Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 18. Senat | Entscheidungsdatum | 10.04.2017 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | L 18 AL 87/16 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 91 Abs 2 SGB 3 |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. März 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Streitig ist, ob ein bewilligter Eingliederungszuschuss (EGZ) wegen aufgrund der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns erhöhter Entgeltzahlungen anzupassen ist.
Der Kläger ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein und unterhält verschiedene soziale Einrichtungen. Auf die Satzung des Klägers wird Bezug genommen. Die Beklagte hatte dem Kläger für die Einstellung der Arbeitnehmerin (AN) R K zum 1. Januar 2014 (wöchentliche Arbeitszeit 27,5 Stunden; mtl Bruttoentgelt 777,17 €) antragsgemäß einen EGZ für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2016 iHv 70 vH des berücksichtigten Arbeitsentgelts von 777,17 sowie des Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag iHv 155,43 € mtl, insgesamt also 652,82 € mtl, bewilligt (Bescheid vom 19. Februar 2014); für die Zeit ab 1. Januar 2016 verringere sich der Zuschuss auf mtl 559,56 €.
Im November 2014 beantragte der Kläger eine Erhöhung des EGZ mWv 1. Januar 2015, weil er aufgrund der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes der AN nunmehr ein mtl Arbeitsentgelt iHv 1.016,30 € zu zahlen habe. Die Beklagte lehnte dies unter Verweis auf § 91 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) mit Bescheid vom 3. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2015 ab. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Gewährung eines höheren EGZ für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2016 unter Zugrundelegung des mWv 1. Januar 2015 tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 8. März 2016). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Eine – nachträgliche - Erhöhung des bestandskräftig bewilligten EGZ aufgrund der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns sei gesetzlich nicht möglich, wie sich aus § 91 Abs. 2 SGB III ergebe. Ein Verfassungsverstoß sei insoweit nicht erkennbar. Das Gesetz zur Einführung des Mindestlohns sei erst am 16. August 2014 in Kraft getreten. Eine rechtserhebliche Änderung für den hier in Rede stehenden und bereits bewilligten EGZ iSv § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) sei hierin nicht zu sehen. Lediglich für den Fall der Entgeltverringerung komme gemäß § 91 Abs. 2 Satz 2 SGB III eine Änderung der bewilligten Festbeträge in Betracht.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und macht im Wesentlichen verfassungsrechtliche Erwägungen, namentlich einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG), geltend. Auf die Schriftsätze, zuletzt vom 6. März 2017, wird verwiesen.
Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. März 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Änderung des Bescheides vom 19. Februar 2014 für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2016 einen Eingliederungszuschuss unter Berücksichtigung des insoweit tatsächlich erzielten Einkommens der Arbeitnehmerin K zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung des Klägers durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl. § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat – unter Änderung des EGZ-Bewilligungsbescheides vom 19. Februar 2014 - gegen die Beklagte für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2016 keinen Anspruch auf Gewährung eines höheren EGZ unter Zugrundelegung des für den genannten Zeitraum aufgrund der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns erhöhten mtl Bruttoentgelts der AN K.
Einzig in Betracht kommende Rechtsgrundlage hierfür wäre § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB X, wonach bei Eintritt einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des EGZ-Bewilligungsbescheides vorgelegen haben, der Verwaltungsakt mW für die Zukunft aufzuheben ist und mWv Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden soll, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Wie das SG zutreffend erkannt hat, lag hier indes eine wesentliche iS einer rechtserheblichen Änderung durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2015 (vgl das am 16. August 2014 in Kraft getretene Mindestlohngesetz - BGBl I S 1348 – und dort § 1 Abs. 2) in Bezug auf die Bewilligung des EGZ nicht vor. Denn § 91 Abs. 2 Satz 1 SGB III regelt, dass der EGZ zu Beginn der Maßnahme in monatlichen „Festbeträgen für die Förderdauer“ festgelegt wird, was in dem verlautbarten, die Beteiligten und das Gericht bindenden (vgl § 77 SGG) Bewilligungsbescheid vom 19. Februar 2014 der Fall war. In Satz 2 der Vorschrift ist zudem geregelt, dass die monatlichen Festbeträge (nur) vermindert werden, wenn sich das zu berücksichtigende Arbeitsentgelt verringert. Im Falle einer Erhöhung kommt indes nach der klaren gesetzlichen Regelung eine Anpassung nicht in Betracht (vgl Brandts/Brand, SGB III, 6. Aufl § 91 Rn 10 mwN).
Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen und auch in Bezug auf die von dem Kläger geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken, die er nicht teilt, auf die ausführliche Begründung des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG analog). Abschließend sei lediglich die Anmerkung erlaubt, weshalb der Kläger, der darauf verweist, dass bereits Anfang 2014 bekannt gewesen sei, dass zu Beginn des Jahres 2015 der gesetzliche Mindestlohn eingeführt werde, und der ausdrücklich und wiederholt – und im Übrigen zu Recht - auf das gesetzliche Benachteiligungsverbot für Menschen mit Behinderung rekurriert, seiner besonders betroffenen schwerbehinderten AN diesen Mindestlohn nicht bereits vom Einstellungstag an gezahlt hat, sondern ein deutlich darunter liegendes Entgelt von knapp 7,- €/Stunde.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.