Gericht | FG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 18.01.2011 | |
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Aktenzeichen | 5 K 5110/07 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 132 Abs 1g EGRL 112/2006, § 4 Nr 16d UStG |
Medienlieferungen, die den Kantinenbetrieb eines Alten- und Pflegeheims betreffen, sind als mit dem Betrieb des Alten- und Pflegeheims eng verbundene Umsätze anzusehen.
Die Umsätze aus einem im Rahmen des "Betreuten Wohnens" angebotenen Hausnotruf sind nach Art. 132 Abs. 1 Buchstabe g MwStSystRL steuerfrei. Das gilt nicht für einen angebotenen Wäscheservice.
Unter Änderung der Bescheide vom 01.04.2001 und vom 21.07.2004 sowie unter teilweiser Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 1.2.2007 wird die Umsatzsteuer 1999 dahingehend neu festgesetzt, dass die Umsätze der Klägerin aus den Betreuungsverträgen mit den Bewohnern des Bereichs „Betreutes Wohnen“ und aus den Medienlieferungen an die X-GmbH – unter Korrektur des insoweit gewährten Vorsteuerabzugs – umsatzsteuerfrei bleiben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 Finanzgerichtsordnung -FGO- dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens werden zu 64 % der Klägerin und zu 36 % dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Klägerin betreibt in M und N je ein Alten- und Pflegeheim. Grundstück und Gebäude des in M von der Klägerin betriebenen Alten-und Pflegeheims stehen im wirtschaftlichen Eigentum der Y-GbR … Diese vermietete einen Teil der Räumlichkeiten an die Klägerin zum Betrieb des Alten- und Pflegeheims. Auf den diesbezüglichen Mietvertrag vom 30.11.1992 wird Bezug genommen (Bl. 64 ff. der Gerichtsakte). Einen anderen Teil der Räumlichkeiten vermietete die Y-GbR an Privatpersonen im Rahmen des Angebotes "Betreutes Wohnen". Letztere konnten mit der Klägerin einen Betreuungsvertrag abschließen, der einen rund um die Uhr besetzten Hausnotruf und die Unterstützung durch eine Sozialarbeiterin – zum Beispiel bei Behördenangelegenheiten – beinhaltete. Hierüber hinaus konnten die Bewohner weitere Leistungen gegen ein zusätzliches Entgelt wählen, so unter anderem einen Wäscheservice. Erbrachte Pflegeleistungen rechnete die Klägerin gegenüber den für die Bewohner zuständigen Sozialstellen ab. Auf die diesbezüglichen Musterabrechnungen wird verwiesen (Bl. 76 ff. der Gerichtsakte).
Ab dem 01.07.1998 vermietete die Y-GbR ferner Räume zum Betrieb einer Küche, einer Cafeteria, eines Restaurants und eines Büros an die X-GmbH, die diese für die Erstellung und die Abgabe von Speisen und Getränken an Bewohner und Gäste des Alten- und Pflegeheims nutzte. Da die Klägerin nach § 4 des Mietvertrags mit der Y-GbR verpflichtet war, die Medienverträge über die Lieferung von Elektrizität, Wasser und Fernwärme für den gesamten Komplex des Alten- und Pflegeheims allein abzuschließen, rechnete sie diejenigen Kosten, die nach gesondert getroffenen Vereinbarungen von der X-GmbH und der Y-GbR zu tragen waren, diesen gegenüber ab. Auf die eingereichten Fotokopien dieser Betriebskostenabrechnungen (Bl. 61 ff. der Gerichtsakte und Ordner I der Betriebsprüfungshandakte) und auf § 8 des ebenfalls eingereichten Vertrages mit der X-GmbH nebst Zusatzvereinbarung wird verwiesen (Bl. 49 ff. und Bl. 60 der Gerichtsakte).
Die X-GmbH erbrachte zudem Hausmeisterdienstleistungen im Bereich „Betreutes Wohnen“. Sie bediente sich dazu der bei der Klägerin angestellten Hausmeister. Auf den Vertrag vom 1.1.1996 wird verwiesen (Bl. 91 f. der Gerichtsakte). Darüber erteilte die Klägerin der X-GmbH Rechnungen, auf die Bezug genommen wird (Betriebsprüfungshandakte, Ordner I).
Der Beklagte stellte den vorstehend geschilderten Sachverhalt anlässlich einer bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung fest. Im Bericht vom 16.03.2004 gelangte die Prüferin unter Textziffer 10 zu dem Ergebnis, dass die Umsätze aus den Medienlieferungen an die X-GmbH und die Y-GbR, der Hausmeisterüberlassung an die X-GmbH, den Betreuungsverträgen mit den Bewohnern des Bereiches "Betreutes Wohnen" (im BP-Bericht als Notruf bezeichnet) und der gegenüber diesen Bewohnern erbrachten Wäschereinigung umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig seien. Da die Klägerin bislang keine umsatzsteuerpflichtigen Umsätze erklärt habe, sei die Besteuerung nachzuholen. Auf den hilfsweise von der Klägerin gestellten Antrag erfolge eine Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten. Vorsteuern berücksichtigte die Prüferin, soweit sie die Umsatzsteuerpflicht bejahte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den ebenfalls in der beigezogenen Betriebsprüfungshandakte befindlichen Bericht und insbesondere auf die Anlagen 1 und 1.1 zu diesem Bericht Bezug genommen.
Der Beklagte folgte der Auffassung der Prüferin und setzte die Umsatzsteuer 1999 durch Bescheid vom 01.04.2004, der am 21.07.2004 nochmals geändert wurde, fest. Den dagegen eingelegten Einspruch wies er als unbegründet zurück.
Mit der Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die fraglichen Umsätze von der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 Buchstabe d Umsatzsteuergesetz - UStG - erfasst würden. Unter Berücksichtigung der entsprechenden Steuerbefreiungsvorschriften der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie hingen diese Umsätze eng mit dem Betrieb des Alten- und Pflegeheims zusammen.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 01.04.2001 und den Änderungsbescheid vom 21.07.2004 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass die Umsätze "Betreutes Wohnen" schon deshalb nicht nach § 4 Nr. 16 Buchstabe d UStG umsatzsteuerfrei sein könnten, weil die Bewohner die Räumlichkeiten nicht von der Klägerin angemietet hätten, sondern von der Y-GbR. Die Medienlieferungen und die Hausmeisterdienstleistungen hingen zudem nicht eng mit dem Betrieb des Alten- und Pflegeheims zusammen.
Dem Gericht haben bei der Entscheidung neben der Verfahrensakte und der Akte des Verfahrens betreffend die Aussetzung der Vollziehung (5 V 5129/07) sechs Aktenordner mit Betriebsprüfungshandakten und Steuerakten und eine Bilanzakte des Beklagten vorgelegen.
Die Klage ist zum Teil begründet.
Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unter anderem die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Von diesen Umsätzen sind nach § 4 Nr. 16 Buchstabe d UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung u.a. steuerfrei die mit dem Betrieb der Krankenhäuser, Diagnosekliniken und anderen Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung, Diagnostik oder Befunderhebung, sowie der Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime, Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und der Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen eng verbundenen Umsätze, wenn bei Altenheimen, Altenwohnheimen und Pflegeheimen im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40% der Leistungen den in § 68 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes und den in § 53 Nr. 2 der Abgabenordnung genannten Personen zugute gekommen sind. Bezogen auf die hier streitigen Umsätze eines Alten- und Pflegeheims beruht die Vorschrift auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuersystemrichtlinie – MwStSystRL – (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie), wonach die Mitgliedstaaten unter anderem die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden, von der Umsatzsteuer befreien.
Dass bei der Klägerin in dem dem Streitjahr vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40% der Leistungen den in § 68 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz und den in § 53 Nr. 2 Abgabenordnung genannten Personen zugute gekommen sind, ist zwischen den Beteiligten ebenso unstreitig wie die Tatsache, dass die Klägerin ein Alten- und Pflegeheim betreibt. Streitig ist lediglich, ob die Umsätze aus den Medienlieferungen, der Hausmeisterüberlassung sowie der Grundbetreuung und dem Wäschedienst im Rahmen des "Betreuten Wohnens" von der Umsatzsteuer befreit sind. Das ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Medienlieferungen an die X-GmbH und der Grundbetreuung im Rahmen des „Betreuten Wohnens“ zu bejahen.
Der Europäische Gerichtshof - EuGH - hat mit Urteil vom 11.01.2001 (C- 46/99, Kommission gegen Französische Republik, Sammlung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - Slg. - 2001, I-00249, Rn. 23) zum Begriff des engen Zusammenhangs im Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie (jetzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL) entschieden, dass dieser keine besonders enge Auslegung verlange, da durch die Befreiung der eng mit der Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung verbundenen Umsätze gewährleistet werden solle, dass der Zugang zu solchen Behandlungen nicht durch die höheren Kosten versperrt werde, die entstünden, wenn die Behandlungen selbst oder die eng mit ihnen verbundenen Umsätze der Mehrwertsteuer unterworfen wären. Mit Urteil vom 06.11.2003 (C- 45/01, Christoph-Dornier-Stiftung, Slg. 2003, I-12911, Rn. 33) hat der EuGH dazu weiter ausgeführt, dass sich schon aus dem Wortlaut der zitierten Norm ergebe, dass sie sich nicht auf Leistungen beziehe, die in keinem Zusammenhang mit einer etwaigen Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung stünden. Die vorstehenden Ausführungen des EuGH sind auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie entsprechend zu übertragen.
Auf dieser Grundlage ist ein enger Zusammenhang zwischen dem Betrieb des Pflegeheims durch die Klägerin und ihren Medienlieferungen an die X-GmbH zu bejahen, der zu einer Steuerfreiheit der Umsätze aus diesen Medienlieferungen nach § 4 Nr. 16 Buchstabe d UStG führt. Der Betrieb eines Alten- und Pflegeheims erfordert eine funktionierende Versorgung mit Speisen und Getränken, die die X-GmbH sicherzustellen hatte. Dies allein begründet den engen Zusammenhang zwischen den Umsätzen aus dem Betrieb des Alten- und Pflegeheims und den Umsätzen aus den Medienlieferungen. Auf die Frage, ob die Vertragsparteien dies hätten anders gestalten können, kommt es damit nicht an, zumal die Klägerin nach § 4 des Mietvertrages mit der Y-GbR verpflichtet war, die Medienverträge für den gesamten Komplex abzuschließen (Bl. 65 der Gerichtsakte). Als Folge der Steuerfreiheit der Medienlieferungen der Klägerin an die X-GmbH ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG anteilig der von der Betriebsprüfung berücksichtigte Vorsteuerabzug aus den Medienbezügen durch die Klägerin rückgängig zu machen.
Die Umsätze aus den Betreuungsverträgen mit den Bewohnern des Bereichs „Betreutes Wohnen“ sind ebenfalls von der Umsatzsteuer befreit. Diese Umsätze fallen nicht unter den Befreiungstatbestand des § 4 Nr. 16 Buchstabe d UStG. Die Klägerin erbringt diese Umsätze nicht im Rahmen des von ihr betriebenen Alten- und Pflegeheims, was sich schon daraus ergibt, dass nicht sie die Wohnungen an die Bewohner des Bereichs „Betreutes Wohnen“ vermietet hat, sondern die Y-GbR als Grundstückseigentümerin des gesamten Geländes. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem von der Klägerin betriebenen Alten- und Pflegeheim ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich bei den Bewohnern des „Betreuten Wohnens“ um potentielle Kunden für das Heim der Klägerin handelt. Wenngleich dies naheliegen mag, gehen die Bewohner jedenfalls keine diesbezüglichen vertraglichen Bindungen ein.
Die Steuerbefreiung ergibt sich für die Umsätze aus den Betreuungsverträgen auch nicht aus § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung. Danach sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des§ 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker von der Umsatzsteuer befreit. Die fraglichen Leistungen sind – wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist – aber gerade keine heilberuflichen Tätigkeiten, sondern beschränken sich auf den Hausnotruf sowie die Unterstützung durch Sozialarbeiter.
Die Befreiung derartiger Umsätze von der Umsatzsteuer folgt allerdings unmittelbar aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Danach befreien die Mitgliedstaaten die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden, von der Umsatzsteuer. Kommt ein Mitgliedstaat dem nicht nach, so kann sich der Steuerpflichtige unmittelbar auf die Befreiungsvorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen (EuGH, Urteil vom 10.9.2002 - C-141/00, Kügler, Slg. 2002, I-6833, Rdnr. 61; BFH, Urteil vom 30.7.2008 - XI R 61/07, BStBl. II 2009, 68; Hölzer in Rau/Dürrwächter, UStG, § 4 Nr. 14 Rdnr. 140 „Krankenschwester“, Oelmeier in Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 14 Rdnr. 84 „Altenpfleger“; Heidner in Bunjes/Geist, UStG, § 4 Nr. 14 Rdnr. 11).
Der Hausnotruf und die Möglichkeit der Unterstützung durch eine Sozialarbeiterin stellen eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Umsätze dar. Bei diesen Begriffen handelt es sich um eigenständige Begriffe des Gemeinschaftsrechts, die eine gemeinschaftsrechtliche Definition erfordern (Europäischer Gerichtshof – EuGH – Urteil vom 26.5.2005 – C-498/03, Kingscrest Associates und Montecello, Slg. 2005, I-4427, Rdnr. 22). Dabei ist zu beachten, dass durch Artikel 132 MwStSystRL zwar bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit werden sollen. Durch diese Vorschrift werden jedoch nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit, sondern nur diejenigen, die in ihr einzeln aufgeführt und sehr genau beschrieben sind. Das hat grundsätzlich zur Folge, dass die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen umschrieben werden, eng auszulegen sind (EuGH, Urteil vom 12.11.1998 – C-149/97, Institute oft the Motor Industry, Slg. 1998, I-7953, Rdnr. 18; Urteil vom 20.6.2002 – C 287/00, Kommission ./. Deutschland, Slg. 2002, I-5811, Rdnr. 45). Dies darf aber nicht dazu führen, dass die Auslegung die Befreiungen praktisch unanwendbar macht (EuGH, Urteil vom 20.11.2003 – C-8/01, Taksatorringen, Slg. 2003, I-13711, Rdnr. 62). In diesem Zusammenhang kommt dem Zweck der jeweiligen Befreiungsvorschrift eine zentrale Rolle zu. Dieser besteht bei Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL darin, für bestimmte im sozialen Sektor erbrachte Leistungen, die dem Gemeinwohl dienen, eine günstigere Mehrwertsteuerbehandlung zu gewähren, um die Kosten dieser Leistungen zu senken und dadurch diese Leistungen dem Einzelnen, der sie in Anspruch nehmen könnte, zugänglicher zu machen (EuGH, Urteil vom 26.5.2005 – C-498/03, Kingscrest Associates und Montecello, Slg. 2005, I-4427, Rdnr. 30).
Bei der für die Bewohner des „Betreuten Wohnens“ bestehenden Möglichkeit, den Hausnotruf zu nutzen und die Dienste einer Sozialarbeiterin in Anspruch zu nehmen, handelt es sich unzweifelhaft um Leistungen der Klägerin im sozialen Sektor, die dem Gemeinwohl dienen und damit um eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL (s. dazu auch EuGH, Urteil vom 9.2.1006 – C-415/04, Stichting Kinderopvang Enschede, Slg. 2006, I-1385, Rdnr. 17 betreffend Leistungen zur Kinderbetreuung). Die Befreiung dieser Leistungen von der Umsatzsteuer führt auch zu einer Kostensenkung, die zur Folge hat, dass die Leistungen für die Bewohner des „Betreuten Wohnens“ zugänglicher werden.
Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte in diesem Zusammenhang darauf, dass die Befreiung der von der Klägerin im Rahmen der Betreuungsverträge erbrachten Leistungen von der Umsatzsteuer zu einer Wettbewerbsverzerrung führen würde. Es trifft zwar zu, dass es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer insbesondere verbietet, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (statt vieler EuGH, Urteil vom 9.2.1006 – C-415/04, Stichting Kinderopvang Enschede, Slg. 2006, I-1385, Rdnr. 41 mit weiteren Nachweisen). Das bedeutet aber nicht, dass die auf den Betreuungsverträgen beruhenden Leistungen der Klägerin der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind, sondern dass vielmehr vergleichbare von Mitbewerbern angebotene und erbrachte Leistungen ebenfalls nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL von der Umsatzsteuer befreit sind, weil auch insoweit eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen vorliegen.
Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL setzt weiter voraus, dass die Leistungen durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden. Auch diese Voraussetzung ist erfüllt. Wie bereits ausgeführt, erbringt die Klägerin die fraglichen Leistungen zwar nicht unmittelbar im Rahmen des Betriebs des Altenheims. Das ändert aber nichts daran, dass es sich bei ihr als Betreiberin eines Alten- und Pflegeheims jedenfalls um eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter handelt, zumal die streitigen Umsätze den Umsätzen aus dem Betrieb des Alten- und Pflegeheims zumindest artverwandt sind. Denn bei der den nationalen Gerichten obliegenden Überprüfung, welche Einrichtungen als solche mit sozialem Charakter anzuerkennen sind, darf das Gericht auch darauf abstellen, dass Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten wegen des mit diesen Tätigkeiten verbundenen Gemeinwohlinteresses bereits in den Genuss einer ähnlichen Steuerbefreiung kommen (EuGH, Urteil vom 10.9.2002 - C-141/00, Kügler, Slg. 2002, I-6833, Rdnr. 54 ff.). Gerade das ist der Fall, weil sowohl die Bereitstellung des Hausnotrufs als auch einer Sozialarbeiterin Leistungen sind, die auch im Rahmen des Betriebs eines Alten- und Pflegeheims üblich und in diesem Zusammenhang direkt nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL und § 4 Nr. 16 UStG von der Umsatzsteuer befreit sind.
Nicht von der Umsatzsteuer befreit ist der von der Klägerin gegenüber den Bewohnern des „Betreuten Wohnens“ erbrachte Wäscheservice. § 4 Nr. 16 UStG ist – wie auch bei den Leistungen aufgrund der Betreuungsverträge – nicht einschlägig, weil die Klägerin diese Umsätze nicht im Rahmen des von ihr betriebenen Alten- und Pflegeheims erbringt. Auf die oben gemachten Ausführungen wird verwiesen.
Die Umsätze aus dem Wäscheservice sind auch nicht nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL von der Umsatzsteuer befreit. Es handelt sich nicht um eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen. Die Klägerin erbringt diese zwar in einem gewissen sozialen Umfeld. Dies ist aber nicht allein entscheidend. Maßgebend ist vielmehr der Charakter der einzelnen Leistung, der als Wäscheservice keine besondere soziale Komponente aufweist. Hinzu kommt, dass im Falle einer Befreiung der Wäscheserviceleistungen von der Umsatzsteuer eine Wettbewerbsverzerrung eintreten würde. Wie bereits ausgeführt, verbietet es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer insbesondere, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (statt vieler EuGH, Urteil vom 9.2.1006 – C-415/04, Stichting Kinderopvang Enschede, Slg. 2006, I-1385, Rdnr. 41 mit weiteren Nachweisen). Mit dem Wäscheservice für die Bewohner des „Betreuten Wohnens“ tritt die Klägerin in Konkurrenz zu Wäschereien und Reinigungen, die ebenfalls einen Wäscheservice anbieten. Würden die diesbezüglichen Leistungen der Klägerin von der Umsatzsteuer befreit, so hätte sie im Vergleich zu den Wettbewerbern einen nicht gerechtfertigten Vorteil, weil sie ihre Leistungen billiger, nämlich vermindert um die Umsatzsteuer, anbieten könnte. Diese Folge wird – anders als bei den Leistungen aufgrund der Betreuungsverträge – nicht dadurch verhindert, dass auch die jeweiligen Umsätze der Konkurrenten von der Umsatzsteuer zu befreien wären. Diese Umsätze fallen nämlich schon deshalb nicht unter die Befreiungsregel des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL, weil die Mitbewerber keine als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen sind.
Ebenfalls keinen Erfolg hat die Klage, soweit die Klägerin Medienlieferungen an die Y-GbR erbracht hat. Diese sind nicht nach § 4 Nr. 16 Buchstabe d UStG von der Umsatzsteuer befreit, weil sie nicht eng mit dem Betrieb des Alten- und Pflegeheims zusammenhängen. Sie hängen allenfalls mit dem Mietvertrag zusammen, den die Klägerin mit der Y-GbR zur Anmietung des Grundstücks mit Gebäude abgeschlossen hatte und wonach die Klägerin verpflichtet war, Medienverträge über die Lieferung von Elektrizität, Wasser und Fernwärme für den gesamten Komplex des Alten- und Pflegeheims allein abzuschließen. Dies allein begründet aber noch keinen engen Zusammenhang mit dem Betrieb des Alten- und Pflegeheims. Eine Befreiung der Medienlieferungen an die Y-GbR von der Umsatzsteuer folgt auch nicht aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL, weil insoweit keine eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen vorliegen. Die Ausführungen zum Wäscheservice gelten entsprechend.
Auch die Umsätze aus der Überlassung der Hausmeister an die X-GmbH sind nicht von der Umsatzsteuer befreit. Diese Umsätze hängen ebenfalls nicht eng mit dem Betrieb des Altenheims zusammen im Sinne des § 4 Nr. 16 Buchstabe d UStG und sind auch keine eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen. Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.