Gericht | LG Frankfurt (Oder) 6. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 14.06.2011 | |
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Aktenzeichen | 6a T 38/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die §§ 111k, 111f Abs. 5 StPO normieren ein eigenständiges strafprozessuales Verfahren über die Herausgabe beschlagnahmter oder sichergestellter beweglicher Sachen mit eigenen Verfahrens- und Anfechtungsrechten der Beteiligten. Für eine einstweilige Verfügung eines Zivilgerichts, die in dieses Verfahren eingreift, ist kein Raum. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, wonach ein Beteiligter gegenüber der Staatsanwaltschaft auf die Herausgabe der Sache an sich verzichtet, fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 18.4.2011 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Streitwert: 3.065,00 €
I.
Die Parteien dieses Rechtsstreits streiten über die Herausgabe eines „Kompaktladers“, d.h. einer Baumaschine, die im Rahmen eines gegen den im hiesigen Rechtsstreit nicht beteiligten Herrn ... geführten Strafverfahrens beschlagnahmt worden war.
Der Beschuldigte hatte den Kompaktlader vom Antragsgegner unter Vorspiegelung falscher Tatsachen gemietet und dann – so die Behauptung des Antragstellers – an die Frau des Antragstellers über ebay verkauft und übereignet, die den Kompaktlader an den Antragsteller weiterveräußerte.
Die zuständige Staatsanwaltschaft Berlin hat angekündigt, den Kompaktlader gemäß § 111k StPO an den Antragsgegner herauszugeben und dem Antragssteller zugleich Gelegenheit zur Geltendmachung des Anspruchs vor dem zuständigen Zivilgericht, „z.B. durch eine einstweilige Verfügung“, gegeben.
Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt der Antragsteller, anzuordnen:
„Der Antragsgegner erklärt gegenüber der Staatsanwaltschaft Berlin als Geschädigter in dem Verfahren ..., dass er auf die Herausgabe des Kompaktladers ... mit der Fahrgestellnummer ... verzichtet.“
Der Antragsgegner wendet sich gegen die beantragte Verfügung, weil er meint, weiterhin Eigentümer des Kompaktladers zu sein.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig.
Das Ziel des Antragstellers, die Staatsanwaltschaft Berlin zur Herausgabe des Kompaktladers an ihn zu bewegen, kann der Antragsteller nicht mit der begehrten einstweiligen Verfügung erreichen. Denn die Frage, an wen eine beschlagnahmte Sache durch die Staatsanwaltschaft herauszugeben ist, ist nach Maßgabe der §§ 111k, 111f Abs. 5 StPO zu klären. Die Regelungen der §§ 111k, 111f Abs. 5 StPO sind abschließend und gegenüber den §§ 935, 940 ZPO spezieller.
Die §§ 111k, 111f Abs. 5 StPO begründen ein eigenständiges strafrechtliches Herausgabeverfahren, welches mit eigenen Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen sowie Beteiligungs- und Anfechtungsrechten ausgestattet ist. Im strafrechtlichen Verfahren sind die Staatsanwaltschaft, der Verletzte, der letzte Gewahrsamsinhaber sowie ggf. andere Dritte, soweit sie Ansprüche an dem herauszugebenden Gegenstand geltend machen, zu beteiligen. Der Bestimmung des § 111k S. 1 StPO, wonach die Herausgabe an den Verletzten erfolgen soll, liegt der Gedanke des Opferschutzes zugrunde, weil sich der Staat nicht an der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes beteiligen und dem Rechtsbrecher so die Früchte seiner Tat sichern darf (OLG Schleswig NStZ 1994, 99; OLG Hamm NStZ 1985, 376). Für die Frage, ob die Sache durch eine Straftat entzogen wurde, haben die Feststellungen eines bereits ergangenen Strafurteils ausreichenden Beweiswert (Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 111k Rn. 10 m.w.N.; vgl. BGHSt 43, 106). Sowohl die Staatsanwaltschaft, § 111k S. 3 StPO, als auch die Beteiligten, § 111k S. 2 StPO i.V.m. § 111f Abs. 5 StPO, können die Entscheidung des (Straf)Gerichts darüber einholen, an wen die Herausgabe zu erfolgen hat. Gegen die Entscheidung des Strafgerichts ist die einfache Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1, 2 StPO zulässig. Dabei dient die Entscheidung des Strafgerichts gemäß §§ 111k, 111f Abs. 5 StPO der vorläufigen Regelung des Besitzstandes an der beschlagnahmten Sache (Schäfer a.a.O. § 111k Rn. 23 m.w.N.; BayObLGSt 23, 20)
Gegenüber den dargestellten Verfahrensbestimmungen tritt das in §§ 935, 940 ZPO normierte zivilgerichtliche einstweilige Verfügungsverfahren in mehreren Punkten zurück: In dem zivilrechtlichen Verfahren ist nicht sichergestellt, dass alle Beteiligten im Sinne des § 111f Abs. 5 StPO überhaupt an dem Verfahren beteiligt sind; eine Beteiligung der Staatsanwaltschaft ist schon aus Rechtsgründen nicht möglich. Darüber hinaus kann das Zivilgericht nicht die inhaltliche Richtigkeit eines Strafurteils unterstellen, sondern muss dies ggf. eigenständig prüfen, da das im Zivilverfahren eingeführte Strafurteil als öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 ZPO nur die Tatsache der Verurteilung beweist, nicht jedoch die sachliche Richtigkeit der Urteilsgründe. Der in § 111k S. 1 StPO normierte Opferschutzgedanke findet in den relevanten Fragen des materiellen Zivilrechts allenfalls mittelbar Beachtung. Demgegenüber reicht die Wirkung einer einstweiligen Verfügung nicht über diejenige einer Entscheidung nach §§ 111k, 111f Abs. 5 StPO hinaus, weil wegen des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung auch nur eine vorläufige Regelung des Besitzstandes getroffen werden kann. Die Regelungen der §§ 111k, 111f Abs. 5, 304 Abs. 1, 2 StPO würden umgangen, wenn die Entscheidung der Staatsanwaltschaft bzw. der Strafgerichte über die Herausgabe durch einstweilige Verfügung eines Zivilgericht vorweggenommen würde. Es ist unklar, in welcher Weise die Staatsanwaltschaft bzw. die Strafgerichte durch eine – nur inter partes wirkende - einstweilige Verfügung gebunden wären. Schließlich bestünde die Möglichkeit divergierender Entscheidungen der nach §§ 111k, 111f Abs. 5, 304 Abs. 1, 2 StPO berufenen Strafgerichte und den für den Erlass der einstweiligen Verfügung berufenen Zivilgerichte.
Daraus folgt, dass die einstweilige Verfügung eines Zivilgerichts nicht dergestalt in ein laufendes Verfahren nach §§ 111k, 111f Abs. 5 StPO eingreifen darf, z.B. in Form der Verurteilung zur Abgabe einer Verzichtserklärung gegenüber der Staatsanwaltschaft, dass damit in die Verfahrensrechte eines Verfahrensbeteiligten beeinträchtigt würden. Die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung würde in unzulässiger Weise in das laufende strafrechtliche Herausgabeverfahren eingreifen. Für eine Entscheidung des Zivilgerichts besteht insoweit schon kein Bedarf. Die zivilrechtlichen Besitzansprüche der Beteiligten hat die Staatsanwaltschaft bzw. das Strafgericht in gleicher Weise zu prüfen, wie das Zivilgericht. Eine endgültige Regelung im Hinblick auf die rechtskräftige Feststellung des Eigentums bzw. eines Besitzrechtes kann in jedem Fall nur im Rahmen eines zivilgerichtlichen Hauptsacheverfahrens erfolgen.
Sofern vertreten wird, dass einem Dritten im Rahmen des Verfahrens nach §§ 111k, 111f Abs. 5 StPO eine (einmonatige) Frist zur gerichtlichen Geltendmachung, „z.B. durch einstweilige Verfügung“ zu setzen sei (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 111k Rn. 8, unter Hinweis auf Malitz, NStZ 2003, 64; OLG Schleswig NStZ 1994, 99), ist schon nicht ersichtlich, ob es nur auf die gerichtliche Geltendmachung oder auf die Erlangung eines entsprechenden Titels ankommen soll (für letzteres: Nack, in: KK, StPO, 6. Aufl., § 111k Rn. 6). Zudem bleibt offen, welchen Tenor ein solcher Titel haben könnte, ohne dass dieser in das laufende Verfahren nach §§ 111k, 111f Abs. 5 StPO in unzulässiger Weise eingreifen würde. Auf Nr. 75 Abs. 3 S. 2 RiStBV lässt sich die Ansicht nicht stützen; die Möglichkeit der „Bestimmung einer Frist zum Nachweis“ durch den Dritten bedeutet nicht, dass nunmehr die Besitzfrage im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zu klären wäre. Die Ansicht verkennt zudem, dass die einstweilige Verfügung eines Zivilgerichts – auf im Übrigen schlechterer Tatsachen- und Verfahrensgrundlage - auch nur eine vorläufige Regelung über den Besitzstand treffen und damit inhaltlich nicht über das hinausgehen kann, was bereits im Rahmen der §§ 111k, 111f Abs. 5 StPO entschieden werden muss.
Für eine einstweilige Verfügung besteht auch sonst kein Bedarf. Bei der in Rede stehenden Konstellation kommt eine Herausgabe an den durch Betrug Verletzten (hier der Antragsgegner) gemäß § 111k StPO in der Regel nicht in Betracht, weil mögliche Ansprüche des gutgläubigen Erwerbers (es reicht insoweit eine zweifelhafte Rechtslage; OLG Hamm NStZ-RR 2009, 376), nämlich solche des Antragstellers, bestehen (können). Soweit – wie hier - ein Fall des § 111k StPO nicht vorliegt, erfolgt die Herausgabe an den letzten Gewahrsamsinhaber (Schäfer a.a.O. § 111k Rn. 19; vgl. Meyer-Goßner a.a.O. § 111k Rn. 1; Nr. 75 Abs. 2 S. 1 RiStBV). Dies wäre im vorliegenden Fall der Antragsteller.
Über die Frage, ob der Antragsteller wirksam Eigentum erworben hat, ist weder im strafrechtlichen Herausgabeverfahren, noch im einstweiligen Verfügungsverfahren zu entscheiden, sondern nur in einem zivilrechtlichen Hauptsacheverfahren. Eine vorläufige Besitzstandsregelung durch das Strafgericht hindert den Dritten bzw. den Verletzten nicht, sein möglicherweise besseres Recht gegen den Anordnungsbesitzer zu verfolgen, an den die beschlagnahmte Sache herausgegeben worden ist (BGHZ 172, 278 m.w.N.)
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.