Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 19.01.2012 | |
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Aktenzeichen | VG 6 K 588/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 8 KAG BB, § 5 PostG, § 33 PostG, § 70 VwGO, § 58 VwGO, § 178 ZPO, § 180 ZPO, § 182 ZPO, § 418 ZPO |
Gemäß § 418 ZPO i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO erbringt die Postzustellungsurkunde als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Die Beweiskraft erstreckt sich nicht nur auf das Einlegen des Schriftstücks in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkastens oder in eine ähnliche Vorrichtung, sondern insbesondere auch darauf, dass der Postbedienstete unter der ihm angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen hat. Dies gilt auch nach der Privatisierung der Deutschen Bundespost für Zustellungen der Deutschen Post AG wie auch der privaten Lizenznehmer gemäß § 5 PostG, die gemäß §§ 33 Abs. 1 Satz 1 PostG zur Beurkundung verpflichtet und zu diesem Zweck gemäß §§ 33 Abs. 1 Satz 2 PostG mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet sind. Der vom Beklagten für die Zustellung des streitigen Bescheides verwendete private Zustelldienst ist als Lizenznehmer daher verpflichtet (und damit auch berechtigt), förmliche Zustellungen nach den Gesetzen, welche die Verwaltungszustellung regeln - vorzunehmen.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Kanalanschlussbeitrag.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks L.- Straße a und b, Flur c, Flurstücke x und y in C., Gemarkung D.
Mit Bescheid vom 6. April 2011 zog der Beklagte den Kläger für die Möglichkeit des Anschlusses des vorgenannten Grundstückes an die zentrale öffentliche Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung zu einem Kanalanschlussbeitrag in Höhe von 7869,30 Euro heran. Der Bescheid wurde dem Kläger per Postzustellungsurkunde am 7. April 2011 zugestellt.
Hiergegen legte der Kläger unter dem 6. Mai 2011 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus: Er gehe davon aus, dass für sein Grundstück bereits Erschließungskosten gezahlt worden seien. In diesem Zusammenhang werde er entsprechende Nachforschungen betreiben.
Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2011, dem Kläger zugestellt am 25. Juni 2011 zurück. Zur Begründung führte er aus. Der Widerspruch sei unzulässig, weil er verspätet eingelegt worden sei. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Beitragsbescheid sei dem Kläger bereits am 7. April 2011 zugestellt worden, der Widerspruch indes erst am 17. Mai 2011, also nach Ablauf der Monatsfrist des § 70 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und damit verspätet bei der Stadtverwaltung eingegangen.
Mit seiner am 21. Juli 2011 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung führt er aus: Er habe seinen Widerspruch am 6. Mai 2011 in den Büroräumen der Firma S. GmbH, deren Geschäftsführer er sei, verfasst. Der Widerspruch sei noch am gleichen Tag an die im Widerspruchsschreiben angegebene Adresse mittels Einwurf in den dortigen Briefkasten übermittelt worden. Die Widerspruchseinlegung sei mithin rechtmäßig erfolgt. Zudem betrage die Widerspruchsfrist im vorliegenden Verfahren 1 Jahr ab Bekanntgabe des Bescheides, da keine ordnungsgemäße Bekanntgabe mittels Postzustellungsurkunde erfolgt sei. Die Zustellung mittels Postzustellungsurkunde sei nicht von einem Postbediensteten vorgenommen worden. Die Zustellung sei vielmehr durch ein privates Unternehmen, die Regio Print Vertrieb GmbH erfolgt, so dass es sich nicht um eine Zustellung mittels Postzustellungsurkunde i.S.d. gesetzlichen Vorschriften über die Zustellung von Bescheiden gehandelt habe. Des Weiteren sei im vorliegenden Fall deswegen von einer einjährigen Widerspruchsfrist auszugehen, da die Rechtsbehelfsbelehrung des Beitragsbescheides falsch sei. In dieser werde mitgeteilt, dass der Widerspruch bei der Stadt C. __-Straße, in C. oder beim Amt für Abfall- Wirtschaft und Stadtreinigung der Stadt C., ___ Straße in C. einzulegen sei. Als Bescheid ausstellende Behörde sei indes die Stadt C., Geschäftsbereich, Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung in der ___-Straße in C. ausgewiesen. Der Widerspruch hätte mithin an diese Adresse, die in der Rechtsbehelfsbelehrung nicht erwähnt sei, gerichtet werden müssen. Mithin handele es sich um eine falsche bzw. irreführende Rechtsbehelfsbelehrung. Die Klage sei auch begründet. Die Heranziehung zu einem Kanalanschlussbeitrag sei rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine Erhebung des Kanalanschlussbeitrages für das Grundstück seien nicht erfüllt. Der Beklagte habe dazu im Widerspruchsbescheid keine Entscheidung vorgenommen.
Der Kläger beantragt,
den Beitragsbescheid des Beklagten vom 6. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren.
Die Kammer konnte durch den Vorsitzenden als Einzelrichter entscheiden, da diesem der Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) mit Beschluss der Kammer vom 20. Dezember 2011 übertragen worden ist.
Ferner konnte die Kammer im Wege des schriftlichen Verfahrens gemäß § 101 Abs. 2 VwGO entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.
Die statthafte Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO) ist bereits unzulässig, weil der Kläger nicht innerhalb der von § 70 Abs. 1 VwGO vorgesehenen Frist von einem Monat nach Bekanntgabe des Beitragsbescheides vom 6. April 2011 Widerspruch eingelegt hat und dieser daher in Bestandskraft erwachsen ist.
Der Beitragsbescheid wurde dem Kläger gemäß der im Verwaltungsvorgang befindlichen Postzustellungsurkunde am 7. April 2011 zugestellt.
Der Mitarbeiter der Firma Regio Print- Vertrieb GmbH hat ausweislich der Postzustellungsurkunde das zuzustellende Schriftstück zu übergeben versucht und - weil die Übergabe in dem Wohn- und Geschäftsraum nicht möglich war - am genannten Tag "in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt". Damit gilt der Bescheid mit der Einlegung am 7. April 2011 als zugestellt.
Der Widerspruch des Klägers vom 6. Mai 2011 ist ausweislich des Verwaltungsvorganges aber erst am 17. Mai 2011 und damit nach Ablauf der Monatsfrist beim Beklagten eingegangen.Fristgerecht erhoben ist der Widerspruch nämlich nur dann, wenn er mit Wissen und Wollen des Widerspruchführers vor Ablauf der gesetzlichen Frist in den Machtbereich der zuständigen Behörde gelangt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1992 - 7 C 16/92 - BVerwGE 91, 334). Soweit der Kläger vorträgt, er habe persönlich den Widerspruch noch am 6. Juni 2011 in den Briefkasten der im Kopf des Widerspruchsschreibens angegebenen Adresse eingeworfen, ist er - abgesehen davon, dass der auf dem im Verwaltungsvorgang befindlichen Briefumschlag aufgebrachte Poststempel diesem Vortrag widerspricht - einen diesbezüglichen Nachweis schuldig geblieben. Weder hat er hierfür – obgleich für den fristgerechten Zugang materiell beweispflichtig (vgl. OVG Thüringen, Beschluss vom 7. Februar 2011 - 2 ZKO 621/09 -, zit. nach juris) - Beweis angetreten noch nur eine diesbezügliche, aussagekräftige eidesstattliche Erklärung vorgelegt oder die fristgerechte Widerspruchseinlegung in anderer Weise nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht.
Die Zustellung ist entgegen der Auffassung des Klägers auch wirksam. Die Zustellungsurkunde ist ordnungsgemäß erstellt worden. Sie enthält die nach § 182 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) erforderlichen Angaben über den Zustellungsvorgang und das Zustellungsdatum. Insbesondere ist der Grund angegeben, der die Ersatzzustellung nach § 180 ZPO rechtfertigte (§ 182 Abs. 2 Nr. 4 ZPO). Weitere Angaben darüber, weshalb die nach den Angaben des Klägers im Streitfall allein in Betracht kommende Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht möglich war, waren in der Zustellungsurkunde nicht zu machen. Es bedurfte nach § 182 Abs. 2 Nr. 4 ZPO auch keiner Beschreibung, in welchen Briefkasten oder in welche ähnliche Vorrichtung das Schriftstück eingelegt wurde (vgl. BFH, Beschluss vom 6. Oktober 2003 - VII B 12/03 -, BFH/NV 2004, 497). Gemäß § 418 ZPO i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO erbringt die Postzustellungsurkunde als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Die Beweiskraft erstreckt sich nicht nur auf das Einlegen des Schriftstücks in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung, sondern insbesondere auch darauf, dass der Postbedienstete unter der ihm angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1991 - 2 BvR 511/89 -, NJW 1992, 224). Dies gilt – entgegen der Auffassung des Klägers – auch nach der Privatisierung der Deutschen Bundespost für Zustellungen der Deutschen Post AG wie auch der privaten Lizenznehmer gemäß § 5 Postgesetz, die gemäß §§ 33 Abs. 1 Satz 1 PostG zur Beurkundung verpflichtet und zu diesem Zweck gemäß §§ 33 Abs. 1 Satz 2 PostG mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet sind. Der vom Beklagten für die Zustellung des streitigen Bescheides verwendete private Zustelldienst ist als Lizenznehmer daher verpflichtet (und damit auch berechtigt), förmliche Zustellungen nach den Gesetzen, welche die Verwaltungszustellung regeln - hier also kraft behördlicher Anordnung (vgl. die Angabe im Kopf des Bescheides: „Gegen Postzustellungsurkunde“) gemäß § 122 Abs. 5 AO in Verbindung mit § 3 Abs. 3 VwZG –, vorzunehmen (vgl. BFH, Beschluss vom 24. April 2007 - VIII B 249/05 -, BFH/NV 2007, 1465, m.w.N.; Beschluss vom 4. Juli 2008 – IV R 78/05 -, zit. nach juris; VG Schwerin, Beschluss vom 26. November 2007 – 8 B 198/07 -, zit. nach juris; vgl. entsprechend zur wirksamen Zustellung eines Bußgeldbescheides durch einen privaten Zustelldienst: OLG Rostock, Beschluss vom 6. März 2002 - 2 Ss (Owi) 143/01 I 167/01 -, zit. nach juris; Beschluss vom 12. März 2002 - 2 Ss (Owi) 144/01 I 157/01, zit. nach juris). Ein Gegenbeweis kann nach § 418 Abs. 2 ZPO nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden. Dieser Gegenbeweis erfordert den Beweis eines anderen als des beurkundeten Geschehensablaufs, der damit ein Fehlverhalten des Zustellers und eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde belegt (vgl. BFH, Beschluss vom 4. Juli 2008, a.a.O.). Gefordert wird der volle Gegenbeweis, d.h. der Beweis der Unrichtigkeit der Postzustellungsurkunde in der Weise, dass ihre Beweiswirkung vollständig entkräftet wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2002 - 2 BvR 2017/01 -, NJW-RR 2002, 1008; BFH, Beschluss vom 4. Juli 2008, a.a.O.). Im Streitfall hat der Kläger diesen Gegenbeweis nicht erbracht. Hierzu hätte es zumindest der substantiierten Darlegung der Umstände bedurft, die gegen die Richtigkeit des Inhalts der Postzustellungsurkunde sprechen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 20. Februar 2002, a.a.O.; BFH, Beschluss vom 4. Juli 2008, a.a.O.). Der Kläger hätte Umstände darlegen müssen, die ein Fehlverhalten der Postzustellerin bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Postzustellungsurkunde zu belegen geeignet sind (vgl. BFH, Beschluss vom 4. Juli 2008, a.a.O.). Eine derartige Substantiierung enthält das klägerische Vorbringen nicht.
Soweit der Kläger meint, nicht die Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO, sondern die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO sei maßgeblich, da der Beitragsbescheid nicht mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 58 Abs. 1 VwGO versehen sei, kann dem nicht gefolgt werden.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Rechtsbehelfsbelehrung nicht deshalb unrichtig bzw. unvollständig oder irreführend und damit falsch, weil die Adresse der Behörde, bei der der Widerspruch anzubringen sei, fehlerhaft oder in irreführender Weise mitgeteilt worden sei. Zwar ist im Adressfeld des angefochtenen Bescheides unter anderem angegeben: „Geschäftsbereich, Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung, _____-Straße, in C.“, während in der Rechtsbehelfsbelehrung dahingehend belehrt wird, der Widerspruch sei „bei dem Bürgermeister der Stadt C., __-Straße, in C., schriftlich oder zur Niederschrift, zweckmäßiger Weise beim Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung der Stadt C., Servicebereich Wasser, ____ Straße (Gebäude der ____), C. einzulegen“. Dies macht die Rechtsbehelfsbelehrung indes nicht fehlerhaft. Denn wenn § 58 Abs. 1 VwGO vorschreibt, die Belehrung müsse sich auch auf die Verwaltungsbehörde, bei der der Rechtsbehelf einzulegen sei, und deren Sitz erstrecken, so ist dem vorliegend genügt. Erlassende Behörde gemäß §§ 70 Abs. 1, 58 Abs. 1 VwGO war vorliegend, wie aus dem Briefkopf des Bescheides ohne weiteres ersichtlich, der Bürgermeister der Stadt C., der mit seinem Sitz (C.– im Sinne der Angabe des Ortes (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 – 3 C 23/08 -, NJW 2009, 2392) – in der Belehrung (zutreffend) angegeben wird. Die Angabe von Postleitzahl, Straße und Hausnummer ist demgegenüber gerade nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 1966 – V C 196.65 -, BVerwGE 25, 261; Urteil vom 23. August 1990 – 8 C 30/88 -, BVerwGE 85, 298). Die – an sich nicht erforderliche - Angabe von Postleitzahl, Straße und Hausnummer ist vorliegend auch nicht deshalb irreführend und in der Folge die Belehrung fehlerhaft, weil sie von der im Briefkopf enthaltenen Angabe „Geschäftsbereich, Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung, ____-Straße in C.“ abweicht. Diese Angabe ist nicht geeignet, beim Betroffenen Fehlvorstellungen über die formellen und materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs bzw. des Ortes, an dem er anzubringen ist, hervorzurufen und ihn dadurch davon abzuhalten den Rechtsbehelf einzulegen bzw. rechtzeitig einzulegen (vgl. zu diesem Maßstab Posser/Wolff, VwGO Komm., 2. Aufl. 2012, § 58 Rn. 19 ff. m.w.N.). Die zunächst in der Rechtsbehelfsbelehrung enthaltene Angabe „___-Straße, C.“ ist eindeutig und zur Irreführung nicht geeignet, da Postleitzahl, Straße und Hausnummer eindeutig und unverwechselbar und zutrffend wiedergegeben werden und keine andere Behörde als die erlassende – nämlich der Bürgermeister - als für die Widerspruchseinlegung zuständig bezeichnet wird. Die weitere – sachlich ebenfalls zutreffende - Angabe, der Widerspruch sei „zweckmäßigerweise“ beim „Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung der Stadt C., Servicebereich Wasser, ____ Straße (Gebäude der __), Bürgermeister“ einzulegen, vermag gleichfalls hinsichtlich der Frage des Ortes der Widerspruchseinlegung nicht irrezuführen. Mit der Angabe eines bloßen Amtes wird keine weitere Behörde ins Spiel gebracht, sondern nur eine organisatorische Untergliederung der Behörde „Bürgermeister“. Die Angabe einer zusätzlichen Adresse stellt einen bloßen Service für den Bürger da, ohne dass hiermit – bei verständiger Lektüre - eine Unklarheit verbunden wäre, unter welcher Adresse der Widerspruch nun eingelegt werden müsse. Es ist vielmehr eindeutig, dass unter beiden in der Rechtsbehelfsbelehrung genannten Adressen eine Widerspruchseinlegung möglich ist. Dass sich diese nicht mit der im Briefkopf (auch) angegebenen Adresse „Geschäftsbereich, Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung, ____-Straße, C.“ decken, ist schon unerheblich, zumal sich im Briefkopf auch die in der Rechtsbehelfsbelehrung enthaltene Angabe „SG Wasser, __ -Straße, C.“ findet. Wegen der eindeutigen Formulierung der Rechtsbehelfsbelehrung kann insoweit keine Fehlvorstellung darüber entstehen, wo der Widerspruch einzulegen ist.
Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO hat der Kläger nicht gestellt. Er wäre fristgerecht auch nicht mehr möglich.
Die Klage ist darüber hinaus auch unbegründet. Der angefochtene Beitragsbescheid des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger (daher) nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Beitragsbescheid findet in der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Satzung der Stadt C. über die Erhebung eines Beitrages für die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage der Stadt C. vom 26. November 2008 (Kanalanschlussbeitragssatzung - KABS 2008) eine i.S.d. § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) hinreichende Rechtsgrundlage. Die Kammer hat mit Urteilen vom 8. Juni 2011 im Verfahren 6 K 1033/09 (veröff. in juris) und vom 3. November 2011 im Verfahren 6 K 15/11 (veröff. in juris) die genannte Beitragssatzung für rechtmäßig befunden. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird daher Bezug genommen.
Anhaltspunkte dafür, dass die konkrete Veranlagung des Klägers zu beanstanden sein könnte, hat dieser nicht substantiiert geltend gemacht. Sie sind auch nicht ersichtlich.
Auf der Grundlage der wirksamen Satzung ist die Beitragspflicht für das klägerische Grundstück entstanden.
Der Beitragstatbestand des § 4 Abs. 1 lit. b) KABS 2008 ist erfüllt. Danach unterliegen an die betriebsfertige zentrale Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung angeschlossene oder anschließbare Grundstücke, die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils (§ 34 Baugesetzbuch - BauGB) liegen und bebaut, bebaubar, gewerblich genutzt oder gewerblich nutzbar sind oder bei deren sonstiger Benutzung Schmutzwasser anfällt, der Beitragspflicht. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Das Grundstück liegt nach dem vom Kläger nicht bestrittenen Vortrag des Beklagten im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 BauGB. Das Grundstück ist auch an die zentrale Abwasserentsorgungseinrichtung angeschlossen. Ob von der genannten Tatbestandsregelung nur solche (baulich oder gewerblich nutzbare) Grundstücke erfasst werden, für die erst nach dem Inkrafttreten der Satzung eine Anschlussmöglichkeit geboten wird, nicht aber (ohne weiteres) solche Grundstücke, bei denen die Anschlussmöglichkeit – wie hier – schon vor dem Inkrafttreten der Satzung eingetreten ist (in diesem Sinne etwa OVG Nordrhein- Westfalen, Urt. vom 21. Dezember 1976 – II A 596/75 -, S. 2 ff. des E.A.; Urt. vom 20. Juni 1984 – 2 A 1300/82 -, S. 5 ff. des E.A.; Urt. vom 26. September 1984 – 2 A 2649/91 -, S. 5 ff. des E.A.; Urteil vom 31. Mai 1988 – 2 A 2608/85 -, S. 12 ff. des E.A.; 13. September 2004, a.a.O.; Dietzel in: Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 555; a.A. etwa OVG Mecklenburg- Vorpommern, Beschluss vom 26. März 2001 – 1 M 101/00 -, zit. nach juris; VG Schwerin, Urteil vom 13. September 2004, a.a.O.), bedarf vorliegend keiner abschließenden Klärung. Denn wenn – wie hier - die den Gegenstand der Beitragspflicht regelnde Vorschrift den Begriff „Anschlussmöglichkeit“ nicht näher konkretisiert, so genügt es jedenfalls, dass sich ein entsprechender Wille des Ortsgesetzgebers, auch schon früher anschließbare Grundstücke der Beitragspflicht zu unterwerfen, mit hinreichender Deutlichkeit aus anderen Vorschriften der Satzung ergibt, die insoweit (im weitesten Sinne) zur Tatbestands(gesamt)regelung gehören (vgl. o.g. Entscheidungen des OVG Nordrhein- Westfalen, jew. a.a.o.). Ein solcher Wille ergibt sich im vorliegenden Fall aus § 7 Abs. 3 KABS 2008, in dem im Zusammenhang mit der Regelung über den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht bestimmt wird, dass für Grundstücke, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung bereits an die Abwasseranlage angeschlossen werden konnten, die Beitragspflicht mit dem Inkrafttreten der Satzung entstehe. Dass die Vorschrift an sich den Entstehungszeitpunkt betrifft, ist ohne Belang. Denn indem sie ein Regelung über den Zeitpunkt trifft, setzt sie voraus, dass auch solche Grundstücke, die schon vor Inkrafttreten der Satzung angeschlossen oder anschließbar waren, unter den Beitragstatbestand fallen (vgl. OVG Nordrhein- Westfalen, jew. a.a.O.).
Hinsichtlich der Frage der zeitlichen Erfassung des Zeitpunkts der erstmaligen Inanspruchnahmemöglichkeit durch den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 am 1. Januar 2009 gilt, dass diese entgegen der Auffassung der Kläger auf der Grundlage des neu gefassten Kommunalabgabengesetzes nicht erforderlich ist. Dem steht insbesondere nicht die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg bzw. des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg entgegen stehen, wonach der Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht zeitlich fixiert wird durch die erstmalige Anschlussmöglichkeit an die zentrale Schmutzwasserentsorgungseinrichtung – frühestens mit dem (beabsichtigten) Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung – und sich eine nach diesem Zeitpunkt erlassene Beitragssatzung Rückwirkung auf diesen Zeitraum messen muss, um den Sachverhalt in abgabenrechtlicher Hinsicht zu erfassen (vgl. statt vieler OVG Berlin -Brandenburg, Urteile vom 12. Dezember 2007 – 9 B 44.06 und 9 B 45/06 –, LKV 2008, 369). Diese Rechtsprechung beruht nämlich auf der Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Neuregelung des Kommunalabgabengesetzes aufgrund des 2. Gesetzes zur Entlastung der Kommune von pflichtigen Aufgaben vom 17. Dezember 2003 (GVBl. I S. 294ff.) zum 1. Februar 2004. Nach dieser entstand die Beitragspflicht gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F., sobald das Grundstück an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen werden konnte, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung. Vorliegend findet indes die Neuregelung des Kommunalabgabengesetzes aufgrund des vorgenannten Gesetzes Anwendung, weil der Beklagte – wie noch auszuführen sein wird - vor dem 1. Januar 2009 nicht über eine rechtswirksame Schmutzwasseranschlussbeitragssatzung verfügte – die sachliche Beitragspflicht vor diesem Zeitpunkt dementsprechend nicht entstehen konnte -, sich die Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 als erste wirksame Beitragssatzung keine Rückwirkung auf einen Zeitpunkt vor dem 1. Februar 2004 beimisst und auch die konkrete Beitragsveranlagung der Kläger erst nach diesem Zeitpunkt mit der letzten Behördenentscheidung vom 2. März 2010 abgeschlossen war (vgl. zu diesen Voraussetzungen OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 12. Dezember 2007, a.a.O., auch dazu, dass in der Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 7 KAG n.F. auf Fälle der vorliegenden Art keine unzulässige Rückwirkung liege). Nach § 8 Abs.7 Satz 2 KAG n.F. entsteht die sachliche Beitragspflicht nunmehr frühestens mit dem Inkrafttreten einer rechtswirksamen Beitragssatzung. Darauf, wann die Anschlussmöglichkeit für das klägerische Grundstück gegeben war, kommt es insoweit in diesem Zusammenhang nicht an.
Der Beitragserhebung steht – entgegen der zumindest sinngemäß geäußerten Auffassung des Klägers – auch nicht der Eintritt der Festsetzungsverjährung nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG i.V.m. § 169 f. der Abgabenordnung (AO) entgegen. Insoweit erweist sich als maßgebend, dass die Verjährungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) und Abs. 3 a KAG nach § 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die sachliche Beitragspflicht entstanden ist, zu laufen beginnt. Die sachliche Beitragspflicht ist jedoch vor Inkrafttreten der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 nicht entstanden. Denn alle vorangegangenen Kanalanschlussbeitragssatzungen waren unwirksam. Auch insoweit wird auf die bereits zitierten Urteile der Kammer vom 8. Juni 2011 (a.a.O.) und vom 3. November 2011 (a.a.O.) Bezug genommen. Mit dem Begriff „rechtswirksam“ gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n.F. ist erkennbar die Eigenschaft einer Satzung gemeint, eine materiell rechtmäßige Abgabenerhebung zu ermöglichen (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 12. Dezember 2007, a.a.O.; Antrag auf Zulassung der Revision zurückgewiesen durch BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2008 – 9 B 22.08 -, zit. nach juris; Beschluss vom 17. Mai 2011 – 9 N 58.09 -, zit. nach juris). Diese Eigenschaft kann sogar solchen Satzungen fehlen, gegen die bereits von einem anderen erfolglos ein Normenkontrollantrag gestellt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1984 - 3 C 88.82 -, juris Rn. 20; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 121 Rn. 93). Sie kann erst Recht bei Satzungen fehlen, die noch nicht einmal Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens gewesen sind. Beide Arten von Satzungen können im Rahmen eines Anfechtungsprozesses inzident als unwirksam angesehen werden. Dies dient dem Rechtsschutz der Bürger. Der Umstand, dass dieser weitgehende Rechtsschutz gleichsam die Kehrseite hat, dass auch noch nach Jahr und Tag Satzungsfehler entdeckt werden können und damit festgestellt wird, dass die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden und deshalb auch keinerlei Festsetzungsverjährung eingetreten ist, mag als misslich empfunden werden; er wiegt indes die Vorteile, die mit der Möglichkeit der Inzidentprüfung verbunden sind, nicht auf, so dass es unerheblich ist, ob insoweit rechtskräftige Entscheidungen in einem Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO vorliegen oder nicht (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 17. Mai 2011, a.a.O.).
Erweisen sich mithin sämtliche vor dem 1. Januar 2009 Geltung beanspruchende Schmutzwasserbeitragssatzungen der Stadt C. als unwirksam, bestimmt sodann der durch Artikel 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg vom 2. Oktober 2008 (GVBl. 2008 S. 218) eingeführte § 12 Abs. 3 a KAG, dass – soweit hier von Interesse - bei der Erhebung eines Beitrags für den Anschluss an eine leitungsgebundene Einrichtung oder Anlage im Bereich der Abwasserbeseitigung oder für die Möglichkeit eines solchen Anschlusses die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2011 endet (Satz 1), sofern nicht die Festsetzungsverjährung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des genannten Gesetzes (am 7. Oktober 2008, vgl. Art. 2 des Gesetzes) bereits eingetreten ist (Satz 2). Ist die sachliche Beitragspflicht damit frühestens am 1. Januar 2009 entstanden, war die Festsetzungsverjährungsfrist zum Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides wie auch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Dritten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg vom 2. Oktober 2008 erkennbar nicht verstrichen.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die erstmalige Begründung einer Beitragspflicht des Klägers durch die Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 bestehen gleichfalls nicht.
Besondere Rückwirkungsregelungen sind im Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg nicht vorgesehen. Begrifflich ist insoweit zu unterscheiden zwischen echter und unechter Rückwirkung (so die Terminologie des 1. Senates des Bundesverfassungsgerichts, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 22. März 1983 – 2 BvR 475/78 -, BVerfGE 63, 343, 356f; Beschluss vom 10. April 1984 – 2 BvR 19/82 -, BVerfGE 67, 1,14, Beschluss vom 25. Mai 1993 – 1 BvR 1509/91 – und - 1 BvR 1648/91 -, BVerfGE 88, 384; Beschluss vom 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44/92 – und - 48/92 – BVerfGE 95, 64) bzw. – in der Regel ohne nennenswerte sachliche Unterschiede – Rückbewirkung von Rechtsfolgen und tatbestandlicher Rückanknüpfung (so die Terminologie des 2. Senates des Bundesverfassungsgerichts, der allein die Rückbewirkung von Rechtsfolgen als Rückwirkung qualifiziert und unmittelbar am Rechtsstaatsprinzip, die tatbestandliche Rückanknüpfung dagegen vorrangig an den Grundrechten misst, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 -, BVerfGE 72, 200, 242 ff.; Beschluss vom 15. Mai 1995 – 2 BvL 19/91 u.a. -, BVerfGE 92, 277, 325; Beschluss vom 3. Dezember 1997 – 2 BvR 882/97 –, BVerfGE 97, 67, 78f.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt hiernach eine echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen vor, wenn nachträglich ändernd in vor der Verkündung liegende und damit der Vergangenheit angehörende, nicht nur dort begonnene, sondern abgewickelte Tatbestände eingegriffen wird bzw. wenn der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm – durch Verkündung – rechtlich existent, d.h. gültig geworden ist (vgl. BVerfG, vorgenannte Entscheidungen jeweils a.a.O.). Bei Abgabensatzungen liegt eine echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen vor, wenn im Zeitpunkt der Verkündung die Abgabenschuld bereits entstanden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. November 1965 – 2BvL 8/64 -, BVerfGE 19,187, 195; Beschluss vom 23. März 1971 – 2 BvL 17/69 -, BVerfGE 30, 392, 401 jeweils für das Steuerrecht). Eine unechte Rückwirkung liegt demgegenüber vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1996, a.a.O.). Vorliegend bestimmt zwar – wie bereits ausgeführt - § 7 Abs. 3 KABS 2008, dass für Grundstücke, für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Satzung bereits ein Anschluss oder eine Anschlussmöglichkeit bestand, die sachliche Beitragspflicht mit Inkrafttreten dieser Satzung entsteht. Da indes – wie ausgeführt – sämtliche vor Inkrafttreten der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 Geltung beanspruchenden Schmutzwasseranschlussbeitragssatzungen des Beklagten ungültig waren, kann mit Blick auf die genannte Vorschrift des § 7 Abs. 3 KABS 2008 mangels Entstehung der sachlichen Beitragspflicht bis zum Inkrafttreten einer erstmals wirksamen Beitragssatzung aber nicht von einer echten, sondern allenfalls – wenn, da die Satzung erst nach ihrer Veröffentlichung in Kraft getreten ist, überhaupt - von einer unechten Rückwirkung bzw. tatbestandlichen Rückanknüpfung ausgegangen werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. November 2008 – 9 A 3.08 -, S. 13f d. E.A.).
Die vorliegend allenfalls gegebene unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung begegnet keinen Bedenken. Solche Regelungen sind verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig und genügen dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Februar 2008 – 1 BvR 2137/06 -, BVerfGE 101, 239, 263). Eine unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung ist demnach nur dann ausnahmsweise unzulässig, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen braucht, den er also bei seinem Dispositionen nicht berücksichtigen konnte (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1985 – 1 BvL 5/80 u.a. –, BVerfGE 69, 272, 309; Beschluss vom 13. Mai 1986 – 1 BvR 99,461/85 -, BVerfGE 72, 175, 196). Zudem muss das Vertrauen des Betroffenen schutzwürdiger sein als die mit dem Gesetz verfolgten Anliegen. Für das Vorliegen solcher der Zulässigkeit einer unechten Rückwirkung bzw. tatbestandlichen Rückanknüpfung entgegenstehenden Umstände hat der Kläger nichts vorgetragen. Er hat keinerlei (gewichtige) Interessen angeführt, die dem öffentlichen Interesse, kommunale öffentliche Einrichtungen der vorliegenden Art nicht aus dem allgemeinen Haushalt, sondern durch den bevorteilten Personenkreis finanzieren zu lassen, vorgehen. Vielmehr war zu dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge von der Satzung durch die Vorschrift des § 7 Abs. 3 KABS 2008 möglicherweise zurückbezogen wird, mit einer solchen rückwirkenden Regelung, welche der Körperschaft die Wahrnehmung der gesetzlich eingeräumten Befugnis einer Geltendmachung des Kanalanschlussbeitrags ermöglicht, zu rechnen. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn bereits eine unwirksame Beitragssatzung vorlag und damit der Wille des Satzungsgebers zur Beitragserhebung manifestiert war. Denn in einem solchen Fall ist aufgrund des bereits beschlossenen Satzungsrechts ein etwaiges Vertrauen des Bürgers auf die Unwirksamkeit der Satzung nicht schutzwürdig; ebenso wenig kann der Bürger damit gehört werden, er habe auf die Wirksamkeit des bisherigen Satzungsrechts vertraut und sei deshalb von einer Verjährung der Beitragsforderung ausgegangen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1978 – VIIC 32.76 –, Buchholz 401.69 Nr. 3; Urteil vom 15. Dezember 1978 – VIIC 3.78 -, KStZ 1979, 71; Beschluss vom 15. April 1983 – 8 C 170/89 -, BVerwGE 67, 129 zum Anschlussbeitragsrecht; Beschluss vom 7. Februar 1996 – 8 B 13.96 –, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36 zum Anschlussbeitragsrecht).
Einer Veranlagung des Klägers steht auch nicht entgegen, dass sein Grundstück möglicherweise – sein Vortrag ist hier unklar - bereits vor dem 3. Oktober 1990 an das öffentliche Schmutzwassernetz angeschlossen bzw. anschließbar gewesen sein mag.
In der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg (vgl. Urteil vom 12. April 2001, a.a.O.; Urteil vom 5. Dezember 2001, a.a.O.; Urteil vom 3. Dezember 2003, a.a.O.) bzw. des OVG Berlin- Brandenburg (Urt. vom 12. Dezember 2007, a.a.O.; Antrag auf Zulassung der Revision zurückgewiesen durch BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2008, a.a.O.) ist – wie bereits ausgeführt - geklärt, dass keine rechtliche Kontinuität zwischen den Anlagen der Trink- und Abwasserversorgung zu DDR-Zeiten und den nach der Wende entstandenen kommunalen Ver- und Entsorgungseinrichtungen bzw. Anlagen besteht. Die auf der Grundlage der Kommunalverfassung der DDR, der Gemeindeordnung bzw. des Gesetzes für kommunale Gemeinschaftsarbeit neu entstandenen kommunalen öffentlichen Abwasserentsorgungseinrichtungen sind rechtlich nicht identisch mit der früheren staatlichen Abwasserentsorgung der DDR. Das gilt ungeachtet der Übernahme und weiteren Bewirtschaftung von technischen Entsorgungsanlagen, die in der DDR gebaut wurden. Anknüpfungspunkt für die Beitragserhebung nach dem KAG sind nicht Anlagen im technischen, sondern öffentliche Einrichtungen und Anlagen im kommunalrechtlichen Sinne. Diese entstanden originär erst, seit die Abwasserentsorgung aufgrund der kommunalverfassungsrechtlichen Vorschriften aus den Händen der VEB WAB wieder auf die Kommunen übergegangen waren. Dementsprechend sind auch die "altangeschlossenen" Grundstücke, d.h. diejenigen Grundstücke, die bereits vor dem 3. Oktober 1990 bzw. dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes an die zentrale Trinkwasserversorgungs- bzw. Abwasserentsorgungseinrichtung angeschlossen waren bzw. angeschlossen werden konnten (vgl. zu diesem Begriffsverständnis OVG Brandenburg, Urt. vom 3. Dezember 2003, a.a.O.), durch diese Einrichtungen beitragsrechtlich bevorteilt. Durch die Berechtigung, diese neuen kommunalen öffentlichen Einrichtungen dauerhaft zu nutzen, entstand auch für sie erstmalig eine Vorteilslage im Sinne des § 8 Abs. 6 Satz 1 KAG. Diese rechtfertigt die Beitragserhebung nicht nur, sondern gebietet sie sogar vor dem Hintergrund einer gleichmäßigen und gerechten Beteiligung aller durch die Anschlussmöglichkeit zu der öffentlichen Einrichtung bevorteilten Grundstücke, sofern der Einrichtungsträger von dem ihm insoweit durch § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG eingeräumten Ermessen, Beiträge zu erheben, durch den Erlass einer Beitragssatzung Gebrauch macht und sich so das durch § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG eröffnete Ermessen zur Beitragserhebung zur Beitragserhebungspflicht verdichtet (vgl. für den Bereich der Trinkwasserversorgung OVG Brandenburg, Urteil vom 5. Dezember 2001, a.a.O.; ferner Urteil vom 3. Dezember 2003 – 2 A 417.01 –, S. 17 d.E.A.; Urteile vom 3. Dezember 2003 – 2 A 733.03 -, a.a.O.; zur Beitragserhebungspflicht vgl. auch Schmidt-Wottrich, LKV 2008 S. 355, 356). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten, so dass auch dem unsubstantiierten Vorbringen des Klägers nicht weiter nachzugehen war, es seien „in der Vergangenheit bereits Erschließungskosten für das Grundstück gezahlt“ worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).