Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Straßenbaubeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz sowie Kostenerstattung...

Straßenbaubeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz sowie Kostenerstattung nach § 10a KAG, § 16 BbgStrG oder § 7a BFernStrG


Metadaten

Gericht VG Potsdam 12. Kammer Entscheidungsdatum 12.01.2017
Aktenzeichen VG 12 L 610/16 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 8 KAG BB, § 80 Abs 5 VwGO

Tenor

1. Soweit die Beteiligten übereinstimmend den Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben wird das Verfahren eingestellt.

2. Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechts-schutzes zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 7.977,45 € festgesetzt.

Gründe

Nachdem die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, soweit der Antragsgegner den angefochtenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides um den einen Beitrag von 31.848,41 € übersteigenden Betrag zurückgenommen hat, wird das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eingestellt.

Im Übrigen hat der Antrag keinen Erfolg.

Der Antrag der Antragstellerin (sinngemäß),

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage VG 12 K 2364/16 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10. Februar 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2016 sowie der Teilrücknahme vom 5. August 2016 anzuordnen,

ist zulässig, aber unbegründet.

Die nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO bei der Anforderung öffentlicher Abgaben - wie hier - entfallende aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Abgabenbescheid kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO auf Antrag vom Gericht angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes in diesem Sinne bestehen dann, wenn ein Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg (OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 6. September 2001 - 2 B 287/00.Z -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. März 2006 - OVG 9 S 32.05 -).

Im Aussetzungsverfahren richtet sich die Intensität der gerichtlichen Prüfung des Streitstoffes nach den Gegebenheiten des vorläufigen Rechtsschutzes. Es sind vornehmlich solche Einwände zu berücksichtigen, die der Rechtsschutzsuchende selbst gegen die Rechtmäßigkeit des Heranziehungsbescheides geltend macht, es sei denn, dass sich sonstige Mängel bei summarischer Prüfung als offensichtlich darstellen. Ferner können weder aufwändige Tatsachenfeststellungen getroffen werden noch sind schwierige Rechtsfragen abschließend zu klären. Deswegen ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig auch von der Gültigkeit der der Abgabenerhebung zu Grunde liegenden Satzungsvorschrift auszugehen, es sei denn, sie wäre offensichtlich fehlerhaft (vgl. dazu OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 6. September 2001 - 2 B 287/00.Z - und Beschluss vom 10. Juni 1998 - 2 B 26/98 -, Mitt. StGB Bbg. 1999, 285; OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 11. August 2005 - OVG 9 S 4.05 und OVG 9 S 5.05 -).

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 10. Februar 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2016, mit dem der Antragsgegner die Antragstellerin zu einem Straßenbaubeitrag für den Ausbau der Gehwege der Straße der Nationen in Oranienburg herangezogen hat, bestehen unter Berücksichtigung der Teilrücknahme vom 5. August 2016 nach diesen Grundsätzen nicht.

Die Heranziehung beruht auf der Straßenbaubeitragssatzung der Stadt Oranienburg vom 24. September 2007 (SBS) i.V.m. § 2 Abs. 1 KAG. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Satzung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die dem angefochten Bescheid zugrundeliegenden Ausbaumaßnahme ist beitragspflichtig nach § 8 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg (KAG). Danach sind Beiträge Geldleistungen, die dem Ersatz des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Erneuerung und Verbesserung öffentlicher Einrichtungen und Anlagen im Sinne des § 8 Abs. 2 KAG oder Teilen davon, jedoch ohne die laufende Unterhaltung und Instandsetzung, dienen. Durch den streitgegenständlichen Ausbau der Gehwege ist die Straße der Nationen im Sinne des § 8 Abs. 2 S. 1 KAG verbessert worden, denn die Gehwege haben u.a. erstmals einen frostsicheren Unterbau erhalten. Die Maßnahme erfüllt auch den Tatbestand der Erneuerung, denn ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Fotos waren die vorhandenen Gehwege deutlich verschlissen.

Die nach § 8 Abs. 2 KAG i.V.m. § 1 SBS maßgebliche öffentlicher Anlage ist dabei die Straße der Nationen von der Straße der Einheit bis zum Flurstück 209 der Flur 1 der Gemarkung Oranienburg, dem Beginn des Geländes der Gedenkstätte. Die Straßenbaubeitragssatzung der Stadt Oranienburg verwendet in § 1 den Anlagenbegriff des Erschließungsbeitragsrechts (vgl. § 127 Abs. 2 Nr. 1 Baugesetzbuch (BauGB)). Die Ausdehnung der Anlage bestimmt sich danach nach einer natürlichen Betrachtungsweise. Maßgeblich ist also, was sich nach dem Erscheinungsbild der Straße zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht für einen unbefangenen Beobachter als einheitliche Erschließungsanlage darstellt (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge 9. Aufl. § 12 Rn. 11, m.w.N.). Dies ist hier die Straße der Nationen von ihrem Beginn an der Straße der Einheit bis zur Grenze des im Eigentum der Antragstellerin stehenden Flurstücks 209. In ihrem Verlauf von ca. 390 m ist die Straße der Einheit im Wesentlichen einheitlich ausgebaut. Die Gehwege verlaufen - bis auf die Einmündung auf den nördlich gelegenen Parkplatz an der Grenze zu den Grundstücken der Antragstellerin auf beiden Seiten der Straße. Zwar ist der Übergang zum Flurstück 209 dabei in der Örtlichkeit nicht erkennbar. Darauf kommt es aber nicht an.

An dem Übergang zum Flurstück 209 werden die Flächen der Antragstellerin durch die Straße der der Nationen erschlossen, so dass dort die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Straße im Sinne von § 8 Abs. 2 S. 2 KAG gewährleistet ist. Das Flurstück 209 ist ungehindert von der Straße der Nationen aus zu befahren und zu betreten. Tatsächlich erfolgt darüber auch ein erheblicher Teil des Zu- und Abgangsverkehrs zu dem Gelände der Gedenkstätte. Das im Eigentum der Stadt Oranienburg stehende Flurstück 259/13 ist Bestandteil der öffentlichen Straße. Ohne Belang ist, dass nur einer der beiden Gehwege unmittelbar an das Flurstück 209 heranreicht. Für die Feststellung der Erschließungswirkung einer Straße ist diese in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Unerheblich ist daher, ob sämtliche ausgebauten Teileinrichtungen der Straße einen unmittelbaren räumlichen Bezug zu dem bevorteilten Grundstück besitzen.

Es spricht auch Überwiegendes dafür, dass eine Straßenbaubeitragspflicht nicht nur für das unmittelbar an die öffentliche Anlage angrenzende Flurstück 209 besteht, sondern für die weiteren von dem angefochtenen Bescheid in der jetzigen Fassung erfassten Flurstücke. Zwar dürfte es sich dabei um selbständiger Grundstücke im Sinne des Grundbuchrechts handeln, für die grundsätzlich gesondert festzustellen wäre, ob Sie der Beitragspflicht unterliegen. Nach summarischer Prüfung bilden sämtliche herangezogenen Flurstücke aber eine wirtschaftliche Einheit.

Ein wirtschaftliches Grundstück im Sinne des KAG ist regelmäßig jeder demselben Eigentümer gehörende Teil der Grundfläche, der selbständig baulich oder gewerblich genutzt werden kann. Ausgangspunkt bei der Bestimmung wirtschaftlicher Einheiten bleibt das Buchgrundstück, denn in der Mehrzahl der Fälle sind Grundstücke im Sinne des Grundbuchrechts zugleich auch wirtschaftliche Einheiten. Davon ausgehend ist jeweils festzustellen, ob das Buchgrundstück zur Bildung einer wirtschaftlichen Einheit um Flächen vergrößert oder verkleinert werden muss. Das kann bei baulich oder gewerblich nutzbaren Grundstücken in der Weise geschehen, dass nicht selbständig in dieser Weise nutzbare Buchgrundstücke zusammengefasst werden oder das Buchgrundstück auf die baulich oder gewerblich nutzbaren Flächen reduziert wird, um die Grundflächen desselben Eigentümers, denen ein einheitlicher Vorteil durch die Ausbaumaßnahme vermittelt wird, als wirtschaftliche Einheit zu erfassen (OVG Brandenburg, Urteil vom 26. September 2002 – 2 D 9/02.NE –, Rn. 46, juris). Die Abweichung vom Buchgrundstück stellt daher die Ausnahme dar und ist rechtfertigungsbedürftig. Allein die tatsächliche gemeinsame Nutzung von baulich oder gewerblich genutzten Grundstücken im Innenbereich ist dafür nicht ausreichend. Es bedarf dort einer irgendwie gearteten rechtlichen Verklammerung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2013 - 9 B 35.12 -, juris Rn. 59; Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes NRW, 8. Aufl., Rn. 262 ff. m.w.N.).

Alle streitgegenständlichen im Eigentum der Antragstellerin stehenden Buchgrundstücke, werden einheitlich als Gedenkstätte genutzt. An einer rechtlichen Verklammerung, wie sie in der Innenbereichslage beispielsweise durch eine einheitliche Baugenehmigung gegeben sein kann, fehlt es aber. Die Grundstücke liegen aber sämtlich bauplanerisch im Außenbereich im Sinne von § 35 BauGB.

Im Gegensatz zur Innenbereichslage ist eine Zuordnung der Grundstücke nach bauordnungs- oder bauplanerischen Gesichtspunkten im Außenbereich nicht möglich. Ein durch die Maßnahme bevorteiltes „Baugrundstück“, das nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gebildet werden könnte (vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. August 2015 – OVG 9 N 153.12 –, juris), gibt es nicht. Vielmehr ist, abgesehen von den nach § 35 BauGB ermöglichten privilegierten Nutzungen, jegliche bauliche Nutzung ausgeschlossen.

Daher ist hier eine andere Beurteilung als im Innenbereich geboten. Ausgehend von dem Vorteilsgedanken des § 8 Abs. 6 S. 1 KAG ist bei Außenbereichsflächen für die Bildung wirtschaftlicher Einheiten auf die jeweilige Nutzung abzustellen (Urteil der Kammer vom 19. Dezember 2016 – VG 12 K 680/15 -; Becker in: KAG Bbg, Stand August 2016, § 8 Rn. 128). Der wirtschaftliche Vorteil durch eine Ausbaumaßnahme korrespondiert im Außenbereich regelmäßig mit der zumeist landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung großer Flächen. Die häufig eher zufällige Aufteilung dieser Flächen in Buchgrundstücke ist für das Maß der Inanspruchnahme der öffentlichen Straße durch ihre einheitliche Bewirtschaftung ohne Bedeutung (Urteil der Kammer vom 19. Dezember 2016, a.a.O.). Dem ist die einheitliche großflächige Nutzung als Gedenkstätte - wie hier – vergleichbar. Diese einheitliche Nutzung bildet eine hinreichende Verklammerung für die Bildung einer wirtschaftlichen Einheit.

Hinzu kommt, dass alle von dem angefochtenen Bescheid (noch) erfassten Grundstücke, sollten sie keine wirtschaftliche Einheit bilden, jedenfalls als Hinterlieger zu dem Flurstück 209 der Beitragspflicht unterliegen dürften. Sie sind sämtlich von dort aus erreichbar, so dass die übrigen Anlieger der Straße der Nationen zu Recht erwarten können, dass sie an den Kosten für die Erneuerung und Verbesserung der Gehwege beteiligt werden. Besucher gelangen von der ausgebauten Straße über den Eingangsbereich auf dem Flurstück 196 zu den weiteren Flächen der Gedenkstätte. Die denkmalgeschützter Lagermauer enthält jedenfalls am Eingangstor einen Durchlass, der den Zugang zum Innenbereich ermöglichen. Nach den eingereichten Luftbildern und Plänen dürften auch die nördlich gelegenen Flurstücke (228, 230, 232 u.a) auf diesem Wege erreichbar sein.

Unerheblich ist, dass die Flächen auch anderweitig erschlossen werden. Dies hat der Antragsgegner durch eine Vergünstigung für die Mehrfacherschließung nach § 12 SBS berücksichtigt.

Nicht zu beanstanden ist, dass der Antragsgegner in dem angefochtenen Bescheid die Flächen gemäß § 7 Absatz 1 Nr. 2 c SBS mit einem Nutzungsfaktor von 0,5 vervielfacht hat. Da sämtliche Flurstücke im Außenbereich gemäß § 35 BauGB liegen greift die Regelung zur Tiefenbegrenzung, wie sie für den Übergang vom Innen- in den Außenbereich nach § 5 Abs. 3 Nr. 4 b SBS vorgesehen ist, hier nicht. Heranzuziehen ist vielmehr die gesamte Fläche des aus sämtlichen herangezogenen Flurstücken gebildeten wirtschaftlichen Grundstücks. Dies ist auch sachgerecht, da sich die maßgebliche Nutzung über die gesamte im Eigentum der Antragstellerin stehenden Flächen erstreckt.

Mit dem Faktor 0,5 ist für die Nutzung auch zutreffend erfasst. Diese gilt gemäß § 7 Absatz 1 Nr. 2 c SBS für eine der baulichen oder gewerblichen Nutzung vergleichbare Nutzung, wie bei Friedhöfen, Sport- und Festplätzen, Freibädern, Dauerkleingärten etc.. Der Antragsgegner hat hier eine einem Friedhof vergleichbare Nutzung angenommen. Dies ist nicht zu beanstanden. Maßgeblich ist im Gegensatz zur Ansicht der Antragstellerin dabei nicht, ob und ggf. welchen Ertrag die öffentliche Straße einem Grundstück bzw. dessen Eigentümer bietet. Der wirtschaftliche Vorteil besteht darin, dass die öffentliche Straße die Nutzung des Grundstücks ermöglicht. Die Erneuerung und Verbesserung der Straße indiziert dabei regelmäßig einen solchen Vorteil für das Grundstück (Driehaus, a.a.O. § 29 Rn. 25). Die Gewichtung der Nutzung im System der §§ 6 und 7 SBS mit 0,5 erscheint angesichts des erheblichen Besucherverkehrs der Gedenkstätte gegenüber der Nutzung eines Grundstücks mit einem Gebäude mit einem Vollgeschoss, welche mit dem Faktor 1,0 bewertet ist, auch als vorteilsgerecht (vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Januar 2014 – OVG 9 S 21. 13 –, juris, zu einem Friedhof).

Es ist auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Obwohl der Antragsgegner gemäß § 161 Abs. 2 S. 1 VwGO für den erledigten Teil die Kosten zu tragen hätte, musste dies angesichts des geringen Anteils an dem Streitgegenstand nach dem Rechtsgedanken des §§ 155 Abs. 1 S. 3 VwGO unberücksichtigt bleiben. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes, wobei der Streitwert im Hinblick auf die Einstweiligkeit des Verfahrens zu einem Viertel anzunehmen war.