.
Das Landgericht hat die Klage mit dem am 27.10.2016 verkündeten Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Ein Verstoß gegen §§ 33, 19, 20 GWB sei nicht festzustellen. Die Entscheidung der Beklagten, den im Jahr 2012 zugunsten der Fa. Sc… erteilten Zuschlag vor Ablauf der Mietzeit auch auf die neue Mietfläche in der …straße zu beziehen, stelle keine unbillige Behinderung der Klägerin dar. Auch nach dem Schutzzweck des § 99 GWB sei ein erneutes Interessenbekundungsverfahren nicht notwendig. Nach der Rechtsprechung des EuGH seien Vertragsänderungen nur dann als eine Neuvergabe anzusehen, wenn sie wesentlich andere Merkmale aufwiesen als der ursprüngliche Auftrag und wenn sie infolgedessen den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen des Vertrags erkennen ließen. Eine Anpassung des Vertrages an veränderte äußere Umstände stelle, wie der Richtlinie 92/50/EWG zu entnehmen sei, keine Vergabe dar. Nach den vom EuGH aufgestellten Kriterien läge eine wesentliche Vertragsänderung im Streitfall nicht vor. Die Tatsache, dass die Beklagte die Zulassungsstelle örtlich innerhalb der Stadt verlegt habe, sei ein äußerer Umstand, der eine Anpassung des Vertrages an diesen Umstand ermöglicht habe. Der Vertrag beziehe sich unverändert darauf, dass der Schilderpräger unmittelbar neben der Zulassungsstelle seine Verkaufsstelle habe. Auch sonst lägen keine wesentlichen Änderungen vor.
Die Klägerin habe auch keinen Unterlassungsanspruch hinsichtlich des Aufstellens von Hinweisschildern. Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung, auf das Angebot der Klägerin hinzuweisen, hinreichend nachgekommen. Der Container der Klägerin mit seiner Werbung sei von dem Gelände der Beklagten auch im Zusammenhang mit dem Container der Fa. Sc… zu erkennen. Hinter dem von der Beklagten angebrachten Schild sei die Werbung der Klägerin, welche farblich auffallend gestaltet und mit Preisangabe versehen sei, über der Mauer zu sehen. Da auf dem Gelände der Beklagten auch für die Fa. Sc… kein Werbeschild aufgestellt sei, habe die Klägerin unter Beachtung des Gleichheitsgebots auch keinen Anspruch auf das Aufstellen eines eigenen Werbeschildes.
Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihre Klage in den Anträgen zu 1. und 3. sowie im Antrag zu 2. in seiner Hilfsfassung weiterverfolgt.
Die Klägerin meint, entgegen der Ansicht des angefochtenen Urteils stelle die zugunsten der Fa. Sc… erfolgte Zuweisung eines Stellplatzes am neuen Standort der Zulassungsstelle eine wesentliche Änderung des ursprünglichen Vertrages dar. Das ergebe sich schon daraus, dass der Mietgegenstand neu bestimmt worden sei, zudem sei am neuen Standort im Hinblick auf potentiell anmietbare Flächen ein gänzlich anderes Marktumfeld gegeben.Fehlerhaft habe das Landgericht die von der Beklagten angebrachten Wegweiser-Schilder als ausreichend angesehen. Hinsichtlich der tatsächlichen Situation vor Ort habe das Landgericht unzutreffende und teilweise widersprüchliche Annahmen zugrunde gelegt. Die Standorte der Verkaufsstellen seien insbesondere beim Betreten oder Verlassen der Zulassungsstelle nicht in vergleichbarer Weise wahrnehmbar. Aufgrund des Standortnachteils habe sie einen Anspruch auf ein Hinweisschild mit Preisangabe.
Auf Hinweis des Senats, dass die mit der Berufung weiterverfolgten Unterlassungsanträge Bedenken gegen die hinreichend bestimmte Antragsfassung begegnen, hat die Klägerin die Anträge im Termin zur mündlichen Verhandlung neu gefasst.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
1. die Beklagte unter Ordnungsmittelandrohung zu verurteilen, es zu unterlassen,
Gewerbeflächen für Schilderpräger auf dem Gelände der Kfz-Zulassungsstelle …, …, Flur 8, Flurstück 52/53, an Mitbewerber der Klägerin ohne vorherige öffentliche Ausschreibung zu vermieten oder anderweitig zu überlassen;
2. die Beklagte unter Ordnungsmittelandrohung, zu verurteilen, es zu unterlassen,
die Klägerin im geschäftlichen Verkehr unbillig zu behindern dadurch, dass sie die unter 1. genannten Gewerbeflächen an Mitbewerber der Klägerin vermietet und überlässt, ohne zugleich der Klägerin zu gestatten, auf dem unter 1. bezeichneten Gelände Schilder aufzustellen mit Hinweis auf die Lage der Verkaufsstelle der Klägerin, deren Entfernung von der Kfz-Zulassungsstelle sowie die von der Klägerin angebotenen Preise, ein Schild in unmittelbarer Nähe zum Eingangsbereich der Kfz-Zulassungsstelle;
3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung gemäß Kostenrechnung vom 04.11.2015 in Höhe des dort ausgewiesenen Nettobetrages von 1.642,40 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vor-bringen. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei die infolge des Umzugs der Zulassungsstelle erfolgte Änderung des Vertrages mit der Fa. Sc… nicht so wesentlich, dass der Zuschlag anders ausgefallen wäre, wenn die Veränderung bereits Gegenstand des ursprünglichen Auswahlverfahrens gewesen wäre. Durch den Umzug der Zulassungsstelle sei kein neuer räumlich abgrenzbarer Markt für Schilderpräger entstanden. Der neue Standort der Klägerin befände sich zudem wesentlich näher an der Zulassungsstelle als der alte Standort zur damaligen Zulassungsstelle. Ihrer Verpflichtung zur Gewährleistung eines funktionierenden und diskriminierungsfreien Wettbewerbs der Anbieter von Kfz-Kennzeichen sei sie durch die von ihr aufgestellten Schilder (Wegweiser) nachgekommen. Die Schilder wiesen hinreichend und neutral auf die Angebote beider Schilderpräger hin. Einen Anspruch auf Gestattung, eigene Werbeschilder aufzustellen, habe die Klägerin nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze.
II.
Die gemäß §§ 511, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg, denn die zulässige Klage ist begründet.
A) Die Klage begegnet nach der von der Klägerin auf Hinweis des Berufungsgerichts vorgenommenen Neufassung der Unterlassungsanträge keinen Bedenken gegen die Zulässigkeit. Die Neufassung der Klageanträge hat eine Änderung des Streitgegenstandes nicht bewirkt. Die Klägerin hat die aus unverändertem Klagegrund begehrte Rechtsfolge lediglich sprachlich klarstellend so gefasst, dass das unverändert als rechtswidrig angegriffene Verhalten hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zum Ausdruck kommt.
B) Die Klage ist begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gemäß §§ 33 Abs. 1 und 3, 20 Abs. 1, 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB in der vom 30.06.2013 bis zum 08.06.2017 geltenden Fassung (GWB a.F.) und in der seit dem 09.06.2017 geltenden Fassung (GWB n.F.) aus dem Gesichtspunkt unbilliger Behinderung zu. Der Antrag auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist als Anspruch auf Schadensersatz nach § 33 Abs. 3 GWB a.F. i.V.m. § 186 Abs. 3 Satz 1 GWB n.F. begründet.
1) Nach § 33 Abs. 1 GWB a.F. und n.F. ist derjenige, der gegen eine Vorschrift des ersten Teils des GWB oder gegen Art. 101 oder 102 AEUV verstößt, dem Betroffenen bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet. Betroffen ist gemäß § 33 Abs. 3 GWB a.F. und n.F., wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.
Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die von der Beklagten ohne öffentliche Ausschreibung und ohne Einräumung einer Möglichkeit für die Klägerin, in geeigneter Weise auf ihr Angebot unter Einschluss des von ihr angebotenen Preises hinzuweisen, vorgenommene Vermietung einer Gewerbefläche an einen Schilderpräger auf dem Gelände der Zulassungsstelle gegeben. Mit dem beanstandeten Verhalten hat die Beklagte als marktbeherrschende Anbieterin von Gewerbeflächen, die sich für Schilderpräger eignen, gegen das Behinderungsverbot der §§ 19, 20 GWB a.F. und n.F. verstoßen.
1.1) Die Beklagte ist Normadressatin des kartellrechtlichen Behinderungs- und Diskriminierungverbots, denn als Eigentümerin des Grundstücks, auf dem sich die Zulassungsstelle befindet, verfügt sie auf dem relevanten Markt der Vermietung von Gewerbeflächen, die sich für Schilderpräger eignen, um den bei Besuchern der Zulassungsstelle anfallenden Bedarf an Kfz-Kennzeichen zu decken, über eine überragende Stellung (st. Rechtsprechung des BGH, vgl. Urteil v. 14.07.1998 - KZR 1/97, NJW 1998, 3778 - Schilderpräger im Landratsamt; Urteil v. 24.09.2002 - KZR 4/01, GRUR 2003, 73 - Kommunaler Schilderprägebetrieb; Urteil v. 08.11.2005 - KZR 21/04, GRUR 2006, 608 - Hinweis auf konkurrierende Schilderpräger; Urteil v. 07.11.2006 - KZR 2/06, GRUR 2007, 616 - Bevorzugung einer Behindertenwerkstatt).
1.2) Der relevante Markt, auf den zur Ermittlung der Marktstellung der Beklagten abzustellen ist, umfasst in sachlicher und räumlicher Hinsicht das Angebot von Gewerbeflächen, die sich für einen Schilderpräger, der den Bedarf der Besucher der Zulassungsstelle an Kfz-Kennzeichen decken möchte, zur Anmietung oder sonstigen Nutzung eignen. Dieser Markt erfasst alle Flächen, die sich in unmittelbarer Nähe des Gebäudes der Zulassungsstelle befinden (vgl. BGH, Urteil v. 14.07.1998 a.a.O. - Schilderpräger im Landratsamt).
1.3) Da die Beklagte eine Stellfläche auf dem Gelände der Zulassungsstelle einem Schilderpräger, nämlich der Fa. Sc…, zur Verfügung gestellt hat, hat sie einen Geschäftsverkehr eröffnet, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist (vgl. BGH, Urteil v. 24.09.2002 a.a.O. - Kommunaler Schilderprägebetrieb).
1.4) Die Nichtberücksichtigung der Klägerin bei der Einräumung einer Nutzungsmöglichkeit auf dem Gelände der im Juli 2014 in der …straße neu eingerichteten Zulassungsstelle ohne vorherige öffentliche Ausschreibung stellt entgegen der Ansicht des angefochtenen Urteils eine unbillige Behinderung im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB a.F. und n.F. dar.
1.4.1) Die objektive Behinderung der Klägerin liegt darin, dass die Beklagte als marktbeherrschende Vermieterin mit überragender Stellung auf dem fraglichen Markt ihren Pflichten als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft mangels öffentlicher Ausschreibung des Angebots nicht nachgekommen ist und dadurch einem Mitbewerber der Klägerin einen unsachlichen Vorsprung verschafft hat. Die unterlassene Ausschreibung hat sich objektiv nachteilig auf die Wettbewerbsmöglichkeiten der Klägerin ausgewirkt, weil sie keine Chance erhalten hat, im Rahmen einer Ausschreibung als Mieterin der auf dem Gelände der neuen Zulassungsstelle gegebenen Stellplatzmöglichkeit für einen Verkaufscontainer ausgewählt zu werden (vgl. BGH, Urteil v. 24.09.2002 a.a.O. - Kommunaler Schilderprägebetrieb; Urteil v. 07.11.2007 a.a.O. - Bevorzugung einer Behindertenwerkstatt; Urteil v. 08.04.2003 - KZR 39/99, GRUR 2003, 809 - Konkurrenzschutz für Schilderpräger; Urteil v. 13.11.2007 - KZR 22/06, GRUR 2008, 277).
1.4.2) Entgegen der Ansicht des Landgerichts war eine Ausschreibung der Vergabe des Stellplatzes auf dem Gelände der Zulassungsstelle in der …straße nicht deshalb entbehrlich, weil mit der Fa. Sc… ein Mieter für einen Stellplatz auf dem früheren Gelände der Zulassungsstelle im …-Eck in einem öffentlichen Auswahlverfahren ausgewählt war und der im Zeitpunkt des Umzugs der Zulassungsstelle noch nicht abgelaufene Mietvertrag eine lediglich unwesentliche Änderung erfahren habe.
Im Ansatz richtig hat das Landgericht es als entscheidend angesehen, ob die Einräumung der Nutzungsmöglichkeit auf einem neuen Stellplatz eine so wesentliche Änderung des für den früheren Standort der Zulassungsstelle geschlossenen Stellplatzvertrages darstellt, dass eine erneute Ausschreibungspflicht bestanden hat. Der Beurteilung, es habe lediglich eine unwesentliche Änderung vorgelegen, ist mit Blick auf den Sinn und Zweck der Ausschreibungspflicht als konkrete Ausprägung des Behinderungs- und Diskriminierungsverbots der §§ 19, 20 GWB a.F. und n.F. nicht zu folgen.
a) Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der EuGH für den Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe nach EU-Vergaberecht entschieden, dass bei einer Vertragsänderung eine Neuvergabe nur im Falle einer wesentlichen Änderung erforderlich ist (vgl. EuGH, Urteil v. 19.06.2008 - C-454/06, VergabeR 2008, 758). Richtig dargestellt hat das Landgericht dabei, dass eine zur Neuausschreibung verpflichtende wesentliche Vertragsänderung nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere dann vorliegt,
- | wenn durch eine Änderung ein anderer Bieterkreis zugelassen werden müsste, |
- | wenn im Kreis möglicher Bieter auf den Ursprungsauftrag ein anderes Angebot hätte angenommen werden müssen, |
- | wenn die Änderung den Auftrag auf zuvor nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert |
- | und wenn das wirtschaftliche Gleichgewicht zugunsten des Auftragsnehmers in einer vom ursprünglichen Vertrag nicht vorgesehenen Weise verändert wird (vgl. Senat, Beschluss v. 15.07.2010 - Verg W 4/09, ZfBR 2011, 383). |
b) Die dargestellten Grundsätze hat das Landgericht zu Recht als Maßstab auch für die im Streitfall vorzunehmende Beurteilung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ausschreibungspflicht aus Gründen des Diskriminierung- und Behinderungsverbots der Vorschriften des ersten Teils des GWB angesehen. Die Annahme, eine in vorgenannten Sinne wesentliche Vertragsänderung sei bei der Überlassung einer neuen Stellfläche auf dem Grundstück der neu eingerichteten Zulassungsstelle nicht gegeben, ist aber unzutreffend. Sie berücksichtigt den Sinn und Zweck der Ausschreibungspflicht nicht ausreichend und verkennt das Merkmal einer wesentlichen Vertragsänderung. Im Streitfall liegt eine wesentliche Vertragsänderung vor, welche die Pflicht zur erneuten öffentlichen Ausschreibung der Stellplatzvergabe begründet hat.
aa) Die Ausschreibungspflicht soll die Chancengleichheit der Schilderpräger bei dem Wettbewerb um die aufgrund der Nähe zur Zulassungsstelle wirtschaftlich besonders attraktiven Gewerbeflächen sicherstellen und unsachliche Bevorzugungen einzelner Wettbewerber verhindern. Dabei ist die Wettbewerbssituation maßgeblich davon geprägt, ob und welche Gewerbeflächen am konkreten Standort tatsächlich zur Verfügung stehen, und zwar nicht allein auf dem Grundstück der Zulassungsstelle, sondern auch in der Nähe der Zulassungsstelle. Die Nachfrage nach Kfz-Kennzeichen wird erfahrungsgemäß nicht nur von Schilderprägern mit einem Geschäftslokal im Gebäude oder auf dem Gelände der Zulassungsstelle, sondern auch von solchen Anbietern befriedigt, die sich in unmittelbarer Nähe angesiedelt haben (vgl. BGH, Urteil v. 14.07.1998 a.a.O.). Mithin hängt die Wettbewerbssituation in entscheidender Weise von den konkreten örtlichen Begebenheiten ab, die sich naturgemäß an verschiedenen Standorten unterscheiden.
bb) Mit dem Umzug der Zulassungsstelle hat die Beklagte eine neuerliche Nachfrage eröffnet, die sich von der Nachfragesituation bei der ursprünglichen Ausschreibung eines Stellplatzes am früheren Standort unterschieden hat. Die Klägerin musste sich um einen neuen Stellplatz auf den privaten Markt umsehen, da ihr die Möglichkeit der Teilnahme an einem Wettbewerb um eine Stellfläche auf dem Gelände der neu eingerichteten Zulassungsstelle nicht eröffnet worden ist.
cc) Der ursprüngliche Mietvertrag konnte nicht mit einer im Hinblick auf die Nachfragesituation nur unwesentlichen Änderung fortgesetzt werden. Der Austausch des Mietobjekts betrifft die Hauptleistungsflicht eines Mietvertrages (§ 535 Abs. 1 Satz 1 BGB) und bedeutet deshalb grundsätzlich eine wesentliche Vertragsänderung, was im Streitfall jedenfalls insoweit gilt, als es um den Umzug vom Grundstück …-Eck in die …straße geht.
dd) Soweit das Landgericht gemeint hat, es läge eine bloße Anpassung an veränderte äußere Umstände vor, was nach dem Begriffsverständnis der RL 92/50/EWG (DienstleistungsRL v. 18.06.1992 [aufgehoben durch die RL 2004/18/EG, welche ihrerseits durch die am 17.04.2014 in Kraft getretene RL 2014/24/EU ersetzt wurde]) nicht als „Vergabe“ anzusehen sei, ist dem nicht zu folgen.
Eine nicht als Vergabevorgang anzusehende Anpassung des Vertrages an veränderte äußere Umstände - wie vom EuGH für die Umstellung einer nationalen Währung in Euro bei geringfügiger Verringerung der Preise zur Rundung sowie die Umstellung einer Wertsicherungsklausel auf einen neuen Preisindex angenommen (vgl. Urteil 19.06.2008 - C-454/06, NJW 2008, 3341) - ist im Streitfall ersichtlich nicht gegeben. Die Beklagte hat mit dem Umzug der Zulassungsstelle einen neuen Bedarf an Gewerbeflächen für Schilderpräger im Bereich der neuen Zulassungsstelle eröffnet. Grund für die neuerliche Nachfrageeröffnung war kein äußerer Umstand, sondern die Entscheidung der Beklagten, ihre Zulassungsstelle künftig an einem anderen Standort zu betreiben.
ee) Unerheblich für die Beurteilung des Bestehens einer Ausschreibungspflicht ist, ob die Fa. Sc… auf die Durchführung eines Mietvertrages über den Zeitraum von fünf Jahren vertrauen durfte. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Beklagte bei Abschluss des ursprünglichen Mietvertrages die Möglichkeit einer Standortänderung während der Vertragslaufzeit in Betracht gezogen oder die Entscheidung über die Standortänderung erst später getroffen hat. Auch wenn sich die Beklagte möglicherweise gegenüber der Fa. Sc… wegen vertragswidrigen Verhaltens einer Schadensersatzpflicht ausgesetzt sieht, ändert das nichts daran, dass sie bei Schaffung eines neuerlichen Wettbewerbs Interessenten nicht diskriminieren und unbillig behindern darf.
1.4.3) Die Klägerin hat nach § 33 Abs. 1 GWG a.F. und n.F. Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr gegen das Behinderungsverbot des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB a.F. und n.F. verstoßendes Verhalten künftig unterlässt.
Das Gesetz billigt einem Unternehmen, das durch einen Normadressaten des Behinde-rungsverbots unbillig behindert oder diskriminiert worden ist, einen Beseitigungsanspruch und bei Wiederholungsgefahr einen Unterlassungsanspruch zu. Die Wiederholungsgefahr ist aufgrund des vorstehend dargestellten Verstoßes zu bejahen.
1.5) Eine unbillige Behinderung der Klägerin liegt ferner darin, dass die Beklagte der Fa. Sc… auf dem Gelände der Zulassungsstelle in der …straße eine Stellfläche für deren Schilderprägebetrieb überlassen hat, ohne der Klägerin die Möglichkeit einzuräumen, auf dem Gelände der Zulassungsstelle in geeigneter Weise auf ihr Angebot unter Einschluss des von ihr angebotenen Preises hinzuweisen.
1.5.1) Die öffentlich-rechtliche Körperschaft, welche - wie hier die Beklagte - durch Zurver-fügungstellung von Gewerbeflächen für Schilderpräger im Bereich der Zulassungsstelle den Wettbewerb um solche Flächen eröffnet, darf den ihr durch den Betrieb der Zulassungsstelle zufließenden Vorteil, Schilderprägern geeignete Gewerbeflächen zu überlassen, nicht aus-nutzen, ohne gleichzeitig dort nicht zum Zuge gekommenen Anbietern die Chance einzu-räumen, auf ihr Angebot hinzuweisen und damit ebenfalls am Wettbewerb teilzunehmen (vgl. BGH, Urteil v. 08.11.2005 a.a.O. - Hinweis auf konkurrierende Schilderpräger).
Grundlage der Verpflichtung ist nicht allein die marktbeherrschende Stellung der Beklagten. Entscheidend ist vielmehr, dass öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften wie die Beklagte besonderen Pflichten unterworfen sind. Diese ergeben sich nicht allein aus ihrer Stellung als marktbeherrschende Anbieterin von Gewerbeflächen für Schilderpräger, sondern auch aus ihrer Eigenschaft als Einrichtung der öffentlichen Hand, die durch ihre Verwaltungstätigkeit die Nachfrage nach den Produkten der Schilderpräger erst erzeugt (vgl. BGH, Urteil v. 08.11.2005 a.a.O. - Hinweis auf konkurrierende Schilderpräger; Urteil v. 14.07.1998 a.a.O. - Schilderpräger im Landratsamt).
1.5.2) Ihrer so begründeten Verpflichtung, den Anbietern, die sich ebenfalls um die Kunden der Zulassungsstelle bemühen, deren Geschäftsräume aber außerhalb des Geländes der Zulassungsstelle liegen, Gelegenheit zu geben, auf ihr Angebot hinzuweisen, kann die Gebietskörperschaft auf unterschiedliche Weise nachkommen. Sie kann den Betroffenen gestatten, ein entsprechendes Werbeschild anzubringen. Es ist ihr grundsätzlich aber auch unbenommen, der Verpflichtung dadurch nachzukommen, dass sie selbst in geeigneter Form auf die Angebote der verschiedenen Anbieter hinweist und damit die Besucher der Zulassungsstelle darüber informiert, dass es in unmittelbarer Nähe noch einen oder mehrere andere Anbieter neben den auf dem Gelände der Zulassungsstelle angesiedelten gibt (vgl. BGH, Urteil v. 08.11.2005 a.a.O. - Hinweis auf konkurrierende Schilderpräger).
Dabei ist aber zu berücksichtigten, dass derjenige Schilderpräger, der seinen Betrieb in unmittelbarer Nähe zur Zulassungsstelle unterhält, aufgrund des Standortvorteils im Zweifel einen höheren Miet- oder Pachtzins zu bezahlen hat als der Wettbewerber, der bei vorteilhaften Standorts nicht zum Zuge gekommenen ist, was sich im allgemeinen auch in den Verkaufspreisen für die angebotenen Kfz-Kennzeichen niederschlägt. Ein Preisvorteil des Wettbewerbes mit dem ungünstigeren Standort kann aber nur dann zum Zuge kommen, wenn für diesen Möglichkeiten bestehen, auf sein Angebot, insbesondere auf die von ihm verlangten Preise an geeigneter Stelle hinzuweisen (vgl. BGH, Urteil v. 14.07.1998 a.a.O. - Schilderpräger im Landratsamt).
1.5.3) Im Streitfall ist die Beklagte ihrer Verpflichtung nicht ausreichend nachgekommen. Zwar hat die Beklagte auf dem Gelände der Zulassungsstelle Wegweiser-Schilder (Anlage K15) angebracht, welche durch die mit Pfeil-Darstellungen versehene Angabe „Schilderpräger“ in die Richtung der Standorte der Verkaufscontainer der Fa. Sc… und der Klägerin weisen. Ein ausreichender Hinweis auf das Verkaufsangebot der Klägerin ist damit aber nicht erfolgt, denn weder besteht eine Möglichkeit, auf die verlangten Preise hinzuweisen, noch kann der Kundenverkehr erkennen, in welcher Wegstrecke er den durch eine Mauer weitgehend verdeckten Standort der Klägerin (Anlage K15) erreichen kann, währenddessen der Verkaufscontainer der Fa. Sc… vom Ein- und Ausgang der Zulassungsstelle aufgrund dessen geringer Entfernung in einer Weise erkennbar ist, dass er „geradezu ins Auge springt“ (Foto-Anlage K16). Um den Standortnachteil ausgleichen zu können, ist es ein Hinweis erforderlich, der geeignet ist, Kunden für Kfz-Kennzeichen mit konkreten Angaben über das Angebot der Klägerin zu informieren.
Soweit die Beklagte erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ohne nähere Angaben vorgetragen hat, sie habe in den Räumen der Zulassungsstelle einen mit einem Lageplan versehenen Schaukasten angebracht, in dem die Schilderpräger einen Hinweis auf ihr Unternehmen und die verlangten Preise anbringen dürften, ist dieses Vorbringen nicht zu berücksichtigen. Die Klägerin hat sich in zulässigerweise mit Nichtwissen erklärt. Das Bestreiten mit Nichtwissen ist gemäß 138 Abs. 4 ZPO zulässig, da die behauptete Tatsache weder eine eigene Handlung der Klägerin betrifft, noch ersichtlich oder von der Beklagten vorgetragen ist, dass sie Gegenstand eigener Wahrnehmung der Klägerin war. Das bestrittene tatsächliche Vorbringen ist nicht zu berücksichtigen, denn die Beklagte hat einen Grund, der gemäß § 531 Abs. 2 ZPO die Zulassung des neuen Verteidigungsmittels im Berufungsrechtszug rechtfertigen könnte, entgegen § 520 Abs. 3 Nr. 4 ZPO nicht vorgebracht. Ein Zulassungsgrund ist auch nicht ersichtlich, denn weder ist ein Gesichtspunkt betroffen, den das erstinstanzliche Gericht übersehen oder für unerheblich gehalten hat, noch beruht die in erster Instanz unterlassene Geltendmachung auf einem Verfahrensfehler des Landgerichts.
1.5.4) Die Versagung einer Gestattung, eigene Hinweisschilder auf dem Gelände der Zulassungsstelle aufzustellen, obwohl die Beklagte selbst nur unzureichend auf die Angebote der verschiedenen Anbieter hinweist, hat eine objektive Benachteiligung der Klägerin zur Folge. Der Klägerin als auf dem Gelände der Zulassungsstelle nicht zum Zuge gekommener Anbieterin ist es mangels ausreichender Werbegelegenheit nicht möglich, den im ungünstigeren Standort begründeten Wettbewerbsnachteil durch einen wirksamen Hinweis auf ihr konkurrierendes Angebot an Kfz-Kennzeichen auszugleichen.
1.5.5) Unter den Gegebenheiten des Streitfalls kann die Klägerin von der Beklagten verlangen, dass diese es unterlässt, Gewerbeflächen an Mitbewerber der Klägerin zu überlassen, ohne zugleich der Klägerin zu gestatten, auf dem Gelände der Zulassungsstelle Werbeschilder aufzustellen mit Hinweis auf die Lage der Verkaufsstelle, deren Entfernung von der Zulassungsstelle und den von der Klägerin angebotenen Preis, und dabei ein Schild in unmittelbarer Nähe zum Eingangsbereich der Zulassungsstelle aufzustellen.
Vorliegend streiten die Parteien darüber, ob die von der Beklagten selbst vorgenommene Maßnahme, das Aufstellen der Wegweiser-Schilder, dem gebotenen Hinweis auf das außerhalb des Geländes der Zulassungsstelle vorgehaltene Angebot der Klägerin an Kfz-Kennzeichen gerecht wird. Da dies - wie ausgeführt - nicht der Fall ist, ist es gerechtfertigt, das Unterlassungsgebot allein unter Einschluss der im Klageantrag beschriebenen Maßnahme der Gestattung der Aufstellung eigener Hinweisschilder der Klägerin zu erlassen.
2) Freistellung von den vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.642,40 € kann die Klägerin im Wege des Schadenersatzes gemäß § 33 Abs. 3 GWB a.F. i.V.m. § 186 Abs. 3 Satz 1 GWB n.F. beanspruchen.
2.1) Die Klägerin hat die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 18.08.2015 hinsichtlich des Verstoßes gegen die Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung der Überlassung des Stellplatzes auf dem Gelände in der …straße erfolglos abgemahnt.
2.2) Von den dafür angefallenen Rechtsanwaltskosten hat die Beklagte die Klägerin freizustellen, denn sie hat sich schadensersatzpflichtig gemacht, da sie den Kartellverstoß jedenfalls fahrlässig begangen hat (276 BGB). Zwar hat die Beklagte, wie ihr Prozessvorbingen ergibt, ihr Verhalten für rechtmäßig gehalten, bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte sie aber mit einer anderen Beurteilung der Gerichte rechnen müssen.
Im Wettbewerbsrecht sind ebenso wie im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht an die Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt strenge Anforderungen zu stellen. Fahrlässig handelt bereits, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muss (vgl. BGH, Urteil v. 18.12.1997 - I ZR 79/95, GRUR 1998, 568 - Beatler-Doppel-CD; Bornkamm in Langen/ Bunte, Kartellrecht, 12. Aufl. § 33 Rn. 123 m.w.N.). Jedenfalls so verhält es sich bei der Frage, ob im Hinblick auf den Umzug der Zulassungsstelle eine erneute öffentliche Ausschreibung der Stellfläche für einen Schilderpräger-Stellplatz hätte erfolgen müssen.
2.3) Der Ansatz einer Geschäftsgebühr nach dem Regelsatz von 1,3 zuzüglich Telekommunikationspauschale (Nr. 2300, 7002 VV RVG) begegnet keinen Bedenken. Der zugrunde gelegte Gegenstandswert von 60.000 € bildet den Wert des betroffenen Unterlassungsverlangens angemessen ab und entspricht auch dem diesbezüglichen Wertansatz des Senats bei der Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10 ZPO, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.