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Vorläufiger Leistungsbescheid - Gegenstand des Verfahrens


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 26. Senat Entscheidungsdatum 24.10.2011
Aktenzeichen L 26 AS 660/11 B PKH ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 40 SGB 2, § 328 SGB 3, § 96 SGG

Leitsatz

Endgültige Festsetzung der Leistungshöhe nach dem SGB 2 - Klage auf endgültige Leistungen

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 1. März 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die form- und fristgerecht (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG) erhobene Beschwerde der Kläger ist zulässig, aber nicht begründet.

Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter, ihnen Prozesskostenhilfe (PKH) für ihre Klage gegen den Änderungsbescheid des Beklagten vom 20. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2009 zu gewähren. Mit dieser Klage begehrten sie die Gewährung höherer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01. August 2008 bis 30. November 2008.

Mit Bescheid vom 26. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2008 bewilligte der Beklagte den Klägern vorläufig (bis zur Vorlage von Einkommensbescheinigungen/Lohnabrechnungen) Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. August 2008 bis 31. Januar 2009. Hiergegen erhoben die Kläger am 4. November 2008 bei dem Sozialgericht Berlin Klage (S 18 AS 34392/08), die sie im Termin zur mündlichen Verhandlung am 22. April 2010 zurücknahmen. Mit Änderungsbescheid vom 20. November 2008 berücksichtigte der Beklagte das vom Kläger zu 1) tatsächliche erzielte Einkommen und stellte den Leistungsanspruch für die Zeit vom 1. August bis 30. November 2008 unter teilweiser Aufhebung der Leistungsbewilligung endgültig fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2009 zurück mit der Begründung, dass der Änderungsbescheid vom 20. November 2008 gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens S 18 AS 34392/08 geworden sei. Die Kläger erhoben hiergegen am 11. Juni 2009 bei dem Sozialgericht Berlin Klage und erklärten mit Schriftsatz vom 5. Mai 2011 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 1. März 2011 über die Kostenerstattung dem Grunde nach entschieden (der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu ¼) und mit weiterem Beschluss vom 1. März 2011 den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt. Das Begehren habe keine Aussicht auf Erfolg gehabt, weil die Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig gewesen sei. Der Bescheid vom 20. November 2008 sei nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens S 18 AS 34392/08 geworden. Die Bescheide vom 26. Juni 2008 und 20. November 2008 würden die Höhe der Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 1. August bis 30. November 2008 regeln. Durch die endgültige Festsetzung der Leistungshöhe für den strittigen Zeitraum sei der vorläufige Leistungsbescheid ersetzt worden (Bezugnahme auf Leopold in info also 2008, 104, 108).

Nach § 73a SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) setzt ein Anspruch auf PKH voraus, dass der Beteiligte nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, beurteilt das Gericht ohne abschließende tatsächliche oder rechtliche Würdigung des Streitstoffs. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob der Kläger/Antragsteller eine reale Chance zum Obsiegen hat. Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2003, 1 BvR 1152/02 = SozR 4-1500 § 73a Nr. 1). Die PKH darf allerdings bei einer „nur entfernten Erfolgschance“ verweigert werden.

Hiervon ausgehend hat das Sozialgericht Berlin im Ergebnis zu Recht den Antrag auf Bewilligung von PKH mangels Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt.

Allerdings kann die mangelnde Erfolgsaussicht nicht bereits auf eine Unzulässigkeit der Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit (§ 94 SGG) gestützt werden. Denn bislang ist noch nicht höchstrichterlich abschließend entschieden, ob ein Bescheid über die endgültige Festsetzung eines Leistungsanspruchs nach dem SGB II Gegenstand eines Klageverfahrens gegen einen Bescheid über die vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II (§§ 40 SGB II, 328 Drittes Buch Sozialgesetzbuch) für denselben Zeitraum wird (offen gelassen in LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Oktober 2009, L 10 AS 654/09 NZB, juris, mit weiteren Nachweisen zum Streitstand). Zwar regeln beide Bescheide die Höhe eines Leistungsanspruchs nach dem SGB II für denselben Zeitraum. Die vorläufige Leistung ist gegenüber der endgültigen Leistung jedoch eine Leistung sui generis und damit ein aliud gegenüber der endgültigen Leistung. Materiell-rechtlich handelt es sich mithin um zwei verschiedene Ansprüche (BSG, Urteil vom 06. April 2011, B 4 AS 119/10 R = SGb 2011, 323). Ob der Bescheid über die endgültige Leistungsbewilligung Gegenstand des Klageverfahrens wird, dürfte demnach möglicherweise vom Begehren der Kläger im Rahmen der Klage gegen die vorläufige Leistungsbewilligung abhängen. Denn nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 6. April 2011 (aaO) ist ein auf endgültige Leistung gerichtetes Begehren im Rahmen einer Klage gegen einen vorläufigen Bewilligungsbescheid nicht grundsätzlich unzulässig. Bei konsequenter Fortsetzung des Ansatzes des BSG müsste in diesen Fällen im Rahmen einer - zulässigen - Klage auf endgültige Leistungen ein die endgültige Leistung regelnder Bescheid nach § 96 SGG Gegenstand der Klage werden. Wenn das Begehren im Rahmen einer Klage gegen einen Bescheid über die vorläufige Bewilligung lediglich auf vorläufig höhere Leistungen gerichtet ist (dies dürfte im Verfahren S 18 AS 34392/08 der Fall gewesen sein), dürfte der Bescheid über die endgültige Leistungsbewilligung nicht Gegenstand des Verfahrens geworden sein.

Die Klage gegen den Änderungsbescheid vom 20. November 2008 hat jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil sich der Änderungsbescheid bei der im PKH-Beschwerdeverfahren nur gebotenen und erforderlichen summarischen Prüfung als rechtmäßig erweist. Fehler bei der Einkommensberechnung oder der endgültigen Festsetzung des Leistungsanspruchs der Kläger im streitigen Zeitraum sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Kläger haben ihr Begehren auf Gewährung höherer Leistungen im Wesentlichen nur auf die Verfassungswidrigkeit der Regelleistung bzw. des Sozialgeldes gestützt. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09 u.a., juris) sowie seinem Beschluss vom 24. März 2010 (1 BvR 395/09, juris) sind die verfassungswidrigen Normen, mit denen die Regelleistungen im SGB II festgesetzt wurden, bis zum 31. Dezember 2010 weiterhin anwendbar. Der Gesetzgeber ist zu einer rückwirkenden Neuregelung nicht verpflichtet und hat diese im Gesetz vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453) auch nicht vorgenommen. Auch war der Beklagte befugt, nach Vorlage der Einkommensnachweise den Leistungsanspruch endgültig zu berechnen und festzusetzen. Mit Erlass des endgültigen Bescheides erledigt sich der vorläufige Bescheid gemäß § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, ohne dass er gesondert aufgehoben werden muss (vgl. Conradis in LPK-SGB II, 4. Auflage, § 40 Rn. 8).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).