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Personalratswahl; Wahlanfechtung; Anfechtungsbefugnis; Leiter der Dienststelle; verselbständigte Dienststelle; Gesamtdienststellenleiter; Endentscheidung; Besetzung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg Fachsenat für Personalvertretungssachen Entscheidungsdatum 17.11.2011
Aktenzeichen OVG 62 PV 4.11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 53 Abs 1 S 1 ArbGG, § 83 Abs 4 S 3 ArbGG, § 83a Abs 1 ArbGG, § 84 S 1 ArbGG

Leitsatz

1. Im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren trifft die End-entscheidung auch im schriftlichen Verfahren nach § 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG das Gericht und nicht der/die Vorsitzende allein.

2. Berechtigt, die Wahl zum Personalrat einer nach § 6 Abs. 3 BPersVG verselbständigten Dienststelle nach § 25 BPersVG anzufechten, ist im Regelfall nur der Leiter der verselbständigten Dienststelle, nicht aber der Gesamtdienststellenleiter.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 15. April 2011 wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Am 6. April 2009 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Potsdam beantragt, die Wahl des Personalrats der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) vom 24. März 2009 für ungültig zu erklären. Die ZfA ist die personalrechtlich verselbständigte Abteilung 40 der Deutschen Rentenversicherung Bund in Brandenburg an der Havel. Das Direktorium hält sich als Gesamtdienststellenleiter für wahlanfechtungsberechtigt. Die Wahlanfechtung ist darauf gestützt, dass keine Wahlumschläge zum Einlegen der Stimmzettel verwendet wurden und dass auf Wunsch eines Wählers während des Wahlvorgangs nach der Stimmabgabe von drei Mitgliedern des Wahlvorstandes die Wahlurne geöffnet und dem Wähler Einblick in dieselbe gewährt worden sei. Der Beteiligte hat die Angaben des Antragstellers bestätigt und keinen Antrag gestellt. Beide Verfahrensbeteiligte haben Einverständnis mit schriftlicher Entscheidung erklärt.

Mit Beschluss vom 15. April 2011 hat die Vorsitzende der Fachkammer den Antrag abgelehnt. Der Antrag sei unzulässig, weil der Antragsteller nicht anfechtungsbefugt sei. Anfechtungsberechtigt sei nur der Dienststellenleiter, nicht aber der Gesamtdienststellenleiter. Denn letzterer sei durch die angefochtene Personalratswahl nicht in seiner Rechtsposition betroffen. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn die Wahlanfechtung mit der fehlenden Personalratsfähigkeit der verselbständigten Nebenstelle begründet worden wäre. Allein der Umstand, dass der Leiter der Nebenstelle nicht alle personalvertretungsrechtlichen Befugnisse habe, ändere nichts. Denn soweit eine personalvertretungsrechtliche Zuständigkeit des örtlichen Leiters der Nebenstelle nicht gegeben sei, stünden sich nicht Gesamtdienststellenleiter und örtlicher Personalrat gegenüber, sondern Gesamtdienststellenleiter und Gesamtpersonalrat.

Seine hiergegen eingelegte Beschwerde begründet der Antragsteller wie folgt: Der Beschluss sei bereits formal zu beanstanden, weil er nicht von der Kammer einschließlich der ehrenamtlichen Richter, sondern von der Vorsitzenden allein erlassen worden sei. Auch inhaltlich sei er falsch, weil der Gesamtdienststellenleiter die Wahl eines örtlichen Personalrats einer verselbständigten Nebenstelle ohne weiteres anzufechten berechtigt sei, auch wenn es „nur“ um die Frage einer Wahl unter Verstoß gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens gehe. Denn der Gesamtdienststellenleiter habe dafür Sorge zu tragen, dass in der gesamten Dienststelle Recht und Gesetz eingehalten würden. Er könne nicht hinnehmen, dass offensichtlich rechtswidrig zustande gekommene Personalräte agierten. Nur wenn man unter dem „Leiter der Dienststelle“ in § 25 BPersVG auch den Gesamtdienststellenleiter verstehe, könne dieser unabhängig von einer Anfechtung durch den Leiter der verselbständigten Nebenstelle seiner Verantwortung für die Einhaltung von Recht und Gesetz in der Gesamtdienststelle unmittelbar gerecht werden. Soweit der Gesamtdienststellenleiter die personalvertretungsrechtliche Entscheidungsbefugnis habe, stehe ihm zwar der Gesamtpersonalrat gegenüber. Dieser aber müsse den örtlichen Personalrat vor seiner Entscheidung anhören, der örtliche Personalrat könne also die Entscheidung des Gesamtpersonalrats beeinflussen. Dies setze allerdings voraus, dass der örtliche Personalrat legitimiert ins Amt gekommen sei. Der Gesamtdienststellenleiter müsse zur Wahlanfechtung auch deshalb berechtigt sein, weil sonst bei Nebenstellen ohne Dienststellenleiter das Anfechtungsrecht der Dienststelle verloren ginge. Entsprechendes müsse auch dann gelten, wenn die Nebenstelle zwar einen Dienststellenleiter habe, die Entscheidungsbefugnisse aber beim Gesamtdienststellenleiter lägen. Schließlich müsse dem Gesamtdienststellenleiter das Anfechtungsrecht zustehen, weil er auf Antrag des örtlichen Personalrats über Freistellungen sowie über die Kostenübernahme für Personalratstätigkeit und Geschäftsbedarf entscheide. Seien diese Entscheidungen dem Gesamtdienststellenleiter vorbehalten, müsse er sicher sein können, dass die Mitglieder des örtlichen Personalrats durch eine ordnungsgemäße Wahl in ihr Amt gelangt seien. Habe er diesbezüglich Zweifel, müsse ihm ein eigenes Anfechtungsrecht zustehen.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 15. April 2011 aufzuheben und die Wahl des Personalrats der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen vom 24. März 2009 für ungültig zu erklären.

Der Beteiligte stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist mit dem Aufhebungsbegehren begründet.

Der Beschluss der Fachkammer ist aufzuheben, weil die Vorsitzende nicht allein hätte entscheiden dürfen. Zwar hatten beide Verfahrensbeteiligte ihr Einverständnis mit schriftlicher Entscheidung erklärt. Jedoch trifft auch im Verfahren außerhalb der mündlichen Anhörung stets „das Gericht“ die Endentscheidung (vgl. §§ 83 Abs. 4 Satz 3, 84 Satz 1 ArbGG). Dass mit „Gericht“ etwas anderes als die/der Vorsitzende gemeint ist, ergibt sich bereits zweifelsfrei aus der Regelung in § 83a Abs. 1 ArbGG, die zwischen dem Gericht und dem Vorsitzenden unterscheidet („…zur Niederschrift des Gerichts oder des Vorsitzenden…“). Zur Entscheidung ist stets die Fachkammer in der durch § 84 BPersVG vorgeschriebenen Besetzung berufen, also einschließlich der ehrenamtlichen Richter.

§ 53 Abs. 1 Satz 1 Hs 1 ArbGG, wonach die nicht auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergehenden Beschlüsse und Verfügungen die/der Vorsitzende allein erlässt, findet dagegen keine Anwendung. Denn der die Instanz abschließende Beschluss im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren steht nach Inhalt und Funktion einem Urteil gleich (vgl. Germelmann u.a., ArbGG, 7. Aufl., Rn. 1 zu § 84), auf das die Vorschrift gerade keine Anwendung findet. Im Übrigen greift der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Hs 2 ArbGG geregelte Vorbehalt einer anderweitigen Regelung, weil - wie gesagt - §§ 83 Abs. 4 Satz 3, 84 Satz 1 ArbGG für das Beschlussverfahren etwas anderes bestimmt (vgl. Germelmann, a.a.O., Rn. 2 zu § 84; GKÖD, V Anh. 6 zu K § 83 Rn. 4).

Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.

Der Wahlanfechtungsantrag kann keinen Erfolg haben. Der antragstellende Gesamtdienststellenleiter ist nicht anfechtungsbefugt.

Nach § 25 BPersVG sind mindestens drei Wahlberechtigte, jede in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft oder der Leiter der Dienststelle anfechtungsbefugt. Andere Personen sind ausgeschlossen (vgl. Richardi u.a., BPersVR, 3. Aufl., Rn. 35 zu § 25). Mit „Leiter der Dienststelle“ ist zweifelsfrei der Leiter derjenigen Dienststelle gemeint, deren Personalrat gewählt worden ist. Da hier die Wahl des Personalrats der ZfA angefochten ist, ist deren Leiter Dienststellenleiter im Sinne von § 25 BPersVG. Der hier anfechtende Gesamtdienststellenleiter dagegen ist weder neben dem Leiter der ZfA noch an dessen Stelle anfechtungsbefugt.

Daran ändert sich nichts dadurch, dass es sich bei der ZfA in Brandenburg an der Havel um eine nach § 6 Abs. 3 BPersVG verselbständigte Dienststelle handelt. Der von der ersten Instanz beschriebene Ausnahmefall einer Wahlanfechtung, die mit der fehlenden Personalratsfähigkeit der verselbständigten Nebenstelle begründet wird, liegt ersichtlich nicht vor; die personalvertretungsrechtliche Dienststelleneigenschaft der ZfA ist nicht im Streit. Das Argument des Antragstellers, dem Gesamtdienststellenleiter müsse das Anfechtungsrecht zustehen, weil nicht jede verselbständigte Dienststelle über einen Dienststellenleiter verfüge und nicht jeder Dienststellenleiter die personalvertretungsrechtlichen Befugnisse habe, geht fehl. Es mag offen bleiben, ob eine Verselbständigung nach § 6 Abs. 3 BPersVG nicht zwangsläufig zur Folge hat, dass der Leiter der Nebenstelle oder des Dienststellenteils als Dienststellenleiter im Sinne von § 25 BPersVG (allein) wahlanfechtungsberechtigt ist. Jedenfalls aber kann das Argument des Antragstellers nur dann zum Tragen kommen, wenn die verselbständigte Dienststelle tatsächlich keinen Leiter hat oder diesem intern keine personalvertretungsrechtlichen Befugnisse zustehen. Da aber der Antragsteller auf Frage des Senats bestätigt hat, dass dem Leiter der ZfA dienstrechtlich die Anfechtungsberechtigung eines Dienststellenleiters nach § 25 BPersVG zusteht, drohte im vorliegenden Fall kein Rechtsverlust.

Die gegenteilige Auffassung des Antragstellers läuft auf eine Auslegung gegen den Wortlaut des § 25 BPersVG hinaus, dergestalt, dass neben dem Leiter der Dienststelle auch der Leiter der Gesamtdienststelle als wahlanfechtungsberechtigt gälte. Abgesehen davon, dass zu einer solchen Normergänzung nicht das Gericht, sondern der Gesetzgeber berufen wäre, besteht kein Bedürfnis für eine solche Ausweitung des Anwendungsbereichs der Norm. Denn wenn der Leiter der verselbständigten Dienststelle die personalvertretungsrechtlichen Befugnisse hat, eine Wahlanfechtung aber nicht beabsichtigt, mag der Gesamtdienststellenleiter ihn anweisen, die Wahl anzufechten. Ein Selbsteintrittsrecht des Gesamtdienststellenleiters ist deswegen nicht erforderlich.

Soweit die Personalratswahl den Antragsteller mittelbar dadurch betrifft, dass er als Gesamtdienststellenleiter dafür Sorge zu tragen hat, dass in der gesamten Dienststelle Recht und Gesetz eingehalten werden, und auf manchen Feldern der Personalvertretung mit ihm zusammenarbeiten muss, z.B. bei Anträgen auf Freistellung sowie bei Anträgen auf Kostenübernahme für Personalratstätigkeit und Geschäftsbedarf etc., mutet das Gesetz ihm wie anderen Betroffenen auch, z.B. den Beschäftigten der Dienststelle, den unterlegenen Mitbewerbern, dem Gesamtpersonalrat etc., die Zusammenarbeit mit einem unter Verstoß gegen wesentliche Wahlverfahrensvorschriften gewählten Personalrat bis zur Grenze der Nichtigkeit der Wahl zu. Eine ordnungsgemäße Personalratstätigkeit setzt nicht, wie der Antragsteller meint, voraus, dass der Personalrat „rechtmäßig ins Amt gekommen ist“, d.h. ordnungsgemäß gewählt worden ist, sondern nur, dass er aufgrund einer wirksamen Wahl unanfechtbar gewählt worden ist.

Es trifft zwar zu, dass Schlatmann bei Lorenzen u.a., BPersVG, § 25 Rn. 22, die Auffassung vertritt, anfechtungsberechtigt seien „hinsichtlich einer Teilpersonalratswahl i.S. § 6 Abs. 3 der Leiter der Gesamtdienststelle und derjenige der Teildienststelle“. Allerdings gibt der Autor für diese Rechtsauffassung keine Begründung. Andere Kommentatoren teilen den vom beschließenden Senat vertretenen Standpunkt (vgl. z.B. Altvater u.a., BPersVG, 7. Aufl., § 25 Rn. 11; GKÖD, V K § 25 Rn. 30a, allerdings jeweils ebenfalls ohne Begründung).

Die Rechtsbeschwerde war mangels Zulassungsgrundes nicht zu eröffnen.