I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus Bürgschaft auf Zahlung von insgesamt 304.934,60 € in Anspruch.
Die Klägerin stützt sich auf Forderungen aus einem unter dem 23./30.08.2001 mit der RI… GmbH geschlossenen Darlehensvertrag über einen Betrag von 383.468,91 €. In Höhe des vorgenannten Betrages übernahm die Beklagte mit Erklärung vom 30.08.2001 eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft.
Das Darlehen wurde im September 2001 an die Hauptschuldnerin ausgezahlt.
Mit Schreiben vom 18.10.2002 kündigte die Klägerin das Darlehen gegenüber der Hauptschuldnerin wegen Verzuges mit den vereinbarten Ratenzahlungen sowie wegen fehlenden Nachweises ordnungsgemäßer Mittelverwendung und forderte sie auf, den mit der Kündigung fällig gestellten Gesamtbetrag von 379.684,56 € zu zahlen.
Mit Schreiben vom 13.11.2002 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie sie als Bürgin in Anspruch nehme. Unter dem 04.02./13.02.2003 schlossen die Parteien sodann eine Stundungsvereinbarung. Auf diese Stundungsvereinbarung leistete die Beklagte bis zum 01.12.2004 Ratenzahlungen. Mit Schreiben vom 09.03.2005 kündigte die Klägerin die Stundungsvereinbarung.
Im Übrigen wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil antragsgemäß zur Zahlung von 304.934,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 30.04.2008 verurteilt.
Es hat ausgeführt, die Klage sei zulässig; insbesondere sei das Landgericht Neuruppin international und örtlich zuständig. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich aus Art. 5 Nr. 1 EuGVVO. Der Erfüllungsort im Sinne dieser Regelung sei gemäß Art. 28 Abs. 2 EGBGB nach materiellem deutschen Recht und damit nach §§ 269, 270 BGB zu bestimmen. Bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages habe die Beklagte, die für den Bürgschaftsfall die charakteristische Leistung der Zahlung auf die Bürgenschuld zu erfüllen habe, ihren Wohnsitz in Deutschland gehabt.
Gemäß § 29 ZPO in Verbindung mit §§ 269, 270 Abs. 1 BGB sei das Landgericht Neuruppin auch örtlich zuständig.
Die Klage sei auch begründet. Der wirksame Bürgschaftsvertrag sei nicht gemäß § 138 BGB wegen anfänglicher Übersicherung unwirksam; die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit anfänglicher Übersicherung sei auf Bürgschaften nicht anwendbar.
Die Bürgschaftsverpflichtung entfalle auch nicht wegen Verstoßes gegen § 305 c BGB oder § 307 BGB wegen der weitgefassten formularmäßigen Zweckerklärung in der Bürgschaftsurkunde. Anlass der Bürgschaftserklärung sei das Darlehen an die RI… GmbH aufgrund des Vertrages vom 23./30.08.2001 gewesen. Dies sei der Beklagten auch bewusst gewesen, da sie als Bürgin neben der Bürgschaftserklärung am selben Tag auch den Darlehensvertrag unterschrieben habe.
Das Bestreiten der Höhe der gesicherten Darlehensforderung durch die Beklagte sei unbeachtlich. Die Auszahlung der Darlehensvaluta sei unstreitig. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Klägerin bei der Berechnung ihrer Forderung nicht sämtliche tatsächlich erbrachten Zahlungen oder Erlöse aufgrund anderer Sicherheiten berücksichtigt habe, obliege der Beklagten als Bürgin.
Die Bürgschaftsforderung sei nicht verjährt. Es könne offen bleiben, ob die Verjährung wegen der Stundungsvereinbarung vom 13.02.2003 gemäß § 205 BGB gehemmt worden sei oder gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB neu begonnen habe. Auch wenn man auf den auf der Grundlage der Stundungsvereinbarung erfolgten letzten Zahlungseingang vom 01.12.2004 abstelle, sei der Mahnbescheidsantrag am 02.11.2007 vor Ablauf der Verjährungsfrist eingegangen. Da die Zustellung des Mahnbescheides „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO erfolgt sei, sei für die Verjährung auf den Antragseingang abzustellen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren in vollem Umfang weiter verfolgt. Sie macht weiter geltend, das Landgericht Neuruppin sei international und örtlich nicht zuständig. Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 EuGVVO sei der Erfolgsort und damit die Niederlassung der Klägerin in P…. Für die örtliche Zuständigkeit sei nach der Rechtsprechung des BGH darauf abzustellen, dass die Zahlungspflicht eines Bürgen am Wohnsitz des Bürgen zu erfüllen sei. Wohnort der Bürgin sei aber L… in Spanien.
Das Landgericht habe auch die Verjährung der Bürgschaftsforderung unzutreffend beurteilt. Die Zustellung des Mahnbescheides sei nicht demnächst im Sinne des § 167 ZPO erfolgt, da eine Zustellung fast fünf Monate nach Fristablauf nicht mehr als „alsbald“ im Sinne des Gesetzes anzusehen sei.
Erstmals im Berufungsverfahren erhebt die Beklagte zusätzlich die Einrede der Verjährung der Hauptforderung.
Die Beklagte beantragt,
das am 10.11.2009 verkündete Urteil des Landgerichts Neuruppin zum Aktenzeichen 5 O 121/08 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts. Sie vertritt insbesondere die Auffassung, die Zustellung des Mahnbescheides sei mit Blick darauf, dass es sich um eine Zustellung im Ausland handele, demnächst im Sinne des § 167 ZPO erfolgt.
Sie vertritt die Auffassung, mit der erstmals im Berufungsverfahren erhobenen Einrede der Verjährung der Hauptforderung könne die Beklagte nicht mehr durchdringen, zumal es insoweit an erforderlichem Sachvortrag fehle. Im Übrigen sei das Berufen der Beklagten auf die Einrede der Verjährung der Hauptforderung im Hinblick auf die Stundungsvereinbarung vom 04.02.2003 treuwidrig. Sie behauptet, die RI… GmbH habe sich bei Abschluss der Stundungsvereinbarung vom 04.02.2003 nach Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse in Liquidation befunden. Den Parteien sei deshalb daran gelegen gewesen, mit der Stundungsvereinbarung eine abschließende Regelung zu treffen und nicht weitere Kosten dadurch zu produzieren, dass der Anspruch gegen die RI… GmbH i.L. tituliert werde.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin M… W…. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.07.2010 (Bl. 197 bis 199 d. A.) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg.
A. Das Landgericht hat allerdings die Zulässigkeit der Klage, insbesondere seine internationale Zuständigkeit, auf der Grundlage von Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO zu Recht bejaht.
Die EuGVVO ist sachlich anzuwenden, da es sich um eine Zivilsache handelt, die – wie Art. 22 Nr. 2 EuGVVO zu entnehmen ist – grundsätzlich unter die EuGVVO fällt. Die EuGVVO ist auch räumlich und persönlich anwendbar, denn sie gilt in den Mitgliedsstaaten der EU und damit sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in Spanien, wo die Beklagte inzwischen ihren Wohnsitz hat.
Es sind auch die Voraussetzungen des besonderen Gerichtsstands im Sinne des Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO erfüllt.
Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.
Bei der streitgegenständlichen Bürgschaft, die die Beklagte mit der Erklärung vom 30.08.2001 übernommen hat, handelt es sich um einen Vertrag zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger. Die Verpflichtung, nach der sich die Zuständigkeit gemäß Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO richtet, ist die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Bürgschaftsschuld.
Das Landgericht hat für die Bestimmung des Erfüllungsortes auch zu Recht auf das deutsche internationale Privatrecht als nach dem internationalem Privatrecht des angerufenen Gerichts zu bestimmendes nationales Recht abgestellt.
Anders als bei Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO, d.h. bei Bestimmung des Erfüllungsortes der Verpflichtung für den Kauf beweglicher Sachen und Dienstleistungen, ist der Begriff des Erfüllungsortes in den Fällen des Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO nicht übereinkommensautonom anhand der Zielsetzung und der Systematik der EuGVVO zu beantworten; es gilt vielmehr die vom EuGH bereits zur EuGVÜ entwickelte Rechtsprechung, die die lex fori als maßgeblich erachtet (zur EuGVÜ: BGH, Urteil vom 01.12.2005 – III ZR 191/03 – Rn. 23; zu Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO: OLG Stuttgart, Urteil vom 24.03.2004 – 14 U 21/03 – Rn. 43; zur Besonderheit des Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO: OLG Hamm, Urteil vom 06.12.2005 – 19 U 120/05 – Rn. 42; BGH, Urteil vom 02.03.2006 – IX ZR 15/05; zum Ganzen auch Zöller-Geimer, ZPO, 28. Aufl., Anhang I (EuGVVO), Art. 5 Rn. 1 a bis 2; Baumbach, u.a., ZPO, 66. Aufl., EuGVVO, Art. 5 Rn. 16).
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Rechtsprechung und Literatur zu Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO auch kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass Erfüllungsort im Sinne dieser Regelung immer der Erfolgsort sei. Im Übrigen wären auch bei einer Bestimmung der internationalen Zuständigkeit anhand des Erfolgsortes die deutschen Gerichte international zuständig, da nach dem eigenen Vortrag der Beklagten Erfolgsort für die Leistung der Beklagten auf die Bürgschaft der Sitz der Klägerin, für den streitgegenständlichen Fall deshalb der Sitz der Niederlassung der Klägerin in P…, wäre.
Ist dem gegenüber – wie ausgeführt – zunächst nach dem internationalen deutschen Privatrecht zu bestimmen, nach welchen nationalen Recht die Frage nach den Erfüllungsort zu beantworten ist, hat das das Landgericht zutreffend auf Art. 28 Abs. 1 und Abs. 2 EGBGB abgestellt. Danach unterliegt ein Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist, wobei vermutet wird, dass der Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Bei der Verpflichtung aus einem Bürgschaftsvertrag stellt die Leistung des Bürgen die charakteristische Leistung dar. Für die Bestimmung des Erfüllungsortes im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO ist deshalb das deutsche materielle Recht maßgebend, da die Beklagte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort unstreitig in V… und damit in der Bundesrepublik Deutschland hatte.
Dies bedeutet jedoch, dass der Erfüllungsort nach § 269 BGB zu bestimmen ist. Unerheblich ist insoweit, dass § 269 BGB seinem Wortlaut nach den „Leistungsort“ betrifft. Der Begriff des Leistungsortes und derjenige des Erfüllungsortes werden im Gesetz und in der juristischen Terminologie gleich gesetzt (vgl. dazu nur: Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 269 Rn. 1).
Da im Verhältnis zwischen den Parteien ein Ort für die Erfüllung der Bürgenverpflichtung der Beklagten nicht bestimmt ist, kann sich gemäß § 269 Abs. 1 BGB der Erfüllungsort lediglich entweder aus den Umständen, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses, oder aus der „Zweifelsregelung“ des § 269 Abs. 1 BGB ergeben.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist aber aufgrund der Umstände oder der Natur des Schuldverhältnisses kein Grund dafür ersichtlich, dass Erfüllungsort für die Bürgschaftsschuld der jeweilige Wohnsitz des Bürgen bzw. der Wohnsitz des Bürgen zum Zeitpunkt der Vornahme der Leistung oder zum Zeitpunkt der gerichtlichen Inanspruchnahme durch den Gläubiger sein könnte. Etwas anderes ergibt sich insbesondere auch nicht aus der von der Beklagten in Bezug genommenen Rechtsprechung des BGH. Der BGH hat sowohl in seinem Urteil vom 21.11.1996 (IX ZR 264/95 – Rn. 22) als auch – hier zwar nicht unmittelbar, gleichwohl jedoch mittelbar – in dem weiteren Urteil vom 09.03.1995 (IX ZR 134/94 – Rn. 13) ausgeführt, dass die Zahlungspflicht eines Bürgen am Wohnsitz des Bürgen zu erfüllen sei. Bereits aus Gründen der Rechtssicherheit kann dies allerdings nur bedeuten, dass der Erfüllungsort für die Zahlungsverpflichtung des Bürgen – sei es aufgrund der Natur des Schuldverhältnisses oder sei es aufgrund der Zweifelsregelung – gemäß § 269 BGB dahin zu bestimmen ist, dass die Leistung an dem Ort zu erfolgen hat, an dem der Bürge zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses, d.h. zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bürgschaftsvertrages, seinen Wohnsitz hatte. Dafür spricht insbesondere auch, dass der Gesetzgeber in § 269 BGB einerseits und § 270 BGB andererseits ausdrücklich zwischen den Leistungsort (= Erfüllungsort) und dem Zahlungsort unterscheidet.
Die Beklagte kann sich auch nicht mit dem Erfolg darauf berufen, das Landgericht habe zu Unrecht die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Neuruppin bejaht. Dieser Einwand der Beklagten ist gemäß § 513 Abs. 2 BGB im Berufungsverfahren bereits nicht zulässig.
B. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
1. Zwar hat das Landgericht die in der ersten Instanz geltend gemachten Einwendungen der Beklagten gegen den Anspruch der Klägerin aus § 765 BGB zu Recht sämtlich als unbegründet erachtet.
a) Es hat insbesondere mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass die Bedenken der Beklagten gegen die Wirksamkeit der Bürgschaft sowohl im Hinblick auf die anfängliche Übersicherung als auch unter dem Gesichtspunkt der weiten Zweckerklärung nicht durchgreifen. Ebenso hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass die erstinstanzliche Einwendung der Beklagten, die Klägerin habe bei der Berechnung der Forderung nicht sämtliche Zahlungen bzw. im Rahmen des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der RI… GmbH erhaltene Erlöse aus anderen Sicherheiten berücksichtigt, unerheblich ist, da insoweit die Darlegungs- und Beweislast auf Seiten der Beklagten liegt.
b) Entgegen der im Berufungsverfahren weiterhin vertretenen Auffassung ist die Bürgschaftsforderung auch nicht verjährt.
Auch insoweit ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die für die Bürgschaftsforderung gemäß § 195 BGB geltende dreijährige Verjährung infolge der Kündigung vom 18.10.2002 am 01.01.2003 begonnen hat.
Selbst wenn man mit der Auffassung der Beklagten darauf abstellt, dass die Verjährung aufgrund der unter dem 04.02./13.02.2003 getroffenen Stundungsvereinbarung nicht nur gemäß § 205 BGB gehemmt worden ist, sondern die im Rahmen der Stundungsvereinbarung durch die Beklagte geleisteten Ratenzahlungen jeweils zu einem Neubeginn der Verjährung gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB geführt hatten, hat die Verjährungsfrist infolge der letzten Ratenzahlung der Beklagten vom 01.12.2004 frühestens am 02.12.2007 geendet. Der Eintritt der Verjährung am 02.12.2007 ist jedoch gemäß §§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, 167 ZPO durch Einreichung des Mahnbescheidsantrages der Klägerin am 02.11.2007 rechtzeitig gehemmt worden. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der Zustellung des Mahnbescheides am 29.04.2008 – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – um eine „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO erfolgte Zustellung.
Für die Frage einer Rückwirkung der demnächstigen Zustellung im Sinne des § 167 ZPO darf nicht auf eine rein zeitliche Betrachtung abgestellt werden (vgl. nur: BGH, Urteil vom 12.07.2006 – IV ZR 23/07 – Rn. 13). Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs müssen vielmehr außer Betracht bleiben, weil derartige Verzögerungen außerhalb des Einflussbereichs der die Zustellung betreibenden Partei liegen. Der Partei sind nur Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter bei gewissenhafter Prozessführung hätten vermeiden können. Dies ist lediglich dann der Fall, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges, wenn auch nur leicht fahrlässiges, Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen haben (vgl. nur BGH, a.a.O., ebenso Urteil vom 09.11.1994 – VIII ZR 327/93 – Rn. 19).
Derartige zu vermeidende Verzögerungen können der Klägerin nicht zur Last gelegt werden.
So musste die Klägerin nicht etwa bereits mit dem Antrag auf Erlass des Mahnbescheides die Besonderheiten der verschiedenen Möglichkeiten einer Auslandszustellung beachten. Sie durfte vielmehr die mit Schreiben vom 27.12.2007 erfolgte Aufforderung des Mahngerichts abwarten, zwischen verschiedenen Möglichkeiten der Auslandszustellung auszuwählen. Diese Anfrage hat die Klägerin mit am 16.01.2008 beim Mahngericht eingegangenem Schreiben vom 14.01.2008 unter Berücksichtigung des zwischenzeitlichen Jahreswechsels rechtzeitig beantwortet.
Der weitere Verlauf bis zur erfolgreichen Zustellung an die Beklagte am 29.04.2008 ist sodann offensichtlich allein der erforderlichen Auslandszustellung geschuldet gewesen, so dass sich auch diese Verzögerung ebenfalls nicht zu Lasten der Klägerin auswirken kann.
Etwas anderes gilt auch nicht, weil die Anspruchsbegründung der Klägerin erst mit Schriftsatz vom 24.11.2008 erfolgt ist. Nachdem aus den bereits ausgeführten Gründen die Verjährungshemmung eingetreten war, ist es in der Folgezeit nicht zu einem Stillstand des Verfahrens im Sinne des § 204 Abs. 2 BGB gekommen, der zu einer Beendigung der Hemmung vor Eingang der Anspruchsbegründung geführt hätte.
c) Auf der Grundlage des Vortrages im Berufungsverfahren ist die Klage jedoch unbegründet, weil die Beklagte nunmehr zusätzlich die Einrede der Verjährung der Hauptforderung erhoben hat und diese Einrede durchgreift.
Gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Bürge die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Zu diesen Einreden gehört auch die Verjährung der Hauptschuld (vgl. nur: Palandt/Sprau, a.a.O., § 768 Rn. 6).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Beklagte mit der erstmals im Berufungsrechtszug erhobenen Verjährungseinrede nicht präkludiert. Die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede ist unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen, wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Parteien unstreitig sind (BGH, großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 23.06.2008 – GSZ 1/08). Diese Voraussetzungen liegen vor.
Es fehlt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an einem den Verjährungseintritt begründenden Sachvortrag der Beklagten. Die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände sind vielmehr, soweit sie von der Beklagten vorzutragen sind, bereits auf der Grundlage des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien unstreitig. Insbesondere ergibt sich bereits aus dem eigenen Vortrag der Klägerin, dass die Darlehensrückzahlungshauptforderung und damit die der Bürgschaftsforderung zugrunde liegende Hauptforderung aufgrund der Kündigung der Klägerin gegenüber der Hauptschuldnerin, der RI… GmbH, vom 18.10.2002 fällig geworden ist. Damit lagen aber auch die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB für den Beginn der Verjährung mit dem Zugang der Kündigung bei der Hauptschuldnerin vor. Dies hat zur Folge, dass die Verjährung der streitgegenständlichen Hauptforderung mit dem Schluss des Jahres 2002 begonnen und, da es sich um eine dreijährige Verjährung gemäß § 195 BGB handelt, mit Ablauf des 31.12.2005 geendet hat.
Tatsachen, die eine Hemmung oder einen Neubeginn dieser Verjährung begründen könnten, für die übrigen die Klägerin und nicht die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig wäre, sind nicht ersichtlich.
Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, ein Berufen der Beklagten auf die Einrede der Verjährung der Hauptschuldnerin sei gemäß § 242 BGB im Hinblick auf die zwischen der Klägerin und der Beklagten beschlossene Stundungsvereinbarung vom 04.02./13.02.2003 treuwidrig.
Zwar ist grundsätzlich eine rechtsmissbräuchliche Ausübung der Einrede der Verjährung denkbar, etwa wenn der Schuldner den Gläubiger durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Ergreifung verjährungshemmender Maßnahmen abgehalten oder nach objektiven Maßstäben zur Annahme veranlasst hat, sein Anspruch werde auch ohne Rechtsstreit erfüllt oder nur mit sachlichen Einwendungen bekämpft (vgl. nur BGH, Urteil vom 29.02.1996 – IX ZR 180/95 – Rn. 17).
Der Umstand, dass die Beklagte mit der Klägerin die Stundungsvereinbarung vom 04.02./13.02.2003 geschlossen und aufgrund dieser Vereinbarung in der Folgezeit Raten gezahlt hat, vermag diesen Treuwidrigkeitseinwand jedoch nicht zu begründen. Dem steht bereits entgegen, dass Ratenzahlungen der Beklagten aufgrund der Stundungsvereinbarung lediglich bis zum 01.12.2004 erfolgt sind und die Klägerin selbst das nachfolgende Ausbleiben von Ratenzahlungen unter dem 09.03.2005 zum Anlass genommen hat, die Stundungsvereinbarung zu kündigen. Die Stundungsvereinbarung, aufgrund derer die Klägerin auf eine Rückführung der Hauptforderung vertrauen konnte, war damit aber bereits deutlich vor dem Ablauf der Verjährung der Hauptforderung mit Ablauf des 31.12.2005 beendet.
Das Berufen der Beklagten auf die Einrede der Verjährung der Hauptforderung stellt sich auch nicht deshalb als treuwidrig dar, weil die Parteien – wie die Klägerin behauptet – im Zusammenhang mit der Stundungsvereinbarung vom 04.02./13.02.2003 angesichts einer Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der RI… mangels Masse übereingekommen wären, mit der Stundungsvereinbarung eine abschließende Regelung zu treffen und nicht weitere Kosten dadurch zu produzieren, dass der Anspruch gegen die RI… GmbH i.L. tituliert werde.
Die insoweit beweispflichtige Klägerin hat diese in das Wissen der Zeugin W… gestellte Behauptung nicht bewiesen.
Die Zeugin W… hat die Behauptung der Klägerin nicht bestätigt. Sie hat vielmehr als sowohl mit der Darlehensbewilligung als auch mit der späteren Sicherheitsverwertung befasste zuständige Sachbearbeiterin der Klägerin bekundet, dass sie Gespräche in Bezug auf die Verwertung der Höchstbetragsbürgschaften, die sowohl der Geschäftsführer der RI… GmbH und Ehemann der Beklagten als auch die Beklagte übernommen hatten, ausschließlich mit Herrn R… geführt habe. Insoweit ist bereits zweifelhaft, ob etwaige Erklärungen des Ehemannes der Klägerin, die in dem Wortlaut der schriftlichen Stundungsvereinbarung vom 04.02./ 13.02.2003, die mit der Beklagten getroffen worden ist, keinen Niederschlag gefunden haben, überhaupt zu Lasten der Beklagten wirken könnten. Zu der entscheidenden Behauptung der Klägerin, die Parteien seien dahin übereingekommen, mit der Stundungsvereinbarung eine abschließende Regelung zu treffen und nicht weitere Kosten dadurch zu produzieren, dass der Anspruch gegen die RI… GmbH i.L. tituliert werde, konnte die Zeugin darüber hinaus keinerlei Angaben machen. Sie bekundete vielmehr, bei den Gesprächen mit Herrn R… über die Stundungsvereinbarung sei es allein um die Verwertung der Bürgschaft(en) gegangen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 97 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Beklagten sind die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 97 Abs. 2 ZPO aufzuerlegen, da sie – wie ausgeführt – im Berufungsverfahren nur aufgrund der erstmals im Berufungsrechtszug erhobenen Einrede der Verjährung der Hauptforderung obsiegt, obwohl sie diese auch bereits in der ersten Instanz hätte geltend machen können.
Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 304.934,60 € festgesetzt.