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Berechnung des Veräußerungsgewinns bei Immobilienveräußerung nach mehr als zwei Jahren und weniger als zehn Jahren Besitzzeit


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 05.03.2012
Aktenzeichen 7 V 7191/11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 2 Abs 1 S 1 Nr 4 EStG, § 2 Abs 1 S 1 Nr 5 EStG, § 2 Abs 1 S 1 Nr 6 EStG, § 2 Abs 1 S 1 Nr 7 EStG, § 22 Nr 2 EStG, § 23 Abs 1 Nr 1 EStG, § 23 Abs 3 S 4 EStG, § 7 Abs 4 EStG, § 69 Abs 2 S 2 FGO, § 69 Abs 3 S 1 FGO, FöGbG, StEntlG 1999/2000/2002

Leitsatz

Es bestehen ernstliche Zweifel an der gleichmäßigen Verteilung von Sonderabschreibungen und AfA-Beträgen auf Immobilien bei der berechnung des steuerbaren Wertzuwachses, wenn die Immobilien nach Ablauf der ursprünglichen Spekulationsfrist von zwei Jahren und vor Ablauf der neuen Spekulationsfrist von zehn Jahren veräußert wurden, die Sonderabschreibungen und AfA-Beträge aber im Wesentlichen in der Zeit bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 zum 01.04.1999 in Anspruch genommen wurden.

Tenor

Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2003 vom 24.07.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.04.2011 wird ab Fälligkeit vollständig ausgesetzt und hinsichtlich eventuell entstandener Säumniszuschläge aufgehoben und

die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2004 vom 03.07.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.04.2011 wird in Höhe von 27.010,00 € ab Fälligkeit aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Art der Ermittlung von Veräußerungsgewinnen bei Immobilien, die so weit vor dem 01.04.1999 angeschafft worden sind, dass am 01.04.1999 die damals geltende zweijährige Verjährungsfrist von Spekulationsgeschäften bereits verstrichen war, und die nach dem 01.04.1999 zu einem Zeitpunkt veräußert worden sind, an dem die nunmehr geltende zehnjährige Frist noch nicht verstrichen war.

Die Antragsteller sind Eheleute, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

Im Dezember 1996 erwarb der Antragsteller drei Grundstücke, Am St…00, 01 und 02, die er zunächst vermietete. Er erzielte damit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die er auch versteuerte. In den Jahren 1997 und 1998 nahm er Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz und danach AfA gemäß § 7 Abs. 4 EStG für alle drei Grundstücke in Anspruch, die der Höhe nach nicht streitig sind. Im Jahre 2003 veräußerte der Antragsteller die Grundstücke Am St… 00 und 01, im Jahre 2004 das verbliebene Objekt Am St… 02. Wegen der Höhe der Sonderabschreibungen und der AfA nach § 7 Abs. 4 EStG wird auf die Berechnungen der Beteiligten zu den Veräußerungsgewinnen verwiesen.

Der Antragsgegner setzte die Einkommensteuer 2004 gegenüber den Antragstellern zunächst mit Bescheid vom 13.09.2007 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO fest, indem er mangels Abgabe der Steuererklärung die Besteuerungsgrundlagen schätzte. Er berücksichtigte unter anderem Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 110.000,00 €. Dagegen legten die Antragsteller am 17.10.2007 Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung. Da die Antragsteller die Steuererklärung nicht einreichten, lehnte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom 22.10.2007 ab. Am 09.11.2007 reichten die Antragsteller die Einkommensteuererklärung 2004 ein. Darin gaben sie Einkünfte des Antragstellers aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 62.718,00 € an (Bl. 176 R EStA Band I, Am St…

02). Daraufhin gewährte der Antragsgegner teilweise Aussetzung der Vollziehung, ging allerdings bei der Berechnung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften von 110.042,00 € aus. Den Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften berechnete er aus dem Kaufpreis zuzüglich Nebenkosten, gemindert um die AfA nach Fördergebietsgesetz und um die AfA gemäß § 7 Abs. 4 EStG. Auf die dem Bescheid als Anlage beigefügten Berechnung wird im Einzelnen verwiesen. In dem Bescheid für 2004 vom 03.07.2009, der weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, berücksichtigte der Antragsgegner wiederum Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 110.042,00 €. Dies führte zu einer Nachzahlung in Höhe von 3.744,00 €.

Der Antragsgegner setzte die Einkommensteuer 2003 gegenüber den Antragstellern zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO fest, indem er mangels Abgabe der Steuererklärung die Besteuerungsgrundlagen schätzte. Er berücksichtigte dabei keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften. Nach Erlass mehrerer Änderungsbescheide zu hier nicht streitgegenständlichen Punkten änderte der Antragsgegner den zuletzt ergangenen Bescheid vom 09.09.2008 mit Bescheid vom 24.07.2009. Den Vorbehalt der Nachprüfung ließ er bestehen und berücksichtigte nunmehr insgesamt 263.606,00 € als Einkünfte des Antragsgegners aus privaten Veräußerungsgeschäften (Bl. 16 und 19 GA). Den Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften berechnete er aus dem Kaufpreis zuzüglich Nebenkosten, gemindert um die AfA nach Fördergebietsgesetz und um die AfA gemäß § 7 Abs. 4 EStG. Auf die dem Bescheid als Anlage beigefügten Berechnung wird im Einzelnen verwiesen. Aus dem Bescheid vom 24.07.2009 ergab sich eine Nachzahlungsverpflichtung hinsichtlich Einkommensteuer 2003 in Höhe von 104.948,00 €. Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller am 17.08.2009 Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung, die der Antragsgegner vollständig mit Bescheid vom 26.08.2009 gewährte. Die Antragsteller reichten im Einspruchsverfahren am 25.09.2009 die Einkommensteuererklärung 2003 beim Antragsgegner ein. Hinsichtlich der Veräußerungen in 2003 erklärte der Antragsteller Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 125.352,00 € (Am St… 00, Bl. 96 R EStA Band IV) und in Höhe von 138.253,00 € (Am St… 01, Bl. 97 EStA Band VI), insgesamt 263.605,00 €, die den bisher berücksichtigten Einkünften entsprachen.

Mit seiner Einspruchsentscheidung vom 19.04.2011 änderte der Antragsgegner die Einkommensteuerfestsetzungen 2003 und 2004 erneut. Er berücksichtigte nunmehr sonstige Einkünfte des Antragstellers aus privaten Veräußerungsgeschäften für 2003 in Höhe von 168.902,00 € und für 2004 in Höhe von 77.608,00 € und setzte die Einkommensteuer 2003 auf 50.576,00 € und die Einkommensteuer 2004 auf 31.980,00 € fest. Den darüber hinaus gehenden Einspruch wies er als unbegründet zurück. Daraus ergab sich für 2003 eine verbleibende Nachzahlung an Einkommensteuer in Höhe von 50.084,00 € zuzüglich Zinsen, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer in Höhe von 19.929,48 € und für 2004 ein Guthaben aus Einkommensteuer in Höhe von 13.874,00 € zuzüglich eines Guthabens aus Zinsen, Verspätungszuschlag, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer in Höhe von 5.938,07 €. Dieses Guthaben resultierte nach Aktenlage aus erbrachten Zahlungen der Antragsteller. Es ist nicht ersichtlich, dass es Festsetzungen von Vorauszahlungen oder Einbehalt von Lohnsteuer durch Arbeitgeber der Antragsteller gegeben hätte. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob der Antragsgegner auf und teilte mit, dass die gewährte Aussetzung der Vollziehung einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ende. Hinsichtlich der Berechnung der Veräußerungsgewinne ging der Antragsgegner von den bisher ermittelten Veräußerungsgewinnen aus, verteilte diese Gewinne auf die Besitzzeit (nach Monaten) und legte der Besteuerung den Teil des Gewinnes zu Grunde, der auf die Besitzzeit nach dem 31.03.1999 entfiel. Der Antragsgegner kam für das Jahr 2003 auf 80.923,00 € und 87.979,00 €, mithin insgesamt auf 168.902,00 €, und für das Jahr 2004 auf 77.608,00 €. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Schreiben des Antragsgegners vom 27.12.2010 (Bl. 125 und 127 EStA Band IV) verwiesen.

Die Antragsteller haben am 19.05.2011 Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen 7 K 7147/11 geführt wird und über die noch nicht entschieden ist. Mit dieser wollen sie erreichen, dass in den angefochtenen Bescheiden die Einkünfte des Antragstellers aus privaten Veräußerungsgeschäften mit jeweils null Euro berücksichtigt werden. Der Antragsgegner hat den an ihn gerichteten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung für die Durchführung des Klageverfahrens mit Bescheid vom 20.06.2011 abgelehnt. Daraufhin haben die Antragsteller am 24.06.2011 den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Gericht gestellt.

Zur Begründung führen sie unter Verweis auf ihre im Klageverfahren vorgebrachten Gründe aus, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 bestünden. Sie hätten durch die Veräußerungen bei allen drei Objekten einen Veräußerungsverlust erwirtschaftet. Wegen der Höhe verweisen sie auf die der Klageschrift als Anlage beigefügten Berechnung (Bl. 6 Gerichtsakte 7 K 7147/11). Der Antragsgegner habe zu Unrecht die geltend gemachten Sonderabschreibungen hinzugerechnet. Die Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz hätten letztmalig für das Jahr 1998 geltend gemacht werden können. Somit waren sämtliche Sonderabschreibungen bereits zum Stichtag 01.04.1999 bereits in Anspruch genommen worden. Wertzuwächse, die sich aus der Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen ergeben hätten, seien bis zum 31.03.1999 entstanden. Nach diesem Zeitpunkt seien Veränderungen des Wertes nur noch durch die lineare Abschreibung gemäß § 7 Abs. 4 EStG entstanden. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.2010 sei die Verlängerung der Verjährungsfrist bei Veräußerungen von Immobilien von zwei auf zehn Jahre insoweit verfassungswidrig, als damit Wertzuwächse erfasst und der Besteuerung unterworfen würden, die vor der Verkündung der Gesetzesänderung am 31.03.1999 eingetreten seien. Als Vereinfachungsregelung nach dem BMF-Schreiben vom 20.10.2010 könne der gesamte Wertzuwachs im Verhältnis der Besitzzeit nach dem 31.03.1999 im Verhältnis zur Gesamtbesitzzeit linear (monatsweise) ermittelt werden. Diese Vereinfachungsregelung sei (ebenfalls nach dem BMF-Schreiben) auf Antrag des Steuerpflichtigen dann nicht anwendbar, wenn dieser einen tatsächlich höheren Wertzuwachs zwischen der Anschaffung und dem 31.03.1999 (Verkündung der Gesetzesänderung) nachweise. Dies sei hier der Fall. Denn der mit den Sonderabschreibungen zusammenhängende höhere Wert sei bis zum 31.12.1998, dem letzten Jahr der Inanspruchnahme, entstanden.

Auch liege angesichts der Höhe der zu zahlenden Beträge eine unbillige Härte vor. Es seien nicht genügend Mittel zur Begleichung der aus den Bescheiden resultierenden Zahlungsbeträge vorhanden.

Die Antragsteller beantragen,

die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2003 vom 24.07.2009 und des Einkommensteuerbescheides 2004 vom 03.07.2009, beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.04.2011, auszusetzen und - soweit bereits vollzogen - ab dem Fälligkeitstag (26.05.2011) aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung beruft sich der Antragsgegner auf die in der Einspruchsentscheidung wiedergegebenen Gründe und führt ergänzend aus, dass eine Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2004 schon deshalb nicht in Betracht komme, weil die Festsetzung mit diesem Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung zu einem Guthaben geführt habe.

Es bestünden auch keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide. Denn die Klage gegen die Bescheide habe keine Aussicht auf Erfolg. Er habe dem Beschluss des 9. Senats des Bundesfinanzhofes vom 21.09.2005 (IX B 90/05, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofes -BFH/NV- 2006, 55) folgend die Anschaffungskosten der Grundstücke um die in Anspruch genommene AfA gemindert. Seitens der Antragsteller sei kein höherer Wertzuwachs für die Zeit von der Anschaffung der Grundstücke bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31.03.1999 nachgewiesen worden. Die Argumentation der Antragsteller, dass die auf der Rückgängigmachung der bis zum 31.12.1998 geltend gemachten Sonderabschreibungen basierenden steuerlichen Wertzuwächse bereits zum 31.03.1999 entstanden seien, greife nicht.

Weil es keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide gebe, scheide auch eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte aus. Denn dies setze neben der unbilligen Härte voraus, dass auch Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden.

Dem Gericht haben bei der Entscheidung die Bände I, II und IV der Einkommensteuerakten des Antragsgegners zur Steuernummer 17/314/72568 vorgelegen, unter der dieser die Antragsteller führt.

II.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist zulässig. Dies gilt auch für den Antrag betreffend Einkommensteuer 2004. Wegen der erfolgten Zahlung eines Teils des hier streitigen Betrages handelt es sich insoweit um einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 Satz 3 Finanzgerichtsordnung -FGO-, mit dem eine anteilige Rückzahlung von Einkommensteuer 2004 begehrt wird.

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Vollziehung eines Steuerbescheides durch das Gericht ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (Bundesfinanzhof -BFH-, Beschluss vom 10.02.1967 - III B 9/66, Bundessteuerblatt -BStBl.- III 1967, 182; seitdem ständige Rechtsprechung). Unter den gleichen Voraussetzungen ist dann, wenn der entsprechende Bescheid schon vollzogen ist, die Aufhebung der Vollziehung zu gewähren, § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO. Solche ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit sind nach der bisherigen Sach- und Rechtslage erkennbar.

Unstreitig liegen im Streitfall bei den Veräußerungen der streitigen drei Grundstücke steuerpflichtige Veräußerungsgeschäfte im Sinne der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.2010 (2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BStBl. II 2011, 76) ist die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre wegen des Verstoßes gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes insoweit verfassungswidrig und daher nichtig, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zu Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 am 31.03.1999 entstanden sind und nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können, weil die alte Spekulationsfrist bereits abgelaufen war. Insoweit war bereits eine konkret verfestigte Vermögensposition entstanden, die durch die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist nachträglich entwertet wird.

Zutreffend gehen daher die Beteiligten davon aus, dass der Veräußerungsgewinn aufzuteilen ist in einen Anteil für den bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 entstandenen Wertzuwachs und in einen Anteil für den nach Verkündung dieses Gesetzes entstandenen steuerbaren Wertzuwachs.

Im Streitfall hat der Senat an dem vom Antragsgegner ermittelten Umfang des steuerpflichtigen Anteils des Veräußerungsgewinns aus den Gründen des Beschlusses des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27.12.2011 (9 V 280/11, Gestaltende Steuerberatung 2012, 39, zitiert nach juris), denen sich der erkennende Senat anschließt, erhebliche Zweifel.

Zwar hält der Senat die schätzweise Aufteilung des steuerbaren Wertzuwachses entsprechend dem Verhältnis der Besitzzeit nach dem 31.03.1999 im Vergleich zur Gesamtbesitzzeit grundsätzlich für vertretbar, sofern - wie im Streitfall - der tatsächliche Wert des Grundstückes zum 31.03.1999 nicht nachgewiesen worden ist.

Es ist aber ernstlich zweifelhaft, ob die in Anspruch genommenen Absetzungen für Abnutzungen (AfA) und Sonderabschreibungen nicht den einzelnen Besitzzeiträumen, in denen sie sich steuerlich ausgewirkt haben, zuzuordnen seien, wie dies der Antragsgegner in Übereinstimmung mit der Oberfinanzdirektion Magdeburg (S 2256-61-St 222, zitiert nach juris) meint. Der Senat hält die Auffassung der Antragsteller für vertretbar, wonach die Absetzungen für Abnutzungen, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen den Zeiträumen zuzuordnen sind, in denen sie tatsächlich gewährt wurden und sich steuerlich ausgewirkt haben. Das bedeutet, dass die AfA, die sich bis zum 31.03.1999 steuerlich im Rahmen einer Einkunftsart im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG ausgewirkt hat (hier: Vermietung und Verpachtung), sich auch bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Anteils des Veräußerungsgewinns auswirken würde. Als Kontrollüberlegung dafür, dass diese Berechnungsmethode zutreffend sein kann, gilt Folgendes: Hätte der Antragsteller nach Ablauf der alten Spekulationsfrist von zwei Jahren das Grundstück bis zum 31.03.1999 veräußert, so hätten die bis dahin gewährten Sonderabschreibungen und Absetzungen für Abnutzung gemäß § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG die Anschaffungskosten/Herstellungskosten gemindert und damit den entsprechenden Veräußerungsgewinn erhöht. Dieser wäre aber vollständig steuerfrei gewesen. Da ab 31.03.1999 bis zum Verkauf des Grundstückes nur noch AfA in sehr geringer Höhe gewährt worden ist und sich steuerlich im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung ausgewirkt hat, wird deutlich, dass der weitaus höhere Anteil des nach der Vorschrift des § 23 Abs. 3 EStG ermittelten Veräußerungsgewinns in den Zeitraum 20.12.1996 - 31.03.1999 und damit in den nicht steuerbaren Bereich fallen kann.

Der Veräußerungsgewinn ist danach für Zwecke der Aussetzung der Vollziehung ausgehend von den von den Antragstellern mitgeteilten Werten für die AfA nach dem 31.03.1999 (Bl. 6 Gerichtsakte 7 K 7147/11) wie folgt zu ermitteln:

        

 Am St…. 00

 Am St... 01

 Am St... 02

 Veräußerungspreis

 300.000,00 €

 330.000,00 €

 280.000,00 €

 - AK und NebenK

 323.672,83 €

 356.383,27 €

 323.672,81 €

 Veräußerungsverlust

 - 23.672,83 €

 - 26.383,27 €

 - 43.672,81 €

 Besitzzeit nach dem 31.03.1999

 51/79

 49/77

 67/95

 Anteiliger V-Verlust

 - 15.282,46 €

 - 14.206,36 €

 - 30.800,82 €

 Zuzüglich AfA nach dem 31.03.1999

 16.392,99 €

 13.504,15 €

 29.002,98 €

 Anzusetzender Ver-
äußerungsverlust/
-gewinn

 1.110,53 €

 - 702,21 €

 - 1.797,84 €

Daraus ergibt sich für 2003 nach Verlustausgleich zwischen den Objekten ein anzusetzender Veräußerungsgewinn in Höhe von 408,32 € und für 2004 kein anzusetzender Veräußerungsgewinn. Die Einkommensteuer 2003 ist demnach mit null Euro anzusetzen und die Einkommensteuer 2004 mit 4.970,00 €, zu der dann wegen der Günstigerregelung kein Kindergeld mehr hinzugerechnet werden kann. Daraus ergibt sich, dass die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2003 vom 24.07.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.04.2011 vollständig auszusetzen und hinsichtlich eventuell entstandener Säumniszuschläge aufzuheben ist und dass die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2004 vom 03.07.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.04.2011 in Höhe von 27.010,00 € aufzuheben und dieser Betrag wieder auszukehren ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat hat die Beschwerde nicht zugelassen. Angesichts der Tatsache, dass zu der Frage, wie die AfA-Beträge und SonderAfA-Beträge den Veräußerungsgewinn erhöhen, wenn der Gewinn in einen steuerfreien Teil und einen steuerpflichtigen Teil aufzuteilen ist, noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung existiert und seitens der Finanzverwaltung (Oberfinanzdirektion Magdeburg, a.a.O.) die eine und von jedenfalls einem Finanzgericht eine andere Berechnungsmethode als die richtige vertreten wird, bedarf es einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren, an das sich möglicherweise auch ein Revisionsverfahren anschließen wird. Es ist nicht Aufgabe des Verfahrens über den Aussetzungsantrag, solche Rechtsfragen zu entscheiden. Unter diesen Umständen ist auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (siehe dazu Gräber/Koch, FGO, 7. Auflage München 2010, § 69 Tz. 87 mit weiteren Nachweisen) Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zu gewähren.