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Asylrecht - Eilverfahren


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 7. Kammer Entscheidungsdatum 31.08.2011
Aktenzeichen VG 7 L 235/11.A ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 27a AsylVfG, § 34a AsylVfG, Art 10 Abs 1 S 1 EGV 343/2003, Art 20 Abs 1a EGV 343/2003, Art 20 Abs 1c EGV 343/2003

Tenor

1. Dem Antragsteller wird mit Wirkung vom 26. August 2011 für das Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin XXX, XXX, beigeordnet.

2. Der Beschluss vom 12. April 2011 (VG 7 L 86/11.A) wird geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage VG 7 K 313/11.A gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. März 2011 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Gründe

1. Dem Antragsteller ist Prozesskostenhilfe zu gewähren, weil die wirtschaftlichen Voraussetzungen in seiner Person als Asylbewerber vorliegen und die Rechtsverfolgung aus den nachstehend unter 2. dargelegten Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

2. Der aus dem Tenor ersichtliche Antrag hat Erfolg.

Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 VwGO zulässig. Dabei kann offenbleiben, ob auch die Voraussetzungen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO mit Blick auf das vom Antragsteller vorgelegte Telefax des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 7. März 2011 gegeben sind, nachdem das Bundesamt seinerseits eine Auskunft der Liasionbeamtin in Rom vom 30. August 2011 zur Frage einer Weiterschiebung des Antragstellers von Italien nach Griechenland vorgelegt hat. Das Gericht nimmt den Abänderungsantrag jedenfalls zum Anlass, von Amts wegen von seinem Abänderungsrecht nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO Gebrauch zu machen.

Der Zulässigkeit des Antrags steht auch § 34 a Abs. 2 AsylVfG nicht entgegen. Der dort vorgesehene Ausschluss des Rechtswegs über § 80 VwGO gilt nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, soweit hier von Bedeutung, nur für den Fall der Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG), was hier nicht gegeben ist. Dies gilt umso mehr, als das BVerfG sogar im Falle der Anwendbarkeit des § 27 a AsylVfG Anlass für eine Untersuchung gesehen hat, ob und ggf. welche Vorgaben das Grundgesetz in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und Art. 16 a Abs. 2 Sätze 1 und 3 GG für die fachgerichtliche Prüfung der Grenzen des Konzepts der normativen Vergewisserung bei der Anwendung von § 34 a Abs. 2 AsylVfG trifft, wenn Gegenstand des Eilrechtsschutzantrags eine beabsichtigte Abschiebung in einen nach der VO (EG) Nr. 343/2003 – sog. Dublin II-VO – zuständigen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften ist (vgl. etwa BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Dezember 2009 – 2 BvR 2780/09 -, juris).

Der Antrag ist auch begründet. Die Voraussetzungen von § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i. V. m. § 27 a AsylVfG für eine Abschiebung des Antragstellers nach Italien liegen nicht vor, weil Italien für die Durchführung des Asylverfahrens nicht zuständig ist und der in der Bundesrepublik Deutschland gestellte Asylantrag jedenfalls aus den im Bescheid vom 16. März 2011 genannten Gründen nicht unzulässig ist.

Zuständig für die Bearbeitung des Asylgesuchs des Antragstellers ist nach derzeitigem Kenntnisstand Griechenland. Dies ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 der Dublin II-VO, da der Antragsteller nach seinen Angaben, die bislang nicht in Zweifel gezogen wurden, auf seinem Reiseweg aus einem Drittstaat (Türkei) kommend erstmals die Grenze eines Mitgliedstaates (Griechenland) illegal überschritten hat. An dieser Zuständigkeitsbestimmung ändert sich auch nichts mit Blick auf Art. 20 Abs. 1 Buchst. c) der Dublin II-VO. Zwar hat die Bundesrepublik Deutschland unter dem 22. Februar 2011 ein Übernahmeersuchen an Italien gerichtet, was innerhalb der gegebenen Frist von 14 Tagen nicht beantwortet wurde. Der Eintritt der Fiktionswirkung des Art. 20 Abs. 1 Buchst. c) der Dublin II-VO und damit der Begründung einer Zuständigkeit von Italien setzt aber voraus, dass in dem Wiederaufnahmegesuch Hinweise enthalten sind, aus denen der ersuchte Mitgliedstaat entnehmen kann, dass er zuständig ist (Art. 20 Abs. 1 Buchst. a) der Dublin II-VO). Dies kann sinnvoll nur dahin verstanden werden, dass die entsprechenden Hinweise richtig und vollständig sind.

An letzterem fehlte es in dem Wiederaufnahmegesuch vom 22. Februar 2011. Dort ist lediglich der, für sich genommen zutreffende Hinweis enthalten über den Treffer in der Eurodac-Datenbank betr. die Registrierung des Antragstellers in Italien, nicht jedoch der Hinweis auf den übrigen Reiseweg, insbesondere über die Ersteinreise in Griechenland. Dass die vollständige Angabe des Reisewegs zu den erforderlichen Angaben bei einem Wiederaufnahmegesuch gehört, zeigt das hierbei gemäß Art. 17 Abs. 3 Satz 2 der Dublin II-VO in Verbindung mit den hierzu erlassenen Durchführungsbestimmungen zu verwendende Formular; dieses weist eine Rubrik „Reiseweg“ aus, die im konkreten Fall des Antragstellers nicht ausgefüllt wurde. Damit war für die italienischen Behörden aus dem Wiederaufnahmegesuch nicht ersichtlich, dass Griechenland im vorliegenden Fall möglicherweise für die Bearbeitung des Asylgesuchs des Antragstellers zuständig ist.

Der vorstehenden Bewertung steht nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt des Wiederaufnahmegesuchs am 22. Februar 2011 der Antragsteller anlässlich seiner polizeilichen Erstvernehmung am 21. Februar 2011 selbst noch keine vollständigen Angaben zu seinem Reiseweg gemacht hatte, so dass die Angaben im Wiederaufnahmegesuch zu diesem Zeitpunkt noch dem Kenntnisstand des Bundesamtes entsprachen. Spätestens aber mit der Anhörung des Antragstellers am 2. März 2011 und den dort gemachten Angaben war dem Bundesamt deutlich, dass nach dem Reiseweg des Antragstellers eine Zuständigkeit Griechenlands für die Bearbeitung des Asylantrags zumindest ernsthaft in Betracht kam. Die Angaben im Wiederaufnahmegesuch hätten daher jedenfalls ergänzt werden müssen, da die Italien gesetzte Frist für die Beantwortung erst am 8. März 2011 ablief; möglicherweise kam hier auch eine Rücknahme des Wiederaufnahmegesuchs in Betracht. Liegt damit eine Verletzung der Obliegenheiten aus Art. 20 Abs. 1 Buchst. a) der Dublin II-VO vor, so kann die Fiktionswirkung des Art. 20 Abs. 1 Buchst. c) der Dublin II-VO nicht eingreifen (so auch Bay.VG Ansbach, Beschluss vom 9. März 2011 – AN 11 E 11.30089 -, n. v.; siehe auch Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Aufl. 2009, Anm. K 11 zu Art. 19).

Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass einer Abschiebung des Antragstellers nach Griechenland – ungeachtet des Umstandes, dass ein Austausch des Zielstaates im Bescheid vom 16. März 2011 rechtlich nicht möglich ist – der vom Bundesministerium des Innern verfügte befristete generelle Abschiebungsstopp von Drittstaatsangehörigen entgegensteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfg.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.