Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 02.05.2017 | |
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Aktenzeichen | 10 UF 002/17 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2017:0509.10UF002.17.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1671 BGB |
Ein Wechselmodell kann gegen den Willen eines Elternteils nicht angeordnet werden, wenn die Eltern eine fortdauernde Mediation nur zur Absprache von Umgangsterminen nutzen, sich über den bevorstehenden Wechsel eines Kindes auf eine weiterführende Schule aber nicht austauschen.
1. Die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 30. November 2016, erlassen am 1. Dezember 2016, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdewert beträgt 3.000 €.
I.
Aus der Ehe der beteiligten Eltern sind die Kinder Je…, geboren am ...5.2005, und J…, geboren am …5.2010, hervorgegangen. Nach der Trennung der Eltern im Mai 2014 verblieben die Kinder zunächst im Haushalt der Mutter. Diese zog im Januar 2015 nach Sachsen. Ihr Antrag auf Übertragung der Entscheidungsbefugnis über den künftigen Wohnort der Kinder im Wege einer einstweiligen Anordnung blieb erfolglos. Die Kinder wechselten im Februar 2015 in den väterlichen Haushalt, wo sie seither leben.
Am 15.12.2014 hat die Mutter das vorliegende Verfahren eingeleitet mit dem Ziel, das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zu erhalten. Dem ist der Vater entgegengetreten und hat seinerseits die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn beantragt.
Nach Einholung eines Gutachtens der Sachverständigen S… hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 30.11./1.12.2016 das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater übertragen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung im Einzelnen und der Begründung wird auf den Beschluss Bezug genommen (Bl. 242 ff.).
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Mutter mit der Beschwerde. Sie trägt vor:
Sie erstrebe die Einrichtung eines Wechselmodells, das dem Willen der Kinder und ihrem Wohl am besten entspreche und was Jugendamt und Verfahrensbeiständin ebenfalls befürworteten.
Das vom Amtsgericht zugrunde gelegte Gutachten sei überholt. Die Sachverständige sei davon ausgegangen, dass sie, die Mutter, in Sachsen lebe und zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kinder in ihrem gewohnten sozialen Umfeld verbleiben sollten. Sie sei aber nur für wenige Monate gezwungen gewesen, vorübergehend bei ihrer Familie in F…/Sachsen eine Wohnung zu beziehen, weil sie in S… kurzfristig keine Wohnung gefunden habe. Sie habe zuvor in einer Einliegerwohnung der Schwiegereltern gelebt, die ihr aber den Abschluss eines schriftlichen Mietvertrages verweigert und sie im Februar 2015 aufgefordert hätten, die Wohnung zu verlassen. Seit Juni 2015 wohne sie aber auch wieder in S….
Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts habe sie nicht nur formell ihren Wohnsitz nach S… verlegt. Sie lebe seit 2004 in P…/S…, ihr Arbeitsort befinde sich in B…. Sie habe nicht vor, nach F… zu ziehen. Ihr sei es wichtig, dass die Kinder in ihrem gewohnten Umfeld aufwachsen können. Auch einen Schulwechsel strebe sie nicht an. Sie fahre öfter mit beiden Kindern am Wochenende nach F…, wo die Großeltern und die Urgroßmutter mütterlicherseits lebten. Beide Kinder hätten zu diesen eine enge Bindung und besuchten die Familie in Sachsen gerne. Zwar lebe ihr Lebensgefährte in F…. Er besuche sie aber an den Wochenenden oder an seinen freien Tagen in S….
Derzeit habe sie an jedem zweiten Wochenende von Freitag bis Montag und an einem Tag in jeder Woche Umgang mit den Kindern. Die Wohnung des Vaters sei nur fünf Autofahrminuten, drei Kilometer bzw. eine S-Bahnstation von ihrer Wohnung, die sich an der Grenze zu P… befinde, entfernt. Gegenwärtig seien die Kinder an 10 von 28 Tagen bei ihr. Bei einem Wechselmodell erhöhe sich der Aufenthalt der Kinder bei ihr auf 14 von 28 Tagen, wobei sich die Anzahl der Übergaben verringerten und die Kinder ein einfacheres Planungssystem hätten.
Das Maß an Kommunikation zwischen dem Vater und ihr genüge für die Einrichtung eines Wechselmodells. Sie sei auch bereit, durch Teilnahme an Beratungsgesprächen die Kommunikation zu verbessern.
Dem Vater gelinge es nicht, die Eltern-Kind-Beziehung von der Paarebene zu trennen. Er fokussiere sich zu sehr auf vergangene Ereignisse in der akuten Trennungsphase und verfüge nicht über eine ausreichende Bindungstoleranz. So habe er ihr den Umgang mit den Kindern in der Woche zeitweise wegen eines Streits in steuerrechtlichen Angelegenheiten verwehrt. Sie habe lediglich zwei Umgangstermine aus beruflichen Gründen verschieben müssen. Anders als der Vater sei sie in keinem Fall auf Fremdbetreuung angewiesen.
Sie kümmere sich auch außerhalb ihrer Umgangszeiten um die Kinder etwa durch Teilnahme an Elternabenden und Klassenfahrten; sie fördere die schulische Entwicklung und sorge sich um Gesundheitsbelange.
Die Mutter beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses ein Wechselmodell betreffend die Kinder Je… L…, geboren am ….5.2005, und J… L…, geboren am …5.2010, anzuordnen,
hilfweise ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder zu übertragen.
Der Vater beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er trägt vor:
Das Wechselmodell sei wegen der damit verbundenen Unruhe nicht kindeswohldienlich. Auch die gestörte Kommunikation der Eltern spreche dagegen.
Die Mutter stelle ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen über diejenigen der Kinder und gebe dies als kindeswohldienlich aus. Einige Monate nach der Trennung im Dezember 2014 habe sie eine Wohnung in P… gehabt und mit den beiden Kindern dort gewohnt. Sie habe keine Wohnung in S… gesucht. Vielmehr sei die Mutter entgegen der einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts Strausberg vom 29.1.2015 - 2.2 F 15/15 - (Bl. 312 ff) am selben Tag mit den Kindern und unter Mitnahme ihrer Möbel nach F… verzogen. Dabei habe sie keine Rücksicht auf das Interesse der Kinder genommen, im gewohnten sozialen Umfeld zu verbleiben. Durch weiteren Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 11.2.2015 – 2.2 F 52/15 – (Bl. 315 ff) habe er die Herausgabe der Kinder erwirkt. Seitdem lebten die Kinder bei ihm in der Wohnung, die die Mutter damals verlassen habe. Diese Vorgeschichte könne nicht außer Betracht bleiben, da er den Kindern ähnliche Erlebnisse in Zukunft ersparen wolle.
Dass die Mutter nun eine Wohnung in S… habe, sei ohne Bedeutung. Das gewohnte Umfeld der Kinder befinde sich in P… und nicht in der Nachbargemeinde S…. Er betreue und versorge die Kinder seit zwei Jahren bestens. Der Kontinuitätsgrundsatz spreche für eine Beibehaltung ihres Lebensmittelpunktes in seinem Haushalt.
Zudem könne er die Kinder in schulischen Angelegenheiten besser fördern. Die Mutter lasse Je… mit seinen schulischen Schwierigkeiten allein. Der zeitnahe Beginn einer Lerntherapie für Je… sei allein seinem Engagement zu verdanken. Er nehme ebenso wie die Mutter an Elternabenden und schulischen Aktivitäten teil.
Er gewährleiste regelmäßigen Umgang der Kinder mit der Mutter. Die Wochenend- und Ferienumgänge hätten stets stattgefunden. Umgangstermine in der Woche ständen allerdings immer unter dem Vorbehalt, dass die Mutter diese aus beruflichen Gründen nicht wahrnehmen könne. Obwohl sie nur an zehn Tagen im Monat als Flugbegleiterin arbeite, gelinge es ihr nicht, ihre Arbeitszeiten an den Umgangsterminen mit den Kindern auszurichten.
Das Jugendamt hat einen Bericht der Mediatorin vom 9.3.2017 (Bl. 331 ff) übersandt, auf den Bezug genommen wird. Auf die Stellungnahme der Verfahrensbeiständin vom 26.3.2017 wird verwiesen (Bl. 345 ff).
Der Senat hat die Eltern und ihre Kinder, die Verfahrensbeiständin und die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes persönlich angehört. Auf den Anhörungsvermerk zum Senatstermin vom 28.3.2017 (Bl. 358 ff) wird Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die knapp zwölf und sieben Jahre alten Kinder Je… und J… zu Recht auf den Vater übertragen.
1.
Dem Antrag der Mutter, ein Wechselmodells anzuordnen, kann nicht entsprochen werden.
Es kann dahinstehen, ob und ggf. auf welchem Weg (etwa auch im Rahmen eines Sorgerechtsverfahrens) die gerichtliche Anordnung eines Wechselmodells auch gegen den Willen eines Elternteils möglich ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 1.2.2017 - XII ZB 601/15, BeckRS 2017, 102353 Rn. 15). Denn hier liegen die Voraussetzungen für die Einrichtung eines Wechselmodells nicht vor. Eine paritätische Betreuung durch beide Elternteile entspricht im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Wohl von Je… und J… nicht am besten.
Voraussetzung für die Anordnung eines Wechselmodells ist, dass die geteilte Betreuung durch beide Elternteile im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht (BGH, a. a. O., Rn. 27). Ob im Einzelfall die Anordnung eines Wechselmodells geboten sein kann, ist unter Berücksichtigung anerkannter Kriterien des Kindeswohls wie der Erziehungseignung der Eltern, der Bindungen des Kindes, der Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie unter Beachtung des Kindeswillens zu entscheiden. Ein genereller Vorrang der Bedeutung der Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen lässt sich § 1626 Abs. 3 S. 1 BGB gegenüber anderen Kindeswohlkriterien dabei nicht entnehmen (BGH, a. a. O., Rn. 28). Voraussetzung ist darüber hinaus die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern (BGH, a. a. O., Rn. 25). Bei der praktischen Verwirklichung der geteilten Betreuung ergibt sich ein erhöhter Abstimmungs- und Kooperationsbedarf (BGH, a. a. O., Rn. 30). Ein Konsens der Eltern über die Betreuung des Kindes im Wechselmodell ist hingegen nicht erforderlich (BGH, a. a. O., Rn. 26).
Hier fehlt es den Eltern an einer für die Ausübung des Wechselmodells ausreichenden Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit. Dies ist bereits bei der Anhörung der Eltern durch den Senat deutlich geworden.
Die Eltern haben - insoweit übereinstimmend - angegeben, zur Verbesserung ihrer Kommunikationsfähigkeit sich bereits seit April bzw. Mai 2015 einer Mediation zu unterziehen; sie sei allerdings maßgeblich zur Vereinbarung von Umgangsterminen genutzt worden. Eine tragfähige, von beiden Elternteilen umgesetzte Umgangsregelung ist jedoch bisher nicht gefunden worden. Im Senatstermin stellte es sich bereits als äußerst mühsam heraus, von den Eltern übereinstimmende Informationen darüber zu erlangen, wann welche Umgangsvereinbarung getroffen und inwieweit diese jeweils umgesetzt wurde. Dabei hat sich herauskristallisiert, dass die Dienstpläne der Mutter eine ständige Umorganisation der Umgänge notwendig machen, wie auch die Vertreterin des Jugendamtes ausgeführt hat.
Die Mutter, die zunächst behauptet hat, sie habe noch nie Umgangstermine abgesagt, musste schließlich einräumen, dass sie die Umgangstermine am 27.2.2017 und 23.3.2017 aufgrund beruflicher Verpflichtungen habe verschieben müssen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Eltern in der Zeit von September bis Dezember 2016 den zusätzlichen Umgangstag in der Woche von vornherein flexibel nach dem Dienstplan der Mutter bestimmt haben. Erst im Dezember 2016 (so der Vater) bzw. Januar 2017 (so die Mutter) haben sich die Eltern geeinigt, dass die Kinder alle zwei Wochen jeweils von Donnerstag bis Dienstag früh zum Schulbeginn Umgang mit der Mutter haben sollten, was bereits im Februar und März 2017 von der Mutter nicht eingehalten werden konnte.
Schließlich ist der Vater auch dem Willen der Mutter nachgekommen, ihr die Begleitung des Schwimmkurses zu ermöglichen, den J… zur Einschulung geschenkt bekommen hatte, indem er der Mutter jeden Donnerstag Umgang mit den Kindern gewährt hat. Von den zehn Schwimmkursterminen musste der Vater schließlich zwei begleiten.
Inwiefern der Arbeitgeber der Mutter bei der Einrichtung eines Wechselmodells mehr Rücksicht auf eine entsprechende Betreuungsregelung der Eltern im Rahmen der Dienstplanung nehmen würde als auf eine Umgangsregelung, hat die Mutter nicht nachvollziehbar erläutert, zumal sie gleichzeitig behauptet, ihr gelinge es bereits jetzt, alles gut zu organisieren. Allerdings entstand im Anhörungstermin der gegenteilige Eindruck, dass der Umgang im Wesentlichen durch die Bereitschaft des Vaters, einmal getroffene Umgangsvereinbarungen zu ändern bzw. notfalls für die Mutter einzuspringen, abgesichert wird. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich die Mutter über die praktischen Erfordernisse bei der Einrichtung eines Wechselmodells konkret Gedanken gemacht hat. So verwunderte es, dass sie über die sportlichen Aktivitäten ihrer Kinder keine genaueren Angaben machen konnte, sondern nur Vermutungen dahingehend äußerte, dass der Kleine wohl Fußball und der Große wohl Handball spiele.
Die mangelnde Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern ist auch deutlich bei der Wahl der weiterführenden Schule für Je… zutage getreten. Während die Eltern die seit zwei Jahren zweimal monatlich stattfindende Mediation hauptsächlich für die Besprechung der Umgänge nutzen, fand bezüglich der wesentlichen Frage der Schulwahl kein Gespräch zwischen den Eltern statt. Vielmehr hat der Vater in Übereinstimmung mit den Wünschen Je… in dem auszufüllenden Formular eine Erst- und Zweitwahl angegeben. Die Mutter hat anlässlich der Bitte des Vaters um Mitunterschrift auf dem Formular an zweiter Stelle eine andere Schule eingefügt und die von dem Vater an zweiter Stelle angegebene Privatschule mit einer Ziffer 3. versehen, was der Vater wiederum auf sich hat beruhen lassen, ohne mit der Mutter darüber zu reden in der Hoffnung, dass die Erstwahl zum Zuge kommt. Dabei fand ein Austausch zwischen den Eltern über die maßgeblichen Beweggründe für die Schulwahl (finanzielle Gründe, Wohnortnähe und Fördermöglichkeiten angesichts der bei Je… bestehenden Lese-/Rechtschreibschwäche und Dyskalkulalie) mit dem Ziel einer Konsensfindung nicht statt. Die für das Wechselmodell erforderliche Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit setzt aber bei beiden Eltern hinreichende Erziehungskompetenzen und die Erkenntnis voraus, dass eine kontinuierliche und verlässliche Kindererziehung der elterlichen Kooperation und eines Grundkonsenses in wesentlichen Erziehungsfragen bedarf (BGH, a. a. O., Rn. 30), was hier offensichtlich nicht gegeben ist.
Dem von den Kindern geäußerten Wunsch, die Mutter öfter sehen zu wollen, kann im Rahmen einer Umgangsregelung Rechnung getragen werden, worauf die Verfahrensbeiständin zutreffenderweise hingewiesen hat, die sich vor dem Hintergrund der schwierigen Kommunikation der Eltern ebenfalls gegen ein paritätisches Wechselmodell ausgesprochen hat.
2.
Der Hilfsantrag der Mutter auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sie ist ebenfalls unbegründet.
Soweit die Mutter die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sie zwecks Einrichtung eines Wechselmodells begehrt, fehlt es an den Voraussetzungen, wie bereits ausgeführt. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist der Mutter auch nicht aus anderen Gründen zu übertragen. Es hat vielmehr beim Vater zu verbleiben.
Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so kann gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 1 BGB jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist, wenn nicht der andere Elternteil zustimmt, § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB, stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht, § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB.
Da vorliegend zwischen den Eltern die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts im Streit ist, ist lediglich über diesen Teilbereich zu befinden. Dabei ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht schon deshalb einem Elternteil allein zu übertragen, weil die Eltern darüber keine Einigkeit erzielen können. Beide Elternteile beanspruchen das Aufenthaltsbestimmungsrecht jeweils für sich. Diese Anträge deuten auf fehlende Kooperationsbereitschaft beider Eltern hin (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 6. Aufl., § 1671 BGB Rn. 37), so dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge hinsichtlich des Teilbereichs des Aufenthaltsbestimmungsrechts unter Berücksichtigung des Kindeswohls erforderlich erscheint.
Das Amtsgericht hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder Je… und J… zu Recht auf den Vater übertragen, weil zu erwarten ist, dass dies dem Wohl der Kinder am besten entspricht, § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB.
Maßstab für die zu treffende Sorgerechtsentscheidung ist das Kindeswohl. Bei der Frage, welchem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen ist, ist eine Abwägung nachfolgender Gesichtspunkte vorzunehmen (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1671 BGB Rn. 84):
- der Kontinuitätsgrundsatz, der auf die Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Stabilität der Erziehungsverhältnisse abstellt,
- der Wille des Kindes, soweit er mit seinem Wohl vereinbar ist und das Kind nach Alter und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinne in der Lage ist,
- die Bindung des Kindes an beide Elternteile und etwa vorhandene Geschwister sowie
- der Förderungsgrundsatz, nämlich die Eignung, Bereitschaft und Möglichkeit der Eltern zur Übernahme der für das Kindeswohl maßgeblichen Erziehung und Betreuung
(vgl. zum Ganzen Palandt/Götz, BGB, 76. Aufl., § 1671 Rn. 27 ff., 38 ff., 40, 41; Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1671 BGB Rn. 52 ff., 64 ff., 68 ff., 78 ff.).
Die einzelnen Kriterien stehen allerdings nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2011, 796; FamRZ 2010, 1060). Die Beurteilung des Kindeswohls anhand der genannten Gesichtspunkte und deren Gewichtung ist Aufgabe des Senats.
Dies führt hier im Ergebnis dazu, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht - wie vom Amtsgericht zutreffend entschieden - auf den Vater zu übertragen ist.
Hinsichtlich der Bindung der Kinder an beide Elternteile und hinsichtlich deren Eignung, Bereitschaft und Möglichkeit zur Übernahme der für das Kindeswohl maßgeblichen Erziehung und Betreuung sind beide Eltern als gleich kompetent anzusehen, wie bereits in dem erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten vom 28.9.2015 (Bl. 50 ff) zur Überzeugung des Senats festgestellt wurde. Danach sind beide Kinder an beide Elternteile emotional gebunden (Bl. 100) und haben zu beiden stabile und vertrauensvolle Beziehungen (Bl. 101). Beide Eltern hätten zuverlässig die Versorgung und Pflege der Kinder geleistet und ihre Lebenssituation den veränderten Anforderungen einer alleinigen Betreuung der Kinder angepasst und damit bewiesen, dass sie in der Lage sind, eigene Interessen hinter denen der Kinder zurückzustellen (Bl. 106). Auch den Erziehungsstil, die Zuwendung und das Feinfühligkeitsverhalten der Eltern schätzt die Sachverständige als grundsätzlich gleich gut ein (Bl. 106 f). Dasselbe gilt für das Lenkungsverhalten der Eltern (Bl. 108) und für die Kompetenz zur Befriedigung der kindlichen Grundbedürfnisse und die Förderkompetenz (Bl. 109). Die Beiträge der Eltern zur Erziehung und der Betreuung der Kinder stellten sich insgesamt als vergleichbar dar (Bl. 112), ebenso deren Bindungstoleranz (Bl. 111).
Eine wesentlich höhere Förderkompetenz der Mutter gegenüber dem Vater ist nicht feststellbar. Die Mutter räumt in ihrem Schriftsatz vom 5.4.2017 selbst ein, dass der Vater, gelegentlich auch die Großmutter väterlicherseits und die Lebensgefährtin des Vaters mit den Kindern Hausarbeiten anfertigten, also zunächst behauptete Defizite nicht bestünden.
Schließlich steht der Übertagung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater nicht entgegen, dass dessen Eltern und Lebensgefährtin, die im gleichen Haus wohnen, die Kinder mit betreuen. Dabei handelt es sich nicht um eine Fremdbetreuung. Denn die Großeltern väterlicherseits spielen im Leben der Kinder eine wichtige Rolle, wie bereits die Sachverständige in ihrem Gutachten festgestellt hat. Ihre Empfehlung, dass die Kinder zukünftig ihren Lebensmittelpunkt bei dem Vater nehmen sollen, beruht maßgeblich darauf, eine Kontinuität und Stabilität ihrer bisher erfahrenen Erziehungs- und Umgebungsverhältnisse einschließlich des Erhalts der Großeltern väterlicherseits als wichtige Bezugspersonen zu gewährleisten (Bl. 112). Seit Erstattung des Gutachtens im Jahr 2015 sind keine tatsächliche Änderungen eingetreten, die eine anderen Beurteilung zur Folge haben müssten.
Ausschlaggebend ist vorliegend der Kontinuitätsgrundsatz. Danach ist maßgeblich, inwieweit sich die derzeitigen Lebensverhältnisse derart gefestigt haben, dass sie nach Möglichkeit nicht durch einen Wechsel des Aufenthalts der Kinder verändert werden sollten. Vorliegend leben die Kinder seit mehr als zwei Jahren im väterlichen Haushalt, was die Mutter auch nur insofern ändern will, als sie ihren Betreuungsanteil auf die Hälfte erhöhen will.
Dem steht auch der Kindeswille nicht entgegen. Der geäußerte Kindeswille richtet sich nicht auf einen Wechsel in den mütterlichen Haushalt, sondern lediglich auf mehr Umgang. Im Übrigen bietet der Kindeswille regelmäßig erst bei einem Alter der Kinder ab etwa zwölf Jahren eine einigermaßen zuverlässige Entscheidungsgrundlage (vgl. Senat, FamRZ 2003, 1951, 1954; Beschluss vom 25.11.2010 – 10 UF 135/10, BeckRS 2010, 30458; OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, FamRZ 2008, 1472, 1474; OLG Brandenburg, 5. Familiensenat, Beschluss vom 29.7.2013 – 3 UF 47/13, BeckRS 2013, 19107 s.a. Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1671 BGB Rn. 81).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG, die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.