Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung L 2 U 2/10


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 2. Senat Entscheidungsdatum 19.01.2012
Aktenzeichen L 2 U 2/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen Nr 4302 BK

Leitsatz

Mechanische Irritationen der Atemwege durch Stäube von Bauschutt stellen keine chemisch-irritative oder toxisch wirkende Einwirkung i.S. der BK 4302 dar.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. August 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung der Berufskrankheit (BK) 4302 („durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung“) der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). Den Antrag auf Anerkennung der BK 4301 („durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung“) hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 17. August 2009 zurückgenommen.

Der am 1961 geborene Kläger arbeitete zunächst von 1976 bis zum 31. Dezember 1986 als Gas-Wasser-Installateur. Vom 1. Januar 1987 bis zum 31. August 1996 war er als Feuerwerker in einer Bauschuttumschlaganlage tätig. Seit 1. September 1996 bezieht er eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Im August 1991 meldeten die Ärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. L sowie der Arbeitgeber des Klägers der Beklagten den Verdacht auf das Vorliegen einer BK 4302. Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes vom 7. September 1992 (Messung am 19. Juni 1992) ein, der unter anderem ausführte, auf der Bauschuttumschlaganlage würden die Fahrzeuge mit dem Bauschutt zunächst durch eine Wasserstraße geschickt, damit der Bauschutt benetzt werde. Anschließend würden auf dem Bauschuttumschlagplatz der Lkw und die Anhänger abgekippt. Beim Abkippen des Bauschutts komme es zu einer recht großen Staubentwicklung. Der Kläger müsse sich direkt im Bereich des Fahrzeuges aufhalten, um seiner Aufgabe gerecht zu werden. Er sei damit unmittelbar dem Staub ausgesetzt. Auch im weiteren Arbeitsgang sei eine starke Staubentwicklung zu beobachten, der der Kläger abhängig von der Windrichtung mehr oder weniger ausgesetzt sei. Es seien eine Feinstaubmessung sowie eine Gesamtstaubmessung durchgeführt worden. Die Feinstaubmessung habe einen Messwert von 2,85 mg/m³ ergeben. Der zulässige MAK-Wert betrage 6 mg/m³. Da das Messgerät in einiger Entfernung von den Fahrzeugen habe aufgestellt werden müssen, könne davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Staubbelastung noch über dem gemessenen Wert liege, da sich der Kläger direkt im Bereich des Fahrzeuges habe aufhalten müssen und somit einer größeren Staubbelastung ausgesetzt gewesen sei. Die Gesamtstaubmessung, mit deren Hilfe habe ermittelt werden sollen, ob sich Metalle in dem Staub auf der Bauschuttumschlaganlage befunden hätten, habe keine Überschreitung der zulässigen MAK- bzw. TRK-Werte ergeben. Bei den meisten Metallen sei ein Wert unterhalb der Nachweisgrenze festgestellt worden. Die ermittelten Werte, die über der Nachweisgrenze gelegen hätten, hätten eindeutig die so genannte Auslöseschwelle unterschritten, so dass hier keine Gefahren für die Gesundheit zu erwarten seien. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeit des Klägers auf der Bauschuttumschlagsanlage geeignet sei, zu einer Erkrankung der Atemwege zu führen.

Das um eine Stellungnahme gebetene Landesinstituts für Arbeitsmedizin veranlasste die Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Innere Medizin – Teilgebiet Lungen- und Bronchialheilkunde - Prof. Dr. H, der in seinem Gutachten vom 15. Januar unter anderem ausführte, der Kläger sei als Aufseher auf einem Schuttabladeplatz tätig. Beim Abladen von Bauschutt komme es zu Staubentwicklungen, die Hustenanfälle bewirken würden. Bei diesem Husten würden manchmal auch Schmerzen hinter dem Brustbein und Luftnot auftreten. Der Husten könne mit Auswurf vergesellschaftet sein. An den Wochenenden und in den Ferien klinge diese Symptomatik ab. Am Wochenanfang, nach Aufnahme der Tätigkeit, nähme sie wieder deutlich zu. Seit Schutzmasken angelegt würden, habe sich ein deutlicher Rückgang in der täglich auftretenden Symptomatik ergeben. In den atemmechanischen Untersuchungen habe eine geringe Obstruktion der Atemwege festgestellt werden können, die pharmakologisch fast voll reversibel sei. Diese Reversibilität und das Ergebnis der außerhalb durchgeführten, unspezifischen bronchialen Histamin-Provokation würden ohne jeden Zweifel das Vorliegen eines überempfindlichen Atemwegssystems belegen. Eine Lungenüberblähung bestehe nicht. Die Befunde der Allergentestungen würden auf eine Atopie deuten. Angesichts des Nachweises eines hyperreagiblen Atemwegssystems könnten unspezifische physikalische und chemische Reize in der Lage sein, die angegebene Symptomatik zu bewirken. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass die geklagten Beschwerden und die erhobenen Befunde in Übereinstimmung stünden. Es könne, da Voruntersuchungen fehlen würden, nicht davon ausgegangen werden, dass die nachgewiesene geringe Obstruktion der Atemwege und die nachgewiesene erhöhte Überempfindlichkeit des Atemwegssystems auf die Schadstoffbelastung am Arbeitsplatz zwingend zurückzuführen seien. Es könne jedoch davon ausgegangen werden, dass die beschriebene Symptomatik unbestritten als eine Folge der Staubbelastung der Einatemluft angesehen werden müsse. Inwieweit eine vorbestehende Überempfindlichkeit des Atemwegssystems oder auch schon vorbestehende geringe Obstruktion durch diese Schadstoffbelastung verschlimmert worden sei, könne nicht beantwortet werden. In der Gesamtbetrachtung müsse eine BK 4301 angenommen werden.

Nachdem die Landesgewerbeärztin Dr. P mit Schreiben vom 19. März 1993 das Vorliegen einer BK 4301 verneint hatte, veranlasste die Beklagte die Begutachtung des Klägers durch den Leiter des Instituts für Arbeitsmedizin der F U B Prof. Dr. Sch, der unter dem 25. Mai 1993 unter anderem ausführte, eine BK 4301 liege nicht vor. Der Verdacht auf eine derartige Berufskrankheit sei nicht begründet. Es komme lediglich zu einer mechanischen Reizung. Er rege jedoch eine personbezogene Emissionsmessung an.

Mit Bescheid vom 23. August 1993 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer obstruktiven Atemwegserkrankung als BK 4301 ab. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 11. April 1994 fand die von dem Gutachter Prof. Dr. Sch angeregte personenbezogene Emissionsmessung statt. Im Ergebnis wurde an diesem Tag eine Feinstaubkonzentration von weniger als 0,42 mg/m³ gemessen. Weiter führte der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten aus, eine Analyse einer repräsentativen Stichprobe der Stäube, denen der Kläger ausgesetzt gewesen sei oder noch sei, sei nicht möglich. Zum einen sei der Durchsatz an Baustoffen gegenüber früheren Jahren erheblich zurückgegangen, zum anderen sei der Bauschutt sehr unterschiedlich zusammengesetzt. Die jetzige Messung sei an einem sonnigen, zeitweise bewölkten Tag durchgeführt worden.

Im Juni 2005 beantragte der Kläger erneut die Anerkennung einer BK 4301 bzw. 4302. Die Beklagte holte daraufhin weitere Stellungnahmen ihres Technischen Aufsichtsdienstes vom 1. Februar 2006, vom 7. September 2006, vom 25. Juli 2007 sowie vom 28. August 2007 ein, der unter anderem ausführte, Bauschutt bestehe im allgemeinen aus mineralischen Stoffen wie Steinen, Mauerwerk, Mörtel und Beton, dessen Stäube silikogene Anteile aufweise. Ob die Holzanteile im Bauschutt ausreichend gewesen seien, um eine Erkrankung im Sinne einer BK 4301 auslösen zu können, könne nicht eingeschätzt werden und sei eher unwahrscheinlich. Das Vorhandensein chemisch-irritativ bzw. toxisch wirkender Stoffe im Sinne einer BK 4302 im Bauschutt könne ausgeschlossen werden. Eine Rückfrage bei der Bau-Berufsgenossenschaft habe keine Hinweise auf sensibilisierende bzw. irritativ-toxisch wirkende Stoffe bei „üblichem“ Bauschuttumschlag ergeben.

Des Weiteren zog sie umfangreiche medizinische Unterlagen aus dem Verfahren auf Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei und veranlasste die Begutachtung des Klägers durch die Fachärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. Sch, die in ihrem Gutachten vom 22. Juni 2006 unter anderem ausführte, der Kläger habe acht Jahre als Feuerwerker gearbeitet und sei in dieser Zeit Feinstäuben (Bauschutt) und Dieselabgasen ausgesetzt gewesen. Sowohl lungenfachärztlich als auch arbeitsmedizinisch sei die Symptomatik des Asthma bronchiale bei dem Kläger auf die Einatmung von Feinstäuben zurückgeführt worden. Eine Anerkennung einer Berufskrankheit sei nicht erfolgt. Auf die Exposition mit Dieselabgasen sei bisher in keinem der Gutachten eingegangen worden. Die Exposition am Arbeitsplatz habe sicher ein Asthma bronchiale, wie es sich jetzt darstelle, hervorgerufen, zumindest habe die Exposition die bereits vorhandene Hyperreagibilität im Laufe der Zeit verschlechtert. Der Körperschaden in Bezug auf die Bronchialerkrankung, die als Berufskrankheit anzuerkennen sei, sei mit 30 v.H. einzuschätzen. Wissenschaftlich sei die Entstehung des Asthma bronchiale, ausgelöst durch Feinstäube und Dieselabgase bewiesen.

Der mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragte Arzt für Innere Medizin - Lungen- und Bronchialheilkunde - Dr. Sch führte in seinem Gutachten vom 16. April 2007 und einer ergänzenden Stellungnahme vom 4. Juli 2007 unter anderem aus, aus den Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes gehe hervor, dass das Vorhandensein chemisch-irritativ bzw. toxisch wirkender Stoffe im Sinne einer BK 4302 aber auch von sensibilisierenden Stoffen im Sinne einer BK 4301 verneint worden sei. Die angeschuldigte Exposition sei somit mit Wahrscheinlichkeit nicht geeignet, die bestehende Gesundheitsstörung - auch nicht als rechtlich wesentliche Teilursache - im Sinne der Entstehung oder der Verschlimmerung hervorzurufen. Die von dem Kläger behauptete Verschlechterung der Atemwegserkrankung könne anhand des Verlaufes der Lungenfunktionsprüfungen nicht nachvollzogen werden. Die Ausgangsmessung im Gutachten der Dr. Sch vom 27. März 2006 entspreche im Hinblick auf das Ausmaß der obstruktiven Lungenfunktionseinbuße der Messung vom 24. Juni 1991. Der ursächliche Zusammenhang zwischen Feinstaubexposition bzw. Exposition gegenüber Dieselgasen und der Entwicklung von hierdurch bedingten obstruktiven Atemwegserkrankungen sei wissenschaftlich nicht bewiesen, sondern vielmehr unklar. Zusammenfassend sei die haftungsbegründende Kausalität für die Entwicklung bzw. richtungsgebende Verschlimmerung einer beruflich erworbenen obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne einer BK 4301 bzw. 4302 nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit gegeben.

Mit Bescheid vom 21. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 4301 bzw. 4302 ab. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, nach den Ermittlungsergebnissen des Technischen Aufsichtsdienstes sei bei einer Feinstaubmessung auf der Bauschuttumschlageanlage am 19. Juni 1992 ein Wert von 2,85 mg/m³ gemessen worden. Der zulässige MAK-Wert für Feinstaub betrage 6 mg/m³. Weiterhin seien geringe Werte der Belastung durch die Stoffe Blei, Kupfer und Nickel sowie seinen Verbindungen gemessen worden. Die Werte hierzu hätten weit unter einer Auslöseschwelle für Erkrankungen gelegen. Demzufolge sei der Technische Aufsichtsdienst in seiner abschließenden Stellungnahme vom 25. Juli 2007 zu dem Ergebnis gekommen, dass unter Berücksichtigung der jeweiligen Witterungsbedingungen und dem Einsatz der Beregnungsanlage die Staubbelastung unterhalb des gemessenen Wertes gelegen habe. Chemisch-irritatv bzw. toxisch wirkende Stoffe im Sinne einer BK 4302 könnten ausgeschlossen werden. Da allergiesierende Stoffe nicht nachweisbar gewesen seien, lägen auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK 4301 nicht vor.

Der im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin als Sachverständiger bestellte Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. Sch hat in seinem Gutachten vom 31. März 2009 unter anderem ausgeführt, bei dem Kläger liege eine obstruktive Atemwegserkrankung vor, wobei inzwischen eine Mischform aus Asthma bronchiale und chronischer Bronchitis bestehe. Die Lungenfunktion in Ruhe sei normal, ein manifestes, irreversibles Emphysem sei nicht vorhanden. Die Reizhustensymptomatik weise mehr auf eine chronische Bronchitis hin, zusätzlich bestehe eine leichte bronchiale Hyperreagibilität. Im Vergleich zu den aktenkundigen Messungen habe sich diese nicht verschlimmert. Eine manifeste Allergie sei nicht vorhanden. Anhand der Anamnese sowie des umfangreichen Aktenmaterials seien die ersten Symptome im Jahre 1987 am Arbeitsplatz aufgetreten. Es bestehe eine eindeutig arbeitsplatzbezogene Symptomatik. Beschwerdefreiheit bzw. -besserung habe im Urlaub und an den Wochenenden bestanden. Auch das Tragen der Schutzmasken ab 1992 sowie die Beendigung der Tätigkeit im Jahr 1996 hätten eine gewisse Besserung erreicht. Die klinische Symptomatik, das Auftreten am Arbeitsplatz, die verschiedenen Aktenunterlagen und Berichte des Technischen Dienstes sowie auch die entsprechende Symptomatik des Arbeitskollegen würden darauf hinweisen, dass die obstruktive Atemwegserkrankung beruflich bedingt sei. Aus heutiger Sicht könne schwer ausgemacht werden, ob bereits primär eine bronchiale Hyperreagibilität vorhanden und bis 1987 nur ohne Symptomatik, sozusagen unterschwellig, gewesen sei. Möglicherweise sei durch die starke Schadstoffbelastung am Arbeitsplatz dann die erste Symptomatik aufgetreten. Denkbar sei jedoch auch, dass der Kläger bei völliger broncho-pulmonaler Beschwerdefreiheit bis 1987 diese bronchiale Hyperreagibilität durch den täglichen Umgang mit dem Schadstoffgemisch erworben habe. Die Tatsache, dass es nach Tragen der Atemschutzmasken ab 1992 sowie nach Beendigung der Arbeitstätigkeit 1996 zu einer leichten Besserung gekommen sei, spreche ebenfalls für eine beruflich bedingte Verursachung. Außerberufliche Faktoren für das Entstehen einer Atemwegserkrankung seien nicht bekannt. Der Kläger habe nie geraucht. Eine wesentliche relevante familiäre Häufung von Atemwegserkrankungen liege nicht vor. Die genannte Erkrankung erfülle die medizinischen Voraussetzungen einer BK 4302. Es sei davon auszugehen, dass diese seit Ende der achtziger Jahre bestehe. Die MdE betrage 30 v.H.

Die Beklagte trat diesem Gutachten unter Berufung auf ein von ihr veranlasste Gutachten des Diplom-Chemikers und Facharztes für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin sowie Umweltmedizin Dr. P vom 18. Juni 2009 entgegen, der bereits das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK verneinte, da die Atemwegswiderstände bei allen Untersuchungen im Normbereich gelegen hätten, ebenso die relativen Einsekundenwerte. Eine obstruktive Atemwegserkrankung auf die mittleren exspiratorischen Flussraten zu beziehen, sei nicht möglich, da es sich hier um in jeder Hinsicht mitarbeitsabhängige Parameter handele und damit nur die jeweils besten Manöver zur Beurteilung herangezogen werden dürften. Die geringfügigen Abweichungen von der Norm der mittleren exspiratorischen Flussraten könnten nicht die Annahme einer obstruktiven Ventilationsstörung begründen. Die Annahme einer bronchialen Hyperirritabilität welche Dr. Sch vornehme, beziehe sich auf die subjektiven Angaben des Klägers. Hinsichtlich der arbeitstechnischen Voraussetzungen führte er aus, nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch könne er nicht davon ausgehen, dass der Kläger überhaupt in relevantem Maße chemisch-irritativen oder toxischen Einwirkungen ausgesetzt gewesen sei. Er habe Bauschutt behandelt. Dabei habe sicherlich eine Staubexposition bestanden. Baustaub sei allerdings allenfalls mechanisch irritativ. Chemisch sei er inert. Zwar sei davon auszugehen, dass Staub eine Belastung für das Bronchialsystem darstelle. Obstruktive Atemwegserkrankungen, bedingt durch Staub, würden jedoch nicht als Berufskrankheit im Sinne der Berufskrankheiten-Verordnung gewertet. Insofern fehle es an der haftungsbegründenden Kausalität einer BK 4302.

In der mündlichen Verhandlung vom 17. August 2009 ist der ehemalige Arbeitskollege des Klägers P B als Zeuge vernommen worden (hinsichtlich der Einzelheiten dieser Zeugenausnahme wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 17. August 2009 verwiesen). Nachdem der Kläger seinen Antrag auf Anerkennung einer BK 4301 in dieser mündlichen Verhandlung zurückgenommen hatte, hat das Sozialgericht mit Urteil vom selben Tag unter Aufhebung des Bescheides vom 21. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2007 festgestellt, dass bei dem Kläger ab 1. September 1996 eine BK 4302 vorliegt. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, unter Berücksichtigung der im Unfallversicherungsrecht geltenden Grundsätze sei die Kammer vom Vorliegen einer berufsbedingten obstruktiven Atemwegserkrankung durch chemisch-irritativ bzw. toxisch wirkende Stoffe im Sinne der BK 4302 überzeugt. Zum einen würden die arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser BK vorliegen. Der Kläger sei von 1987 bis Ende August 1996 als Feuerwerker an der Bauschuttanlage gegenüber Stäuben von Bauschutt exponiert gewesen. Dies werde auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Aus der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 7. September 1992 gehe hervor, dass sich der Kläger direkt im Bereich des den Bauschutt abladenden Fahrzeuges hätte aufhalten müssen, um seiner Aufgabe gerecht zu werden. Beim Abschütten des Bauschuttes sei es zu einer recht großen Staubentwicklung gekommen, der der Kläger unmittelbar ausgesetzt gewesen sei. Der abgekippte Bauschutt sei mit Hilfe eines Baggers den Hang zum Wasser hinunter geschoben worden. Auch dabei sei eine starke Staubentwicklung zu beobachten gewesen, der der Kläger, je nach Windrichtung, mehr oder weniger ausgesetzt gewesen sei. Unterhalb des Hanges sei der Bauschutt mit Hilfe eines Baggers auf ein Binnenschiff verladen worden. Auch bei diesem Arbeitsvorgang sei eine starke Staubbelastung zu beobachten gewesen. Bei der am 19. Juni 1992 auf der Bauschuttumschlaganlage durchgeführten Feinstaubmessung habe sich ein Messwert von 2,85 mg/m³ergeben. Der zulässige MAK-Wert betrage 6 mg/m³. Da das Messgerät in einiger Entfernung von den Fahrzeugen habe aufgestellt werden müssen, könne davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Staubbelastung noch über dem gemessenen Wert gelegen habe, da sich der Feuerwerker direkt im Bereich des Fahrzeuges habe aufhalten müssen und somit einer größeren Staubbelastung ausgesetzt gewesen sei. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeit des Klägers auf der Bauschuttumschlaganlage geeignet gewesen sei, zu einer Erkrankung der Atemwege zu führen. Der Kläger und sein früherer Arbeitskollege S, hätten in ihrer Arbeitsplatzbeschreibung angegeben, dass bis zum Jahr 1992 kein Atemschutz getragen worden sei. Die Beregnungsanlage sei wegen häufiger Defekte nur unregelmäßig eingesetzt worden. Der frühere Arbeitskollege des Klägers, der Zeuge P B habe in einem Schreiben an den Kläger vom 16. Juli 2007 bestätigt, dass es häufiger zu Problemen mit der Beregnungsanlage gekommen sei. Die Kammer hege an diesen Angaben keine Zweifel. Der Zeuge habe sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Die Kammer erachte die Ausführungen des Klägers zur Stoffcharakteristik des abgekippten Bauschutts für plausibel und nachvollziehbar. Die von dem Kläger im einzelnen aufgezählten Bauteile und -stoffe würden üblicherweise verbaut und fielen damit irgendwann auch wieder als Bauschutt an. Auch der Zeuge habe in der mündlichen Verhandlung die Richtigkeit dieser Angaben bestätigt. Es spreche auch einiges dafür, dass die durch den Kläger benannten, abgekippten Baumaterialien chemisch-irritativ bzw. toxisch wirkende Stoffe im Sinne der BK 4302 enthalten hätten. Die Kammer nehme insoweit Bezug auf die bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, Kap. 17.11.2 abgedruckte Auflistung. Danach fänden etwa alipathische Amine in der Lackindustrie Verwendung, Furfuryl-Alkohol und Azodidcarbonam als Schaummittel für die PVC-Herstellung und Anthrazen und Piperazin bei der Holzimprägnierung. Diese Stoffe würden nach den Ausführungen bei Schönberger/Mehrtens/Valentin die Bronchien reizen und seien geeignet, zu einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der BK 4302 zu führen. Zwar seien entsprechende Stoffe in dem Bauschutt der Jahre 1987 bis 1996 nicht positiv nachgewiesen worden. Bei den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten im Jahr 1992 hätten sich bei der Feinstaubmessung auch lediglich ein MAK-Wert von 2,85 mg/m³ und damit ein solcher, der den zulässigen MAK-Wert deutlich unterschreite ergeben. Die Messung sei jedoch mit dem Makel behaftet, dass sich das Messgerät in einiger Entfernung von den Fahrzeugen, von denen der Schutt abgekippt worden sei, befunden habe. Dieser Umstand lasse - auch nach den oben wiedergegebenen Ausführungen des Technischen Ausaufsichtsdienstes der Beklagten - begründet vermuten, dass in der Position zu den Lastkraftwagen, in der sich der Kläger laut seiner Arbeitsplatzbeschreibung üblicherweise befunden hätte, der MAK-Wert deutlich höher ausgefallen wäre. Dass keine exakten Messdaten vorliegen würden, könne dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen. Die Kammer gehe insofern davon aus, dass hier zu Gunsten des Klägers Beweiserleichterungen im Hinblick auf das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben seien, habe doch eine exakte Messung und Ermittlung der Feinstaubwerte durch den Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten in den Jahren 1987 bis 1996 auf dem Bauschuttumladeplatz nicht stattgefunden. Die aufgrund der Nachermittlungen getätigten Ausführungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten könnten die Überzeugung der Kammer von der Richtigkeit der Angaben des Klägers - die zu einer Bejahung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 4302 führen würden - nicht erschüttern. Die Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten aus dem Jahr 2008 würden sich bereits dadurch relativieren, dass der Kläger seit September 1996 nicht mehr bei dem Arbeitgeber beschäftigt sei. Das Arbeitsumfeld des Jahres 2008 sei ein anderes als dasjenige in den Jahren 1987 bis 1996. Die Angaben des Technischen Aufsichtsdienstes aus dem Jahr 1992 seien zu einem Zeitpunkt getätigt worden, als der Kläger noch auf dem Bauschuttumladeplatz gearbeitet habe. Die Kammer gehe davon aus, dass sie die Arbeitsbedingungen, von denen der Kläger betroffen gewesen sei, wesentlich genauer wiedergeben würde, als es die Nachermittlungen aus dem Jahr 2008 könnten. Letztlich könne auch dahinstehen, ob dem Kläger von Seiten des Arbeitgebers Atemschutzmasken zur Verfügung gestellt worden seien oder nicht. Zur Feststellung der arbeitstechnischen Voraussetzungen komme es nur darauf an, ob diese Atemschutzmasken tatsächlich auch getragen worden seien. Wenn der Kläger ausführe, dies sei nicht der Fall gewesen, so sehe die Kammer keine Anhaltspunkte, um diese Angabe in Zweifel zu ziehen. Der Kläger habe diesbezüglich glaubhaft vorgetragen, dass er den Abteilungsleiter und den Platzmeister wiederholt schriftlich und mündlich darüber informiert habe, dass zum Zwecke der Kommunikation die Atemschutzmasken hätten abgenommen werden müssen und das zugleich bessere Atemschutzmasken angefordert worden seien. Die Kammer sehe auch die medizinischen Voraussetzungen der BK 4302 als erfüllt an und erkenne einen rechtlich wesentlichen und hinreichend wahrscheinlichen Kausalzusammenhang zwischen den oben beschriebenen arbeitstechnischen Voraussetzungen und dem Beschwerdebild des Klägers auf lungenfachärztlichem Gebiet. Insoweit stütze sie sich auf das Gutachten des Dr. Sch, welches in Übereinstimmung mit der Bewertung des Sachverhaltes durch die den Kläger behandelnde Lungenfachärztin Dr. L sowie durch die Vorgutachterin Dr. Sch aus dem Jahr 2006 stehe. Auch Prof. Dr. H habe in seinem Gutachten aus dem Jahr 1993 das Vorliegen einer BK bejaht. Dr. Sch, der sein Gutachten lediglich nach Aktenlage und nicht aufgrund einer Untersuchung des Klägers erstellt habe, komme indes zu einem abweichenden Ergebnis. Dieses relativiere sich jedoch vor dem Hintergrund, dass ihm lediglich lückenhafte Ausführungen des Technischen Aufsichtsdienstes vorgelegen hätten, ein Umstand, den er selbst in seinem Schreiben vom 18. Februar 2007 angemerkt habe. Die Wertung des Beratungsarztes der Beklagten Dr. P sei unter der Prämisse erfolgt, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 4302 nicht erfüllt seien. Dies sei jedoch eine Annahme, die die Kammer unter Hinweis auf die obigen Ausführungen gerade nicht teile.

Gegen dieses ihr am 16. Dezember 2009 zugegangene Urteil richtet sich die am 5. Januar 2010 eingegangene Berufung der Beklagten. Diese trägt zur Begründung unter anderem vor, nach wie vor sei nicht bewiesen, dass der Kläger chemisch-irritativ bzw. toxisch wirkenden Stoffen im Sinne der BK 4302 ausgesetzt gewesen sei.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom17. August 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagter beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere hat die Beklagte sie fristgemäß erhoben. Auszugehen ist hierbei davon, dass der Beklagten das Urteil am 16. Dezember 2009 zugegangen ist, wie sich dies aus dem Empfangsbekenntnis ergibt.

Die Berufung ist auch begründet. Das erstinstanzliche Urteil vom 17. August 2009 ist aufzuheben, der Bescheid der Beklagten vom 21. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Voraussetzungen der BK 4302 bei ihm vorliegen, weshalb auch Entschädigungsleistungen nicht zu erbringen sind. Das Sozialgericht hat zu Unrecht das Vorliegen einer BK Nr. 4302 festgestellt.

Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII), Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die BK Nr. 4302 der Anlage 1 zu der auf der Grundlage des § 9 SGB VII erlassenen Berufskrankheitenverordnung (BKV) erfasst durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Voraussetzung für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als Berufskrankheit ist, dass die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und dass die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Für die Anerkennung einer Erkrankung als BK Nr. 4302 müssen demnach folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Der Versicherte muss aufgrund seiner versicherten Tätigkeit (1) chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen ausgesetzt gewesen sein, er muss (2) an einer obstruktiven Atemwegserkrankung leiden, (3) die durch die versicherten Einwirkungen verursacht worden ist und ihn (4) zum Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten gezwungen haben muss (BSG Urteil vom 30. Oktober 2007, Az. B 2 U 15/06 R, zitiert nach Juris).

Erste Voraussetzung für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als Berufskrankheit ist damit, dass die vorliegende Erkrankung konkret individuell durch entsprechende Einwirkungen des Stoffes wesentlich verursacht bzw. verschlimmert worden ist. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung für die Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG Urteil vom 02. Mai 2001, Az. B 2 U 16/00 RSozR 3-2200 § 551 RVO Nr. 16 m.w.N.). Eine solche Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Faktoren ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass die richterliche Überzeugung hierauf gestützt werden kann (BSG, Urteil vom 06. April 1989, Az. 2 RU 69/87, zitiert nach Juris; Urteil vom 02. Februar 1978, Az. 8 RU 66/77, BSGE 45, 285, 286; BSG, Urteil vom 2. April 2009, Az. B 2 U 9/08 T, zitiert nach juris).

Das Vorliegen der durch die versicherte Tätigkeit bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß ist vorliegend aber gerade nicht im Vollbeweis nachgewiesen, denn es reicht nicht aus festzustellen, dass einiges dafür spricht, dass der Kläger (auch) toxisch oder chemisch-irritativ wirkenden Stoffen ausgesetzt war, sondern es muss darüber hinaus auch eine gesundheitsschädigende Expositionshöhe und –dauer nachgewiesen werden. Aus sämtlichen Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten ergibt sich jedoch, dass der Kläger zwar Staubbelastungen aufgrund seiner versicherten Tätigkeit ausgesetzt war, es lässt sich dagegen nicht feststellen, dass er überhaupt und dann auch in dem erforderlichen Maße chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen ausgesetzt war. Insoweit führt auch die von dem Kläger erstellte umfangreiche Liste der neben „normalem Bauschutt“ auch angelieferten und möglicherweise mit entsprechenden chemisch-irritativ wirkenden Substanzen behandelten Gegenständen nicht weiter. Zutreffend weist die Beklagte unter Berufung auf die Stellungnahme des Dr. P nicht nur darauf hin, dass solche Stoffe grundsätzlich enert sind, d. h., dass sie – einmal verarbeitet – ihre chemisch-irritative Wirkung nicht (mehr) entfalten. Ein Vergleich mit der z. B. bei Mehrtens/Brandenburg (Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar M 4302, I. 6a ff.) veröffentlichten Liste bestätigt dies, denn dort werden die entsprechenden Stoffe durchgehend im Verarbeitungsstadium als chemisch-irritativ wirkend beschrieben, also bspw. Triethylamin beim Sprayen von Acrylfarben, Isocyanate, Diisocyanate bei der Herstellung und Anwendung von Polyurethanschäumen, Lacken, Klebstoffen. Weiter führt die Beklagte unter Berufung auf Dr. P zutreffend aus, dass der Kläger zwar einer Staubexposition ausgesetzt gewesen sei und dass diese Stäube eine Belastung für das Bronchialsystem hätten darstellen können, was dann auch die von allen Sachverständigen als glaubhaft unterstellten Angaben des Klägers, er habe während der Arbeitszeit unter Husten und Atemwegsproblemen gelitten, dieser sei an Wochenenden, in den Ferien und nach Aufgabe der Tätigkeit geringer gewesen bzw. geworden, erkläre. Baustaub stelle jedoch eine mechanische Belastung der Bronchien dar und keine chemische oder toxische im Sinne der BK 4302 (vgl. insoweit auch die bei Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar M 4302, I. 6a ff.). Bauschutt fällt auch nicht unter die Gefährdung durch die in den Nrn. 41.. und 42.. genannten anorganischen oder organischen Stäube. Diese genaue Unterscheidung zwischen den Einwirkungen, die für die Bejahung einer BK 4302 notwendig sind, nämlich den chemischen oder toxischen und den sonstigen Einwirkungen, hat einzig Dr. P vorgenommen. In allen anderen eine BK - zum Teil pauschal - bejahenden Sachverständigengutachten fehlt eine solche differenzierte Betrachtung der bei dem Kläger vorliegenden Atemwegserkrankung und ihrer Verursachung. Auch Dr. Schu schließt lediglich von dem Auftreten der Atemwegserkrankung während der Tätigkeit als Feuerwerker, ihrem Abklingen nach Beendigung dieser Tätigkeit sowie an Wochenenden und in den Ferien auf eine kausale Verursachung, setzt sich jedoch – den Vorgaben der Beweisanordnung folgend - nicht damit auseinander, ob der Kläger auch von den in der BK 4302 genannten Noxen betroffen war. Auch der den Kläger zuerst bereits im Januar 1993 begutachtende Prof. Dr. H hat einerseits ausgeführt, die Atemwegserkrankung des Klägers, eine geringe Obstruktion der Atemwege und eine Überempfindlichkeit des Atemwegssystems, lasse sich nicht zwingend auf die Schadstoffbelastung zurückführen. Andererseits führt er dann - durchaus nachvollziehbar - aus, dass die beschriebene Symptomatik als Folge der Staubbelastung der Einatemluft angesehen werden müsse und folgert hieraus – ohne zu beachten, dass sowohl die BK 4301 als auch die BK 4302 lediglich Atemwegserkrankungen, die durch bestimmte, nämlich allergisierende bzw. chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe nicht aber durch mechanisch die Bronchien reizende Stoffe als Berufskrankheiten bezeichnet – dass bei dem Kläger eine Berufskrankheit vorliegt. Dieser Widerspruch hat dann auch konsequenterweise dazu geführt, dass die Landesgewerbeärztin Dr. P das Vorliegen einer BK verneinte. Die Gutachterin Dr. Schn unterstellt, dass die bei dem Kläger vorliegende Atemwegserkrankung auf Feinstäube und Dieselabgase zurückzuführen sei. Auch sie geht jedoch nicht darauf ein, ob diese Stoffe überhaupt Noxen im Sinne der BK 4302 darstellen und in welcher Dosis sowie über welchen Zeitraum sie eingewirkt haben und zur Bejahung einer BK eingewirkt haben müssen. Feinstäube nennt die BK 4302 nicht; die BK 4111 („chronisch obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren“) verlangt eine Tätigkeit im Steinkohlenbergbau unter Tage (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar M 4111, I.). Dass die Tätigkeit des Klägers auf einem Bauschuttumschlagplatz, bei der es sicherlich gestaubt hat, bei der sich der Staub aber verteilen konnte, mit den Verhältnissen unter Tage, bei denen sich der Staub gerade nicht verteilen kann, vergleichbar sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Im Übrigen hat der Kläger die Tätigkeit lediglich knapp zehn Jahre ausgeübt. Selbst wenn der vom Technischen Aufsichtsdienst für die Feinstaubbelastung gemessene Wert von 2,85 mg/m3, der deutlich unter dem MAK-Wert von 6 mg/m3 liegt, tatsächlich etwas höher gelegen haben sollte, was nicht nachgewiesen ist, wäre der Kläger von den genannten 100 Feinstaubjahren weit entfernt. Hinsichtlich der Geeignetheit von Dieselabgasen eine Atemwegserkrankung auszulösen, hat der Sachverständige Dr. Sche ausgeführt, dass diese gerade nicht wissenschaftlich bewiesen, sondern vielmehr unklar sei. Es ist aber nicht die Aufgabe der Rechtssprechung einen Streit in der medizinischen Wissenschaft über Kausalitäten zu entscheiden, denn Feststellungen haben unter Berücksichtigung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu erfolgen. Damit ist die herrschende Meinung in der medizinischen Wissenschaft im Sinne eines tragfähigen (Teil-)Konsenses gemeint (Entscheidung des Senates vom 29. April 2010, Az. L 2 U 314/07, abrufbar bei Juris). Existiert ein solcher nicht, kann die Kausalität nicht bejaht werden.

Es lässt sich zur Überzeugung des Senates auch nicht im Vollbeweis feststellen, dass der Kläger (anderen) chemisch-irritativen oder toxischen Einwirkungen ausgesetzt war. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten konnte anlässlich der 1992 durchgeführten Ermittlungen lediglich Feinstäube feststellen, die deutlich unterhalb des MAK-Wertes lagen, hat jedoch durchgehend das Vorliegen von chemisch-irritativen oder toxischen Einwirkungen verneint. Soweit das erstinstanzliche Gericht das Vorliegen solcher für die Bejahung einer BK 4302 zwingend notwendigen Einwirkungen unterstellt hat, bzw. aus den Darstellungen des Zeugen P B sowie des ehemaligen Arbeitskollegen des Klägers S, dass nicht nur Bauschutt, sondern auch andere „Baunebenprodukte“ angeliefert und abgekippt worden seien, schlussfolgert, kann der Senat dem nicht folgen. Diese Aussagen der ehemaligen Arbeitskollegen, enthalten keine Aussage zu Expositionshöhe oder –dauer. In ihnen wird lediglich bestätigt, dass neben Bauabfällen auch Farbreste, Altöle, Asbest und Eternit abgeladen worden sei. Inwieweit es hierbei zu chemisch-irritativen bzw. toxisch Einwirkungen auf den Kläger gekommen ist oder überhaupt gekommen sein kann, konnten die Zeugen naturgemäß nicht sagen, da ihnen insoweit weder Messungen vorlagen noch sie über einen entsprechenden Sachverstand verfügen. Allein aus dem Vorliegen von anderen Bauabfällen als „normalem“ Bauschutt auf ausreichende Expositionen im Sinne der BK 4302 zu schließen, ist jedoch zur Überzeugung des Senats nicht möglich, denn wie bereits oben dargestellt, müssen die schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - nachgewiesen werden. Dass dies vorliegt, ist nicht im Ansatz zu erkennen.

Der Wortlaut der BKV ist hinsichtlich der hier streitigen arbeitstechnischen Voraussetzung zur BK 4302 verbindlich. Es wird nicht jede durch die Arbeitsbedingungen hervorgerufene Atemwegserkrankung als Berufskrankheit anerkannt, sondern lediglich diejenige, die durch chemisch-irritative oder toxische Einwirkungen hervorgerufen worden ist.

Nach alledem ist auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG genannten Zulassungsgründe vorliegt.