Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 12. Senat | Entscheidungsdatum | 26.08.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 12 N 85.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, § 6 Abs 3 StUG, § 6 Abs 4 StUG, § 6 Abs 8 StUG, § 16 Abs 5 StUG |
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das ihm am 20. September 2012 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5 000 EUR festgesetzt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat die auf die Herausgabe ungeschwärzter Ablichtungen aus den über den Kläger geführten Unterlagen des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (Staatssicherheitsdienst) gerichtete Klage abgewiesen, weil das Stasi-Unterlagen-Gesetz nur eine Herausgabe von Unterlagen erlaube, in denen personenbezogene Informationen über Betroffene und Dritte anonymisiert worden seien. Die ferner begehrte Bekanntgabe des Klarnamens eines inoffiziellen Mitarbeiters des Staatssicherheitsdienstes könne der Kläger nicht verlangen, weil das Stasi-Unterlagen-Gesetz einen solchen Anspruch nur Betroffenen und Dritten einräume, nicht aber dem Kläger als seinerzeitigem inoffiziellen Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes.
Die vom Kläger dagegen angeführten Zulassungsgründe liegen nicht vor:
1. Unter Zugrundelegung des allein maßgeblichen Zulassungsvorbringens bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat mit seinem Vorbringen einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Urteils nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt.
a) Mit dem Klageantrag, die Beklagte zu verpflichten, „ihm die Seiten 56, 87 und 88 der Akte BV Potsdam, Abteilung II Nr. 307 ungeschwärzt zur Verfügung zu stellen“, erstrebt der Kläger die Herausgabe von Kopien (vgl. die Schriftsätze des Klägers vom 15. Juni 2012, Seite 4 Absatz 2, und vom 19. November 2012, S. 2 Absatz 2) der genannten Blätter aus der über ihn geführten Akte des Staats-sicherheitsdienstes. Da die auf den Seiten 56, 87 und 88 der genannten Akte festgehaltenen Informationen über den Kläger als inoffizieller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes in die Akte aufgenommen wurden (§ 6 Abs. 4 Nr. 2 i. V. m. Abs. 8 StUG), ist einzig denkbare Anspruchsgrundlage für sein Begehren § 16 Abs. 5 StUG, nach dessen Satz 1 dem Mitarbeiter auf Antrag Duplikate der zu seiner Person geführten Unterlagen herauszugeben sind. Streitgegenständlich ist mithin (jedenfalls) nicht (mehr), ob der Kläger gegen die Beklagte weitergehende Einsichts- (§ 16 Abs. 3 StUG) oder Auskunftsrechte (§ 16 Abs. 1, 2 und 4 StUG) geltend machen kann. Zu der Ablehnung derartiger Ansprüche in der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung, namentlich zur Anwendbarkeit des § 12 Abs. 4 Satz 3 StUG, verhält sich der Zulassungsantrag folgerichtig nicht.
Nach § 16 Abs. 5 Satz 2 StUG sind in den an Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes herauszugebenden Duplikaten von Unterlagen die personenbezogenen Informationen über Betroffene und Dritte zu anonymisieren. „Betroffene“ in diesem Sinne sind gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 StUG Personen, zu denen der Staatssicherheitsdienst aufgrund zielgerichteter Informationserhebung oder Ausspähung einschließlich heimlicher Informationserhebung Informationen gesammelt hat. „Dritte“ im Sinne der Regelung sind nach § 6 Abs. 7 StUG Personen, über die der Staatssicherheitsdienst Informationen gesammelt hat und die weder Betroffene noch Mitarbeiter des Staatsicherheitsdienstes (oder ihnen Gleichgestellte, § 6 Abs. 5 StUG) noch Begünstigte sind.
Der Kläger hat auch mit dem Zulassungsantrag die Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht substantiiert in Frage gestellt, bei den geschwärzten Informationen in den genannten Aktenblättern handele es sich um personenbezogene Informationen über Betroffene oder Dritte. Dass die geschwärzten Passagen Informationen darüber erhalten, wie „der Kläger in Gesprächen mit Vertretern des MfS das Verhalten und Aussagen von dort namentlich benannten DDR-Führungsfunktionären kritisierte“ (S. 25 der Begründungsschrift), liegt angesichts des Inhaltes der nicht geschwärzten Passagen fern. Dies mag allenfalls hinsichtlich der im erstinstanzlichen Verfahren ursprünglich noch streitigen Schwärzungen auf Blatt 56 der Akte (oben und mittig) denkbar gewesen sein. Hinsichtlich der Passage: „Als Auftrag erhielt der IM, (…) sowie die ... einzuschätzen“ (Blatt 56 unten der Akte), ist nicht anzunehmen, dass ihm damit der Auftrag erteilt werden sollte, DDR-Führungsfunktionäre zu kritisieren; hinsichtlich der Passage: „Desweiteren berichtete er, daß der BRD-Bürger .... IM wurde beauftragt herauszuarbeiten, ob seitens des ... Kontaktversuche zum IM unternommen wurden und wie sich das Verhältnis zwischen der ... gestaltet“ (Bl. 87 f. der Akte), kann dies ausgeschlossen werden.
Stellt der Zulassungsantrag mithin nicht ernsthaft in Frage, dass es sich bei den geschwärzten Informationen um personenbezogene Informationen über Betroffene oder Dritte handelt, hatte die Beklagte diese Informationen gemäß § 16 Abs. 5 Satz 2 StUG zu schwärzen, ohne dass insoweit noch Raum für eine Interessenabwägung geblieben wäre. Für die vom Kläger insoweit als notwendig erachtete verfassungskonforme Auslegung der Norm besteht angesichts ihres eindeutigen Wortlauts ebenfalls kein Raum. Davon abgesehen gebieten die vom Kläger hierzu herangezogenen Rechte aus Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 4 GG, Art. 6 EMRK und Art. 14 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte einen Verzicht auf die von der Beklagten vorgenommenen Schwärzungen nicht. Dies gilt insbesondere auch für das mit dem Zulassungsantrag einzig vertiefte Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Dieses Grundrecht gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfGE 65, 1, 43). Es gewährt hingegen grundsätzlich keinen Anspruch darauf, personenbezogene Informationen über Dritte zu erlangen. Im hiesigen Fall streitet das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen und Dritten folglich für die Schwärzung der über sie in den Akten des Staatssicherheitsdienstes enthaltenen Informationen; es gewährt dem Kläger jedoch keinen Anspruch auf die Bekanntgabe dieser Informationen.
b) Der Kläger zeigt mit seinem Zulassungsvorbringen ernstliche Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung auch hinsichtlich der begehrten Offenlegung des Klarnamens zu dem inoffiziellen Mitarbeiter „... nicht auf.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sieht das Stasi-Unterlagen-Gesetz einen Anspruch auf die Entschlüsselung der Decknamen von Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes in § 13 Abs. 5 und 7 StUG nur für Betroffene und Dritte vor, nicht aber für andere Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes. Ebenso zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass der Kläger hinsichtlich der unter dem Decknamen „... verfassten Einschätzung des Staatssicherheitsdienstes vom 25. Oktober 1988 nicht als Betroffener anzusehen ist. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StUG sind Personen, zu denen der Staats-sicherheitsdienst zielgerichtet Informationen erhoben hat, nicht als Betroffene anzusehen, wenn es sich hierbei um Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes handelt und soweit die Sammlung der Informationen nur der Anbahnung und Werbung oder nur der Kontrolle ihrer Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst gedient hat. Dass dies hinsichtlich der genannten Einschätzung der Fall ist, stellt der Zulassungsantrag nicht in Abrede.
Der Kläger meint aber, diese auf einer Wertung beruhende gesetzliche Entscheidung sei nicht gerechtfertigt und halte einer rechtsstaatlichen Kontrolle nicht stand; das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewähre den Informationszugang „undifferenziert in Personen- oder Wertungsgruppen“ und gelte daher auch für ihn. Damit vermag er nicht durchzudringen. Der Gesetzgeber hat (späteren) Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes, über die dieser im Rahmen der Anbahnung gezielt Informationen gesammelt hat, bewusst den Status eines Betroffenen vorenthalten, hiervon aber die Personen ausgenommen, die anschließend nicht Mitarbeiter geworden sind (vgl. die Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu § 4 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzentwurfs, BT-Drucksache 12/1540 S. 11 und 58). Angesichts der somit auf der erklärten Absicht des Gesetzgebers beruhenden gesetzlichen Regelung besteht auch hinsichtlich der Entschlüsselung des genannten Decknamens für die vom Kläger verlangte „verfassungskonforme Anwendung dieser Vorschriften“ kein Raum. Sie wäre auch von Verfassungs wegen nicht geboten. Der Gesetzgeber hat Betroffenen und Dritten das Recht auf Entschlüsselung der Decknamen von Mitarbeitern des Staats-sicherheitsdienstes eingeräumt, weil er diese gegenüber jenen für grundsätzlich nicht schutzwürdig angesehen hat (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BTDrs. 12/723 S. 7 und 17). Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, dass er Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes untereinander ungeachtet des Grades ihrer jeweiligen Verstrickung einen solchen Anspruch auf Entschlüsselung von Decknamen nicht eingeräumt hat, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf. Den eingehenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den dem Gesetzgeber im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbleibenden Spielräumen tritt er nicht substantiiert entgegen. Angesichts dessen, dass das Stasi-Unterlagen-Gesetz sowohl (generell) in seinem § 6 Abs. 8 als auch (konkret) in § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 auf die Zielrichtung der jeweiligen Informationserhebung abstellt, ist daran auch nichts zu erinnern. Das vom Kläger auch insoweit geltend gemachte Recht auf informationelle Selbstbestimmung zielt, wie bereits ausgeführt wurde, auf den Schutz der personenbezogenen Daten des jeweiligen Grundrechtsträgers ab, gewährt dem Kläger aber keinen Anspruch auf Preisgabe des Klarnamens und mithin eines personenbezogenen Datums des Mitarbeiters des Staatsicherheitsdienstes.
2. Nach allem hat der Kläger auch besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht aufgezeigt. Die Rechtssache verursacht keine, das normale Maß erheblich überschreitende Fragestellungen, die sich nicht bereits im Zulassungsverfahren beantworten ließen. Insbesondere erscheint der Ausgang des Rechtsstreits angesichts des eindeutigen Wortlauts und der Genese der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen nicht als offen.
3. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wirft der Kläger weder mit dem Verweis auf die „fehlende Vielfalt maßgeblicher Rechtsprechung“ zu den „Rechtsfragen insbesondere zum Anwendungsbereich des Stasi-Unterlagengesetzes“ auf noch mit dem Hinweis auf das „Spannungsfeld der Überlappung rechtlicher und historischer Fragen zur Einordnung und Anwendbarkeit des Stasi-Unterlagengesetzes“.
4. Auch benennt er mit seinem Zulassungsvorbringen keine abstrakte Rechts- oder verallgemeinerungsfähige Tatsachenfrage, die das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat und hinsichtlich derer es von einer solchen Rechts- oder Tatsachenfrage eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte abgewichen ist. Der bloße Hinweis darauf, die „rein archivarische Sichtweise zum Stasi-Unterlagengesetz“ stehe im Widerspruch zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Oktober 2011 (OVG 10 S 33.11), der ein völlig anderer Sachverhalt zugrunde lag und bei dem andere als die hiesigen Rechtsfragen zu beantworten waren, genügt für die Darlegung einer Divergenz nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).