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Nachversicherungsbeiträge - Säumniszuschlag - Verjährung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 20.01.2012
Aktenzeichen L 3 R 708/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 24 SGB 4, § 25 SGB 4, § 184 SGB 6, § 242 BGB, § 276 BGB

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand

Im Streit steht die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung eines Säumniszuschlags in Höhe von 30.668,50 € wegen verspäteter Abführung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen der Nachversicherung.

Der Polizeibeamte S war seit dem 01. August 1992 beim Polizeipräsidenten in Berlin im Beamtenverhältnis auf Probe beschäftigt. Mit Ablauf des 31. Juli 1995 endete die Probezeit regulär. Sie wurde bis zum 31. Juli 1997 verlängert. Er wurde nicht auf Lebenszeit übernommen. Aus dem Probedienst wurde er zum 30. September 1998 entlassen. Die Entlassung wurde nach Abschluss eines Rechtsstreits vor dem Verwaltungsgericht Berlin (VG) und Abschluss des Widerspruchsverfahrens mit Februar 2000 bestandskräftig.

Im Entlassungsvorgang des Klägers wurde in der Verfügung vom 02. Oktober 1997 verfügt, bei Wiedervorlage des Vorgangs die Nachversicherung durchführen zu lassen. Im Nachversicherungsvorgang des Klägers führte jedoch erst eine Nachfrage der Beklagten mit Schreiben vom 24. Januar 2007 zu Beschäftigungszeiten des Herrn S zu einer Prüfung beim Kläger. Dabei wurde festgestellt, dass keine Nachversicherung durchgeführt worden war. Daraufhin zahlte der Kläger im April 2007 den von ihm berechneten Nachversicherungsbeitrag von insgesamt 39.139,42 €. Mit Wertstellung vom 11. April 2007 ging dieser Nachversicherungsbeitrag bei der Beklagten ein.

Mit Schreiben vom 27. Juni 2007 wandte sich die Beklagte an den Kläger und bat um Mitteilung der Gründe für die verspätete Beitragszahlung. Der Nachversicherungsbeitrag sei am 01. Oktober 1998 fällig gewesen und hätte bis zum 31. Dezember 1998 gezahlt werden müssen. Der Beitrag sei jedoch erst am 11. April 2007 bei ihr eingegangen.

Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 26. Juli 2007: Die Entlassung des Herrn S sei erst im Februar 2000 eingetreten. Zudem habe sich der Herr S nicht dazu geäußert, ob er eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen werde. Daher seien die Nachversicherungsbeiträge erst nach Kenntnis gezahlt worden, dass ein Versicherungskonto des Herrn S existierte.

Mit Bescheid vom 03. August 2007 erhob die Beklagte für den Zeitraum vom 01. Juni 2000 bis zum 11. April 2007 Säumniszuschläge i. H. v. 35.515,05 €. Gem. § 184 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) seien Nachversicherungsbeiträge mit Eintritt der Nachversicherungsvoraussetzungen zu zahlen. Diese seien daher am 01.Oktober 1998 fällig geworden. Drei Monate danach sei Säumnis eingetreten. Für die Zeit vom 01. Januar 1999 bis zum 11. April 2007 lägen 100 Monate säumige Beitragszahlung vor. Es seien Gründe vorgetragen worden, die teilweise die verspätete Beitragszahlung rechtfertigten. Daher erhebe sie nur Säumniszuschläge für die Zeit vom 01. Juni 2000 bis zum 11. April 2007.

Hiergegen legte der Kläger am 22. August 2007 Widerspruch ein und trug vor, es sei nach Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist Verjährung eingetreten.

Mit Bescheid vom 14. September 2007 änderte die Beklagte ihren Bescheid über die Säumniszuschläge hinsichtlich der Höhe und bestimmte sie auf 30.668,50 €.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2009 als unbegründet zurück. Gründe, die eine verspätete Beitragszahlung ab dem 01. Juni 2000 rechtfertigten, seien nicht vorgetragen. Die Voraussetzungen des § 184 Abs. 2 SGB VI für einen Aufschub der Beitragszahlung hätten nicht vorgelegen. Zudem sei der Versicherte - Herr S - bereits vor seiner Verbeamtung ab 01. August 1992 als Angestellter bei der Berliner Polizei tätig gewesen. Daher könne nicht nachvollzogen werden, warum das Bestehen eines Rentenversicherungskontos nicht bekannt gewesen sein solle. Verjährung sei nicht eingetreten, da die 30-jährige Frist gelte; denn die Beiträge seien vorsätzlich vorenthalten worden.

Mit der am 13. November 2006 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Die Nachversicherung sei aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen unterblieben. Die Nachversicherungsbeiträge seien erst im April 2007 aus Gründen der Fürsorge abgeführt worden. Für die Zeit bis März 2003 sei das Erheben von Säumniszuschlägen bereits deshalb unzulässig, weil die Beklagte bis dahin in ständiger Verwaltungspraxis keine Säumniszuschläge gefordert habe. Erst mit Schreiben vom 28. März 2003, zugegangen am 02. April 2003, habe der Kläger sie informiert, die Verwaltungspraxis ändern zu wollen. Zudem sei Verjährung eingetreten, denn ein vorsätzliches Vorenthalten läge nicht vor. Ein Organisationsverschulden sei ihm nicht vorzuwerfen, weil er seine Sachbearbeiter ordnungsgemäß angewiesen habe. Der Sachbearbeiter habe dementsprechend auch Kenntnis von der Nachversicherungspflicht gehabt. Jedoch habe er keinen Vorsatz gehabt, die Beiträge vorzuenthalten. Vielmehr sei von einem Versehen des Bearbeiters auszugehen.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 12. Juli 2010 abgewiesen. Die Beklagte habe die bezifferten Säumniszuschläge gemäß § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zu Recht erhoben. Der Anspruch der Beklagten auf Entrichtung von Nachversicherungsbeiträgen sei unstreitig entstanden. Die Fälligkeit der Beitragszahlung sei bereits mit Ablauf des 30. September 1998 eingetreten, da der Versicherte mit Ablauf dieses Tages unversorgt aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden und ein Aufschubtatbestand nicht ersichtlich sei. Die Zahlung des Nachversicherungsbeitrages sei jedoch nicht bis zu diesem Fälligkeitstag, sondern erst wesentlich später erfolgt. Die Höhe der errechneten Säumniszuschläge sei nicht zu beanstanden und zwischen den Beteiligten im Übrigen auch nicht streitig. Der Durchsetzung des Anspruchs stehe auch nicht die vom Kläger erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Denn vorliegend gelte eine Verjährungsfrist von 30 Jahren, weil der Kläger bedingt vorsätzlich die Beiträge vorenthalten habe (Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts <BSG> vom 26. Januar 2005 – B 12 KR 3/04 R -). Nach der Verfügung im Entlassungsvorgang vom 02. Oktober 1997 sei dem Kläger die Nachversicherungspflicht bekannt gewesen. Der Kläger habe auch nicht ernsthaft darauf vertrauen können, dass es nicht zu einem Säumnisfall komme. Zudem trete bei Kenntnis der Zahlungspflicht wie hier eine Beweislastumkehr zu Lasten des Klägers ein (Bezugnahme das das Urteil des BSG vom 17. April 2008 – B 13 R 123/07 R -). Auch eine Verwirkung der Beitragsansprüche sei nicht erkennbar (Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 01. Juli 2010 - B 13 R 67/09 R -).

Gegen das am 22. Juli 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. Juli 2010 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhoben und vorgetragen, die Klage werde jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der eingetretenen Verjährung aufrechterhalten. Vorliegend sei von einer vierjährigen Verjährung auszugehen, da die Beiträge von ihm nicht vorsätzlich vorenthalten worden sei. Dies verdeutliche der gegenüber den sonst üblichen Nachversicherungsfällen ungewöhnliche Ablauf bei der Bearbeitung des Vorgangs. Der Versicherte sei aufgrund seiner Entlassung mit Bescheid vom 18. März 1998 aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden. Der Entlassung seien die üblichen Anhörungen und Beteiligungen vorausgegangen. In dem hierzu erstellten Verfügungsentwurf vom 14. Oktober 1997 habe die zuständige Personalsachbearbeiterin Frau K als Merkpunkt die anzuschließende Nachversicherung vermerkt (Bl. 60 des Entlassungsvorgangs). Die Verfügung sei vom Leiter des Personalreferats schlussgezeichnet worden. Anschließend sei gegen die Entlassung Widerspruch eingelegt worden, der zur Entscheidung mit Schreiben vom 08. Mai 1998 an die Senatsverwaltung für Inneres und Sport abgegeben worden sei. Zugleich habe der Versicherte einstweiligen Rechtsschutz vor dem VG beantragt. Dieser Antrag sei mit Beschluss des VG vom 16. Juli 1998 zurückgewiesen worden, die hiergegen eingelegte Beschwerde des Versicherten sei vom Oberverwaltungsgericht Berlin (OVG) mit Beschluss vom 26. Mai 1999 abgelehnt worden. Noch vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens sei es in der Personalstelle zu einem Zuständigkeitswechsel in der Sachbearbeitung des Vorgangs gekommen. Der Widerspruch des Versicherten sei von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport am 27. Dezember 1999 erstellt und der Personalstelle einschließlich der Personalakte des Versicherten am 05. Januar 2000 zur Kenntnis gegeben worden. Mit der vermerkten Prüfung der Bestandskraft dieses Widerspruchsbescheides, die im Februar des Jahres 2000 tatsächlich eingetreten sei, hätte nunmehr die Sachbearbeiterin auch die Nachversicherung als Merkposten vermerken müssen, was hier unterblieben sei. Der Ablauf spreche dafür, dass die neue Sachbearbeiterin davon ausgegangen sei, die Nachversicherung sei entsprechend der Ankündigung in der Entlassungsverfügung vom 18. März 1998 bereits durchgeführt worden. Es handele sich damit um einen auf Fahrlässigkeit beruhenden Bearbeitungsfehler durch die neue Sachbearbeiterin, die nicht nochmals die Frage der Nachversicherung aufgegriffen habe. Dieser Fehler sei auch nicht Ausdruck eines Systemversagens, das durch organisatorische Vorkehrungen mit Sicherheit zu vermeiden gewesen wäre. Organisatorische Vorkehrungen seien dann angezeigt, wenn ein Systemfehler in der Vorgangsbearbeitung sichtbar sei. Die Problematik unterbliebener Nachversicherung sei aber überhaupt erst im April 2003 ins Blickfeld beider Beteiligter des hiesigen Rechtsstreits gerückt. Zuvor sei die Thematik weder vom Land noch von den Rentenversicherungsträgern problematisiert worden, sodass kein Handlungsbedarf erkennbar gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Juli 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 22. Dezember 2010 und 06. Januar 2011 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten der Beklagten betreffend den Versicherten (2 Bände zur VSNR 65 240953 S 100) sowie des Entlassungs- und des Nachversicherungsvorgangs des Klägers betreffend den Versicherten (insgesamt 2 Bände zur Personalnummer 18872) Bezug genommen, die dem Gericht zur Entscheidung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe

Die Berichterstatterin kann anstelle des Senats im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§§ 155 Abs. 3 und 4, 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Die Beklagte hat die geforderten Säumniszuschläge zu Recht durch Verwaltungsakt festgesetzt. Der für die Nachversicherung zuständige Rentenversicherungsträger ist berechtigt, auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern die Nachentrichtung der Beiträge durch Verwaltungsakt einzufordern (vgl. BSG in SozR 2400 § 124 Nr. 6). Gleiches gilt für die im Nachversicherungsverfahren anfallenden Säumniszuschläge (vgl. BSG in SozR 4 - 2600 § 186 Nr. 1 und Urteil des BSG vom 01. Juli 2010 – B 13 R 67/09 R -, zitiert nach juris).

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Säumniszuschlägen durch die Beklagte als Beitragsgläubiger ist § 24 Abs. 1 SGB IV. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v. H. des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen. Die Fälligkeit der Beiträge zur Nachversicherung richtet sich gemäß § 23 Abs. 4 SGB IV nach § 184 Abs. 1 Satz 1 SGB VI (§ 184 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB IV ist erst mit Wirkung vom 01. Januar 2008 eingefügt und gilt nicht rückwirkend, vgl. Urteil des BSG vom 01. Juli 2010 – B 13 R 67/09 R -). Danach werden die Beiträge gezahlt, wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten sind und insbesondere keine Gründe für den Aufschub der Beitragszahlung vorliegen. Säumniszuschläge in Nachversicherungsfällen sind auch von Körperschaften des öffentlichen Rechts zu entrichten (vgl. BSG in SozR 4 - 2400 § 24 Nr. 2 und SozR 4 - 2400 § 25 Nr. 2). Die Voraussetzungen für die Nachversicherung liegen regelmäßig mit dem unversorgten Ausscheiden aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis vor (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI).

Nachversicherungsschuldner und damit zahlungspflichtig ist der Kläger als ehemaliger Dienstherr von US. Der ehemalige Polizeibeamte auf Probe ist unversorgt aus der Beschäftigung bei dem Kläger ausgeschieden und war deshalb nachzuversichern. Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung (§ 184 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB VI, § 184 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI) sind nicht geltend gemacht worden und liegen nach Aktenlage auch nicht vor. Daher waren die Nachversicherungsbeiträge für U S mit dem Tag nach ihrem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis am 30. September 1998 seit dem 01. Oktober 1998 2000 fällig. Der hiervon abweichend festgesetzte spätere Beginn der Säumnis am 01. Juni 2000 begünstigt den Kläger und ist daher nicht zu beanstanden. Die Nachversicherungsbeiträge sind erst am 11. April 2007 und damit verspätet bei der Beklagten eingegangen.

Der Erhebung der Säumniszuschläge steht auch keine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht der Nachversicherungsbeiträge entgegen (§ 24 Abs. 2 SGB IV). Dabei ist zu berücksichtigen, dass dabei auf die Kenntnis von der Zahlungspflicht der Nachversicherungsbeiträge abzustellen ist.

Seit der mit Wirkung vom 01. Januar 1995 eingefügten Neufassung von § 24 Abs. 1 SGB IV sind Säumniszuschläge bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zwingend zu zahlen und ist ihre Erhebung nicht mehr - wie noch nach der Vorläufervorschrift - in das Ermessen des Versicherungsträgers gestellt. Die Neufassung lehnt sich an § 240 der Abgabenordnung an (vgl. BT-Drucks 12/5187 S 30; Udsching in Hauck/Haines, SGB IV, Randnr. 2 zu § 24). Gemäß § 24 Abs. 2 SGB IV ist ein Säumniszuschlag jedoch dann nicht zu erheben, wenn eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Diese Vorschrift ist auf Nachversicherungsbeiträge entsprechend anzuwenden (vgl. Urteile des BSG vom 12. Februar 2004 – B 13 RJ 28/03 R in - BSG in SozR 4-2400 § 24 Nr. 2, vom 29. November 2007 – B 13 R 48/06 – in SozR 4-2600 § 186 Nr. 1 und vom 17. April 2008 – B 13 R 123/07 R – in SozR 4-2400 § 25 Nr. 2) und dient der Vermeidung unbilliger Härten (vgl. u. a. BSG in SozR 4-2400 § 24 Nr. 2).

Der unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht steht sowohl fahrlässiges wie auch vorsätzliches Verhalten i. S. von § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entgegen (vgl. Urrteil des BSG vom 01. Juli 2010 – B 13 R 67/09 R – in juris). Bei Körperschaften des öffentlichen Rechts schließt das Außerachtlassen ausreichender organisatorischer Vorkehrungen (sog. Organisationsverschulden) eine unverschuldete Unkenntnis i. S. von § 24 Abs. 2 SGB IV aus. Das Fehlen notwendiger organisatorischer Maßnahmen bedingt, dass sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter zurechnen lassen muss (vgl. Urteil des BSG Senatsurteile vom 17. April 2008 – B 13 R 123/07 R -, a. a. O.; vom 29. November 2007 in SozR 4-2600 § 186 Nr. 1; vom 12. Februar 2004 – B 13 RJ 28/03 R -, a. a. O.; zum Verschuldensmaßstab vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, Randnr. 14a zu § 24 SGB IV).

Vorliegend sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich - und werden vom Kläger im Übrigen auch nicht vorgetragen -, dass dieser unverschuldet keine Kenntnis von seiner Nachversicherungspflicht gehabt haben könnte. Dem Entlassungsvorgang ist vielmehr zu entnehmen, dass dem Kläger die Nachversicherungspflicht bekannt war (Verfügung vom 01./02./14. Oktober 2007 auf Bl. 55 bis 60 des Entlassungsvorgangs sowie Bescheid vom 18. März 1998 (Bl. 74 bis 77 des Entlassungsvorgangs).

Der Anspruch der Beklagten auf den geltend gemachten Säumniszuschlag ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht verjährt. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Dies gilt auch für die auf die Nachversicherungsbeiträge entfallenden Nebenforderungen wie u. a. Säumniszuschläge. Der Beitragsschuldner kann auch auf die Hauptleistung zahlen – etwa, weil er hierzu nach beamtenrechtlichen Grundsätzen verpflichtet ist – sich jedoch nur wegen einer Nebenforderung auf die Verjährung berufen. Hingegen verjähren, wie die Beiträge, auch die Nebenleistungen in 30 Jahren (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV), wenn die Beiträge vorsätzlich vorenthalten worden sind. Der Begriff „vorsätzlich“ schließt den bedingten Vorsatz ein (vgl. das Urteil des BSG vom 17. April 2008 – B 13 R 123/07 R -, a. a. O.). Der subjektive Tatbestand ist bezogen auf die konkreten Umstände des Einzelfalls und den betreffenden Beitragsschuldner individuell zu ermitteln. Die Kenntnis von der Nachversicherungspflicht zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der kurzen Verjährungsfrist indiziert den Vorsatz im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, weil die Rechtspflicht zur Beitragszahlung zur Folge hat, dass das Unterlassen der Zahlung einem aktiven Handeln gleichzustellen ist und aus einem aktiven Handeln im Bewusstsein, so vorzugehen, in aller Regel auch das entsprechende Wollen folgt (vgl. das Urteil des BSG vom 17. April 2008 – B 13 R 123/07 R -, a. a. O.).

Soweit der Kläger hierzu geltend macht, nach einem Zuständigkeitswechsel habe die neue Sachbearbeiterin es in fahrlässig Weise unterlassen zu prüfen, ob noch die Nachversicherung durchzuführen sei, so ist dieses Verschulden dem Kläger im Rahmen eines Organisationsverschuldens zuzurechnen. Denn weder die Tatsache, dass ein Rechtsstreit bzw. Widerspruchsverfahrens wegen der Entlassung lief, noch der Umstand eines Sachbearbeiterwechsels sind so außergewöhnlich, dass sie nicht zu den regelmäßig anfallenden Verwaltungsabläufen gehören würden. Vielmehr ist es Sache des Klägers, seine internen Prozesse auch im Falle von Rechtsstreitigkeiten und Bearbeiterwechseln so zu organisieren, dass es zu solchen Fehlleistungen möglichst nicht kommen kann. Hierzu hätte beispielsweise die Einführung eines Aktendeckblattes mit der Aufzählung der wichtigsten Punkte des Entlassungsvorgangs und dessen Erledigung zählen können. Ebenso denkbar wäre eine regelmäßige Überprüfung dahingehend gewesen, dass beispielsweise die Zahl der ausscheidenden Beamten mit der Zahl der an die Rentenversicherungsträger gemeldeten Nachversicherungsfälle abzugleichen, um etwaige Fehlbestände zu lokalisieren. Es scheint geradezu unredlich, dass der Kläger sich vollständig auf eine Fehlleistung eines neuen Sachbearbeiters zurückziehen will, ohne einzuräumen, selber gar nichts im Wege übergeordneter Prozesse getan zu haben, um solche Fehlleistungen zu verhindern. Gerade im Rahmen seiner Eigenschaft als Dienstherr des Versicherten oblag dem Kläger hier eine besondere – nachwirkende - Fürsorgepflicht. Im Übrigen muss nicht der handelnde Mitarbeiter selbst, der um das mögliche Bestehen der Nachversicherungspflicht weiß, auch die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf nehmen, damit die 30jährige Verjährung ausgelöst wird. Diese Komponente des Verschuldens fällt vielmehr in den Einflussbereich des Dienstherrn, der durch Dienstanweisung oder andere organisatorische Maßnahmen die fristgerechte Beitragsnachentrichtung sicherzustellen hat. Soweit der Kläger des Weiteren versucht, sich durch den Vortrag zu entlasten, es habe bis April 2003 kein Problembewusstsein hinsichtlich der Nachversicherung und der Erhebung von Säumniszuschlägen bestanden, stellt dies keinen maßgeblichen Einwand dar. Gesetzliche Normen sind mit ihrer Veröffentlichung bekannt und zu beachten. Letztlich behauptet der Kläger auch nicht, dass er oder seine Sachbearbeiter grundsätzlich keine Kenntnis von den Normen gehabt hätten, er meint lediglich, die allgemeinen Umstände („mangelndes Problembewusstsein“) seien derart gewesen, dass er keinen Handlungsbedarf dahingehend gesehen habe, auf die – fristgerechte - Durchführung der Nachversicherung Wert zu legen. Hiermit räumt er implizit sein Organisationsverschulden ein. Darüber hinaus hat das BSG in seinem Urteil vom 01. Juli 2010 - B 13 R 67/09 R –, a. a. O.) im Einzelnen auch ausgeführt, warum aus dem von der Beklagten versandten Informationsblatt über die Änderung ihrer Verwaltungspraxis im Hinblick auf die Erhebung von Säumniszuschlägen vom 28. März 2003 (auf dessen Existenz der Kläger wohl für das Entstehen eines Problembewussteins abstellen will) nichts für die betroffenen Beitragsschuldner Positives folgt. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an, die auch der Kläger letztlich nicht angegriffen hat. Denn nach der Gesetzesänderung zum 01. Januar 1995 war die Beklagte gesetzlich verpflichtet, Säumniszuschläge auch in Nachversicherungsfällen zu erheben. Auch der Kläger als in Betracht kommender Nachversicherungsschuldner muss von für ihn geltenden Vorschriften, so auch der Änderung des § 24 SGB IV grundsätzlich Kenntnis haben. Somit war für ihn ab 01. Januar 1995 erkennbar, dass die Beklagte rechtmäßig an ihrer Verwaltungspraxis, keine Säumniszuschläge auf verspätet gezahlte Nachversicherungsbeiträge zu erheben, nicht mehr festhalten durfte. Ein Vertrauen auf die Beibehaltung einer als rechtswidrig erkannten Verwaltungspraxis verdient im Verhältnis zwischen Behörden regelmäßig keinen Vertrauensschutz. Dies hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 01. Juli 2010 ausführlich ausgeführt. Davon abzurücken besteht kein Anlass.

Schließlich widerspricht die Geltendmachung der Säumniszuschläge auch nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Es liegt keine Verwirkung vor (vgl. das Urteil des BSG vom 01. Juli 2010 – B 13 R 67/09 R -, a. a. O.).

Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im Sozialversicherungsrecht (vgl. BSG in SozR 2200 § 245 Nr. 4 S 22 f; BSG in SozR 3-2200 § 1303 Nr. 6 S 17 f) und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für zurückliegende Zeiten anerkannt (vgl. BSG in SozR 2200 § 1399 Nr. 11 S 15; BSG in SozR 4-2400 § 22 Nr. 2). Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden „besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BSG in SozR 2200 § 1399 Nr. 11 S 15 m. w. N.; BSG in SozR 3-2200 §1303 Nr. 6 S 18; BVerwGE 44, 339, 343 f).

Ein „bloßes Nichtstun" als Verwirkungsverhalten reicht regelmäßig nicht aus; ein konkretes Verhalten des Gläubigers muss hinzukommen, welches bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt hat, dass eine Forderung nicht besteht oder nicht geltend gemacht wird (vgl. BSG SozR 2200 § 1399 Nr. 11 S 17; BSG vom 23. Mai 1989 - HV-Info 1989, 2030). Ein solches Verwirkungsverhalten der Beklagten, das bei dem Kläger das berechtigte Vertrauen begründen durfte, die Beklagte werde auch fortan keine Säumniszuschläge erheben, liegt nicht vor. Die Beklagte hatte es - entgegen ihrer Gesetzesbindung (Art 20 Abs. 3 GG)- unterlassen, die seit 1995 bestehende zwingende Gesetzespflicht zur Erhebung von Säumniszuschlägen flächendeckend in die Praxis umzusetzen. Dieses rechtswidrige Unterlassen der Beklagten erfüllt nach den aufgezeigten Maßstäben weder die Anforderungen eines Vertrauen begründenden Verwirkungsverhaltens noch durfte der Kläger das „bloße Nichtstun“ der Beklagten als bewusst und planmäßig erachten und deshalb darauf vertrauen, nicht zu Säumniszuschlägen herangezogen zu werden (vgl. das Urteil des BSG vom 01. Juli 2010 - B 13 R 67/09 R -, a. a. O.). Auf die zutreffenden Ausführungen des BSG in dem zitierten Urteil, denen sich der Senat anschließt, wird Bezug genommen. Auch eine Anwendung der geänderten Praxis der Beklagten nur für künftige Sachverhalte kommt nicht in Betracht. Denn die rechtswidrige frühere Praxis der Beklagten verdient keinen Vertrauensschutz (vgl. BSG a. a. O.).

Damit hat der Kläger der Beklagten die geforderten Säumniszuschläge in Höhe von 30.668,50€ zu zahlen. Die Richtigkeit der Höhe der Forderung ist von dem Kläger nicht bestritten worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG, da die Beteiligten nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Der Kläger trägt gemäß § 154 Abs. 2, 162 Verwaltungsgerichtsordnung i. V. m. § 197a Abs. 1 Halbs. 3 SGG auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Als Land ist er von der Zahlung der Gerichtskosten gemäß § 2 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) befreit.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.