Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 18. Kammer | Entscheidungsdatum | 01.08.2013 | |
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Aktenzeichen | 18 TaBV 544/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 99 BetrVG |
Eingruppierung Tg 8 "Sekretärinnen der Geschäftsleitung großer Banken"
I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. Januar 2013 - 4 BV 14162/12 - wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Zustimmung des Betriebsrats zur beantragten Eingruppierung einer Mitarbeiterin, die als Sekretärin der Gebietsfilialleitung der Gebietsfiliale E. in Berlin beschäftigt wird, in die Tätigkeitsgruppe 7 des Manteltarifvertrages für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken (MTV Banken) zu ersetzen ist.
Mit Schreiben vom 20. Oktober 2011 leitete die Arbeitgeberin die Anhörung des Betriebsrates gemäß § 99 BetrVG zur geplanten Versetzung der Mitarbeiterin I. D. von ihrer bisherigen Funktion als Sekretärin der Regionalfilialleitung C. zur Funktion der Sekretärin für die Gebietsfilialleitung der Gebietsfiliale E. ein. Gleichzeitig beantragte die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Mitarbeiterin, die bisher nach Tarifgruppe 6 vergütet worden war, in die Tarifgruppe 7 des MTV Banken.
In seiner Stellungnahme vom 26. Oktober 2011 (Bl. 15, 16 d. A.) stimmte der Betriebsrat zwar der Versetzung der Mitarbeiterin zu, verweigerte aber seine Zustimmung zur beabsichtigten Eingruppierung in die Tarifgruppe 7.
Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat habe seine Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin zu Unrecht verweigert. Die Mitarbeiterin sei nach Tarifgruppe 7 MTV Banken zu vergüten, denn ihre Tätigkeit falle unter das Regelbeispiel „Sekretärinnen in besonderer Vertrauensstellung“ der Tarifgruppe 7 insoweit nimmt er Bezug auf die Stellenbeschreibung (Bl. 17 - 19 d. A.).
Die vom Betriebsrat für zutreffend angesehene Tarifgruppe 8 sei nicht einschlägig, da es sich bei der Gebietsfilialleitung jedenfalls nicht um die „Geschäftsleitung“ Sinne des Regelbeispiels handele.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zu der beabsichtigten Eingruppierung der Mitarbeiterin I. D. als Sekretärin für die Gebietsfilialleitung der Gebietsfiliale E. in die Vergütungsgruppe 7, 6. Berufsjahr, des Manteltarifvertrags für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken in der Fassung von Juni 2010 zu ersetzen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Betriebsrat hat zur Begründung seiner Zustimmungsverweigerung angeführt, die einzugruppierende Mitarbeiterin sei nicht nach der Tarifgruppe 7, sondern nach der Tarifgruppe 8 MTV Banken zu vergüten. Die Zuordnung der Sekretariatsstellen im Regelbeispiel der Tarifgruppe 8 solle an die Größe einer Bank anknüpfen, weil in einer großen Bank regelmäßig durch die entsprechenden Leitungskräfte mehr und höherwertigere Aufgaben und verantwortlichere Tätigkeiten anfallen, als dies in kleinen Banken der Fall sei. Die Gebietsfiliale E. werde durch einen Leiter geführt, der für 700 bis 800 Mitarbeiter zuständig sei. Es komme hinzu, dass die jeweilige örtliche operative Leitung durch die Gebietsfilialleitung in ihrem Zuständigkeitsbereich erfolge. Die Tatsache, dass im Gesamtunternehmen Bereichsvorstände und zwei Regionalvorstände existieren, stehe der Berücksichtigung der Gebietsfiliale als große Bank im Sinne des Tarifvertrags nicht entgegen. Immerhin würden die Gebietsfilialleiter auch als Geschäftsleiter bezeichnet und dies sowohl intern als auch extern.
Darüber hinaus hat sich der Betriebsrat mit den von der einzugruppieren Mitarbeiterin zu verrichtenden Tätigkeiten im Einzelnen auseinandergesetzt.
Außerdem hat der Betriebsrat angeführt, die Vorgängerin der einzugruppierenden Mitarbeiterin auf der Position der Sekretärin des Gebietsfilialleiters sei ursprünglich nach Tarifgruppe 8 und mit Wirkung vom 01. Januar 1997 sogar nach Tarifgruppe 9 vergütet worden. Das Anforderungsprofil habe sich jedoch nicht geändert. Deshalb verstoße die Eingruppierung nach Tarifgruppe 7 der einzugruppierenden Mitarbeiterin auch gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Wegen des diesem Streit zugrunde liegenden weiteren unstreitigen Sachverhaltes und des streitigen Vorbringens der Beteiligten in der ersten Instanz wird auf I. der Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses (Bl. 110 - 119 d. A.) sowie auf die zwischen den Beteiligten in der Eingangsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Durch Beschluss vom 24. Januar 2013 hat das Arbeitsgericht Berlin die Zustimmung des Betriebsrats zu der von der Arbeitgeberin beantragten Eingruppierung ersetzt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das Tätigkeitsbeispiel „Sekretärinnen der Geschäftsleitung großer Banken“ sei vor dem Hintergrund des Organisationsaufbaus der Arbeitgeberin nicht erfüllt und es scheide auch eine Eingruppierung in die Tätigkeitsgruppe 8 anhand der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale aus. Ferner bestehe kein Anspruch der Mitarbeiterin auf Eingruppierung nach Tätigkeitsgruppe 8 aufgrund Gleichbehandlung.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Entscheidung wird auf II. der dortigen Gründe (Bl. 119 - 123 d. A.) verwiesen.
Gegen diesen ihm am 04. März 2013 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat mit am 22. März 2013 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit am Montag, dem 06. Mai 2013 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Der Betriebsrat vertritt weiter die Auffassung, die Mitarbeiterin sei in die Tätigkeitsgruppe 8 einzugruppieren. Die Tätigkeit als Sekretärin der Gebietsfilialleitung, des - nach internem Sprachgebrauch - Geschäftsführers der Gebietsfiliale, erfülle das Tätigkeitsbeispiel „Sekretärinnen der Geschäftsleitung großer Banken“, da es sich zwar nicht um die Geschäftsführung im Sinne der gesetzlichen Vertretung der Arbeitgeberin handele, aber jedenfalls um Geschäftsleitung im weiteren Sinne. Hinzu komme, dass die Sekretärinnen, die für den Vorstand tätig sind, bei der Arbeitgeberin außertariflich vergütet würden. Für die einzugruppierende Mitarbeiterin folge daraus, dass sie als Sekretärin des Gebietsfilialleiters, der zwei Stufen darunter angesiedelt sei, aufgrund der Handhabung der Arbeitgeberin in die Tätigkeitsgruppe 8 einzugruppieren sei. Ferner spreche für eine Eingruppierung in Tätigkeitsgruppe 8, dass die vorherige Stelleninhaberin entsprechend eingruppiert war, zuletzt sogar Vergütung nach Tätigkeitsgruppe 9 des Manteltarifvertrages bezogen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der in der Beschwerdeinstanz wird auf den Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 06. Mai 2013 verwiesen.
Der Betriebsrat, Beteiligte zu 2. und Beschwerdeführer beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. Januar 2013, 4 BV 14162/12, den Antrag der Beteiligten zu 1. zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1. beantragt,
die Beschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und tritt den Ausführungen des Betriebsrats in der Beschwerdeinstanz entgegen.
Sie verweist insbesondere auf die Definition des Begriffs „Geschäftsleitung“ in § 10 AO sowie § 1 Abs. 2 KWG. Diese Voraussetzungen erfülle die Geschäftsfilialleitung nicht. Auch die allgemeinen Tätigkeitsbeispiele seien vorliegend nicht erfüllt, da die Tätigkeit der einzugruppierenden Mitarbeiterin im Wesentlichen lediglich allgemeine Sekretariatsaufgaben umfasse und daher weder besondere Anforderung an das fachliche Können stelle noch mit einer gegenüber der Tätigkeitsgruppe 7 erhöhten Verantwortung verbunden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Arbeitgeberin in der Beschwerdeinstanz wird auf den Beschwerdebeantwortungsschriftsatz vom 10. Juli 2013 verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Sie ist gemäß den §§ 8 Abs. 4, 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und frist- und formgerecht i.S.d. §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1, 89 ArbGG eingelegt und begründet worden.
2. Die Beschwerde des Betriebsrats hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung gemäß § 99 BetrVG zur Eingruppierung der Mitarbeiterin Frau D. in die Tätigkeitsgruppe 7, 6. Berufsjahr, MTV Banken war zu ersetzen, denn ein Zustimmungsverweigerungsgrund gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 3 BetrVG liegt nicht vor, da die beantragte Eingruppierung nach Auffassung der erkennenden Beschwerdekammer die zutreffende Eingruppierung darstellt und deshalb kein Verstoß gegen den MTV Banken gegeben ist und die Mitarbeiterin auch nicht benachteiligt wird.
a) Die Tätigkeit der einzugruppierenden Mitarbeiterin als Sekretärin der Gebietsfilialleitung der Gebietsfiliale E. mit Sitz in Berlin erfüllt nicht das Tätigkeitsbeispiel der Tätigkeitsgruppe 8 „Sekretärinnen der Geschäftsleitung großer Banken“.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Somit ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., etwa BAG 11. Juli 2012 - 10 AZR 236/11 - Rn. 12; 16. Juni 2010 - 4 AZR 944/08 - Rn. 18; 23. September 2009 - 4 AZR 382/08 - Rn. 14, BAGE 132, 162; 26. Januar 2005 - 4 AZR 6/04 - zu I. 2. a bb (2) (c) (bb) der Gründe m.w.N., BAGE 113, 291).
Auslegungsbedürftig ist nach Auffassung der erkennenden Beschwerdekammer vorliegend lediglich der Begriff der „Geschäftsleitung“.
Dieser Begriff erfasst schon vom Wortsinn her die Personen, die die Geschäfte leiten, also die für das gesamte Unternehmen maßgeblichen Entscheidungen trifft.
Es spricht zudem einiges dafür, dass sich die Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Wortwahl an dem für die Branche maßgeblichen Kreditwesengesetz orientiert haben. Dort ist in § 1 Abs. 2 S. 1 geregelt: „Geschäftsleiter im Sinne dieses Gesetzes sind diejenigen natürlichen Personen, die nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Führung der Geschäfte und zur Vertretung eines Instituts in der Rechtsform einer juristischen Person oder einer Personenhandelsgesellschaft berufen sind.“
In diesem Sinne ist der Gebietsfilialleiter nicht als Teil der Geschäftsleitung der Arbeitgeberin anzusehen. Auch eine entsprechende Anwendung scheidet aus. Dem Gebietsfilialleiter obliegen zwar auch Leitungs- und Führungsaufgaben. Diese beschränken sich jedoch auf die Gebietsfiliale, die ihm überantwortet ist und hat sich in dem Rahmen zu halten, der ihm von der eigentlichen Geschäftsleitung, dem Vorstand, der Beklagten vorgegeben ist. Insoweit hat er lediglich die Aufgabe die konzeptionellen, richtungsgebenden oder sonstigen grundlegenden Entscheidung des Vorstandes umzusetzen.
Gegen die Annahme bei der Gebietsfilialleitung handele es sich um „Geschäftsleitung“ im Sinne des Tätigkeitsbeispiels spricht zudem, dass sich diese auf der dritten Führungsebene unter dem Vorstand und der Regionalleitung befindet und neben der Gebietsfilialleitung E. noch 17 weitere Gebietsfilialleitungen existieren.
b) Nach Auffassung der erkennenden Beschwerdekammer war das Vorliegen der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Tätigkeitsgruppe 8 nicht zu prüfen.
Die Tarifvertragsparteien haben mit der Aufnahme des Tätigkeitsbeispiels „Sekretärinnen der Geschäftsleitung großer Banken“ klar zum Ausdruck gebracht, dass nur die Tätigkeit einer Sekretärin, die auf der Geschäftsleitungsebene einer großen Bank tätig ist, die allgemeinen Anforderungen der Tarifgruppe 8 erfüllt.
c) Die einzugruppierende Mitarbeiterin war nach Auffassung der erkennenden Beschwerdekammer auch nicht aus Gleichbehandlungsgründen in die Tätigkeitsgruppe 8 einzugruppieren.
aa) Unabhängig davon, aus welchen konkreten Gründen die vorherige Stelleninhaberin in die Tätigkeitsgruppe 8 und nachfolgend in die Tätigkeitsgruppe 9 eingruppiert war, begründet diese Eingruppierung keinen Anspruch der nachfolgenden Mitarbeiterin auf identische, nicht dem anzuwendenden Tarifvertrag entsprechende Eingruppierung.
Dies wäre nur der Fall, wenn nicht nur eine einzige, sondern mehrere Mitarbeiter(innen), die als Sekretär(innen) der Gebietsfilialleitungen tätig sind, entsprechend eingruppiert wären. Dies ist jedoch nicht ersichtlich und vom Betriebsrat auch nicht vorgetragen worden.
bb) Auch der unstreitig gebliebene Umstand, dass die Sekretärinnen des Vorstands der Beklagten, also der Geschäftsleitung im Sinne des Tätigkeitsbeispiels der Tätigkeitsgruppe 8, nicht nach Tätigkeitsgruppe 8 eingruppiert sind, sondern außertariflich vergütet werden, begründet keinen Anspruch der einzugruppierenden Mitarbeiterin auf Eingruppierung in die Tätigkeitsgruppe 8.
Hieraus allein lässt sich nämlich nicht der Schluss ziehen, dass die Arbeitgeberin - wie der Betriebsrat andeutet - für Sekretärinnen ein eigenes Vergütungssystem dergestalt geschaffen hat, dass Sekretärinnen des Vorstands außertariflich vergütet werden, Sekretärinnen der Regionalleitung nach Tätigkeitsgruppe 9, Sekretärinnen der Gebietsfilialleitung nach Tätigkeitsgruppe 8 sowie Sekretärinnen der darunter liegenden Hierarchieebenen jeweils eine Tätigkeitsgruppe tiefer. Sonstige Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Vergütungssystems sind nicht gegeben.
Die Annahme eines solchen Vergütungssystems wäre jedoch erforderlich, um einen Anspruch der einzugruppierenden Mitarbeiterin auf Eingruppierung in die Tätigkeitsgruppe 8 aus dem Umstand der außertariflichen Vergütung von Sekretärinnen des Vorstands abzuleiten.
Nach alledem war die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Mitarbeiterin Frau D. in die Tätigkeitsgruppe 7, 6. Berufsjahr, des MTV Banken zu ersetzen und die Beschwerde des Betriebsrats daher zurückzuweisen.
III.
Gegen diese Entscheidung war für den Betriebsrat die Rechtsbeschwerde zuzulassen, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, da ein bundesweit anwendbarer Tarifvertrag durch das Gericht ausgelegt worden ist.