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Entscheidung 26 Sa 1058/15


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer Entscheidungsdatum 10.09.2015
Aktenzeichen 26 Sa 1058/15 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 Abs 2 Abschn VI Abs 1 UAbs 1 S 3 VTV-Bau

Leitsatz

1. Eine Gesamtheit iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV ist eine Gruppe von Arbeitnehmern, die koordiniert, dh. geführt und geleitet, arbeitszeitlich überwiegend außerhalb der stationären Betriebsstätte baugewerbliche Arbeiten ausführt (vgl. BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 500/11, Rn. 17).

2. Eine Mindestanzahl ist tarifvertraglich nicht vorausgesetzt, es reichen daher schon zwei Arbeitnehmer (vgl. BAG 19. November 2014 - 10 AZR 787/13, Rn. 13).

3. Erst recht genügt es, wenn - wie hier - den Mitarbeitern eines Bereichs in verschiedenen Konstellationen je nach Bedarf die Aufgaben aus dem Baubereich übertragen werden. Die Arbeiten können auf kleinere Einheiten innerhalb der Gesamtheit verteilt und von diesen sodann auf verschiedenen Baustellen ausgeführt werden.

4. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV gibt nicht vor, auf welche Weise die Koordination der Gesamtheit von Arbeitnehmern stattzufinden hat (vgl. BAG 19. November 2014 - 10 AZR 787/13, Rn. 18).

5. Der Fiktion einer selbständigen Betriebsabteilung steht es nicht entgegen, wenn die Gesamtheit von Arbeitnehmern baugewerbliche Arbeiten lediglich als zusätzliches Serviceangebot zu einer nicht in den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fallenden Handelstätigkeit des Arbeitgebers ausführt (vgl. BAG 19. November 2014 - 10 AZR 787/13, Rn. 15).

6. Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der seitens der Beklagten angesprochenen Allgemeinverbindlicherklärungen aus den Jahren 2010 und 2012. Durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. April 2015 - 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14 - ist festgestellt worden, dass die Allgemeinverbindlicherklärungen vom 15. Mai 2008 und vom 25. Juni 2010 wirksam sind. Durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Juli 2015 - 3 BVL 5003/14 - ist festgestellt worden, dass die Allgemeinverbindlicherklärung vom 3. Mai 2012 wirksam ist. Das Landesarbeitsgericht hat sich in den veröffentlichten Entscheidungen eingehend mit den relevanten Fragen auseinandergesetzt.

7. Die Voraussetzungen des § 98 Abs. 6 ArbGG für eine Aussetzung des Verfahrens lagen nicht vor. Aus dem Vortrag der Beklagten ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der hier relevanten Allgemeinverbindlicherklärungen.

8. Auch eine Aussetzung nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG kam nicht in Betracht. Eines solche darf nur erfolgen, wenn zumindest eine der in § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG genannten Eigenschaften einer Vereinigung aufgrund vernünftiger Zweifel am Vorliegen dieser Eigenschaften streitig ist (vgl. BAG 19. Dezember 2012 - 1 AZB72/12, Rn. 14). Die Ausführungen der Beklagten lassen insbesondere nicht erkennen, warum sich aus der Satzung des Hauptverbandes der Bauindustrie ergeben soll, dass dieser sich für den VTV nicht als tarifzuständig ansieht. Nicht erkennbar ist auch, warum die Satzung unbestimmt sein soll.

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.04.2015 - 62 Ca 61298/14 – abgeändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 55.596 Euro zu zahlen.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für die Zeit von Dezember 2008 bis Dezember 2012.

Der Betrieb der Beklagten zu 1), deren Komplementärin die Beklagte zu 2) ist, ist in drei Gewerke untergliedert, einen Bereich Heizung/Sanitär, eine Abteilung Rohrleitungsbau und ein Gewerk „Fliesenleger“.

Die Beklagte zu 1) handelt auch mit Fliesen- und Plattenmaterialien. Diese werden bei Bedarf durch Mitarbeiter der Beklagten zu 1), die über die entsprechende Qualifikation verfügen, eingebaut bzw. verarbeitet

In ihrer Stellungnahme vom 5. September 2011 teilte die Beklagte zu 1) dem Kläger ua. Folgendes mit:

„Da es sich um Fachkräfte handelt, ist eine Umsetzung von z.B. Fliesenleger im Gewerk Sanitär kaum möglich, dies wäre nur für Hilfsarbeiten realisierbar und wird nur sehr selten praktiziert. Im Bereich Rohrleitungsbau handelt es sich überwiegend um Gas- und Wasserinstallateure und somit ist z.B. im Winter ein Einsatz in der Abteilung Installation möglich und wird auch genutzt.“

Für den Zeitraum von Dezember 2008 bis Dezember 2012 sind bei Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen für die für einen koordinierten Einsatz im Baubereich in Betracht kommenden Mitarbeiter insgesamt Sozialkassenbeiträge in Höhe von 55.596 Euro angefallen. Das haben die Parteien in der Berufungsverhandlung unstreitig gestellt, um den Streitgegenstand einzugrenzen und klarzustellen, dass kein Streit über die Höhe der für den genannten Zeitraum in Betracht kommenden Beitragsforderung besteht.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte zu 1) habe in den Jahren 2008 bis 2012 eine Gesamtheit von Arbeitnehmern iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Abs. 1 Satz 3 VTV außerhalb der Betriebsstätte im Verbund eingesetzt. Der Geschäftsführer der Beklagten habe den Einsatz dieser Arbeitsgruppe vor Ort koordiniert. Die in dieser Arbeitsgruppe tätigen Mitarbeiter Sch., F., K., St., W. und Sch. hätten fast ausschließlich, jedenfalls aber zu mehr als 50 vH. ihrer persönlichen Arbeitszeit, Fliesen- und Plattenverlegearbeiten, Estricharbeiten, Putzarbeiten, Fugenarbeiten sowie Trocken- und Montagearbeiten ausgeführt. Diese Mitarbeiter seien als qualifizierte Fachleute, nach den Arbeitsverträgen als Fliesenleger, eingestellt und eingesetzt worden. Dies sei im Rahmen der Überprüfung durch den Mitarbeiter St. des Klägers in Anwesenheit des Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 6. November 2012 festgestellt worden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu 1) und zu 2) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 55.596 Euro zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben die Ansicht vertreten, die Beklagte zu 1) unterhalte keinen Baubetrieb, sondern einen solchen nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 VTV. Die Arbeiten im Bereich Gas- und Wasserinstallation überwögen. Die Fliesenverlegung finde nur in Einzelfällen statt. Die zuständigen Belegschaftsmitglieder seien auch in anderen Bereichen tätig. Es finde ein Austausch von Arbeitnehmern über alle Bereiche statt. Der Kläger habe zu einem koordinierten Einsatz von Arbeitnehmern in einer Betriebsabteilung nicht schlüssig vorgetragen, insbesondere nicht, wie die Koordinierung ausgesehen habe. Ihr Geschäftsführer habe die Oberaufsicht über alle Arbeiten, auch für den Handel und die Fliesenverlegung. Der koordinierte Baubereich müsste, um unter den VTV zu fallen, über eine eigenständige Kostenstellenrechnung verfügen, selbständig Angebote kalkulieren und stets oder überwiegend dieselben Arbeitnehmer einsetzen sowie eine gewisse Selbständigkeit bei der Beschaffung neuen Personals haben. Diese Voraussetzungen seien weder vorgetragen noch erfüllt. Zwar lasse die zweite Alternative von § 1 Abs. 2 Abschnitt VI VTV den koordinierten Arbeitseinsatz als einer Betriebsabteilung gleichwertig erscheinen. Der Kläger müsse aber zumindest die Koordination darlegen. Zudem arbeiteten maximal ein bis zwei, im Höchstfall drei Arbeitnehmer überhaupt an einer Fliesenverlegung. Anderes gebe der Umfang der Aufträge gar nicht her. Außerdem finde der VTV auch keine Anwendung, da die hier maßgebliche Allgemeinverbindlicherklärungen der Jahre 2010 und 2012 rechtswidrig seien.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das damit begründet, dass der Kläger kein einziges Beispiel dafür genannt habe, dass die betreffenden gewerblichen Mitarbeiter ausschließlich Fliesenlegerarbeiten und damit baugewerbliche Tätigkeiten ausführten. Zudem sei nicht vorgetragen, dass diese Mitarbeiter von den anderen Bereichen abgekoppelt waren bzw. wann sie zB. für welche Arbeiten koordiniert eingesetzt wurden. Außerdem sei es auch widersprüchlich, wenn der Kläger einerseits behaupte, der Geschäftsführer habe auf den jeweiligen Baustellen die Arbeitnehmer im Bereich „Fliesenverlegung“ täglich auf die einzelnen Baustellen verteilt, was bedeute, dass sie einzeln und gerade nicht gemeinsam und koordiniert eingesetzt wurden, andererseits aber behaupte, der Geschäftsführer habe vor Ort auf den Baustellen die Arbeiten, die durch die Arbeitnehmer im Verbund ausgeführt worden seien, koordiniert.

Der Kläger hat gegen die ihm am 22. Mai 2015 zugestellte Entscheidung am 19. Juni 2015 Berufung eingelegt und diese mit einem am 22. Juli 2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Zur Begründung wiederholt er unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag. Aus einem Betriebsbesuch könnten sich nur Indizien und Anhaltspunkte für den Tatsachenvortrag ergeben. Hierzu gehöre zB. das Schreiben der Beklagten zu 1) vom 5. September 2011, Daraus gehe hervor, dass zwischen den jeweiligen Abteilungen nahezu kein Austausch von Arbeitnehmern stattfinde. Zudem habe der Betriebsbesuch des Mitarbeiters Stein des Klägers ergeben, dass die Fliesenleger im Betrieb der Beklagten zu 1) zum weit überwiegenden Anteil ihrer persönlichen Arbeitszeit (ca. 95 vH. und mehr) mit dem Verlegen von Wand- und Bodenfliesen, teilweise auch Natursteinverlegung, Estricharbeiten, Verfugen, dem Auftragen von Haftgrund und Wandputz, dem Kürzen von Türen sowie mit Trockenbauarbeiten in Bädern befasst seien. Aus einer nun vorgelegten Stundenaufzeichnung ergebe sich zudem, dass eine Abteilung „Fliesenleger/Ofenbau“ existiere. Danach seien bestimmte Mitarbeiter immer wieder als Team von mindestens zwei, aber auch mehr Arbeitnehmern außerhalb der Betriebsstätte mit Fliesenlegerarbeiten betraut gewesen. Der Geschäftsführer S. sei immer auf den Baustellen gewesen und habe die Arbeitnehmer kontrolliert. In den Teams hätten zwischen zwei und sieben Arbeitnehmern Fliesenarbeiten erledigt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. April 2015 – 62 Ca 61298/14 – abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 55.596 Euro zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Sie wiederholen ebenfalls im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Auch in der Berufungsinstanz berufen sich die Beklagten auf die Substanzlosigkeit des klägerischen Vortrags. Das vorgelegte Schreiben aus dem Jahr 2011 sei ersichtlich durch eine juristische Laiin verfasst worden. Das belege gar nichts. Sie vertreten weiter die Ansicht, dass ein koordinierter Arbeitseinsatz, der eine Gleichstellung mit der Betriebsabteilung ermögliche, nicht vorliege. Eine selbständige Betriebsabteilung müsse wie ein eigenständiger Betrieb organisiert sein. Man könne nicht über den Umweg über die koordinierten Arbeitseinsätze eine Beitragspflicht für einzelne Arbeitnehmer einführen, welche nur viel geringeren Anforderungen genügten. Daher müsse eine Gesamtheit von Arbeitnehmern vorhanden sein, die durch eine äußere Klammer verbunden sei. Das müsse nach außen erkennbar sein. Sie bestreitet, dass ihr Geschäftsführer die Arbeiten koordiniere. Der Vortrag des Klägers sei nicht einlassungsfähig. Die Tätigkeit des Geschäftsführers ergebe sich aus seiner Stellung und habe nichts mit einer Koordinierung im Tarifsinne zu tun. Für eine Koordinierung im Tarifsinne müsste er die Einsätze selbst planen, der Einsatz auf seine Anweisung erfolgen und er die Arbeiten dann fachlich beaufsichtigen. Das sei nicht der Fall. Die Beklagte behauptet, die Einsätze der seitens des Klägers benannten Mitarbeiter würden deutlich von der Auftragslage bestimmt. Sobald es Engpässe bei Kommissionierung, Beratung und Versand der Ware gäbe, würden hierfür auch Mitarbeiter eingesetzt, die im Fliesenlegermetier tätig seien. Das könne zuweilen über 50 vH. ihrer Arbeitszeit in einem konkreten Kalendermonat ausmachen, was für eine hohe Durchlässigkeit der vermeintlichen Abteilung spreche. Außerdem würden die Fliesenleger in stets anderen und immer neuen Zusammensetzungen für entsprechende Aufträge eingesetzt. Es gebe keinen speziellen Fliesenlegerdienstplan und keine Vorarbeiter oder Meister, die diese Arbeiten zentral koordinierten oder leiteten. In der Berufungsverhandlung hat der Beklagtenvertreter insoweit klargestellt, dass die Arbeiten im Fliesenlegerbereich durchaus organisiert und strukturiert erfolgten. Die Beklagte behauptet, der Handel mit Material überwiege, sodass die Verlegung als Nebentätigkeit des Handels angesehen werden könne. Es gebe keine Struktur für eine selbständige Abteilung oder eine tarifliche Fiktion. Das Schreiben vom 5. September 2011 beziehe sich auf Umsetzungen zwischen den Gewerken „Fliesenleger“ und „Sanitär“, so die Beklagten auf Seite sechs ihres Schriftsatzes vom 3. September 2015. Es habe mit dem Streitfall nichts zu tun. Die als Fliesenleger beschäftigten Mitarbeiter verlegten nicht zu mehr als 95 vH ihrer Arbeitszeit oder auch nur einem ähnlichen Zeitanteil Fliesen in der beschriebenen Art und Weise. Nach richtiger Auffassung könne zudem eine Gesamtheit im tariflichen Sinne nur aus mindestens drei Personen bestehen. Teams von drei bis sieben Arbeitnehmern kämen aber höchst selten überhaupt einmal vor. Die Notwendigkeit, sieben Arbeitnehmer einzusetzen, verlange ein Großprojekt, das in den fraglichen Jahren vielleicht ein einziges Mal zu verbuchen gewesen sei. Die Alleinarbeit oder die Arbeit zweier Fliesenleger sei jedenfalls dort, wo es um das Fliesenlegen gehe, die Regel. Zudem bestünden Zweifel an der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen (AVE). Für die Erklärung in dem Jahr 2012 habe das BMAS auf die Angaben des Klägers und die des Statistischen Bundesamtes abgestellt. Im Jahr 2010 sei sogar nur auf die Angaben des Klägers abgestellt worden. Es wären weitere Quellen zu berücksichtigen gewesen. Heranzuziehen sei der Rechtsgedanke des § 25 VwVfG. Der Kläger habe die vorgelegten Zahlen nicht statistisch bewertet. Die Zahlen des Statischen Bundesamtes seien deutlich zu niedrig ausgefallen, da das Handwerk und das Baunebengewerbe nicht berücksichtigt worden seien. Die dadurch begründeten Zweifeln an der Wirksamkeit der AVE gebiete eine Aussetzung. Zudem genüge die Satzung des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie dem vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Bestimmtheitsgebot nicht. Dieser Verband sei ein Spitzenverband, der nach der CGZP-Rechtsprechung seine Legitimität ausschließlich aus der Kompetenz der Mitgliedsverbände ableite. Während die überwiegende Zahl der Mitgliedsverbände uneingeschränkt tariffähig sei, beschränke der Hauptverband der Bauindustrie seine Tariffähigkeit auf „überregionale Rahmenregelungen“ und schließe seine Tarifwilligkeit für Entgelttarifverträge gar aus. Ergebnis sei ein tarifunwilliger und mangels bestimmter Satzung auch tarifunfähiger Verband. Grund sei, dass für die Wirksamkeit des Tarifabschlusses in jedem Einzelfall jeweils festzustellen wäre, ob tatsächlich eine überregionale Regelung vorliege und ob sie entgeltneutral sei. Das sei aber weder bei den Regelungen zur Urlaubsgewährung nach dem BRTV noch beim VTV der Fall. Beim Zentralverband Deutsches Baugewerbe seien mehrere tarifunwillige Mitglieder organisiert, was die Legitimität des Verbandes als solche in Zweifel ziehe.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien 21. Juli und vom 3. September 2015 sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2015.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung ist auch begründet, da die Klage zulässig und begründet ist.

1) Die Klage ist zulässig. Die Parteien haben in der Berufungsverhandlung den Streitgegenstand dahingehend klargestellt, dass der geltend gemachte Betrag die Sozialkassenbeiträge für alle im streitgegenständlichen Zeitraum als Gesamtheit durch die Beklagte zu 1) im Baubereich eingesetzten Belegschaftsmitglieder erfasst. Der Betrag ist insoweit der Höhe nach durch die Parteien unstreitig gestellt worden.

2) Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte zu 1) unterhielt zwar im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Betrieb iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 VTV, der nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 1 VTV als Ganzes unter den Tarifvertrag fiele. Das war zuletzt unter den Parteien nicht mehr streitig. Ob es sich bei dem Gewerk „Fliesenleger“ um eine selbständige Betriebsabteilung iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV handelt kann dahinstehen. Die im Bereich „Fliesenleger“ eingesetzten Mitarbeiter bildeten jedenfalls eine Gesamtheit von Arbeitnehmern iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV. Als persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1) haftet die Beklagte zu 2) für diese Verbindlichkeiten nach § 161 Abs. 1, § 128 Satz 1 HGB.

a) Nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV gilt als selbständige Betriebsabteilung auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die außerhalb der stationären Betriebsstätte eines nicht von den Abschnitten I bis IV erfassten Betriebs baugewerbliche Arbeiten ausführt. Die Einbeziehung der „Gesamtheit von Arbeitnehmern“ in den betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfolgte durch die mit Wirkung vom 1. September 2002 für allgemeinverbindlich erklärte Neufassung des VTV vom 4. Juli 2002 (AVE vom 30. Oktober 2002, Bekanntmachung im BAnz. Nr. 218 vom 22. November 2002 S. 25297). Diese Tarifänderung geschah vor dem Hintergrund, dass § 1 Abs. 4 AEntG in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung gegen europäisches Recht verstieß (vgl. EuGH 25. Oktober 2001 - C-49/98 ua. - [Finalarte ua.] Slg. 2001, I-7831).

Eine Gesamtheit iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV ist eine Gruppe von Arbeitnehmern, die koordiniert, dh. geführt und geleitet, arbeitszeitlich überwiegend außerhalb der stationären Betriebsstätte baugewerbliche Arbeiten ausführt (vgl. BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 500/11, Rn. 17). Nicht erforderlich ist eine ständige Zusammenarbeit aller der Gesamtheit angehörenden Arbeitnehmer. Die Gesamtheit kann sowohl vor Ort als auch aus einer Betriebsstätte heraus koordiniert werden. Sie muss baugewerbliche Arbeiten außerhalb der stationären Betriebsstätte ausführen. Werden auch Arbeiten innerhalb der stationären Betriebsstätte ausgeführt, dürfen diese sowohl quantitativ als auch qualitativ allenfalls von untergeordneter Bedeutung sein, selbst wenn es sich um Arbeiten im Zusammenhang mit den baugewerblichen Arbeiten außerhalb der stationären Betriebsstätte handelt (vgl. BAG 19. November 2014 – 10 AZR 787/13, Rn. 12).

b) Nach diesen Grundsätzen bildeten die gelernten Fliesenleger der Beklagten zu 1) aus dem Bereich, den die Beklagten selbst als „Gewerk Fliesenleger“ bezeichnen, eine Gesamtheit von Arbeitnehmern iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV.

aa) Die bei der Beklagten als Fliesenleger eingestellten Arbeitnehmer sind außerhalb der Betriebstätte ausschließlich - und damit jedenfalls zeitlich überwiegend - mit Fliesenlegerarbeiten und zugehörigen Nebentätigkeiten betraut gewesen und damit mit baugewerblichen Tätigkeiten. .

(1) Der Tatbestand des § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV verlangt, dass mehrere Arbeitnehmer aufgrund bestimmter übereinstimmender Eigenschaften, Merkmale oder Bedingungen miteinander verbunden sind und für den Arbeitgeber tätig werden. Eine Mindestanzahl ist tarifvertraglich nicht vorausgesetzt, es reichen daher schon zwei Arbeitnehmer (vgl. BAG 19. November 2014 – 10 AZR 787/13, Rn. 13).

Die Gesamtheit von Arbeitnehmern muss baugewerbliche Arbeiten ausführen. Da die Gesamtheit nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV als selbständige Betriebsabteilung - und damit als Betrieb - gilt, gelten insoweit dieselben Maßstäbe wie nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 1 VTV für den Betrieb. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV ist mithin für eine Gesamtheit von Arbeitnehmern dann eröffnet, wenn sie arbeitszeitlich überwiegend Arbeiten ausführt, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Erbringt sie baugewerbliche Tätigkeiten in diesem Sinne, sind ihnen diejenigen Nebenarbeiten ebenfalls zuzuordnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen (vgl. BAG 10. September 2014 - 10 AZR 959/13, Rn. 28). Vor-, Neben-, Nach- und Hilfsarbeiten dienen den eigentlichen baulichen Haupttätigkeiten und können ihnen deshalb grundsätzlich zugeordnet werden. Auch der Transport von Baumaterialien zu Baustellen kann als eine für eine sachgerechte Ausführung baulicher Leistungen notwendige Nebenarbeit qualifiziert werden (BAG 15. Januar 2014 - 10 AZR 669/13, Rn. 19). Erbringt die Gesamtheit von Arbeitnehmern ausschließlich Nebenarbeiten, ohne zugleich baugewerbliche Arbeiten auszuführen, unterfällt sie nicht dem VTV. Führt sie auf einigen Baustellen baugewerbliche Leistungen einschließlich der hierzu erforderlichen Nebenarbeiten wie zB. den Transport der einzubauenden Teile aus, während sie ansonsten ausschließlich Nebenarbeiten erbringt, richtet sich die Geltung des VTV danach, ob die baulichen Leistungen nebst hinzuzurechnenden Zusammenhangstätigkeiten die sonstigen, nicht baugewerblichen Leistungen arbeitszeitlich überwiegen (vgl. BAG 20. März 2002 - 10 AZR 507/01, zu II 2 b ee der Gründe; 19. November 2014 – 10 AZR 787/13, Rn. 14).

(2) Die Beklagte zu 1) hat im streitgegenständlichen Zeitraum aus einer Gruppe von Arbeitnehmern, die sie einem „Gewerk Fliesenleger“ zuordnet, nach eigenem Vortrag Kombinationen von zwei bis sieben Personen eingesetzt. Nach Darstellung der Beklagten sind die Fliesenleger teilweise auch einzeln beschäftigt worden. Um das tarifliche Merkmal zu erfüllen kommt es nicht darauf an, dass sämtliche Mitarbeiter aus dem „Gewerk Fliesenleger“ ständig zusammenarbeiteten. Es ist nach der Rechtsprechung des BAG ausreichend, dass sie in unterschiedlich großen Gruppen, ggf. auch einzeln, eingesetzt worden sind. Es handelt sich hier auch nach dem Beklagtenvortrag um einen Kreis von mindestens drei Mitarbeitern. Hierauf bezieht sich die Klageforderung der Höhe nach. Nach der Rechtsprechung des BAG wäre es an sich sogar ausreichend gewesen, wenn die Beklagte nur ein Team von zwei Personen entsprechend eingesetzt hätte. Erst recht genügt es, wenn – wie hier – den Mitarbeitern eines Bereichs in verschiedenen Konstellationen je nach Bedarf die Aufgaben aus dem Baubereich übertragen werden. Die Arbeiten können auf kleinere Einheiten innerhalb der Gesamtheit verteilt und von diesen sodann auf verschiedenen Baustellen ausgeführt werden. Es kommt danach auch nicht darauf an, ob insoweit die Ausführungen zu der Anzahl der mit Fliesenlegerarbeiten betrauten Mitarbeiter der Beklagten in der ersten oder in der zweiten Instanz zutreffend sind.

Die baugewerblichen Arbeiten einschließlich der hierzu erforderlichen Nebenarbeiten haben auch arbeitszeitlich überwogen. Der Einsatz der Fliesenleger erfolgte ganz überwiegend außerhalb der Betriebstätte. Dort haben sie ausschließlich Fliesenlegerarbeiten und Nebenarbeiten aus dem Baubereich durchgeführt. Die Beklagten sind dem entsprechenden Vortrag des Klägers nicht mit Substanz entgegen getreten (vgl. zur Darlegungslast: BAG 15. Januar 2014 - 10 AZR 415/13, Rn. 20 mwN.). Insbesondere ist es insoweit unrelevant, wenn einzelne Fliesenleger gelegentlich auch einmal einen Monat in der Betriebsstätte selbst beschäftigt worden sein sollten. Das steht dem Vortrag des Klägers, wonach die Fliesenleger ganz überwiegend außerhalb der Betriebsstätte mit Fliesenleger- und Zusammenhangstätigkeiten befasst waren, nicht entgegen.

bb) Dem steht es insbesondere auch nicht entgegen, dass die Beklagte zu 1) hinsichtlich der Fliesen zusätzlich eine Handelstätigkeit ausübt.

(1) Der Fiktion einer selbständigen Betriebsabteilung nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV steht es nicht entgegen, wenn die Gesamtheit von Arbeitnehmern baugewerbliche Arbeiten lediglich als zusätzliches Serviceangebot zu einer nicht in den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fallenden Handelstätigkeit des Arbeitgebers ausführt. Nach dem Wortlaut der Tarifnorm kommt es ausschließlich auf die Ausführung baugewerblicher Arbeiten durch die Gesamtheit von Arbeitnehmern, nicht jedoch auf die weiteren Betriebszwecke an. Dass diese nicht maßgeblich sein können, ergibt sich gleichermaßen aus dem Zweck der Tarifvorschrift. Diese will auch in Betrieben, auf die der VTV keine Anwendung findet, jedenfalls diejenigen Arbeitnehmer dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterstellen, die aufgrund der von ihnen als Gesamtheit ausgeführten baugewerblichen Arbeiten funktional einen Baubetrieb bilden (vgl. BAG 19. November 2014 – 10 AZR 787/13, Rn. 15).

(2) Danach ist es für die Fiktion einer selbständigen Betriebsabteilung unschädlich, dass die Beklagte zu 1) einen Fliesenhandel betreibt und es sich bei dem Einbau der Fliesen jedenfalls auch um zusätzliche Serviceleistungen handelt. Auf die Zeitanteile, die auf die Tätigkeit der im Fliesenhandel eingesetzten Mitarbeiter im Verhältnis zu den außerhalb der Betriebsstätte tätigen Arbeitnehmer entfallen, kommt es nicht an. Das könnte nur dann von Bedeutung sein, wenn die Fliesenleger in relevantem zeitlichem Umfang neben der außerbetrieblichen Bautätigkeit auch in der Betriebsstätte mit dem Handel betraut gewesen wären. Diesen Schluss lässt der Vortrag der Beklagten aber nicht zu (dazu unter dd) der Gründe).

cc) Der Einsatz erfolgte auch koordiniert.

(1) Eine Gesamtheit von Arbeitnehmern iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV ist des Weiteren nur dann gegeben, wenn die ihr angehörenden Arbeitnehmer koordiniert, dh. geführt und geleitet in einer geplanten, arbeitsteiligen und aufeinander abgestimmten Kooperation, zusammenwirken (vgl. BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 500/11, Rn. 17). Allein der Umstand, dass mehrere Arbeitnehmer eines Betriebs baugewerbliche Arbeiten ausführen, genügt hierfür nicht (vgl. BAG 19. November 2014 – 10 AZR 787/13, Rn. 16).

Zur Führung einer Gesamtheit von Arbeitnehmern bedarf es auf operativer Ebene zielgerichteter Anweisungen an die ihr angehörenden Beschäftigten im Hinblick auf die von ihnen zu verrichtenden Arbeiten. Dabei müssen die zu der Gesamtheit gehörenden Arbeitnehmer keineswegs ständig zusammenarbeiten, sondern sie können auch in kleinere Einheiten aufgeteilt und an unterschiedlichen Orten eingesetzt werden. Stets erforderlich ist jedoch, dass alle Arbeitnehmer im Hinblick auf die von ihnen als Gesamtheit zu erfüllenden Aufgaben und entsprechend den an diese gerichteten Vorgaben koordiniert eingesetzt und geleitet werden. Davon ist auch dann auszugehen, wenn die zu erledigenden Arbeiten auf kleinere Einheiten verteilt und von diesen sodann auf verschiedenen Baustellen ausgeführt werden. Die Vertretung von zu der Gesamtheit gehörenden Arbeitnehmern in Zeiten von Urlaub und Krankheit durch andere Arbeitnehmer hat auf die Zugehörigkeit der vertretenen Arbeitnehmer zur Gesamtheit keinen Einfluss, solange die Vertreter nur vorübergehend anstelle des jeweiligen durch Urlaub oder Krankheit verhinderten Mitglieds der Gesamtheit im Rahmen der von dieser zu erfüllenden Aufgaben koordiniert eingesetzt werden (vgl. BAG 19. November 2014 – 10 AZR 787/13, Rn. 17).

§ 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV gibt nicht vor, auf welche Weise die Koordination der Gesamtheit von Arbeitnehmern stattzufinden hat. Diese kann daher durch einen ihr angehörenden Arbeitnehmer, zB. einen Polier, geführt und geleitet werden. Die Gesamtheit kann auch aus einer stationären Betriebsstätte heraus durch dort ansässige Mitarbeiter geführt und geleitet werden. Denkbar ist, dass die Koordination durch einen nicht der Gesamtheit angehörenden Bauleiter erfolgt, der die Ausführung der Arbeit vor Ort sporadisch überwacht oder kontrolliert und im Übrigen andere Aufgaben wahrnimmt (vgl. BAG 19. November 2014 – 10 AZR 787/13, Rn. 18).

(2) Die Beklagten tragen zuletzt vor, dass der Einsatz der Fliesenleger in verschiedenen Zusammensetzungen erfolgt ist. Nach dem ursprünglichen Vortrag der Beklagten war der Geschäftsführer für die Oberaufsicht zuständig, nach der Darstellung der Beklagten in der Berufungsinstanz hat er die Kontrolle ausgeübt. Auf konkreten Vorhalt in der Berufungsverhandlung hat der Beklagtenvertreter bestätigt, dass bei der Beklagten zu 1) ein strukturierter Einsatz der Fliesenleger erfolgt ist. Auf die Frage, wer konkret diese Aufgabe bei der Beklagten ausführt, der Geschäftsführer selbst oder sonstige Arbeitnehmer, wie zuletzt durch die Beklagte behauptet, kommt es nicht an. Maßgeblich ist, dass der Einsatz überhaupt koordiniert erfolgt ist. Ein koordinierter Einsatz einer Gesamtheit von Arbeitnehmern iSv. § 1 Abs 2 Abschn VI UAbs 1 S 3 VTV setzt zudem nicht notwendig voraus, dass die baulichen Tätigkeiten "auf sich beschränkt organisiert" und hinsichtlich des Personaleinsatzes getrennt von der baufremden Haupttätigkeit gesteuert und abgestimmt werden müssen (vgl. BAG 17. Juni 2015 – 10 AZR 257/14, Rn. 18). Einer eigenständigen Kostenstellenrechnung, selbständiger Angebotskalkulation und einer gewisse Selbständigkeit bei der Beschaffung neuen Personals bedarf es jedenfalls nach der aktuellen Rechtsprechung des BAG also nicht. Für eine gewisse Selbständigkeit spricht hier allerdings sowohl die eigene Formulierung der Beklagten, nach der es bei ihr ein „Gewerk Fliesenleger“ gibt. Insoweit kann auch der Inhalt in dem Schreiben vom 5. November 2011 nicht unberücksichtigt bleiben, wonach ein Austausch jedenfalls zwischen den genannten Gewerken eher unüblich ist. Diese Gesichtspunkte waren bei den Anforderungen an die Darlegungslast entgegen der Auffassung der Beklagten zu berücksichtigen. Angesichts der vorliegenden Indizien wäre es Aufgabe der Beklagten gewesen, die für einen koordinierten Einsatz sprechenden Gesichtspunkte auszuräumen.

dd) Es war zudem davon auszugehen, dass die durch die Fliesenleger innerhalb der stationären Betriebsstätte ausgeführten Arbeiten von geringfügiger Bedeutung gewesen sind.

(1) Die Gesamtheit von Arbeitnehmern muss nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV baugewerbliche Arbeiten außerhalb der stationären Betriebsstätte ausführen. Maßgeblich ist danach nicht eine äußerlich wahrnehmbare räumliche und organisatorische Abgrenzung, sondern die Ausführung baugewerblicher Arbeiten außerhalb der stationären Betriebsstätte. Ein innerbetrieblicher Arbeitseinsatz der Gesamtheit steht der Fiktion einer selbständigen Betriebsabteilung nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV damit regelmäßig entgegen. Diese Bestimmung verlangt allerdings nicht, dass die baugewerblichen Arbeiten stets außerhalb der stationären Betriebsstätte aufzunehmen sind oder die Arbeitnehmer auswärtig untergebracht sein müssen, wie dies zB. bei Montagearbeitern typischerweise der Fall ist. Die tägliche Aufnahme und Beendigung der Arbeit in einer stationären Betriebsstätte hindert die Erfüllung des Tarifmerkmals „außerhalb der stationären Betriebsstätte“ daher grundsätzlich nicht. Erhalten die Arbeitnehmer der Gesamtheit anlässlich ihrer Arbeitsaufnahme in einer stationären Betriebsstätte Weisungen und Pläne für ihre baugewerbliche Arbeit außerhalb der stationären Betriebsstätte und stellen sie in der Betriebsstätte das von ihnen benötigte Material zusammen, um es in einen Transporter zu verladen, den sie nach dem auswärtigen Einsatz wieder in die Betriebsstätte zurückbringen, steht dies einem Tätigwerden außerhalb der Betriebsstätte nicht entgegen, wenn diese innerbetrieblichen Nebenarbeiten im Vergleich zu den Arbeiten außerhalb der stationären Betriebsstätte sowohl quantitativ als auch qualitativ nur von geringfügiger Bedeutung sind (vgl. BAG 19. November 2014 – 10 AZR 787/13, Rn. 19).

(2) Der Kläger hat vorgetragen, dass der Einsatz der Fliesenleger außerhalb der Betriebsstätte mindestens 95 vH. ihrer Tätigkeiten ausgemacht habe, dh. der Einsatz innerhalb der Betriebsstätte nur von geringfügiger Bedeutung gewesen sei (vgl. dazu BAG 19. November 2014 – 10 AZR 787/13, Rn. 23). Die Beklagten haben sich darauf beschränkt vorzutragen, dass es nicht 95 vH. oder ein vergleichbarer Umfang gewesen seien.

Damit ist sie den Anforderungen an ihre sekundäre Darlegungslast nicht gerecht geworden. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, im Einzelnen konkret dazustellen, in welchem Umfang die Fliesenleger konkret mit anderen Aufgaben als er Verlegung von Fliesen nebst Zusammenhangstätigkeiten innerhalb der Betriebsstätte eingesetzt worden sind. Dem genügt ihr Vortrag nicht, sodass vom Vortrag des Klägers auszugehen ist. Die Beklagten hatten Gelegenheit, sich zum Umfang der baugewerblichen Tätigkeit der Gesamtheit nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO vollständig und wahrheitsgemäß unter Angabe der maßgeblichen Tatsachen zu erklären (vgl. BAG 10. September 2014 - 10 AZR 959/13 - Rn. 30). Die Beklagten haben ihren Vortrag in der Berufungsinstanz allerdings dahin „konkretisiert“, dass die Fliesenleger jedenfalls nicht zu 95 vH. ihrer Arbeitszeit oder noch darüber hinaus außerhalb der Betriebsstätte eingesetzt werden. Die Beklagte hat sich im Übrigen darauf beschränkt vorzutragen, dass einzelne Fliesenleger bei entsprechendem Bedarf auch im Handel tätig seien, manche in einem Monat auch überwiegend. Das schließt es nicht aus, dass der Einsatz der Fliesenleger in der Betriebsstätte über das Jahr betrachtet geringfügig gewesen ist. Konkretere Angaben fehlen. Da zeitweiser Einsatz in der Betriebsstätte in geringfügigem Umfang unschädlich ist, hätte es aber konkreteren Vortrags hierzu bedurft, zumal es um Beitragspflichten für mehrere Jahre geht und nicht erkennbar ist, in welchen Jahren der zeitweise Einsatz in der Betriebsstätte erfolgt sein soll.

III. Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der seitens der Beklagten angesprochenen Allgemeinverbindlicherklärungen aus den Jahren 2010 und 2012. Die Voraussetzungen des § 98 Abs. 6 ArbGG für eine Aussetzung des Verfahrens lagen nicht vor. Aus dem Vortrag der Beklagten ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der hier relevanten Allgemeinverbindlicherklärungen.

1) Voraussetzung für eine Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG ist, dass das Gericht ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit einer AVE oder Rechtsverordnung iSv. § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG hat. Die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags ist durch die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen (vgl. BAG 7. Januar 2015 – 10 AZB 109/14, Rn. 18). Führt die Prüfung zu dem Ergebnis, dass ernsthafte Zweifel, dh. solche von erheblichem Gewicht, an der Wirksamkeit einer AVE oder einer entsprechenden Rechtsverordnung bestehen, kann das Gericht diese Frage lediglich nicht mehr selbst abschließend entscheiden, sondern hat das Verfahren nach § 98 Abs. 6 ArbGG auszusetzen, wenn es auf diese Frage entscheidungserheblich ankommt (vgl. BAG 7. Januar 2015 – 10 AZB 109/14, Rn. 18). Es genügt, wenn das Gericht aufgrund Parteivortrags (zB. der Begründung eines einschlägigen Antrags nach § 98 ArbGG) oder aufgrund offenzulegender gerichtsbekannter Tatsachen zu dem Ergebnis kommt, dass ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit der AVE bestehen. Dabei hat es alle ihm bekannten Umstände, die für oder gegen die Wirksamkeit einer AVE sprechen, in seine Würdigung einzubeziehen und unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfahrens nach § 98 ArbGG einerseits und des Beschleunigungsinteresses der Parteien andererseits zu gewichten. Bei der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs „ernsthafte Zweifel“ bleibt dem Landesarbeitsgericht ein gewisser Beurteilungsspielraum (vgl. BAG 7. Januar 2015 – 10 AZB 109/14, Rn. 22).

2) Die Beklagten haben keine Tatsachen vorgetragen, die ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen aus den Jahren 2010 und/oder 2012 begründen könnten. Es gibt auch keine von Amts wegen bekannten Umstände, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Es sind hinsichtlich der durch die Beklagten angeführten Allgemeinverbindlicherklärungen, die den hier streitgegenständlichen Zeitraum betreffen, keine ernsthaften Anhaltspunkte für deren Unwirksamkeit gerichtsbekannt. Vielmehr ist durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. April 2015 – 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14 – festgestellt worden, dass die Allgemeinverbindlicherklärungen vom 15. Mai 2008 und vom 25. Juni 2010 wirksam sind. Durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Juli 2015 – 3 BVL 5003/14 - ist festgestellt worden, dass die Allgemeinverbindlicherklärung vom 3. Mai 2012 wirksam ist. Das Landesarbeitsgericht hat sich in den Entscheidungen eingehend mit allen relevanten Fragen auseinander gesetzt. Die Entscheidungen sind veröffentlicht und den Parteien bekannt. Darauf wird ergänzend Bezug genommen. Soweit die Beklagten im Rahmen des Berufungsverfahrens zunächst vorgetragen hatten, ihren Vortrag ggf. noch ergänzen zu wollen, ist das in der Berufungsverhandlung nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage nicht mehr geltend gemacht worden.

IV. Das Verfahren war auch nicht nach § 97 Abs. 5 ArbGG bis zur Erledigung eines Beschlussverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG auszusetzen.

1) Die Aussetzung eines Verfahrens nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG darf nur erfolgen, wenn zumindest eine der in § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG genannten Eigenschaften einer Vereinigung aufgrund vernünftiger Zweifel am Vorliegen dieser Eigenschaften streitig ist, wobei im Arbeitsleben geäußerte Vorbehalte zu berücksichtigen und vom Arbeitsgericht aufzugreifen sind. Danach ist der Ausgangsrechtsstreit nicht schon dann auszusetzen, wenn die Tariffähigkeit oder die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung nur von einer Partei ohne Angabe von nachvollziehbaren Gründen in Frage gestellt wird (vgl. BAG 19. Dezember 2012 – 1 AZB 72/12, Rn. 14).

2) Solche vernünftige Zweifel lässt der Vortrag der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 3. September 2015 nicht entstehen. Soweit dort auf ein Gutachten von R. Bezug genommen wird, ist dieses dem Schriftsatz nicht beigefügt gewesen. Sollte sich das Gutachten allerdings inhaltlich auf die Aussagen in der Berufungserwiderung beschränken, könnten sich auch aus ihm keine vernünftigen Zweifel ableiten lassen. Die Ausführungen der Beklagten lassen insbesondere nicht erkennen, warum sich aus der Satzung des Hauptverbandes der Bauindustrie ergeben soll, dass dieser sich für den VTV nicht als tarifzuständig ansieht. Nicht erkennbar ist auch, warum die Satzung unbestimmt sein soll. Das wäre zudem allenfalls aus dem Zusammenhang erkennbar. Die Satzung ist dem Schriftsatz nicht beigefügt gewesen.

V. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 100 Abs. 4 ZPO.

VI. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.