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Mitbestimmung; Aktivlegitimation; Verwirkung; Feststellungsinteresse; langjährige Verwendung des Programms WinIDEA; Innenrevision; Maßnahme zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Beschäftigten (bejaht)


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg Fachsenat für Personalvertretungssachen Entscheidungsdatum 11.09.2014
Aktenzeichen OVG 61 PV 9.13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 65 Nr 1 PersVG BB, § 65 Nr 2 PersVG BB, § 75 Abs 1 PersVG BB, § 83 Abs 1 S 1 ArbGG

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 14. Mai 2013 geändert.

Es wird festgestellt, dass der Beteiligte durch die Verwendung des Programms WinIDEA in der Innenrevision sein Mitbestimmungsrecht aus § 65 Nr. 2 PersVG Bbg verletzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Im Streit ist, ob die Verwendung des EDV-Programms WinIDEA (die Abkürzung IDEA steht für Interactive Data Extraktion and Analysis) in der Innenrevision der Finanzverwaltung des Landes Brandenburg der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt.

Das Programm WinIDEA wird seit 2002/2003 im Rahmen seiner bundesweiten Einführung in verschiedenen Bereichen der Steuerverwaltung des Landes Brandenburg und im Ministerium der Finanzen eingesetzt. In erster Linie findet es bei der Außenprüfung in den Finanzämtern Anwendung. Das Programm, das vor allem Funktionen zum Analysieren von Daten bietet, ist in seiner Funktionsweise sowohl mit Tabellenkalkulationssoftware wie Microsoft Excel als auch mit einem Datenbanksystem vergleichbar. Im Gegensatz zu diesen sind die Funktionen von WinIDEA wesentlich eingeschränkter und mehr für den konkreten Einsatzzweck ausgelegt. Dafür ermöglicht WinIDEA den Import unterschiedlicher Datenformate, die schnelle Verarbeitung sehr großer Datenmengen und eine umfangreiche Dokumentation der durchgeführten Import- und Analyseschritte, mit deren Hilfe die Auswertung nachvollziehbar bleibt.

Bis zur Auflösung der Oberfinanzdirektion Cottbus - OFD - im Jahr 2004 war die Innenrevision in der Finanzverwaltung des Landes Brandenburg zweigeteilt. Während das Referat in der OFD für die nachgeordneten Finanzämter zuständig war, erstreckte sich die Zuständigkeit der beim Beteiligten angesiedelten Innenrevision auf das Ministerium selbst und die ihm nachgeordneten Bereiche mit Ausnahme des nachgeordneten Geschäftsbereiches der OFD. Seit der Auflösung der OFD fällt die Innenrevision in die alleinige Zuständigkeit des Ministeriums.

Unstreitig fand in 2001/2002 eine Beteiligung des damaligen Bezirkspersonalrats bei der OFD im Zusammenhang mit der Einführung von WinIDEA statt. Unterlagen zu den Mitbestimmungsvorgängen sind nicht mehr vorhanden.

Im September 2011 veranlasste der Beteiligte eine Ordnungsmäßigkeitsprüfung im Hinblick auf die Einhaltung der Dienstanweisungen zur Steuerdaten-Abrufverordnung in den Finanzämtern. Zur Durchführung der Prüfung stellte das Technische Finanzamt der Innenrevision auf elektronischem Wege die nach der Steuerdaten-Abrufverordnung aufgezeichneten Datenabrufe der Finanzamtsbeschäftigten, Daten (Stamm- und Zuständigkeitsdaten der Finanzamtsbeschäftigten) aus dem Programm ACUSTIG (Arbeitsplatzbezogene Computerunter-stützung in der Geschäftsstelle) sowie Daten (Stammdaten der Steuerpflichtigen) aus dem Grundinformationsdienst zur Verfügung. Die überlassenen Daten wurden von den Beschäftigten der Innenrevision in WinIDEA importiert und mittels des Programms derart miteinander verbunden und extrahiert, dass am Ende gesonderte Datensätze für jeden Finanzamtsmitarbeiter entstanden, die anschließend manuell gefiltert und sortiert wurden. Soweit Datenabrufe der Beschäftigten ermittelt wurden, die unrechtmäßig waren oder deren Rechtmäßigkeit nur durch weitere Ermittlungen vor Ort geklärt werden konnte, informierte die Innenrevision die Vorsteher der betroffenen Finanzämter. Die Prüfung ergab eine Vielzahl von unberechtigten Datenabrufen durch Finanzamtsbeschäftigte.

Der Antragsteller hat am 23. November 2012 das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren beim Verwaltungsgericht Potsdam eingeleitet und vorgetragen, dass die Überprüfung der Datenabrufe der Mitarbeiter mittels des Programms WinIDEA unter die Mitbestimmungstatbestände des § 65 Nr. 1 und 2 PersVG Bbg falle. WinIDEA ermögliche die Verarbeitung personenbezogener Daten der Finanzamtsbeschäftigten und sei als technische Einrichtung geeignet, deren Verhalten oder Leistung zu überwachen. Die Verwendung des Programms WinIDEA durch die Innenrevision habe der Beteiligte dem Antragsteller nicht zur Mitbestimmung vorgelegt. Darüber hinaus habe die Landesdatenschutzbeauftragte mit Verfügung vom 3. Mai 2013 Verstöße des Beteiligten gegen verschiedene Datenschutzvorschriften gerügt. Der Antragsteller sei zur Förderung der Einhaltung des Datenschutzes für alle Beschäftigten berufen. Er habe daher ein schutzwürdiges Interesse an einer hilfsweisen Feststellung im personalvertretungsrechtlichen Verfahren, dass der Beteiligte gegen die Vorschriften des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes verstoße.

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, dass der Beteiligte durch die Verwendung des Programms WinIDEA in der Innenrevision seine Mitbestimmungsrechte aus § 65 Nr. 1 und 2 PersVG Bbg verletzt,

hilfsweise,

festzustellen, dass der Beteiligte durch die Kontrolle der Datenabrufe der Beschäftigten der Finanzämter durch seine Innenrevision - entsprechend den Beanstandungen der Landesdatenschutzbeauftragten - die in dem Schreiben vom 3 Mai 2013, Seite 29, festgestellten Verstöße gegen die bezeichneten Vorschriften des BbgDSG begeht.

Der Beteiligt hat beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Er hat entgegnet, dass mit der Verwendung des Programms WinIDEA in der Innenrevision keine Mitbestimmungsrechte des Antragstellers verletzt würden. Bei den mit Unterstützung des Programms WinIDEA durchgeführten Prüfungen der Innenrevision handele es sich nicht um eine automatisierte Verarbeitung von personenbezogenen Daten, weil bei der Prüfung wesentliche Arbeitsschritte, insbesondere die Auswertung des Datenbestandes, manuell durchgeführt würden. Das Programm sei auch nicht geeignet, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen. Mit Hilfe von WinIDEA werde lediglich auf Inhalte von Fachdatenbanken zurückgegriffen, bei denen die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig erfolge, die erforderlichen Sicherheitskonzepte erstellt und die datenschutzrechtlichen Freigaben erfolgt seien. Desweiteren seien auch die Tatbestandsmerkmale der „Einführung“, „Anwendung“, „Änderung“ oder „Erweiterung“ des jeweiligen Mitbestimmungstatbestandes nicht erfüllt. Einer „Einführung“ oder „Anwendung“ stehe entgegen, dass das Programm WinIDEA ausweislich der eingereichten dienstlichen Äußerungen von Mitarbeitern der Innenrevision und Stellenausschreibungen bereits seit 2002 in der Innenrevision der Brandenburgischen Finanzverwaltung eingesetzt werde. An einer „Änderung oder Erweiterung“ fehle es, da die Innenrevision das von ihr eingesetzte Programm WinIDEA weder geändert noch erweitert habe.

Das Verwaltungsgericht Potsdam hat den Antrag durch Beschluss vom 14. Mai 2013 abgelehnt. Der Hauptantrag sei unter den Gesichtspunkten der fehlenden Aktivlegitimation und der Verwirkung unzulässig. Das Programm WinIDEA sei (spätestens) seit 2003 in der Innenrevision der OFD eingesetzt worden. Selbst wenn man zu Gunsten des Antragstellers davon ausginge, dass das seinerzeit bei der OFD durchgeführte Mitbestimmungsverfahren auf die Benutzung von WinIDEA durch die Betriebsprüfer in den Finanzämtern beschränkt gewesen wäre, so stellte die gleichwohl im Jahr 2003 erfolgte Einführung dieses Programms in der Innenrevision lediglich eine Verletzung der Mitbestimmungsrechte des damaligen Bezirkspersonalrates bei der OFD dar. Der Bezirkspersonalrat sei jedoch mit der Auflösung der OFD erloschen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Antragsteller Rechtsnachfolger des Bezirkspersonalrates geworden sei und eine diesen betreffende Rechtsverletzung aus eigenem Recht rügen könne. Unabhängig davon sei das Recht des Antragstellers zur Einleitung eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens verwirkt. Das Zeitmoment der Verwirkung bedürfe angesichts des verstrichenen Zeitraumes keiner weiteren Erläuterung mehr. Auch das Umstandsmoment sei hier gegeben. Der Antragsteller habe im Rahmen seiner normalen Aufgabenerfüllung Kenntnis von den Stellenausschreibungen erlangt, mit denen der Beteiligte in den Jahren 2007 und 2009 Sachbearbeiter für die Innenrevision gesucht und dabei von den Bewerbern ausdrücklich Erfahrungen mit WinIDEA erwartet habe. Indem der Antragsteller es unterlassen habe, bei dieser Gelegenheit sein Mitbestimmungsrecht wegen des Einsatzes von WinIDEA in der Innenrevision einzufordern, habe er bei dem Beteiligten schutzwürdiges Vertrauen dahingehend geweckt, dass für den Einsatz des Programms in der Innenrevision kein Mitbestimmungsverfahren mehr nötig gewesen sei.

Der Hilfsantrag sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig, weil die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes dem Antragsteller nicht als eigene Aufgabe zugewiesen sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, zu deren Begründung er vorträgt: Er sei aktivlegitimiert, weil durch die beanstandete Verwendung von WinIDEA in der Innenrevision die Verletzung seines Mitbestimmungsrechts in der Zeit nach Auflösung der OFD und des dortigen Bezirkspersonalrates im Jahr 2004 im Raum stehe. Bei der Einführung des Programms WinIDEA sei dessen Anwendung auf die Außendienste der Finanzämter beschränkt gewesen. Die damalige Mitbestimmung habe sich nicht auf die Nutzung durch die Innenrevision erstreckt. Eine Verwirkung sei nicht eingetreten, da die beanstandete Datenüberprüfung anhand des Programms WinIDEA für den Antragsteller nicht absehbar gewesen sei. Für den Hilfsantrag bestehe ein Feststellungsinteresse im Hinblick darauf, dass der Beteiligte WinIDEA in der Innenrevision weiter verwende und damit den Schutz der Beschäftigtendaten verletze.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 14. Mai 2013 zu ändern und festzustellen, dass der Beteiligte durch die Verwendung des Programms WinIDEA in der Innenrevision sein Mitbestimmungsrecht aus § 65 Nr. 2 PersVG Bbg verletzt,

hilfsweise,

festzustellen, dass der Beteiligte durch die Verwendung des Programms WinIDEA in der Innenrevision sein Mitbestimmungsrecht aus § 65 Nr. 1 PersVG Bbg verletzt,

äußerst hilfsweise,

festzustellen, dass der Beteiligte durch die Kontrolle der Datenabrufe der Beschäftigten der Finanzämter durch seine Innenrevision die im Schreiben der Landesdatenschutzbeauftragten vom 3. Mai 2013 (S. 29) bezeichneten Verstöße gegen das Brandenburgische Datenschutzgesetz begeht.

Der Beteiligte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und trägt ergänzend vor: Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei für die Frage der Mitbestimmung nicht der Zeitpunkt der beanstandeten Nutzung des Programms WinIDEA durch die Innenrevision, sondern der der erstmaligen Einführung und der Nutzung des Programms auch durch die Innenrevision der OFD in 2002/2003. Eine personalvertretungsrechtliche Beteiligung des Bezirkspersonalrats bei der OFD im Zusammenhang mit der Einführung des Programms WinIDEA habe in 2001/2002 unzweifelhaft stattgefunden, wenn auch die betreffenden Verwaltungsvorgänge nach den Bestimmungen über das Aufbewahren und Aussondern von Unterlagen der Finanzverwaltung inzwischen ausgesondert worden seien. Der umfassende Einsatz von WinIDEA spätestens ab dem Jahr 2003 spreche gegen eine Nutzungsbeschränkung im damaligen personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahren bei der OFD.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten einschließlich Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsteller das Mitbestimmungsrecht gemäß § 65 Nr. 2 PersVG bei der Verwendung des Programms WinIDEA in der Innenrevision zu Unrecht versagt.

Entgegen der Auffassung der Fachkammer ist der Hauptantrag als zulässig anzusehen. Der Zulässigkeit steht weder eine fehlende Aktivlegitimation des Antragstellers noch eine Verwirkung seines Antragsrechts entgegen.

Ungeachtet der Frage, ob die Aktivlegitimation überhaupt die Zulässigkeit des Antrags berührt (vgl. zum materiell-rechtlichen Charakter der Aktivlegitimation und ihrer Verortung in der Begründetheit des Antragsbegehrens Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. September 1964 - BVerwG II C 121.62 -, juris Rdnr. 16), überzeugt die Ansicht der Fachkammer, dass der Antragsteller nicht aktivlegitimiert sei, weil das Programm WinIDEA seit (spätestens) 2003 in der Innenrevision bei der OFD eingesetzt worden sei und daher allenfalls die Mitbestimmungsrechte des im Jahr 2004 aufgelösten Bezirkspersonalrats bei der OFD, nicht jedoch die des Hauptpersonalrats beim Ministerium verletzt sein könnten, nicht.

Der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen örtlichen Personalräten und Stufenvertretung liegt das Prinzip zu Grunde, dass eine Personalvertretung dienststelleninternes Organ innerhalb des Bereiches ist, für den sie gebildet wurde: Örtliche Personalvertretungen für den Bereich der örtlichen Dienststellen, Bezirkspersonalräte für die Bereiche der Behörden der Mittelstufen und Hauptpersonalräte für den Bereich der obersten Dienstbehörden. Dabei richtet sich die Zuständigkeit der einzelnen Personalvertretungen grundsätzlich nach dem Bereich, für den die vom Leiter ihrer Dienststelle beabsichtigte Maßnahme gelten soll. Der das Personalvertretungsrecht prägende Repräsentationsgrundsatz besagt, dass jeder Personalrat nur diejenigen Beschäftigten repräsentiert, die zu der Dienststelle bzw. bei Stufenvertretungen zu dem Geschäftsbereich der Dienststelle gehören, bei der er gebildet worden ist, und von denen er gewählt worden ist. Hierauf beruht die Legitimation der Personalvertretung, die Beteiligungsrechte an den Maßnahmen ihrer Dienststelle auszuüben. Dieser Grundsatz schließt die Beteiligung eines Personalrats bei solchen Maßnahmen aus, die Beschäftigte in anderen Dienststellen betreffen, die ihn nicht gewählt haben. Für die Dienststellenleitung ergibt sich daraus, dass sie die Personalvertretung ihrer Dienststelle nur zu beteiligen hat, soweit ihre eigene Entscheidungszuständigkeit reicht (vgl. Fischer/Goeres GKÖD Bd. V K § 73 BPersVG Rn. 5). Die Zuständigkeit des Personalrats folgt damit der Entscheidungskompetenz der Dienststelle (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 7. August 1996 - BVerwG 6 P 29.93 - juris, Rdnr. 36 zu § 82 Abs. 1 BPersVG). Dieses Verhältnis bringt zugleich den personalvertretungsrechtlichen Grundsatz der Partnerschaft zum Ausdruck, nach dem sich der Wirkungsbereich des Personalrats nur auf Maßnahmen derjenigen Dienststelle zu erstrecken vermag, bei der er besteht.

Hieran gemessen besteht kein Zweifel daran, dass der Antragsteller (Hauptpersonalrat) die zuständige Personalvertretung nach § 75 Abs. 2 PersVG Bbg ist. Die Entscheidung über die Verwendung des Programms WinIDEA beim Ministerium und der ihm nachgeordneten Bereiche seit 2002/2003 oblag allein dem Beteiligten und fiel zu keinem Zeitpunkt in die Zuständigkeit der OFD. Deren Entscheidung zur Einführung von WinIDEA war vielmehr auf ihren Geschäftsbereich (Innenrevision bei der OFD und nachgeordnete Finanzämter) beschränkt und deshalb für eine etwaige Verwendung des Programms im Geschäftsbereich des Ministeriums ohne Belang. Im Hinblick darauf, dass die Beteiligungsbefugnis des Personalrats der Entscheidungszuständigkeit der Dienststelle folgt, konnte damit selbst eine uneingeschränkte Zustimmung des Bezirkspersonalrats bei der OFD keine personalvertretungsrechtliche Wirkung im Geschäftsbereich des Beteiligten entfalten und insoweit zu keinem Verlust eines Mitbestimmungsrechts beim Antragsteller führen.

Der Umstand, dass der konkrete Anlassfall für das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren, nämlich die vom Beteiligten veranlasste Ordnungsmäßigkeitsprüfung in den Finanzämtern, bei einem unterstellten Fortbestand der OFD in deren Geschäftsbereich gefallen und möglicherweise von der Beteiligung des Bezirkspersonalrats in 2001/2002 im Zusammenhang mit der Einführung von WinIDEA personalvertretungsrechtlich gedeckt gewesen wäre, führt zu keiner anderen Bewertung. Nicht der konkrete Anlassfall, sondern der den gesamten Geschäftsbereich des Ministeriums betreffende Einsatz des Programms in der Innenrevision steht mitbestimmungsrechtlich im Streit. Dass der Antragsteller hierfür seine Zustimmung erteilt hat, ist nicht ersichtlich.

Fest steht lediglich, dass der Bezirkspersonalrat bei der OFD in 2001/2002 bei der Einführung von WinIDEA beteiligt worden ist. Unbeschadet dessen, dass eine etwaige Zustimmung des damaligen Bezirkspersonalrats für den Geschäftsbereich des Beteiligten ohnehin bedeutungslos wäre, vermag der Beteiligte noch nicht einmal zu belegen, ob die Beteiligung des Bezirkspersonalrats auch für die Einführung von WinIDEA in der Innenrevision bei der OFD galt oder auf den in erster Linie vorgesehenen Einsatz im Außenprüfungsdienst der Finanzämter beschränkt war. Unterlagen zu den Mitbestimmungsvorgängen sind nicht mehr vorhanden, weil diese nach der Einlassung des Beteiligten inzwischen ausgesondert wurden. Letzteres ist angesichts der Dauerwirkung der Maßnahme und des daran anknüpfenden Mitbestimmungstatbestandes wenig nachvollziehbar, bedarf jedoch keiner weiteren Erörterung. Denn die sich daraus ergebende Unaufklärbarkeit des Sachverhalts geht jedenfalls zu Lasten des Beteiligten. Ihn trifft im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren zwar keine prozessuale Beweisführungspflicht. Das Gericht erforscht den Sachverhalt gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 ArbGG von Amts wegen. Dies ändert aber nichts daran, dass es bei Unaufklärbarkeit des Sachverhalts (non liquet) auf die Verteilung der materiellen Beweislast ankommt. Mangels abweichender gesetzlicher Regelungen gilt auch im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren der Grundsatz, dass die Nichterweislichkeit einer Tatsache, aus der eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen - hier der von dem Beteiligten behauptete Umfang der personalvertretungsrechtlichen Beteiligung des Bezirkspersonalrats bei der OFD an der Einführung des Programms WinIDEA in 2001/2002 - zu ihren Lasten geht.

Der Antragsteller ist nach alldem die zur Beteiligung berufene Personalvertretung. Die Verwendung des Programms WinIDEA in der für den Geschäftsbereich des Ministeriums zuständigen Innenrevision beruht auf einer Entscheidung des Beteiligten. Dieser ist als Dienststellenleiter der richtige „Gegenspieler“ des antragstellenden Hauptpersonalrats.

Nicht gefolgt werden kann der Ansicht der Fachkammer, dass der Hauptantrag wegen Verwirkung unzulässig sei. Die Verwirkung als Hauptanwendungsfall des Verbots des widersprüchlichen Verhaltens bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit seiner Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen darf, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde, und er sich infolgedessen in seinen Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. nur Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 1992 - BVerwG 6 P 16.91 -, juris Rn. 23). Zwischen dem erstmaligen Einsatz des Programms WinIDEA in der Innenrevision und der Geltendmachung des Mitbestimmungsrechts durch den Antragsteller ist zwar fast ein Jahrzehnt vergangen, sodass das Zeitmoment auf eine Verwirkung hindeutet. Das gilt indes nicht für das Umstandsmoment. Das Verhalten des Antragstellers war nicht ursächlich für irgendwelche darauf aufbauenden Entschließungen des Beteiligten beim Einsatz des Programms WinIDEA in der Innenrevision. Der Hinweis des Beteiligten, dass der Antragsteller Kenntnis von den Stellenausschreibungen für die Innenrevision gehabt habe, in denen ausdrücklich Erfahrungen mit WinIDEA verlangt worden seien, verfängt nicht, weil der Vollzug der umstrittenen Maßnahme unabhängig vom Verhalten des Antragstellers ins Werk gesetzt worden ist. Dass dem Beteiligten durch die Nachholung eines Mitbestimmungsverfahrens ein unzumutbarer Nachteil, etwa in Form eines unangemessenen Verwaltungsaufwandes, entstehen würde, ist zudem weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, sodass kein Anlass besteht, den Antrag unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung als unzulässig zu verwerfen.

Dem Antragsteller kann ein Rechtsschutzbedürfnis für sein konkretes Feststellungsbegehren auch nicht mit Blick auf die bereits vollzogene Einführung des Programmes WinIDEA abgesprochen werden. Hat nämlich die Dienststelle eine Maßnahme unter Missachtung von Mitbestimmungsrechten getroffen, so ist sie objektiv-rechtlich verpflichtet, die Maßnahme rückgängig zu machen, soweit das rechtlich und tatsächlich möglich ist. In diesem Fall hat der Personalrat einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Nachholung des Mitbestimmungsverfahrens. Wenn die Rücknahme der Maßnahme auf erhebliche rechtliche, technische und/oder finanzielle Schwierigkeiten stößt, kann sich die Dienststelle nach gerichtlicher Feststellung des Mitbestimmungsrechts zunächst darauf beschränken, das bislang unterbliebene Mitbestimmungsverfahren nachzuholen. Ob und in welchem Umfang die Maßnahme rückgängig zu machen ist, ist dann vom Ausgang des nachzuholenden Mitbestimmungsverfahrens abhängig (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Februar 2013 - OVG 62 PV 8.12 -, juris Rdnr. 30). Demzufolge ist das Rechtsschutzbedürfnis des Personalrats für die gerichtliche Klärung seines Mitbestimmungsrechts zu bejahen, solange er im nachzuholenden Mitbestimmungsverfahren noch eine Änderung der Maßnahme - sei es auch nur zu einem kleineren Teil - erreichen kann. Dass im künftigen Zeitpunkt einer etwaigen Nachholung des Mitbestimmungsverfahrens jegliche Änderung im Sinne des Antragstellers ausgeschlossen ist, lässt sich dem Vortrag des Beteiligten nicht entnehmen.

Der Hauptantrag ist begründet.

Die Anwendung des Programms WinIDEA in der Innenrevision des Beteiligten ist mitbestimmungspflichtig nach § 65 Nr. 2 PersVG Bbg.

Nach § 65 Nr. 2 PersVG hat der Personalrat mitzubestimmen bei der Einführung, Anwendung, Änderung oder wesentlichen Erweiterung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen.

Als technische Einrichtungen im Sinne des vorbezeichneten Mitbestimmungstatbestandes sind Anlagen oder Geräte anzusehen, die unter Verwendung nicht menschlicher, sondern anderweit erzeugter Energie mit den Mitteln der Technik, insbesondere der Elektronik, eine selbständige Leistung erbringen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Juni 2011 - BVerwG 6 P 10.10 -, juris Rdnr. 16 zu dem insoweit vergleichbaren Mitbestimmungstatbestand des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 Buchst. b BlnPersVG). Das Programm WinIDEA erfüllt dieses Kriterium zweifellos (vgl. zum EDV-Programm als technische Einrichtung Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Februar 2013 - OVG 62 PV 8.12 -, juris Rdnr. 51).

Ob eine technische Einrichtung dazu bestimmt ist, das Verhalten oder die Leistung der Dienstkräfte zu überwachen, beurteilt sich anhand einer objektiven Betrachtungsweise. Der Mitbestimmungstatbestand erstreckt sich auf alle technischen Einrichtungen, die zur Überwachung objektiv geeignet sind, ohne dass der Dienststellenleiter bei ihrer Einführung und Anwendung die Absicht haben muss, sie zu diesem Zweck einzusetzen. Anlagen zur elektronischen Datenverarbeitung sind dann zur Überwachung geeignet, wenn sie mit einem entsprechenden Programm versehen sind oder werden können. Nach Einführung der Anlage unterliegt jede spätere Veränderung im Betriebssystem oder an den Programmen als neuer Fall der Anwendung erneut der Mitbestimmung. Dagegen ist das Mitbestimmungsrecht nicht gegeben, wenn die Befürchtung einer Überwachung objektiv und erkennbar unbegründet ist. Das ist der Fall, wenn die technische Einrichtung nach ihrer Konstruktion überhaupt nicht zur Überwachung geeignet ist oder wenn es zur Überwachung einer technischen Änderung der Anlage bedarf. Das gilt bei Anlagen der elektronischen Datenverarbeitung auch dann, wenn sich die Dienststelle ein entsprechendes Programm nur mit außergewöhnlichem und unverhältnismäßigem Aufwand beschaffen kann (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Juni 2011, a.a.O., Rdnr. 16).

Das Programm WinIDEA ist zur Überwachung der Beschäftigten objektiv geeignet im vorstehenden Sinne. Es ermöglicht die Verbindung und Extraktion von Nutzungsdaten und persönlichen Daten der Beschäftigten, sodass dessen objektive Eignung zur Verhaltens- und Leistungskontrolle - wie insbesondere der konkrete Anlassfall zeigt - außer Frage steht.

Der Umstand, dass bei Einsatz des Programms WinIDEA gegebenenfalls Daten manuell zusammengeführt und die mittels WinIDEA gewonnenen Datensätze manuell gefiltert und sortiert werden, rechtfertigt keine andere Würdigung. Für die Mitbestimmungspflichtigkeit einer Maßnahme nach § 65 Nr. 2 PersVG kommt es nicht darauf an, ob verhaltens- und leistungsbezogene Daten unmittelbar auf technischem Wege, also durch die Einrichtung selbst, erhoben werden, oder ob sie dem System zum Zwecke der Speicherung und Verarbeitung eingegeben werden müssen (mittelbare Datenerfassung). Das gilt jedenfalls dann, wenn die Datenerhebung und anschließende Datenverarbeitung durch das EDV-Programm zielgerichtet aufeinander abgestimmt sind. Der Begriff der Überwachung umfasst sowohl das Erfassen von Informationen als auch die Auswertung bereits vorliegender Informationen im Hinblick auf die Beurteilung des Verhaltens oder der Leistung der Beschäftigten. Nur dieses Verständnis entspricht dem Schutzzweck der Vorschrift. Das Persönlichkeitsrecht wird durch die Auswertung der verhaltens- oder leistungsbezogenen Daten stärker gefährdet als durch die bloße Datenerhebung (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 9. Dezember 1992 - BVerwG 6 P 16.91 -, juris Rdnr. 26 zum vergleichbaren Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG). Angesichts dieses Schutzzwecks kommt es auch nicht darauf an, ob die technische Einrichtung das Auswertungsergebnis unmittelbar liefert oder die maßgebliche Grundlage für die abschließende manuelle Auswertung bildet. Letzteres ändert nichts an der objektiven Eignung des Programms zur Verhaltens- und Leistungskontrolle.

Die Rechtsbeschwerde war mangels Zulassungsgrundes nicht zu eröffnen.