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Entscheidung 27 Ns 73/16


Metadaten

Gericht LG Potsdam 7. Kleine Strafkammer Entscheidungsdatum 21.02.2017
Aktenzeichen 27 Ns 73/16 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgericht Zossen vom 28. Juli 2016 aufgehoben.

Der Angeklagte Wu. wird wegen Beleidigung und wegen Volksverhetzung zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40,00 Euro verurteilt.

Der Angeklagte Wa. wird wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 40,00 Euro verurteilt.

Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

(abgekürzt gemäß §§ 332, 267 Abs. 4 StPO)

I.

Das Amtsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung den Angeklagten Wu. der Beleidigung schuldig gesprochen und ihn zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 35,00 Euro verurteilt. Im Übrigen wurde der Angeklagte Wu. freigesprochen. Der Angeklagte Wa. wurde ebenfalls freigesprochen. Der Angeklagte Wu. hatte die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen, soweit er verurteilt wurde; im Übrigen sollten die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last fallen.

Das Amtsgericht hatte die Anklage der Staatsanwaltschaft vom 12. März 2015 mit Beschluss vom 5. Mai 2015 aus Rechtsgründen nur wegen des Vorwurfs der Beleidigung gegen den Angeklagten Wu. zur Hauptverhandlung zugelassen und die Eröffnung des Verfahrens im Übrigen abgelehnt. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hatte die Beschwerdekammer des Landgerichts Potsdam mit Beschluss vom 21. August 2015 wegen des hinreichenden Tatverdachts der Volksverhetzung das Hauptverfahren beim Strafrichter des Amtsgerichts Zossen eröffnet und im Eröffnungsbeschluss die der Rechtsauffassung des Amtsgerichts entgegengesetzte rechtliche Würdigung vorgenommen.

Die Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil mit Schriftsatz, der am 1. August 2016 bei Gericht eingegangen ist, Berufung eingelegt. Das Rechtsmittel hatte den im Tenor aufgezeichneten Erfolg.

II.

Zur Person der Angeklagten hat die Kammer folgendes festgestellt:

1. Der Angeklagte Wu., 34 Jahre alt, ist gelernter Maler und Lackierer und seit sechs Jahren bei der Firma X… GmbH in Ludwigsfelde als Lagerarbeiter angestellt. Er verdient etwa 1.200,00 Euro im Monat und hat keine Unterhaltsverpflichtungen.

Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.

2. Der Angeklagte Wa., 25 Jahre alt, ist seit 2010 beim Logistikunternehmen Y in G. als Fachlagerist angestellt und verdient monatlich etwa 1.300,00 Euro. Er hat keine Unterhaltsverpflichtungen.

Der Angeklagte fungiert als Cotrainer beim Fußballverein VfB Z.

Der Angeklagte Wa. ist vorbestraft. Das Bundeszentralregister zeigt zwei Eintragungen:

-Wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln sah die Staatsanwaltschaft Potsdam am 23. Januar 2012 gemäß § 45 Abs. 1 JGG von der Verfolgung ab.
-Mit Urteil vom 18. September 2012 sprach das Amtsgericht Zossen wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten aus und setzte die Strafvollstreckung bis zum 18. Juni 2015 zur Bewährung aus. Die Strafe ist mittlerweile erlassen worden.

III.

Zur Sache hat die Kammer die folgenden Feststellungen getroffen:

Am 5. April 2014 von 15.00 Uhr an fand in der Fußball-Landesliga Nord ein Punktspiel zwischen dem Ludwigsfelder FC und dem SC Oberhavel Velten statt. Der Ludwigsfelder FC hatte den SC Oberhavel Velten im Ludwigsfelder Waldstadion zu Gast. Das Spiel war als Sicherheitsspiel eingestuft, denn schon im Hinspiel in Velten waren Fans des Ludwigsfelder FC unangenehm aufgefallen. Etwa 160 bis 180 Zuschauer besuchten das Spiel. Im Block der Ludwigsfelder Fans standen auch die beiden Angeklagten. Der Angeklagte Wu. war angetrunken.

Entgegen der Erwartung der Ludwigsfelder Fans führten die Gäste bereits nach wenigen Minuten. Das Tor hatte der dunkelhäutige Veltener Spieler Iheb Ben A. geschossen. Bei seinem Einwurf in der 10. Minute imitierten der Angeklagte Wu. und andere Ludwigsfelder Zuschauer Affenlaute und Grunzen. Ben A. fühlte sich dadurch gekränkt und in seiner persönlichen Ehre herabgewürdigt. Er stellte am 30. April 2014 Strafantrag wegen Beleidigung.

Das Spiel wurde vom Schiedsrichter unterbrochen und die Zuschauer vom Stadionsprecher ermahnt. In der 88. Minute – der SC Velten führte 4:0 – sangen die Angeklagten und weitere Ludwigsfelder Zuschauer ein Lied mit dem Text „Wir bauen eine U-Bahn, eine U-Bahn, eine U-Bahn bauen wir von Velten bis nach Auschwitz!“ Das Lied war deutlich vernehmbar und sein Text dazu geeignet, das politische Klima zu vergiften und den öffentlichen Frieden zu stören, was von den Sängern auch beabsichtigt war.

Der Ludwigsfelder FC wurde wegen dieser Vorfälle vom Deutschen Fußballbund mit einer Geldstrafe von 300,00 € belegt. Vom Angeklagten Wu. forderte der Verein eine Zahlung von 135.- als Ausgleich. Beide Angeklagte wurden mit einem Stadionverbot für ein Jahr belegt; das Verbot wurde jedoch nur gegen den Angeklagten Wu. durchgesetzt und gegen den Angeklagten Wa. bereits nach kurzer Zeit aufgehoben.

IV.

Rechtliche Würdigung

1. Der Angeklagte Wu. hat sich damit wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB strafbar gemacht, da das Imitieren von Affengeräuschen den dunkelhäutigen Verletzten einem Tier gleichstellte und damit geeignet war, ihn in seiner persönlichen Ehre herabzuwürdigen. Der Strafantrag ist rechtzeitig gestellt worden.

2. Beide Angeklagte haben sich – entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts – durch Absingen des Liedes „Wir bauen eine U-Bahn … von Velten bis nach Auschwitz!“ wegen Volksverhetzung im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB in der Form des Verharmlosens des unter nationalsozialistischer Herrschaft in Auschwitz begangenen Völkermordes strafbar gemacht.

Nach dem Inhalt des abgesungenen Liedes wird der gegnerischen Mannschaft und ihren Fans der Transport „nach Auschwitz“ angedroht. „Auschwitz“ bedeutet in diesem Zusammenhang das Synonym für die systematische Ausrottung von Millionen von Menschen unter nationalsozialistischer Herrschaft. Von dieser nationalsozialistischen Ausrottungspolitik waren Menschen betroffen, die als „Untermenschen“ nach der nationalsozialistischen Ideologie der Vernichtung anheim fallen sollten. Im hier vorliegenden Fall wird also dem sportlichen Gegner und dessen Anhängern das gleiche Schicksal in Aussicht gestellt wie den in Auschwitz Ermordeten. Dass am Ende eines Fußballspiels die Deportation und Vernichtung des sportlichen Gegners stattfinden soll, relativiert und bagatellisiert durch das groteske Ungleichgewicht zwischen einer sportlichen Auseinandersetzung und dem organisierten Massenmord den in Auschwitz begangenen Völkermord (wie hier: OLG Hamm, 1. Strafsenat, Beschluss vom 1. Oktober 2015, III-1RVs 76/15, zitiert nach juris; OLG Braunschweig, StraFo 2007, 212; LG Cottbus, Beschluss vom 26. Februar 2009, 24 Qs 411/08, zitiert nach juris). Daran ändert auch nichts der Umstand, dass es sich lediglich um einen fiktiven Bezug handelt, da ein solches Schicksal den sportlichen Gegner nicht ernsthaft treffen sollte.

Dass dieser Gesang geeignet war, den öffentlichen Frieden zu stören, bedarf angesichts der Auseinandersetzung auf dem Fußballplatz in einem Sicherheitsspiel keiner näheren Erörterung.

V.

Strafzumessung

Der Angeklagte Wu. war aus dem Strafrahmen des § 185 StGB zu bestrafen und beide Angeklagte aus dem Strafrahmen des § 130 Abs. 3 StGB.

1. Beim Angeklagten Wu. war bei beiden Straftaten strafmildernd zu berücksichtigen, dass er nicht vorbestraft ist und geständig war. Zu seinen Gunsten war zu würdigen, dass er alkoholisch enthemmt und durch den gruppendynamischen Einfluss der Fangruppe zusätzlich angestachelt war. Bei der Beleidigung war strafschärfend die Öffentlichkeit zu berücksichtigen, in der die Beleidigung geäußert wurde. Zu seinen Ungunsten hat die Kammer den Betrag gewertet, den der Verein als Strafe an den DFB zahlen musste, wobei dieser Strafschärfungsgrund dadurch als relativiert angesehen wurde, dass der Angeklagte einen Teil der Strafe selbst zu tragen hatte. Auch das gegen den Angeklagten verhängte Stadionverbot wirkte sich strafmildernd aus.

Eine Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen zu je 40,00 € zur Ahndung der Beleidigung und eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40,00 € zur Ahndung der Volksverhetzung erschienen tat- und schuldangemessen.

Bei der Bildung der Gesamtstrafe hat das Gericht den Zusammenhang beider Straftaten im Rahmen des Fußballspiels und das Geständnis des Angeklagten zu seinen Gunsten berücksichtigt und weiter strafmildernd bewertet, dass der Angeklagte nicht vorbestraft war.

Eine

Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40,00 €

erschien tat- und schuldangemessen und dem Einkommen des Angeklagten angepasst.

2. Beim Angeklagten Wa. hat die Kammer strafmildernd die Beeinflussung des Angeklagten durch die gruppendynamische Situation bewertet. Auch bei ihm fiel zu seinen Ungunsten die Zahlung seines Vereins an den DFB ins Gewicht. Insbesondere wirkte sich strafschärfend aus, dass der Angeklagte zumindest nicht verhindert hat, dass fünf seiner Freunde in der Hauptverhandlung wahrheitswidrig bekundet haben, er sei nicht unter den Sängern gewesen, und damit zu seinen Gunsten vor Gericht falsch ausgesagt haben. Auch seine Vorstrafen fielen zu seinen Ungunsten ins Gewicht.

Die Kammer sah eine

Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 40,00 €

als tat- und schuldangemessen an.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 473, 465 StPO.