Gericht | OLG Brandenburg 1. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 25.06.2013 | |
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Aktenzeichen | 1 (Z) Sa 42/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Zuständig ist das Landgericht Nürnberg-Fürth.
I.
Der im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Potsdam wohnhafte Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz im Hinblick auf den Erwerb von Kommanditanteilen an der in Rerik ansässigen e… GmbH & Co. … KG in Anspruch.
Der Kläger hat die Klage beim Landgericht Potsdam erhoben. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung dessen örtliche Unzuständigkeit gerügt. Das Landgericht Potsdam hat die Parteien unter dem 28.01.2013 darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit bestünden, da ein Fall des § 29 c ZPO nicht vorliege und der Erfüllungsort gemäß § 29 ZPO am Sitz der Beklagten in Nürnberg liege. Der Kläger hat daraufhin - hilfsweise - die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Nürnberg-Fürth beantragt.
Durch Beschluss vom 18.02.2013 hat das Landgericht Potsdam sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Nürnberg-Fürth verwiesen. Zur Begründung hat es die den Parteien zuvor erteilten Hinweise ihrem wesentlichen Inhalt nach wiederholt.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat durch Beschluss vom 14.03.2013 die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt und die Verfahrensakten an das Landgericht Potsdam zurückgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach dem Klagevortrag auch eine Haftung der Beklagten als emissionsbegleitende Bank und damit Prospektverantwortliche sowie als Prospektgarantin in Betracht komme, weshalb eine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Rostock nach § 32 b ZPO bestehe; diese habe das Landgericht Potsdam übergangen, weshalb der dortige Verweisungsbeschluss nicht bindend sei.
Das Landgericht Potsdam hat mit Beschluss vom 08.05.2013 die Sache dem Senat zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt.
II.
Auf den Vorlagebeschluss des Landgerichts Potsdam ist die Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth für den vorliegenden Rechtsstreit auszusprechen.
1. Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO durch das Brandenburgische Oberlandesgericht zu entscheiden, weil das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof ist und das zu seinem Bezirk gehörende Landgericht Potsdam mit der Rechtssache zuerst befasst gewesen ist.
2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das Landgericht Potsdam als auch das Landgericht Nürnberg-Fürth haben sich im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt, und zwar ersteres durch den Verweisungsbeschluss vom 18.02.2013 und letzteres durch den die Übernahme des Rechtsstreits ablehnenden Beschluss vom 14.03.2013. Beide Beschlüsse genügen den Anforderungen, die an das Merkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind, weil es dafür allein darauf ankommt, dass eine den Parteien bekanntgemachte beiderseitige Kompetenzleugnung vorliegt (statt vieler: Senat, NJW 2004, 780; Zöller/Voll-kommer, ZPO, 29. Aufl., § 36, Rdnr. 24 f.).
3. Örtlich zuständig ist das Landgericht Nürnberg-Fürth.
Seine Zuständigkeit folgt aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Potsdam nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Aufgrund dieser klaren gesetzlichen Regelung kann die Bindungswirkung nur ausnahmsweise infolge der Verletzung höherrangigen (Verfassungs-) Rechts, namentlich bei der ungenügenden Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder bei objektiv willkürlicher Entziehung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), entfallen. Im Interesse einer baldigen Klärung und der Vermeidung wechselseitiger (Rück-) Verweisungen ist die Willkürschwelle dabei hoch anzusetzen. Einfache Rechtsfehler, wie etwa das Übersehen einer die Zuständigkeit begründenden Rechtsnorm, rechtfertigen die Annahme einer objektiv willkürlichen Verweisung grundsätzlich nicht. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Verweisung offenbar gesetzwidrig oder grob rechtsfehlerhaft ist, also gleichsam jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt (BGH, Beschluss vom 17.05.2011, X ARZ 109/11, Rdnr. 9, zitiert nach juris; Senat, JMBl 2007, 65, 66; NJW 2006, 3444, 3445; 2004, 780; eingehend ferner: Tombrink, NJW 2003, 2364 f.; jeweils m. w. N.).
Den derart zu konkretisierenden (verfassungsrechtlichen) Einschränkungen der Bindungswirkung hält der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Potsdam stand.
Der Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör ist beachtet worden. Die Parteien sind darauf hingewiesen worden, dass sich das Landgericht Potsdam für örtlich unzuständig halte. Der Kläger hat daraufhin - hilfsweise - die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Nürnberg-Fürth beantragt. Die Beklagte hatte bereits zuvor in der Klageerwiderung die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Potsdam gerügt und, indem sie auf den dortigen Erfüllungsort abgehoben hat, zum Ausdruck gebracht, dass sie das Landgericht Nürnberg-Fürth für örtlich zuständig halte.
Der Verweisungsbeschluss entbehrt auch nicht jeglicher gesetzlichen Grundlage.
Das Landgericht Potsdam hat sich zu Recht als örtlich unzuständig angesehen. Eine Begründung seiner Zuständigkeit nach §§ 29, 29 c ZPO ist nicht gegeben.
Die Regelung über den besonderen Gerichtsstand für Haustürgeschäfte in § 29 c ZPO ist nicht einschlägig, da das Vorliegen eines Haustürgeschäfts gemäß § 312 BGB nicht angenommen werden kann. Wie das Landgericht Potsdam richtigerweise hervorgehoben hat, reicht dafür eine telefonische Verhandlung nicht aus (BGH, NJW-RR 2009, 1262, 1264; Palandt/Grüne-berg, BGB, 72. Aufl., § 312, Rdnr. 12). Ein Stattfinden von Vertragsverhandlungen in einer der in § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB genannten Räumlichkeiten lässt sich dem Vorbringen der Parteien nicht entnehmen.
Eine Zuständigkeit des Landgerichts Potsdam ist ebenso nicht unter dem Gesichtspunkt des besonderen Gerichtsstands des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO eröffnet. Dieser Gerichtsstand käme nur dann in Betracht, wenn - wie das Landgericht Potsdam ebenfalls zutreffend erkannt hat - am Wohnort des Klägers eine Beratung durch die Beklagte erfolgt wäre (vgl. Zöller/ Vollkommer, a. a. O., § 29, Rdnr. 25 Stichworte „Anlageberatung, Anlagevermittlung“, „Bankgeschäfte“ und „Schadensersatz“). Nachdem - insbesondere vom Kläger selbst - dafür nichts dargetan ist, ist auch diese Vorschrift nicht einschlägig.
Es stellt sich nicht als offenbar gesetzwidrig oder grob rechtsfehlerhaft dar, dass das Landgericht Potsdam den Rechtsstreit an das Landgericht Nürnberg-Fürth und nicht etwa unter dem Gesichtspunkt des ausschließlichen Gerichtsstands nach § 32 b ZPO an das Landgericht Rostock verwiesen hat. Dabei kann dahinstehen, ob mit den Erwägungen des Landgerichts Nürnberg-Fürth dieser Gerichtsstand als eröffnet angesehen werden kann. Denn das Übergehen einer ausschließlichen Zuständigkeit führt für sich allein noch nicht zur Annahme einer objektiven Willkür (vgl. zu § 29 a ZPO: BGH, NJW 1962, 1918; Senat, Beschluss vom 28.02.2013, 1 (Z) Sa 6/13; OLG Düsseldorf, Rechtspfleger 1976, 186; OLG Frankfurt/Main, Rechtspfleger 1979, 389, 390; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 29 a, Rdnr. 15). Ein Hinzutreten weiterer Umstände, die die fehlende Auseinandersetzung mit dem Gerichtsstand nach § 32 b ZPO im Verweisungsbeschluss des Landgerichts Potsdam willkürlich erscheinen lassen könnten, ist nicht gegeben. Die im Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14.03.2013 angeführten Haftungsgrundlagen sind in der Klageschrift weder genannt noch auch nur angedeutet. Nach den dortigen Ausführungen nimmt der Kläger die Beklagte ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Zustandekommens eines Anlageberatungsvertrags und der Verletzung der Beklagten daraus obliegender Beratungs- und Aufklärungspflichten in Anspruch. Vor diesem Hintergrund stellt es sich als ein allenfalls einfacher Rechtsfehler dar, dass das Landgericht die Frage des Vorliegens des Gerichtsstands nach § 32 b ZPO in seinen Hinweisen an die Parteien und im Verweisungsbeschluss vom 18.02.2013 nicht diskutiert hat. Der in der Klageschrift beschriebene Fall der Haftung des Anlageberaters führt nicht zum Gerichtsstand nach § 32 b Abs. 1 ZPO, da die Inanspruchnahme eines Anlageberaters oder Vermittlers dieser Vorschrift nicht unterfällt (BGH, NJW-RR 2011, 1137, 1138; 327, 328; 2009, 513, 514 f.; 2007, 1365 f.; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 32 b, Rdnr. 6); auch unter diesem Gesichtspunkt lässt sich folglich eine zum Entfallen der Bindungswirkung führende Fehlerhaftigkeit des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Potsdam nicht feststellen.