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Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 FGO)Einkommensteuer 2002 bis 2009


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 24.04.2017
Aktenzeichen 10 V 1044/17 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Tatbestand

I.

Der Antragsteller ist Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der B… GmbH (im folgenden: GmbH).

Die GmbH erwarb im Jahr 2000 ein mit einer Stadtvilla bebautes Grundstück im C…-weg in D… . Der Kaufpreis betrug 1.745.000,00 DM; das entspricht 892.204,33 Euro. Einschließlich der Nebenkosten betrugen die Anschaffungskosten des Grundstücks 1.931.891,15 DM bzw. 987.760,26 Euro.

In den Jahren 2001 bis 2003 wurde die Stadtvilla nach den Vorgaben des Antragstellers modernisiert. Die Kosten der Modernisierungsarbeiten betrugen 1.052.456,31 Euro.

Die GmbH vermietete die Stadtvilla nebst Garage ab dem 1. November 2001 an den Antragsteller. Die Miete betrug zunächst 4.600,00 Euro monatlich; ab November 2002 erhöhte sie sich auf 4.900,00 Euro monatlich. Im Mietvertrag findet sich zur Höhe der Miete ein Vorbehalt im Hinblick auf ein noch zu erstellendes Sachverständigengutachten. Der Mietvertrag sah zudem vor, dass die Miete dem Antragsteller zunächst gestundet und für den Stundungszeitraum mit 5,5 % verzinst werden sollte. Der Antragsteller sollte die Mietzahlungen jeweils erst nach Auszahlung der jährlichen Tantiemen bzw. der Gewinnausschüttung der GmbH leisten.

Am 5. Dezember 2001 wurde in einer Ergänzung zum Mietvertrag die monatliche Betriebskostenvorauszahlung auf 255,65 Euro festgelegt. Eine Anlage zum Mietvertrag wies für die Ermittlung der Nettokaltmiete und der Betriebskostenabrechnungen ab dem 1. November 2001 die auf die einzelnen Räume entfallenden Mietpreise pro Quadratmeter aus. Die Bemessungsgrundlage für die Nettokaltmiete betrug danach 353 m2. Für Wintergarten, Terrassen, Fitnessraum, Sauna, Hobbyraum, Schlafkeller und Weinkeller wurde keine Miete ausgewiesen. Diese Sonderflächen hatten nach dem Mietvertrag eine Größe von 425,47 m2; die Gesamtwohnfläche betrug somit 778,47 m2.

Im Laufe des Jahres 2002 wurde das im Mietvertrag angesprochene Sachverständigengutachten eingeholt. Am 23. Oktober 2002 kamen die GmbH und der Antragsteller daraufhin überein, die Miete rückwirkend zum 1. Januar 2002 auf 4.900,00 Euro monatlich zu erhöhen. Der Gutachter hatte mithilfe von fünf Vergleichsobjekten in D… einen Mittelwert von 13,95 Euro/m2 und somit unter Zugrundelegung einer Wohnfläche von 353 m2 eine Miete in Höhe von 4.924,35 Euro ermittelt.

Der Antragsgegner, dem der Erwerb der Stadtvilla durch die GmbH im Jahre 2009 bekannt wurde, ging wegen der mehr als 250 m2 betragenden Wohnfläche davon aus, dass die Voraussetzungen des Ansatzes der Kostenmiete als Maßstab für die Vermietung der Stadtvilla an den Antragsteller gegeben seien. Er ermittelte die Kostenmiete mit 6 % der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Gebäudes zuzüglich der Anschaffungskosten für den Grund und Boden und gelangte zu einer monatlichen Miete in Höhe von 9.485,00 Euro für das Jahr 2002 sowie in Höhe von 9.720,00 Euro für die Jahre 2003 und 2004. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnung auf Seite 3/4 der Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2017 Bezug genommen. Im Vergleich mit den von dem Antragsteller geleisteten Mietzahlungen ergab sich eine Differenz in Höhe von 58.003,70 Euro für das Jahr 2002 und in Höhe von jeweils 57.840,00 Euro für die Jahre 2003 und 2004. Diese Differenzbeträge behandelte der Antragsgegner als verdeckte Gewinnausschüttungen der GmbH an den Antragsteller.

Der Antragsgegner erließ am 6. Juli 2009 auf der Grundlage des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderte Bescheide für die Jahre 2002 bis 2007, in denen er 58.003,70 Euro für das Jahr 2002 und jeweils 57.840,00 Euro für die Jahre 2003 bis 2007 als dem Halbeinkünfteverfahren unterliegende Einkünfte des Antragstellers aus Kapitalvermögen ansetzte. Dagegen legten der Antragsteller und seine mit ihm zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehefrau Einsprüche ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide. Der Antragsgegner setzte mit Bescheid vom 18. August 2009 die Vollziehung der Bescheide für die Jahre 2002 bis 2007 antragsgemäß aus.

Am 25. Januar 2010 erließ der Antragsgegner einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 und am 28. Februar 2011 einen solchen für das Jahr 2009. In beiden Bescheiden berücksichtigte der Antragsgegner ebenfalls jeweils 57.840,00 Euro als dem Halbeinkünfteverfahren unterliegende Einkünfte des Antragstellers aus Kapitalvermögen. Der Antragsteller und seine Ehefrau legten gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 am 1. Februar 2010 und gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 am 2. März 2011 Einspruch ein und beantragten gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung. Der Antragsgegner gewährte die Aussetzung der Vollziehung für das Jahr 2008 mit Bescheid vom 5. Februar 2010 und für das Jahr 2009 mit Bescheid vom 8. März 2011.

Die GmbH wandte sich ebenfalls gegen die bei ihr entsprechend berücksichtigten verdeckten Gewinnausschüttungen. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren klagte sie vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg. Die Klage wurde mit Urteil vom 14. April 2016 als unbegründet abgewiesen (Aktenzeichen 8 K 8118/12). Über die gegen das Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist noch nicht entschieden. Die Einspruchsverfahren des Antragstellers und seiner Ehefrau haben bis zum Abschluss des Klageverfahrens der GmbH geruht; im Juni 2016 sind die Rechtsbehelfsverfahren wieder aufgenommen worden.

Mit Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2017 wies der Antragsgegner die Einsprüche des Antragstellers und seiner Ehefrau als unbegründet zurück.

Am 21. Juli 2016 beantragten der Antragsteller und seine Ehefrau erneut die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2009. Der Antragsgegner gewährte die Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom 15. August 2016, allerdings unter Hinweis auf die angespannte wirtschaftliche Situation des Antragsgegners und seiner Ehefrau nur unter der Voraussetzung, dass der Antragsteller und seine Ehefrau durch Beibringung einer Bankbürgschaft in Höhe der ausgesetzten Beträge Sicherheit leisten. Der dagegen eingelegte Einspruch vom 19. September 2016 hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2017).

Am 14. Februar 2017 hat der Antragsteller Klage gegen die Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2017 betreffend die Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 2002 bis 2007 erhoben. Die Klage wird bei dem beschließenden Senat nach Abgabe durch den 1. Senat des Gerichts unter dem Aktenzeichen 10 K 1044/17 geführt.

Mit seinem gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2009 macht der Antragsteller geltend, dass Maßstab für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht die Kostenmiete, sondern die ortsübliche Vergleichsmiete sei. Diese habe durchgängig unter der von ihm, dem Antragsteller, gezahlten Miete gelegen.

Der Antragsteller weist darauf hin, dass die Feststellung einer verdeckten Gewinnausschüttung bei der GmbH – über die ohnehin noch nicht rechtskräftig entschieden sei – keine bindende Wirkung für die einkommensteuerliche Bemessung des von ihm, dem Antragsteller, empfangenen Sachbezugs durch verbilligte Miete habe. Auch könne eine verdeckte Gewinnausschüttung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft und der Ebene des Gesellschafters unterschiedlich bewertet werden. Das sei gerade in Fällen wie dem hier vorliegenden zwingend, weil eine verdeckte Gewinnausschüttung bei der GmbH in Gestalt einer Vermögensminderung bzw. verhinderten Vermögensmehrung nur deshalb angenommen werde, weil deren Kosten des Objekts nicht von den Mieteinnahmen gedeckt würden und die nicht gedeckte Differenz das Einkommen der GmbH nicht mindern dürfe. Insoweit sei aber bei ihm, dem Antragsteller, keine steuerpflichtige Einnahme, also kein Zufluss von Gütern in Geld oder Geldeswert zu verzeichnen. Die Kostenmiete sei zur Bemessung des ihm, dem Antragsteller, zugeflossenen Vermögensvorteils ungeeignet.

Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) im Rahmen der Nutzungswertbesteuerung den Nutzungswert nach der Kostenmiete bemessen habe, habe er dies ausdrücklich mit speziellen Erwägungen zu § 21 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begründet. Er habe dabei den in dieser Vorschrift erwähnten unbestimmten Rechtsbegriff „Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus“ ausgelegt. Diese Überlegungen könnten nicht auf die Ermittlung des Zuflusses nach § 8 Abs. 2 EStG übertragen werden.

Wenn aber, so die Argumentation des Antragstellers, der Ansatz der Kostenmiete als Maßstab für die Bemessung der Höhe des Sachbezugs als verdeckte Gewinnausschüttung ungeeignet ist, so verbleibe allein die ortsübliche Miete als geeigneter Maßstab. Der BFH habe in seiner jüngeren Rechtsprechung bei einer nicht kostendeckenden Vermietung durch eine Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter den Zufluss eines Vermögensvorteils sogar verneint. Er gehe davon aus, dass dem Gesellschafter kein Vermögensvorteil zufließe, wenn er ein in jeder Hinsicht vergleichbares Objekt zum gleichen oder sogar geringeren Mietpreis anderweitig hätte anmieten können.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung der Bescheide über Einkommensteuer 2002 bis 2006 vom 6. Juli 2009, Einkommensteuer 2007 vom 28. Februar 2011, Einkommensteuer 2008 vom 23. März 2011 sowie Einkommensteuer 2009 vom 28. Oktober 2011, sämtlich in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2017 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2017. Darin hatte er ausgeführt, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen sei, wenn eine Kapitalgesellschaft nicht aus eigenem Gewinnstreben, sondern zur Befriedigung privater Interessen ihrer Gesellschafter handele. Maßstab dafür seien die Kriterien, die zur Abgrenzung zwischen Einkunftserzielungsabsicht und Liebhaberei entwickelt worden seien. Im Rahmen des insoweit anzustellenden Fremdvergleichs sei zu berücksichtigen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nur dann bereit sein würde, die laufenden Aufwendungen für den Erwerb, den Ausbau und die Unterhaltung eines Einfamilienhauses zu privaten Wohnzwecken, also im privaten Interesse des Gesellschafters, zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe zuzüglich eines Gewinnaufschlags erstattet werden. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter sei üblicherweise bestrebt, die Gewinne der Kapitalgesellschaft zu maximieren. Er würde daher kein Einfamilienhaus erwerben und vermieten, wenn die Miete nicht die Kosten und einen angemessenen Gewinnaufschlag abdecke. Er würde sich insbesondere nicht damit zufriedengeben, dass die Investition in ferner Zukunft einmal Gewinn abwerfen könne. Es verbiete sich in diesem Zusammenhang, die Grundsätze, die im Rahmen der Vermietung und Verpachtung für die Prüfung der Gewinnerzielung gelten, anzuwenden. Deshalb reiche es nicht aus, dass die Vermietung unter Einbeziehung von Steuervorteilen und einem später anfallenden Veräußerungsgewinn im Ergebnis zu einem Gewinn der Kapitalgesellschaft führten.

Im Streitfall spreche besonders der Umstand, dass die GmbH neben den Anschaffungskosten auch die hohen Modernisierungskosten getragen habe, für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung. Hier seien offenbar nicht nur notwendige Reparaturen und Erhaltungsaufwendungen sowie übliche Modernisierungen vorgenommen worden, sondern das Haus sei im Interesse des Antragstellers höherwertig ausgestattet worden. Eine derart teure Modernisierung hätte ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter ohne Kostenübernahme durch den Mieter nicht in Betracht gezogen, zumal da Erwerb und Vermietung von Immobilien nicht zum Unternehmenszweck der GmbH gehörten. Zudem hätte ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nicht darauf vertrauen dürfen, einen Veräußerungserlös erzielen zu können, der die aufgewendeten Kosten abdecken würde. Die vereinbarte Miete habe auch nicht ausgereicht, um eine angemessene Verzinsung des zum Erwerb des Hauses aufgewendeten Kapitals zu gewährleisten. Die vereinbarte Miete sei deshalb selbst dann als zu niedrig anzusehen, wenn sie zwar der ortsüblichen Miete entspreche, aber keine angemessene Kapitalverzinsung ermögliche.

Die Vermietung der Stadtvilla an den Antragsteller sei schließlich auch geeignet, bei diesem einen sonstigen Bezug i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen. Die Vorteilseignung ergebe sich daraus, dass der Antragsteller im Falle des Erwerbs der an ihn vermieteten Villa die Kosten hätte aufwenden müssen, die im Streitfall die GmbH getragen hat. Auf die Höhe der ortsüblichen Miete komme es danach nicht an. Der zugewendete Vorteil sei – auch nach der Rechtsprechung des BFH – unter Zugrundelegung der Kostenmiete und nicht der Marktmiete zu bemessen.

Entscheidungsgründe

II.

1. Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.

a) Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der der beschließende Senat sich anschließt, vor, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (BFH-Beschluss vom 19. März 2014 – III B 74/13, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs [BFH/NV] 2014, 1032, Tz. 7; Stapperfend in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 8. Auflage 2015, § 69 FGO Rn. 160). Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bzw. des Rechtsmittels zu berücksichtigen. Irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt nicht (BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1998 – I B 101/98, BFH/NV 1999, 753; Stapperfend aaO. m.w.N.).

b) Im Streitfall bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Der Antragsgegner hat vielmehr zutreffend Kapitaleinkünfte des Antragstellers in Gestalt einer verdeckten Gewinnausschüttung berücksichtigt. Er hat die verdeckte Gewinnausschüttung auch richtig bewertet.

aa) Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2005 – VIII R 70/04, BFH/NV 2006, 722, unter II.1.a) der Gründe; FG des Saarlandes, Beschluss vom 5. Dezember 2007 – 1 V 1502/07, Entscheidungen der Finanzgerichte [EFG] 2008, 390, Tz. 36; Ratschow in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 20 EStG Rn. 112 [Dokumentenstand August 2015]; Gebel/Merz, Deutsche Steuer-Zeitung [DStZ] 2011, 145, 148). Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann insbesondere in der verbilligten Überlassung einer Wohnung in einem der Gesellschaft gehörenden Haus liegen (ebenso Ratschow aaO. Rn. 117 für ein „verbilligtes Wohnungsrecht“).

Eine rechtliche Bindung zwischen der Beurteilung einer verdeckten Gewinnausschüttung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und einer solchen auf der Ebene des Gesellschafters gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG besteht nicht. Weder ist ein entsprechender Körperschaftsteuerbescheid der Kapitalgesellschaft Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid des Gesellschafters noch ist der Einkommensteuerbescheid des Gesellschafters Grundlagenbescheid für den Körperschaftsteuerbescheid der Kapitalgesellschaft (FG des Saarlandes, Beschluss vom 5. Dezember 2007 – 1 V 1502/07, EFG 2008, 390, Tz. 39; ebenso, insbesondere im Hinblick auf § 32a KStG Gebel/Merz, DStZ 2011, 146, 148 f.; vgl. auch BFH-Urteil vom 18. September 2012 – VIII R 9/09, Bundessteuerblatt [BStBl.] II 2013, 149).

bb) Der zugewendete Vorteil ist nach h.M. grundsätzlich nach § 8 Abs. 2 EStG zu bewerten (BFH in BFH/NV 2006, 722, unter II.2. der Gründe; Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, § 20 EStG Anm. 87 [Dokumentenstand Februar 2014]). Dementsprechend ist eine nicht in Geld bestehende verdeckte Gewinnausschüttung mit dem um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am Abgabeort anzusetzen (Intemann aaO.; Gebel/Merz, DStZ 2011, 145, 148).

Im Hinblick auf die Vermietung von Wohnraum durch eine Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter wird folglich die Ansicht vertreten, dass zur Ermittlung des angemessenen Mietzinses vorzugsweise ein direkter Drittvergleich durchzuführen sei. Sei dies nicht möglich, sei der angemessene Mietzins unter Berücksichtigung der Marktverhältnisse zu schätzen. Eine Schätzung der angemessenen Miete anhand einer fiktiven Verzinsung des eingesetzten Kapitals und des durchschnittlichem Wertverbrauchs komme nur in Betracht, wenn keine hinreichende Zahl von Vergleichsobjekten vorhanden und eine marktübliche Miete nicht festzustellen sei (Schallmoser/Eisgruber/Janetzko in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, § 8 KStG Anm. 381 [Dokumentenstand März 2017] m.w.N.).

Nach a.A. regelt § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG hingegen nicht nur den Einkunftstatbestand, sondern auch die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung. Als verdeckte Gewinnausschüttung auf der Ebene der Besteuerung des Gesellschafters seien wegen des Gebots der in sich widerspruchsfreien Rechtsanwendung in verschiedenen Rechtsgebieten jeweils die Beträge anzusetzen, die bei der Kapitalgesellschaft als verdeckte Gewinnausschüttung festgesetzt worden sind oder festzusetzen gewesen wären, und zwar in nämlicher Höhe (FG des Saarlandes, Beschluss vom 5. Dezember 2007 – 1 V 1502/07, EFG 2008, 390, Tz. 45 für die Bewertung einer unentgeltlichen Überlassung eines betrieblichen Fahrzeugs an einen Gesellschafter; zust. Gebel/Merz, DStZ 2011, 145, 149 f.).

Der Senat folgt der letztgenannten Ansicht. Die verdeckte Gewinnausschüttung ist bei dem Gesellschafter in den Fällen der Überlassung von Wirtschaftsgütern in der Höhe anzusetzen, in der bei der Kapitalgesellschaft eine verdeckte Gewinnausschüttung zu berücksichtigen ist. Maßgeblich ist, dass die Kapitalgesellschaft in diesen Fällen ihr Vermögen nicht dadurch mindert, dass sie ein Wirtschaftsgut zu nicht fremdüblichen Bedingungen überlässt, sondern dadurch, dass sie im Interesse des Gesellschafters Aufwendungen tätigt und sich diese von dem Gesellschafter nicht erstatten lässt. Der Vermögensvorteil des Gesellschafters liegt in diesen Fällen nicht in einer verbilligten Nutzung, sondern darin, dass er das genutzte Wirtschaftsgut nicht selbst anschaffen und unterhalten muss (gl. A. insbesondere auch für die Überlassung eines Wohnhauses Gebel/Merz, DStZ 2011, 145, 150; für eine verdeckte Gewinnausschüttung durch nicht kostendeckende Nutzungsüberlassung offenbar auch Weber-Grellet in L. Schmidt, EStG, 35. Auflage 2016, § 20 Rn. 57). Allein diese Sichtweise erscheint sachgerecht, wenn eine Kapitalgesellschaft ein Wirtschaftsgut auf Wunsch und nach den Vorgaben des Gesellschafters nur deshalb erwirbt, um es ihm zu überlassen. Der BFH hat in diesem Sinne bereits ausgeführt, dass sich die – für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung erforderliche – Vorteilseignung daraus ergebe, dass der Gesellschafter im Falle der Fremdanmietung einer vergleichbaren Immobilie am Markt mit keiner höheren (ortsüblichen) Miete belastet gewesen wäre, er aber bei dem Ankauf der betreffenden Immobilie exakt die Kosten zu tragen gehabt hätte, die in der gewählten Fallgestaltung die Kapitalgesellschaft getragen hat (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juli 2016 – I R 8/15, Tz. 18). Dies gilt nach der Überzeugung des beschließenden Senats nicht nur für die Vorteilseignung, sondern auch für die Bemessung der verdeckten Gewinnausschüttung auf der Ebene des Gesellschafters.

Da hier, den Grundsätzen der Rechtsprechung des BFH folgend, die verdeckte Gewinnausschüttung auf der Ebene der GmbH nach der Kostenmiete zu bewerten war (vgl. Urteil des FG Berlin-Brandenburg in dem Verfahren 8 K 8118/12), sind in gleicher Höhe Kapitaleinkünfte des Antragstellers gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG anzusetzen.

2. Der Senat lässt die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zu, weil die Frage, wie in den Fällen der Überlassung von Wirtschaftsgütern an Gesellschafter von Kapitalgesellschaften die verdeckte Gewinnausschüttung auf der Ebene des Gesellschafters zu bestimmen bzw. zu bewerten ist, von grundsätzlicher Bedeutung ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.