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Zulassungsbegehren; Insolvenzverfahren; Insolvenzverwalter; Akteneinsicht; Finanzamt; Jahreskontoauszüge des Insolvenzschuldners; Vorbereitung der Insolvenzanfechtung; Besteuerungsverfahren; laufendes Verfahren; Abgabenordnung; keine Sperrwirkung des Steuerverfahrensrechts gegenüber Informationsanspruch nach AIG


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 12. Senat Entscheidungsdatum 04.09.2014
Aktenzeichen OVG 12 N 84.13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 124a Abs 4 S 4 VwGO, § 1 aF AktenE/InfZG BB, § 2 Abs 5 aF AktenE/InfZG BB

Leitsatz

Dem Informationsanspruch eines Insolvenzverwalters auf Erteilung von Jahreskontoauszügen des Insolvenzschuldners zur Vorbereitung einer Insolvenzanfechtung kann nicht entgegengehalten werden, dass das Besteuerungsverfahren wegen der Möglichkeit eines Wiederauflebens erfüllter Steuerforderungen im Falle des Durchgreifens der Anfechtung noch ein laufendes Verfahren sei und die Abgabenordnung für eine Akteneinsicht des Insolvenzverwalters keine Grundlage biete.

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das am 2. August 2013 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Recht verpflichtet, dem klagenden Insolvenzverwalter Auskunft über die ihm vorliegenden Informationen über den Insolvenzschuldner durch die Herausgabe von Jahreskontoauszügen für die Jahre 2011 und 2012 zu erteilen. Den Einwand des Beklagten, dem Anspruch nach § 1 Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz vom 10. März 1998 (GVBl. I S. 46), in der Fassung des Artikel 2 des Gesetzes vom 23. September 2008 (GVBl. I S. 202, 206) – AIG – stehe die Vorschrift des § 2 Abs. 5 AIG entgegen, wonach in laufenden Verfahren Akteneinsicht nur nach Maßgabe des anzuwendenden Verfahrensrechts gewährt werde, das hier in Gestalt der Abgabenordnung keinen Anspruch des Klägers vorsehe, hat das Verwaltungsgericht zutreffend mit der Begründung zurückgewiesen, es liege hinsichtlich des konkreten Akteneinsichtsbegehrens kein laufendes Verfahren vor.

Gegen die Richtigkeit dieser Begründung macht der Beklagte geltend, dass das Besteuerungsverfahren nicht beendet sein könne, solange ein Insolvenzverfahren laufe; bei Durchgreifen einer Anfechtung des Insolvenzverwalters seien Ansprüche aus dem Steuerverhältnis nachträglich zur Tabelle anzumelden. Das Besteuerungsverfahren könne erst beendet sein, wenn auch das Insolvenzverfahren abgeschlossen und das Verfahren der Restschuldbefreiung abschließend durchgeführt sei. Mit diesem Hinweis ist die Feststellung des Verwaltungsgerichts, es sei kein laufendes Verfahren gegeben, nicht erschüttert. Allein die Möglichkeit, dass eine Anfechtung des Insolvenzverwalters durchgreifen kann und dadurch Steuerforderungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens wieder aufleben und „zur Tabelle anzumelden“ sein können, führt nicht dazu, dass das Besteuerungsverfahren im Zeitpunkt der Entscheidung über ein die etwaige Anfechtung erst vorbereitendes Akteneinsichtsverlangen des Insolvenzverwalters noch oder bereits wieder „läuft“. Vielmehr bleibt bis zum Durchgreifen der Anfechtung die Wirkung der den geleisteten Zahlungen zugrundeliegenden Steuerbescheide und die Erfüllungswirkung erbrachter Leistungen bestehen (vgl. zu der in § 2 Abs. 4 AIG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes und zur Aufhebung des Personalausweisgesetzes vom 15. Oktober 2013 (GVBl. I Nr. 30) neugefassten Vorschrift: Senatsbeschluss vom 4. August 2014 – OVG 12 N 36.14 – Beschlussabdruck S. 3 m.w.N., zur Veröffentlichung in juris vorgesehen).

Da das Vorbringen des Beklagten zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache für die Erheblichkeit der Grundsatzfrage, ob das Finanzamt als Gläubiger in einem Insolvenzverfahren zur Auskunfts- und Informationserteilung nach dem AIG zu einer derart pauschalen Auskunftserteilung, d.h. über sämtliche Vorgänge auf dem Steuerkonto, für Zwecke der Anfechtung im Rahmen des Insolvenzverfahrens verpflichtet ist, obwohl die für das Handeln der Finanzverwaltung bei laufendem Besteuerungsverfahren maßgebliche Abgabenordnung eine derartige Verpflichtung nicht vorsieht, ein laufendes Besteuerungsverfahren voraussetzt, ein solches nach den vorstehenden Ausführungen im entschiedenen Rechtsstreit aber nicht vorliegt, würde sich die Frage in einem Berufungsverfahren nicht stellen. Abgesehen davon ist die Rechtsfrage auch bereits rechtsgrundsätzlich dahin beantwortet, dass den verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Abgabenordnung eine Sperrwirkung gegenüber dem voraussetzungslosen eigenständigen Anspruch nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder nicht zukommt (vgl. im einzelnen BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2012 – 7 B 53.11 – NVwZ 2012, 824; juris Rn. 10).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).