Gericht | OLG Brandenburg 4. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 12.01.2011 | |
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Aktenzeichen | 4 U 111/08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung des Beklagten wird die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Neuruppin - 3 O 330/07 - abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits unter Einschluss derjenigen des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen; die durch die Nebenintervention verursachten Kosten trägt die Streithelferin selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
I.
Die - auf humangenetische Diagnostik spezialisierte – Klägerin betreibt ein ärztliches Laboratorium. Sie begehrt von dem Beklagten Vergütung für labormedizinische Untersuchungen an dessen Blut.
Der Beklagte befand sich im Mai und Juni 2006 bei Herrn Dr. S… in der Gemeinschaftspraxis der Streithelferin in ärztlicher Behandlung. Dort berichtete er davon, dass sein Vater an einer Teilausprägung des Marfansyndroms leide. Dies habe zu einem Klappenfehler an der Aortaklappe geführt, der habe operiert werden müssen. Dem Beklagten wurde daraufhin bei der Streithelferin eine Blutprobe abgenommen, die, wie zwischen dem Beklagten und seinem behandelnden Arzt abgesprochen, daraufhin untersucht werden sollte, ob der Beklagte Merkmalsträger des Marfan-Syndrom sei.
Die Untersuchung erfolgte im Labor der Klägerin. Nach einer umfangreichen labormedizinischen Stufendiagnostik, deren Ergebnis sie der Streithelferin in den humangenetischen Gutachten vom 14., 29. und 30.08.2006 (Bl. 16-19 d.A.) mitgeteilt hatte, berechnete die Klägerin unter dem 31.08.2006/06.07.2007 (Bl. 20 ff, 25 f d.A.) für ihre Laborleistungen eine Vergütung von 21.572,94 €, deren Begleichung der Beklagte verweigerte.
Die Klägerin hält den Beklagten für ihr gegenüber wirksam vertraglich verpflichtet. Sie sei nicht gehalten gewesen, die Diagnose und die Indikation der in Auftrag gegebenen labormedizinischen Untersuchungen zu überprüfen. Diese seien aber gleichwohl medizinisch notwendig gewesen, was sich daraus ergebe, dass der Vater des Beklagten an einer Teilausprägung des Marfansyndroms leide.
Die Streithelferin der Klägerin hat geltend gemacht, dem behandelnden Arzt sei nicht bekannt gewesen, dass die von der Klägerin durchgeführten Laboruntersuchungen Kosten in Höhe der Klageforderung auslösen könnten.
Der Beklagte hat behauptet, Dr. S… habe ihm mitgeteilt, es gebe einen neu verfügbaren einfachen Gentest, der etwa 500,00 bis 800,00 € koste. Über die völlig unerwartete Höhe der ihm Anfang September 2006 zugegangenen Rechnung seien sowohl er als auch Dr. S… überrascht gewesen. Dieser habe ihm auf Anrufbeantworter seine Verwunderung mitgeteilt und erklärt, dass es sich um einen Irrtum handeln müsse.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass zwischen den Parteien ein Vertrag nicht zustande gekommen sei. Er hat ferner geltend gemacht, die Klägerin habe Dr. S… als behandelnden Arzt darauf hinweisen müssen, dass es vor einer humangenetischen Labordiagnostik erforderlich sei, mehrere Kriterien entsprechend der „Genter Nosologie“ festzustellen. Zudem habe die Klägerin auf die besonders hohen Behandlungskosten ebenso hinweisen müssen wie darauf, dass es zweifelhaft sei, dass die private Krankenversicherung zur Erstattung verpflichtet sei.
Das Landgericht hat der Klage mit am 06.06.2008 verkündetem Urteil (Bl. 112 ff d.A.) in vollem Umfang stattgegeben; die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist durch Urteil des Senats vom 04.06.2009 (Bl. 197 ff d.A.) zurückgewiesen worden.
Auf die Revision des Beklagten hin hat der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 14.01.2010 (III ZR 188/09) das Urteils des Senats aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Der BGH hat zur Begründung einleitend ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass bei der Inanspruchnahme eines externen Laborarztes durch den behandelnden Arzt letzter im Regelfall als Vertreter des Patienten tätig werde. So verhalte es sich, anders als vom Senat angenommen, auch hier. Die durch den Senat getroffenen Feststellungen rechtfertigten aber nicht die Annahme, dass die Streithelferin, die die Laborleistungen im Namen des Beklagten in Auftrag gegeben habe, hierzu auch bevollmächtigt gewesen sei. Bei einer Innenvollmacht, wie hier gegeben, sei ausschließlich darauf abzustellen, wie der Bevollmächtigte als Empfänger der Erklärung diese unter Berücksichtigung von Treu und Glauben habe verstehen müssen.
Unabhängig von der Frage eines Vertragsschlusses erweise sich das angefochtene Urteil des Senats auch insoweit als rechtfehlerhaft, als es davon ausgegangen sei, der Klägerin stehe ein Vergütungsanspruch auch für den Fall zu, dass die streitgegenständlichen Leistungen, wie beklagtenseits im einzelnen vorgetragen, medizinisch nicht indiziert und insoweit nicht notwendig gewesen seien. Anders als vom Senat angenommen, könne § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ nicht restriktiv dahin ausgelegt werden, dass der Begriff der medizinischen Notwendigkeit für den behandelnden Arzt und den Laborarzt eine unterschiedliche Bedeutung habe. Der Begriff der medizinischen Notwendigkeit könne nur einheitlich verstanden werden.
Der Beklagte wiederholt und vertieft nunmehr sein bisheriges Vorbringen und macht nochmals geltend, ihm sei es an sich nur um eine Überweisung an einen Kardiologen gegangen; Dr. S… habe ihm unter Hinweis auf die Kosten von 500,- bis 800 € die streitbefangene Laborleistung gleichsam „angedient“.
Der Beklagte beantragt,
das am 06.07.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Neuruppin (Az. 3O 330/07) in der Fassung der Beschlüsse vom 02.07.2007 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Streithelferin hat sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen.
Die Klägerin, die nunmehr der – im ersten Rechtszug auf Streitverkündung des Beklagten hin ihr beigetretenen – Streithelferin ihrerseits den Streit verkündet hat, wiederholt, die Vollmacht sei nicht auf einen bestimmten Betrag an Untersuchungskosten begrenzt gewesen. Da die Streithelferin sie trotz ihrer Bitte nicht über den Inhalt des Gespräches zwischen Dr. S… und dem Beklagten informiert habe, könne sie hierzu nicht näher vortragen. Da die Untersuchungen bis zum Betrag von 800,- € klar abgrenzbar seien, könne im Falle der Vollmachtsüberschreitung keine Gesamtunwirksamkeit angenommen werden. Wie im ersten Rechtszug macht die Klägerin geltend, die Untersuchung sei zum Ausschluss des „Marfan-Symdroms“ auch in Ansehung der Kriterien der „Genter Nosologie“ medizinisch notwendig gewesen.
Die Streithelferin wiederholt ihre erstinstanzliche Behauptung, Dr. S… habe dem Beklagten unter Hinweis auf den Fall einer anderen von ihm behandelten Patientin mitgeteilt, es sei nicht sicher, dass die Kosten der Laboruntersuchung von der privaten Krankenkasse übernommen würden. Er habe nicht erklärt, die Kosten würden sich auf ca. 500,- bis 800,- € belaufen; vielmehr seien Dr. S… zum Zeitpunkt des Beratungsgespräches die möglichen Kosten der Untersuchung nicht bekannt gewesen. Eine wirtschaftliche Aufklärungspflicht über das Kostenrisiko bestehe für den behandelnden Arzt auch bei Selbstzahlern nicht.
II.
Die Berufung des Beklagten hat Erfolg und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung, ohne dass es zuvor einer Beweiserhebung bedurfte. Dies gilt sowohl für die Frage des Vollmachtsumfanges als auch für diejenige der medizinischen Notwendigkeit der Laboruntersuchungen.
1) Die Klägerin kann von dem Beklagten nicht Vergütung der erbrachten Leistungen verlangen; denn der behandelnde Arzt handelte nicht gestützt auf eine durch den Beklagten erteilte (Innen-)vollmacht, als er bei der Klägerin das umfangreiche und kostenintensive gentechnische Gutachten zur Untersuchung auf das Marfan-Syndrom hin in Auftrag gab.
a) Bei einer Innenvollmacht ist ausschließlich darauf abzustellen, wie der Bevollmächtigte als Empfänger der Erklärung diese bei objektiver Würdigung aller Umstände und Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (BGH, Urteil vom 14.01.2010 – III ZR 188/09, Rn. 18, zit. nach JURIS; Urteile vom 19.11.1979 – II ZR 57/79 – LM § 133 (B) BGB, Nr. 18, und 09.07.1991 – XI ZR 218/90 – NJW 1991, 3141; MünchKomm-BGB/Schramm, 5. Aufl., § 167, Rn. 80; Staudinger/Schilken, BGB, Neubearb. 2004, § 167, Rn. 84; Soergel/Leptien, BGB, 13. Aufl., § 167, Rn. 39; Bamberger/Roth-Habermeier, BGB, 2. Aufl., § 167, Rn. 23). Dabei kommt es nicht auf die Verständnismöglichkeiten des Geschäftsgegners an; insoweit gibt es keinen Vertrauensschutz zu seinen Gunsten (s. auch BGH, Urteil vom 07.03.1990 – VIII ZR 25/89 – NJW-RR 1990, 701, 793; MünchKomm-BGB/Schramm, a.aO., Soergel/Leptien, aaO).
Anders als die Streithelferin meint, ist die medizinische Notwendigkeit nicht in jedem Fall das alleinige Kriterium zur Bemessung des Vollmachtsumfanges. Die entsprechenden Ausführungen in der im vorliegenden Fall ergangenen Entscheidung des BGH (a.a.O.) beziehen sich auf die der Parallelentscheidung vom 14.01.2010 - III ZR 173/09 zugrundeliegende Fallkonstellation. Sie sind, wie aus der Formulierung „wenn nicht darüber gesprochen wird, zu welchem Zweck die Blutprobe untersucht werden soll“, hervorgeht, nicht generalisierend zu verstehen. Im vorliegenden Fall wurde indes zwischen dem Beklagten und dem behandelnden Arzt unstreitig der Zweck der Untersuchung – Ausschluss des Marfan-Syndroms – erörtert.
Es kann nicht angenommen werden, dass ein Einverständnis des Beklagten mit Kosten in unbegrenzter Höhe bestand, sofern die Untersuchung nur objektiv medizinisch indiziert war – was hier nur mit Hilfe eines Sachverständigen hätte geklärt werden können. Legte man im vorliegenden Fall, in dem als Zweck der Untersuchung ausdrücklich der Ausschluss des Marfan-Syndroms besprochen wurde, den Vollmachtsumfang ungeachtet der Kostenhöhe anhand des medizinisch Indizierten fest, würde – und dies war für den behandelnden Arzt erkennbar – dem Patienten die Möglichkeit verwehrt, eine Kosten-Nutzen-Abwägung vorzunehmen und angesichts, wie hier, mit Sicherheit zu erwartender sehr hoher Kosten abzuwägen, ob die erhoffte Klärung ihm eine solche Kostenbelastung wert ist.
Die Überlegung, dass – selbst die medizinische Notwendigkeit einmal unterstellt - nicht von einem Einverständnis des Patienten mit Kosten in jedweder Höhe auszugehen ist, gilt jedenfalls dann, wenn, wie hier – die zu erwartenden Kosten das Maß dessen überschreiten, was einem Patienten als Kosten von Laboruntersuchungen bekannt ist. Ging es in der Entscheidung des BGH in der Sache III ZR 173/09 um eine Vergütung für Laborleistungen in Höhe von 5.367, 15€, steht hier sogar eine Kostennote in Höhe von rund 21.000,- € in Rede. Es handelt sich hierbei um Kosten in einer Größenordnung, die ein Vielfaches des durchschnittlichen Brutto-Monatseinkommens in der Bundesrepublik Deutschland im Zeitraum 2009/2010 - ca. 2.700,- € - ausmachen. Die ganz erhebliche Größenordnung der Kosten für die gentechnische Laboruntersuchung zeigt sich auch bei dem Vergleich mit nicht kurzlebigen Konsumgütern: So sind rund 21.000,- € beispielsweise ein Betrag, für den heutzutage, und zwar ohne Berücksichtigung jedweder Rabattaktionen, sogar ein Mittelklasse-PKW, wie etwa ein VW-Golf, als Neufahrzeug in Bestausstattung erworben werden kann. Angesichts dieser Größenordnung der Kosten im vorliegenden Fall kann dahinstehen, was generell unter „üblichen Laborkosten“ zu verstehen ist und ob sich ein solches generelles Kriterium, wie die Streithelferin der Klägerin geltend macht, im Hinblick auf die mannigfaltigen Möglichkeiten entsprechender Untersuchungen und deren Kostenauswirkungen verbietet, es daher nicht nach objektiven Kriterien bestimmbar und damit willkürlich ist. Jedenfalls bei einer so exorbitanten Kostenhöhe wie hier ist nicht davon auszugehen, dass der - über die voraussichtliche Kostenhöhe nicht ausdrücklich aufgeklärte - Patient gleichwohl mit ihr einverstanden ist und damit eine entsprechende (Innen-)Vollmacht bejaht werden kann.
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass es – unstreitig - nicht etwa um eine gentechnische Untersuchung zur Klärung der Ursachen körperlicher Beschwerden bei dem beklagten Patienten ging oder auch nur um eine Laboruntersuchung zum Zweck der Vorbereitung der Behandlung derartiger Beschwerden, sondern um eine Untersuchung, die der behandelnde Arzt dem Beklagten ausschließlich deshalb anempfahl, weil dieser mitgeteilt hatte, dass sein Vater an einer Teilausprägung des Marfan-Syndroms leide. Zweck der Untersuchung war die Klärung, ob die Krankheit auf den Beklagten vererbt worden sei. In einer solchen Konstellation ohne akuten Leidensdruck im Hinblick auf das Marfan-Syndrom kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Patient – gleichsam um jeden Preis – entsprechende laborärztliche Untersuchung herbeigeführt sehen möchte. Aus diesem Grunde überzeugt auch nicht die in der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2010 von Klägerseite geäußerte Befürchtung, die Sichtweise des Senats könne letztlich zu einem Kostenvoranschlagswesen führen oder gar dazu, dass Patienten vor medizinisch notwendigen Maßnahmen zurückschreckten. Bei der Frage, was dem Betreffenden eine sehr kostenintensive Untersuchung wert ist, wird der mündige Patient nämlich sehr wohl den Nutzen der Maßnahme in seine Abwägung einbeziehen. Soll eine Maßnahme wegen akuter Beschwerden zu diagnostischen Zwecken vorgenommen werden, wird die Abwägung mit großer Wahrscheinlichkeit anders ausfallen als hier, wo dem Beklagten die – streithelferseits im Schriftsatz vom24.01.2008 (Bl. 79 ff d.A.) sehr anschaulich geschilderten – Gefahren des Marfan-Syndroms durch die gesundheitliche Situation seines Vaters bereits bekannt waren, er aber zuvor noch keine Notwendigkeit gesehen hatte, sich auf die Merkmalsträgerschaft hin untersuchen zu lassen. Das klägerseits befürchtete „Kostenvoranschlagswesen“ stellt im Übrigen als solches nichts Missbilligenswertes dar – und ist den Patienten beispielsweise aus der Zahnmedizin, wo es auch oftmals um erhebliche Kosten des Zahnersatzes geht, durchaus bekannt und vertraut.
Dass der behandelnde Arzt hier bei dem Gespräch mit dem Patienten nicht davon ausgehen durfte, von diesem zur Beauftragung von Laboruntersuchungen in das normale Maß eindeutig erheblich übersteigenden Kosten bevollmächtigt worden zu sein, ergibt sich auch aus dem von der Klägerin selbst – von Beklagtem und Streithelferin bestritten - in der Klageschrift (dort S. 3 = Bl. 3 d.A.) vorgetragenen Umstand, ihre Mitarbeiterin Frau Dr. T… habe Herrn Dr. S… auf dessen fernmündliche Anfrage hin, welches Blut für die Untersuchung erforderlich sei, ausdrücklich auf den Zeit- und Kostenaufwand aufmerksam gemacht, da dieser bei behandelnden Ärzten und Patienten nicht als bekannt vorausgesetzt werden könne.
Den dargelegten Erwägungen kann nicht, wie durch den Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2010 geschehen, entgegen gehalten werden, ein Privatversicherter mache sich praktisch keine Gedanken über die durch Untersuchungsmaßnahmen verursachte Kosten; denn er gehe davon aus, dass diese ohnehin von seiner privaten Krankenkasse getragen würden, was - wenn die Maßnahme medizinisch indiziert sei – auch zutreffe; ansonsten sei der Patient über § 1 Abs. 2 GOÄ geschützt. Von einer solchen Interessenlage des Patienten kann ein behandelnder Arzt nicht ohne weiteres ausgehen. Dies erhellt schon daraus, dass zum einen die ganz konkrete – dem Arzt nicht bekannte – Vertragsgestaltung im Verhältnis zwischen dem privat Versicherten und seiner Krankenkasse – einer Ersatzfähigkeit entgegen stehen kann. Noch gravierender ist aber die Überlegung, dass der Patient nicht auf jeden Fall gewillt sein wird, selbst bei einer Maßnahme, die sich letztendlich als medizinisch indiziert herausstellt, das Risiko zu tragen, dass seine private Krankenversicherung den Kostenersatz ablehnt. Er muss sich dann nämlich womöglich zu einem Rechtsstreit gegen die private Krankenkasse entschließen, was außer der Kostenvorschusspflicht – auch der möglicherweise nicht unbeträchtlichen für einen medizinischen Sachverständigen – für ihn auch die Notwendigkeit mit sich bringt, zweckmäßigerweise nach einem im Medizinrecht besonders erfahrenen Rechtsanwalt Ausschau zu halten, den es nicht allerorten geben wird. Sieht der Patient von einem Rechtsstreit gegen seine private Krankenkasse ab, ist er, wie hier, der Gefahr eines gegen ihn gerichteten Prozesses des Leistungserbringers ausgesetzt, der möglicherweise durch mehrere Instanzen geführt werden muss. Schließlich mag auch die Überlegung eines Versicherten nicht auszuschließen sein, dass hohe Untersuchungskosten insgesamt auch eine Mitursache für Beitragserhöhungen sein können und daher Versicherte überlegen, ob sie sie verursachen wollen. Gerade wenn, wie bereits aufgezeigt, im Einzelfall kein akuter „Leidensdruck“ besteht, wird deshalb - entgegen der Auffassung der Klägerseite - nicht davon ausgegangen werden können, der Patient wolle gleichsam „alles mitnehmen, was medizinisch indiziert ist“.
Ungeachtet der aufgezeigten allgemeinen Erwägungen kann von einer Einwilligung des Patienten in Maßnahmen mit für ihn unüberschaubarer und womöglich sehr erheblicher Kostenfolge jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn – wie hier klägerseits, wenngleich vom Beklagten bestritten, behauptet – der behandelnde Arzt unter Hinweis auf den Fall einer anderen Patientin ausdrücklich darauf hingewiesen haben sollte, dass die private Krankenkasse des Beklagten die Kosten womöglich nicht übernehmen werde. Gerade bei einem Patienten, der damit rechnen muss, sämtliche Kosten einer Laboruntersuchung aus eigener Tasche begleichen zu müssen, kann aus Sicht des behandelnden Arztes als Erklärungsempfänger der Innenvollmacht nicht davon ausgegangen werden, der Patient bevollmächtige ihn dazu, Untersuchungen in jedweder Höhe in Auftrag zu geben.
Nach alledem bedurfte es keiner Vernehmung des klägerseits benannten Zeugen S… zu der behaupteten Information über die womöglich fehlende Kostenerstattung durch die private Krankenversicherung.
Den vorstehenden Überlegungen können die Klägerin und ihre Streithelferin nicht, wie auf den Hinweis des Senats mit Beschluss vom 02.08.2010 (Bl. 258 ff d.A.) hin geschehen, mit Erfolg entgegenhalten, es bestehe keine generelle Aufklärungspflicht des behandelnden Arztes über wirtschaftliche Aspekte wie die Kostenerstattung seitens der privaten Krankenversicherung. Um eine solche Aufklärungspflicht des Arztes und die Frage, ob und inwieweit es nicht zuvörderst Sache des Patienten ist, angesichts vorauszusehender sehr hoher Kosten einer Untersuchung die Kostenfrage mit seiner privaten Krankenversicherung zu klären, geht es hier nicht. Zu befinden ist vielmehr über die –vorgelagerte – Frage, ob das Verhalten des Beklagten für den behandelnden Arzt als Erklärungsempfänger überhaupt dahin verstanden werden durfte, der Patient sei mit einer labortechnischen Untersuchung zu Kosten von rund 21.000,- € einverstanden, gerade wenn der Arzt ihn selbst über mögliche Zweifel an der Erstattungsfähigkeit durch die Privatkasse informiert hatte.
Der Senat vermag sich auch nicht dem in der mündlichen Verhandlung vom 15. 12. 2010 durch den Streithelferinnen-Vertreter vorgebrachten Bedenken anzuschließen, jede andere Sicht als diejenige, dass der Umfang der Innenvollmacht des behandelnden Arztes allein an dem Maßstab des medizinisch Indizierten auszurichten sei, sei praxisfremd, weil die Hausärzte in der Regel gar nicht imstande seien, die Kosten jedweder von ihnen als Vertreter für den jeweiligen Patienten veranlassten labortechnischen Untersuchungen zu ermessen. Deshalb dürften die Hausärzte nicht der Gefahr ausgesetzt werden, im Falle einer zwar womöglich medizinisch indizierten, aber vom Patienten wegen der Kostenhöhe nicht gewollten gentechnischen Untersuchung dem Leistungserbringer gegenüber als falsus procurator haften zu müssen. Diese Überlegung überzeugt schon deshalb nicht, weil es einem Hausarzt unbenommen ist, sich über Kosten von Maßnahmen auf einem ihm nicht vertrauten Gebiet kundig zu machen, bevor er sie seinem Patienten anempfiehlt. Der Patient jedenfalls vertraut darauf, dass sein behandelnder Arzt über einen solchen Überblick entweder bereits von vornherein verfügt oder sich ihn jedenfalls verschafft, bevor er ihm labortechnische Untersuchungen in einer Größenordnung wie hier gegeben empfiehlt.
b) Jedenfalls durfte der behandelnde Arzt eine Innenvollmacht entsprechenden Umfanges spätestens ab dem Zeitpunkt nicht mehr annehmen, zu dem er, wie klägerseits behauptet, durch Frau Dr. T… über die zu erwartenden exorbitanten Kosten aufgeklärt worden war. Dieses Telefonat lag vor der durch Übersendung der Blutprobe erfolgenden, über die Streithelferin als Vertreterin erfolgenden Offerte des Beklagten zum Vertragsschluss mit der Klägerin. Angesichts der Informationen bei dem Telefonat konnte sich die Streithelferin daher bei Übermittlung des Angebotes nicht mehr für bevollmächtigt halten, den so kostenträchtigen Laborvertrag mit der Klägerin als Vertreter des Beklagten abzuschließen.
Das tatsächliche Vorbringen betreffend das Telefonat mit Frau Dr. T… wird zwar vom Beklagten bestritten, der seinerseits geltend macht, Dr. S… habe sich bei einer auf seinen Anrufbeantworter aufgesprochenen Nachricht über die Rechnungshöhe äußerst überrascht gegeben und bei dem Beratungsgespräch von einer Kostenhöhe von 500 bis 800 € gesprochen - was die Klägerin ihrerseits in Abrede stellt. Einer Vernehmung des Zeugen S… für die letztgenannte Behauptung sowie einer solchen der Zeugin Dr. T… bedurfte es allerdings nicht, da sich das Klagevorbringen, die Behauptungen betreffend das Telefonat mit der Kläger-Mitarbeiterin als wahr unterstellt, bereits als unschlüssig darstellt.
2) Da nach alledem bereits nicht von einem wirksamen Vertragsschluss zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits auszugehen ist, bedurfte die weitere Frage, ob ein vertraglich begründeter Anspruch deswegen zu verneinen sein könnte, weil § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ nur einen Vergütungsanspruch für medizinisch notwendige Maßnahmen ermöglicht, im vorliegenden Rechtsstreit keiner Klärung mehr. Diese Frage wäre hier relevant geworden, wenn eine Innenvollmacht und damit letztlich ein Vertragsschluss der Parteien betreffend die streitgegenständlichen Laborleistungen hätte bejaht werden können. Dann wäre gleichwohl zu berücksichtigen gewesen, dass eine Vergütungspflicht gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ nur für medizinisch notwendige Leistungen besteht (BGH, Urteil vom 14.01.2010 III ZR 188/09, Rn. 24, 25, zit nach JURIS). Da hier schon kein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien besteht, ist das Klagebegehren bereits aus diesem Gesichtspunkt unbegründet und wird die Frage der medizinischen Notwendigkeit – und in deren Folge auch die Frage, ob sich eine Haftung der hiesigen Streithelferin aus § 179 Abs. 1 BGB oder aus §§ 311 Abs 3, 241 Abs. 2 BGB ergibt (BGH a.a.O., Rn. 26) erst in einem Regressprozess der Klägerin gegen die Streithelferin zu klären sein.
3) Die Berufung des Beklagten war, anders als klägerseits angenommen, auch nicht deshalb teilweise zurückzuweisen, weil er selbst angibt, von Dr. S… Kosten in Höhe von 500 bis 800 € genannt bekommen zu haben. Hier ist, entgegen der Auffassung der Klägerin, nicht etwa „im Umfang der erteilten Vollmacht ein Vertrag wirksam zustande gekommen“. Gemäß § 139 BGB tritt bei Nichtigkeit eines Teiles eines Rechtsgeschäfts nämlich in der Regel Gesamtnichtigkeit ein, es sei denn, dass angenommen werden kann, dass das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre. So verhält es sich hier indes nicht. Eine Komplett-Untersuchung auf das Marfan-Syndrom, die medizinische Notwendigkeit einmal vorausgesetzt, ist - unstreitig - nur zu den hier abgerechneten Kosten erstellbar. Um eine solche Untersuchung ging es aber, nicht darum, dass irgendwelche Laborleistungen zum Preise von 500,- bis 800,- € erbracht werden sollten. Da nicht ersichtlich ist, welchen Nutzen eine Laboruntersuchung des Blutes zu einem solchen Preise von 500 bis 800 € für den Beklagten im Zusammenhang mit der gewünschten Abklärung auf das Marfan-Syndrom hin hätte erbringen können, ist hier nicht davon auszugehen, dass jedenfalls eine wirksame Innenvollmacht betreffend die Beauftragung von Laborleistungen im Werte von 500 bis 800 € vorliegt.
4) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 N. 10, 711 S. 1 ZPO.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil es sich bei der Frage, ob sich der Umfang der Innenvollmacht bei der Beauftragung eines externen Laborarztes - wenn über den Untersuchungszweck gesprochen worden ist – allein nach dem Maßstab des medizinisch Notwendigen richtet, um eine solche von grundsätzlicher Bedeutung handelt (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 21.572,94 € festgesetzt.