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Aufnahme in die Grundschule; Festlegung von Einschulungsbereichen; interner Organisationsakt; Rechtsverordnung; Allgemeinverfügung; Interessenabwägung; Frage der Wirksamkeit offen gelassen


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 21.09.2012
Aktenzeichen OVG 3 S 76.12, OVG 3 M 78.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 123 VwGO, § 55a SchulG BE, § 4 GrSchulV BE, § 41 VwVfG, § 35 VwVfG

Tenor

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. August 2012 werden zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerden tragen die Antragsteller. Im Beschwerdeverfahren OVG 3 M 78.12 werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1. Die gegen die Zurückweisung des Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, das nach § 146 Abs. 4 VwGO den Umfang der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt keine Aufhebung oder Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses.

Die Antragsteller wenden sich allein gegen die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass die Festlegung des Einschulungsbereichs für die von ihnen nach § 55 a Abs. 2 SchulG als Erstwunschschule angegebene G... selbst dann wirksam sei, wenn sie formfehlerhaft ergangen sei. Sie sind der Auffassung, dass die Festlegung durch einen als interner Organisationsakt ergangenen Beschluss des Bezirksamtes R... nichtig, zumindest aber nicht wirksam bekanntgegeben worden sei. Zur Begründung tragen sie vor, dass Einschulungsbereiche als Rechtsnorm beschlossen und öffentlich bekannt gemacht werden müssten. Jedenfalls sei ihre Festlegung als Allgemeinverfügung anzusehen, die vorliegend den Beteiligten weder individuell noch öffentlich bekannt gegeben worden sei. Mit diesem Vorbringen wird jedoch ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Es kann offen bleiben, ob wegen der durch § 55 a Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 SchulG i.V.m. § 4 Abs. 4 GsVO vermittelten unmittelbaren Außenwirkung der nach §§ 55 a Abs. 1 Satz 5, 109 Abs. 2 SchulG i.V.m. §§ 36 Abs. 2 Buchstabe h), 12 Abs. 1 und 2 BzVG von dem Bezirksamt R... als (interner) Organisationsakt getroffene Beschluss unwirksam ist. Allerdings ist fraglich, ob die von den Antragstellern angeführte obergerichtliche Rechtsprechung zu dem rechtsstaatlichen Erfordernis, Schulbezirke in Flächenstaaten durch eine rechtssatzförmige Regelung festzusetzen, auf Einschulungsbereiche im Land Berlin übertragbar ist und es deshalb überhaupt einer im Land Berlin aus den von dem Verwaltungsgericht aufgezeigten Gründen allein möglichen gesetzlichen Verordnungsermächtigung sowie einer öffentlichen Bekanntmachung der hierauf zu stützenden Rechtsverordnung bedürfte. Denn näherliegend ist, dass der von dem jeweiligen Einschulungsbereich betroffene Personenkreis hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar ist, so dass der Erlass als Allgemeinverfügung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 BlnVwVfG i.V.m. § 35 Satz 2, 1. Alt. VwVfG) in Betracht kommt. Insoweit tragen die Antragsteller mit einigem Recht vor, dass eine i.S.d. § 41 VwVfG wirksame Bekanntgabe des Tenors des jeweiligen Bezirksamtsbeschlusses nicht dadurch bewirkt worden sei, dass den Erziehungsberechtigten von einzuschulenden Schülern die zuständige Grundschule bekannt ist bzw. bei der Anmeldung mitgeteilt wird oder aber über das Internet abrufbar ist (s. zu den Voraussetzungen für eine elektronische Kommunikation §§ 3 a, 37 Abs. 2 und 3 VwVfG). Denn bekanntzugeben wäre die räumliche Erstreckung des Einschulungsbereichs und nicht lediglich die in dem Einzelfall zuständige Grundschule. Schließlich spricht Einiges für die Ansicht der Antragsteller, dass bei fehlender Bekanntgabe eine Heilung nach § 46 VwVfG ausscheidet.

Die Klärung der aufgezeigten Fragen muss jedoch ebenso dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, wie die Frage, ob durch die Übersendung der Adressliste zu den Einschulungsbereichen im Bezirk R...durch Schriftsatz des Antragsgegners vom 26. Juli 2012 jedenfalls diese Einschulungsbereiche den Antragstellern gegenüber wirksam bekannt gegeben wurden. Denn die mögliche Unwirksamkeit des Beschlusses des Bezirksamtes R...und, wie die Antragsteller nunmehr geltend machen, der übrigen Bezirksämter hätte nicht mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit zur Folge, dass der Antragsteller zu 1. in die von ihm gewünschte G...aufzunehmen ist. Entgegen der Ansicht der Antragsteller führte die Unwirksamkeit einer materiell-rechtlich möglicherweise als Rechtsnorm oder aber als Allgemeinverfügung einzustufenden Regelung jedenfalls im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht zwingend zu deren Unanwendbarkeit. Da, wie die Antragsteller selbst vortragen, die Mehrheit der Bezirke im Land Berlin die Einschulungsbereiche durch internen Organisationsakt und zwar, wie vorliegend, häufig für einen mehrjährigen Zeitraum festlegt, würde die Unanwendbarkeit der jeweiligen Beschlüsse zu einer nicht tragbaren Rechtsunsicherheit für eine Vielzahl von Grundschülern führen, die in der gegenwärtigen, ggf. auch in vorherigen Einschulungskampagnen eingeschult worden sind. Dies beträfe nicht nur solche Schüler, welche in dem durch Organisationsakt festgelegten Einschulungsbereich wohnen und denen deshalb nach § 55 a Abs. 1 Satz 1 und 2 SchulG i.V.m. § 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 GsVO Vorrang eingeräumt wurde. Vielmehr wären von einer Unanwendbarkeit der Bezirksamtsbeschlüsse auch die nach § 55 a Abs. 2 SchulG i.V.m § 4 Abs. 4 Satz 3 und 4 GsVO durchzuführenden Verfahren zur Aufnahme von Schülern erfasst, deren Eltern den Besuch einer anderen Grundschule wünschen, weil diese Verfahren an die Festlegung von Einschulungsbereichen anknüpfen. Soweit die Antragsteller meinen, dass sich die Aufnahme bei Unanwendbarkeit der (möglicherweise) fehlerhaft beschlossenen Einschulungsbereiche allein nach § 55 a Abs. 2 SchulG richten müsse, widerspricht dies der Grundentscheidung des Gesetzgebers für wohnortnahe Grundschulangebote (§§ 54 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 2, 55 a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 41 Abs. 5 SchulG). Diese gesetzliche Vorgabe liegt indes nach der von den Antragstellern nicht in Zweifel gezogenen Stellungnahme des Schulamtes vom 23. Juli 2012 - neben der Sicherung von Versorgungs- und Entwicklungsansprüchen - der Schulentwicklungsplanung und damit auch der Festlegung von Einschulungsbereichen zu Grunde (vgl. § 55 a Abs. 1 Satz 5 SchulG). Daher stünde eine Verteilung aller Schulplätze nach den Kriterien des § 55 a Abs. 2 SchulG mit den gesetzlichen Vorgaben weitaus weniger im Einklang als eine vorläufige Anwendbarkeit der von den Bezirksämtern als Organisationsakt beschlossenen Einschulungsbereiche. Zudem bleibt bei der von den Antragstellern geforderten ausschließlichen Anwendung der Verteilungskriterien des § 55 a Abs. 2 SchulG offen, ob dem Antragsteller zu 1. trotz des Umstandes, dass sein Bruder die G... bereits besucht, Mitbewerber vorgehen. Ein solcher Vorrang kommt zumindest für solche Kinder in Betracht, die wegen ihres Wohnortes gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 GsVO an der gewünschten anderen Schule keinen Platz erhalten und gleichfalls die G... besuchende Geschwisterkinder haben. Die nach alledem bei - unterstellter - Unwirksamkeit der Einschulungsbereiche zulässige vorläufige Anwendbarkeit der entsprechenden Bezirksamtsbeschlüsse führte für die Antragsteller auch nicht zu unzumutbaren Nachteilen. Ihnen wurde bereits am 19. Juni 2012 wegen eines unvorhergesehen frei gewordenen Platzes die Einschulung in die R... angeboten, welche von ihnen als Zweitwunsch angegeben worden war. Das Angebot einer Aufnahme in die Zweitwunschschule haben sie mit E-Mail vom 22. Juni 2012 für den Fall abgelehnt, dass das vorliegende Verfahren Erfolg haben sollte. Der in dieser E-Mail und im gerichtlichen Verfahren ausschließlich angeführte Grund, dass der Bruder des Antragstellers Schüler der vorrangig begehrten G... ist, führt jedoch nicht zur Unzumutbarkeit einer Einschulung in die Zweitwunschschule. Angesichts der dargelegten Folgen, die eine Unanwendbarkeit der beschlossenen Einschulungsbereiche nach sich zöge, ist es nicht unzumutbar, dass der Antragsteller zu 1. eine andere, gleichfalls wohnortnahe Schule besucht als sein Bruder.

Wegen dieser Besonderheiten des Einzelfalls fehlt es auch an einem Anordnungsgrund. Eine vorläufige Aufnahme des Antragstellers zu 1. in die G...ist nicht nötig, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Aus den dargelegten Gründen ist es kein wesentlicher Nachteil für die Antragsteller, wenn der Antragsteller zu 1. die von ihm selbst als Wunsch angegebene oder aber die nach dem Beschluss des Bezirksamtes zuständige Sprengelschule besucht.

2. Nach alledem war auch die gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe gerichtete Beschwerde mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO) zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).