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Versicherungsverlauf - Vormerkung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 4. Senat Entscheidungsdatum 05.09.2013
Aktenzeichen L 4 R 96/08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 149 Abs 5 SGB 6, § 207 SGB 6

Leitsatz

Aus § 207 SGB 6 ergibt sich nicht, dass Zeiten der schulischen Ausbildung nach dem vollendeten 16. Lebensjahr, die nicht als Anrechnungszeiten berücksichtigt werden können, gemäß § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB 6 als "rentenrechtliche Tatsache" vorzumerken sind.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Oktober 2007 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander in beiden Rechtszügen keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht in Streit, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Zeit vom 19. Januar 1965 bis zum 31. März 1965 im Versicherungslauf der Klägerin „als rentenrechtliche Tatsache“ festzustellen.

Die 1949 geborene Klägerin besuchte vom 1. April 1963 bis zum 31. März 1965 die Berufs- und Berufsfachschulen des Zweckverbandes „U S“, Abteilung Handelsschule, T Am 23. Juni 2005 verfasste sie ein an die Beklagte gerichtetes Schreiben, in dem es heißt:

„Sie hatten mich über meine künftige Rente informiert und gleichzeitig einen Versicherungsverlauf beigefügt.

Hierzu darf ich folgendes festhalten:

1.Im Zeitraum vom 1.1.1965 bis 31.03.1965 habe ich die Schule besucht, falls Unterlagen hierzu erforderlich sind, erbitte ich Ihre Nachricht.
2.In der Zeit vom 1.1.1980 bis 31.12.1980 habe ich freiwillige Beiträge geleistet, vgl. die beigefügte Beitragsbescheinigung.

Ich bitte um Überarbeitung des Versicherungsverlaufs.“

Mit Bescheid vom 29. November 2005 stellte die Beklagte gemäß § 149 Abs. 5 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) „die in dem beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, also die Zeiten bis 31.12.1998, als für die Beteiligten verbindlich fest“. Zugleich entschied sie, dass „die Zeit vom 01.01.1965 bis 31.03.1965“ nicht „als Anrechnungszeit vorgemerkt werden könne, da die Ausbildung vor dem vollendeten 17. Lebensjahr zurückgelegt worden sei. Den – nicht begründeten – Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2006 als unbegründet zurück.

Am 26. April 2006 hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht, aus § 207 SGB VI und dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 (B 4 RA 114/ 00 R) ergebe sich, dass die Beklagte verpflichtet sei, die Zeit vom 19. Januar 1965 bis zum 31. März 1965 als „als rentenrechtliche Tatsache“ festzustellen.

Mit Urteil vom 23. Oktober 2007 hat das Sozialgericht Berlin die Beklagte verpflichtet, die Zeit vom 19. Januar 1965 bis zum 31. März 1965 unter Abänderung des Bescheids vom 29. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2006 als rentenrechtliche Tatsache vorzumerken. Die Beklagte, so das Sozialgericht, sei gemäß § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI verpflichtet, die Zeit vom 19. Januar 1965 bis zum 31. März 1965 als „als rentenrechtliche Tatsache“ vorzumerken, da diese Tatsache mit Rücksicht auf § 207 Abs. 1 SGB VI möglicherweise „rentenrechtliche Relevanz“ habe.

Gegen das ihr am 14. Dezember 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 9. Januar 2008 Berufung eingelegt. Diese hat sie wie folgt begründet: Im Versicherungsverlauf seien nur diejenigen Tatsachen festzustellen, die die gesetzlichen Voraussetzungen rentenrechtlicher Zeiten erfüllten. Dies ergebe sich aus dem Urteil des BSG vom 30. März 2004 (B 4 RA 36/02 R und B 4 RA 46/02 R) und dem Urteil der 19. Kammer des Sozialgerichts Berlin vom 7. August 2009 (S 19 R 109/09). Die Tatsache, die die Klägerin vorgemerkt wissen wolle, erfülle keinen gesetzlichen Tatbestand einer rentenrechtlichen Zeit. Die Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI seien nicht gegeben. Auch die Möglichkeit, gemäß § 207 Abs. 1 SGB VI freiwillige Beiträge nachzuzahlen, erfülle nicht den Tatbestand einer rentenrechtlichen Zeit, zumal die Klägerin gemäß § 207 Abs. 2 Satz 1 SGB VI auch nicht berechtigt sei, für die Zeit vom 19. Januar 1965 bis zum 31. März 1965 gemäß § 207 Abs. 1 SGB VI freiwillige Beiträge nachzuzahlen. Hinzu komme, dass „eine Korrektur oder Aufhebung eines Bescheids über die rechtsverbindliche Vormerkung“ des Sachverhalts, den die Klägerin festgestellt wissen wolle, „nicht realisierbar sei“.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Oktober 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags verweist sie auf ein Schreiben des Vorsitzenden der 7. Kammer des Sozialgerichts Berlin (wegen des Inhalts dieses Schreibens wird auf Bl. 62 – 62 R der Gerichtsakte Bezug genommen). Ferner verweist sie auf ein Urteil der 12. Kammer des Sozialgerichts Berlin (S 12 R 6781/07) vom 17. Juli 2008 (wegen des Inhalts dieses Urteils wird auf Bl. 115 – 117 der Gerichtsakte Bezug genommen). Darüber hinaus meint sie, es sei zu berücksichtigen, dass gemäß § 207 Abs. 1 SGB VI freiwillige Beiträge nur nachgezahlt werden könnten, wenn „die schulische Ausbildung als solche festgestellt“ sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrages der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die Akte der Beklagten, die vorgelegen haben und Grundlage der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte, obwohl die Klägerin dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 5. September 2013 ferngeblieben ist, über die Berufung mündlich verhandeln und durch Urteil entscheiden, weil auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen wurde (§ 126 SGG analog in Verbindung mit § 153 Abs. 1 SGG).

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die auf den Erlass eines abgelehnten Verwaltungsakts (§ 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ‹SGB X›) gerichtete Klage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 131 Abs. 2 Satz 1 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 13. April 1983, 4 RJ 24/82; BSG, Urteil vom 21. März 1991, 4/1 RA 35/90) ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Zeit vom 19. Januar 1965 bis 31. März 1965 im Versicherungsverlauf der Klägerin als „rentenrechtliche Tatsache“ vorzumerken.

Denn wie sich aus § 149 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, Abs. 5 Satz 1 SGB VI ergibt, sind gemäß § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI nur „die im Versicherungsverlauf enthaltenen“ Daten durch Verwaltungsakt (vgl. Polster, in: Kasseler Kommentar, Lsbl., § 149 SGB VI Rn. 12) festzustellen, die „geklärt“ und für die Feststellung und Erbringung von Leistungen „erforderlich“, insbesondere für die Feststellung der Höhe der Rentenanwartschaft „erheblich“ sind. Aus § 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI ergibt sich zudem, dass als durch Bescheid feststellungsfähige Daten allein die Daten hinsichtlich der Beitragszeiten und der sonstigen rentenrechtlichen Zeiten in Betracht kommen. Nur diese nämlich können „angerechnet“ oder „bewertet“ werden (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 1995, 5 RJ 20/94). Darüber hinaus ergibt sich aus § 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI und der amtlichen Begründung zu § 149 Abs. 5 SGB VI (vgl. BT-Drucks. 13/8994 S. 69), dass Feststellungsbescheide im Sinne des § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI „Beweissicherungsfunktion“ haben. Durch sie soll im Interesse der Versicherten verbindlich geklärt werden, ob der Versicherte in den im Vormerkungsbescheid genannten Zeiten „den Tatbestand der jeweiligen rentenrechtlichen Zeit erfüllt hat“ (vgl. BSG, Urteil vom 30. August 2001, B 4 RA 114/00 R), ob also der Tatbestand einer rentenrechtlichen Zeit „nach seinen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nach dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Vormerkungsbescheids geltenden materiellen Recht erfüllt“ ist (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2004, B 4 RA 36/02; BSG, Urteil vom 19. April 2011, B 13 R 79/09 R; vgl. auch: BSG, Urteil vom 24. Oktober 1996, 4 RA 108/95). Anders ausgedrückt: Mit der Vormerkung werden „auf der Grundlage des geltenden Rechts Feststellungen über Tatbestände einer rentenversicherungsrechtlich relevanten Vorleistung getroffen, die grundsätzlich in einem späteren Rentenbescheid und damit in die Rentenhöhe eingehen“ (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2008, B 13 R 27/07 R).

Der Sachverhalt, den die Klägerin vorgemerkt wissen will, erfüllt nach dem derzeit gültigen Recht – das allein maßgeblich ist (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994, 4 RA 64/93; BSG, Urteil vom 30. August 2001, B 4 RA 114/00 R; BSG, Urteil vom 30. März 2004, B 4 RA 36/02 R; BSG, Urteil vom Urteil vom 31. Januar 2008, B 13 R 27/07 R; BSG, Urteil vom 19. 04.2011, B 13 R 79/09 R) – nicht den Tatbestand einer rentenrechtlichen Zeit (dies räumt die Klägerin ein). Die Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI sind nicht gegeben. Denn das 17. Lebensjahr hatte die Klägerin erst am 19. Januar 1966 vollendet.

Auch aus § 207 SGB VI ergibt sich nicht, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Zeit vom 19. Januar 1965 bis zum 31. März 1965 im Versicherungslauf der Klägerin „als rentenrechtliche Tatsache“ festzustellen. Denn vorzumerken sind gemäß § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI allein „die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten“, also die Daten der Beitragszeiten und der sonstigen rentenrechtlichen Zeiten (siehe oben). Diese Daten müssen zudem „geklärt“ sein. Beitragszeiten – zu denen gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI auch Zeiten zählen, für die nach Bundesrecht freiwillige Beiträge gezahlt worden sind – sind erst geklärt, wenn feststeht, dass Beiträge wirksam entrichtet sind oder als entrichtet gelten (vgl. BSG, Urteil vom 16. August 1990, 4 RA 10/90). Die Klägerin hat für die Zeit vom 19. Januar 1965 bis zum 31. März 1965 (bislang) keine freiwilligen Beiträge entrichtet. Sie ist hierzu nach dem derzeit gültigen Recht – das allein maßgeblich ist (siehe oben) – auch nicht berechtigt, da sie dies nicht bis zum 31. Dezember 2004 beantragt hat (vgl. § 207 Abs. 2 Satz 2 SGB VI) und sie das 45. Lebensjahr bereits überschritten hat (vgl. § 207 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Eine „rentenrechtliche Tatsache“ in Gestalt der Berechtigung zur Zahlung freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 19. Januar 1965 bis zum 31. März 1965 liegt daher nicht vor.

Aus dem Urteil des BSG vom 30. August 2001 (B 4 RA 114/00 R), auf das sich die Klägerin beruft, ergibt sich ebenfalls nicht, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Zeit vom 19. Januar 1965 bis zum 31. März 1965 im Versicherungslauf der Klägerin „als rentenrechtliche Tatsache“ festzustellen. Zwar heißt es in dem Urteil, der beklagte Rentenversicherungsträger habe zu Unrecht eine Vormerkung „rentenrechtlicher Zeiten der schulischen Ausbildung im“ (also vor Vollendung des) „17. Lebensjahr“ aufgehoben. Diese Vormerkung stammte jedoch aus einer Zeit (nämlich vom 20. November 1984), in der „Zeiten einer nach Vollendung des 16. Lebensjahrs liegenden weiteren Schulausbildung“ noch rentenrechtliche Zeiten („Ausfallzeiten“) waren (vgl. § 1259 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Reichsversicherungsordnung ‹RVO›, § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Angestelltenversicherungsgesetz ‹AVG›).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorlagen.