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Entscheidung OVG 3 S 93.11


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 30.08.2011
Aktenzeichen OVG 3 S 93.11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 6 GG, § 1626 Abs 1 BGB, § 1627 BGB, § 42 Abs 2 VwGO, § 123 Abs 1 VwGO, § 146 Abs 4 S 6 VwGO

Leitsatz

Ein Elternteil ist bei gemeinsamem Sorgerecht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf Verpflichtung der Schulbehörde zur Aufnahme des Kindes an einer bestimmten Schule nicht allein antragsbefugt.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. August 2011 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Der Antrag des Antragstellers wird verworfen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2 500 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Das Beschwerdevorbingen, das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Prüfungsgegenstand des Senats bestimmt, macht zu Recht darauf aufmerksam, dass der Antragsteller für den gerichtlichen Antrag auf vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Aufnahme seines Sohnes in die 7. Jahrgangsstufe des C… mit der ersten Fremdsprache Französisch nicht (allein) antragsbefugt ist.

Ein gerichtlicher Antrag nur eines Elternteils ist bei gemeinsamem Sorgerecht mangels Antragsbefugnis unzulässig. Denn das Elternrecht aus Art. 6 GG steht ungeachtet seines individualrechtlichen Charakters beiden Elternteilen in unteilbarer Verantwortung zur gemeinsamen Ausübung zu (vgl. auch §§ 1626 Abs. 1, 1627 BGB). Dies erfordert eine einvernehmliche Ausübung der elterlichen Befugnisse (vgl. OVG Saarlouis, Beschluss vom 21. August 1997 - 8 Y 12/97 -, juris Rn. 3, Rn. 5; OVG Lüneburg, Beschluss vom 29. Juni 1981 - 13 B 27/81 -, NVwZ 1982, 321; OVG Münster, Urteil vom 5. Juli 1974 - XV A 1150/71 -, DVBl. 1975, 443; VG Aachen, Beschluss vom 17. August 2006 - 9 L 429.06 -, juris Rn. 4; für materiell-rechtlich notwendige Streitgenossenschaft: Bier, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Mai 2010, § 64 Rn. 17) nicht nur hinsichtlich der - vom Antragsteller angeführten - gemeinsamen Anmeldung des Kindes am C…, sondern auch bezüglich der Führung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zur Durchsetzung des dafür gehaltenen Aufnahmeanspruchs. Daran fehlt es.

Der Antragsteller hat erklärt, die Kindesmutter habe keine Einwände gegen seine Absicht erhoben, gegen die Ablehnung (der Aufnahme des gemeinsamen Sohnes an der Wunschschule) nach Prüfung der Begründung der Schulbehörde vorzugehen. Sie habe aber mit dem Verfahren und vor allem möglichen Kosten nicht befasst und diesbezüglich auch nicht belangt werden wollen. Diese Angaben sind - trotz erstinstanzlicher Aufforderung - schon nicht glaubhaft gemacht worden. Zudem ergibt sich daraus nicht, dass die Kindesmutter über das mit ihrer Unterschrift unter die Schüleranmeldung zum Ausdruck gekommene Einverständnis mit der Anmeldung des gemeinsamen Sohnes an der Wunschschule hinaus Antragstellerin sein soll oder den in der alleinigen Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes durch den Antragsteller begründeten Mangel durch ihr nachträgliches Einverständnis (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O.) geheilt hat. Vielmehr hat sie hiernach bekundet, die Entscheidung des Antragsgegners (nur) zur Kenntnis zu nehmen.

Der Antragsgegner hat seinerseits darauf hingewiesen, die Kindesmutter habe am 12. August 2011 gegenüber dem Schulamt mitgeteilt, sie wolle nicht, dass ihr Sohn am C… beschult werde. Dass dies die letzte Äußerung der Kindesmutter sei, zieht die Beschwerde mit ihrem Schriftsatz vom 26. August 2011 nicht in Zweifel, sondern verweist nur darauf, bei einem vorhergehenden Treffen der Kindeseltern habe sie dem Besuch des C… (noch) zugestimmt.

Soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, die Frage der Zustimmung der Kindesmutter zur Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes stelle sich erst bei Prüfung der Begründetheit des einstweiligen Rechtsschutzantrags, ein Elternteil könne auch allein in zulässiger Weise gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen, da es durch die Versagung in seinem Elternrecht verletzt werde, berücksichtigt diese Auffassung nicht, dass das Elternrecht schon in prozessualer Hinsicht (§ 42 Abs. 2 VwGO entsprechend) unteilbar ist. Dabei kann auf sich beruhen, in welchem Umfang ein Elternteil bei der Abwehr einer Verletzung des Elternrechts durch eigenmächtige Vorgehensweise des anderen Elternteils (allein) antragsbefugt sein kann (vgl. hierzu OVG Münster, a.a.O., Rn. 2). Denn ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).