Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Abrechnungsbescheid vom 06.07.2007 nach § 218 Abs. 2 AO - Umsatzsteuer...

Abrechnungsbescheid vom 06.07.2007 nach § 218 Abs. 2 AO - Umsatzsteuer 2004


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 13.03.2013
Aktenzeichen 7 K 7107/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Abrechnungsbescheid vom 06.07.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.03.2010 wird dahingehend geändert, dass der Anspruch auf Erstattung von Umsatzsteuer 2004 nebst Zinsen zu Gunsten der Insolvenzmasse in Höhe von insgesamt 21.114,00 € bestehend aus 20.310,00 € Umsatzsteuer 2004 und 804,00 € Zinsen zur Umsatzsteuer 2004 nicht durch Aufrechnung erloschen ist.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abzuwenden, wenn nicht dieser vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob dem Kläger ein auszukehrendes Guthaben aus Umsatzsteuer 2004 nebst Zinsen zur Massesteuernummer der B… GmbH zusteht.

Die B… GmbH stand in Geschäftsbeziehungen zur C… GmbH. Beide Gesellschaften hatten ihren Firmensitz in der D… Straße in E…. Vom Stammkapital der B… GmbH in Höhe von 25.000,00 € hielten die Herren F… und G… jeweils 12.500,00 €. Herr F… war zugleich Geschäftsführer der C… GmbH.

Der Geschäftsführer der B… GmbH stellte am 07.09.2004 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht H…. Dieses beauftragte mit Beschluss vom 23.09.2004 den Kläger mit der Erstellung eines Gutachtens darüber, ob die B… GmbH zahlungsunfähig überschuldet sei und ob sie über eine die Verfahrenskosten deckende Masse für eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens verfüge. In seinem Gutachten vom 08.10.2004 führte der Kläger unter anderem aus, dass die B… GmbH insgesamt offene Forderungen in Höhe von 417.000,00 € habe. Darin seien Forderungen in Höhe von 289.353,40 € gegen die C… GmbH enthalten. Nach Verrechnung mit Gegenforderungen seien diese in Höhe von 76.188,43 € (65.679,68 € zuzüglich 10.508,75 € USt) anzuerkennen. Diese Forderung würde aus dem Jahr 2003 stammen. Hinzu komme eine Forderung gegen die C… GmbH in Höhe von 24.829,83 € (21.405,03 € zuzüglich 3.424,80 € USt) aus den Monaten Februar bis Juli 2004 und September 2004. Hinsichtlich der Forderung aus dem Jahre 2003 sei der Geschäftsführer seit längerem bemüht, diese einzutreiben. Dies sei ihm nicht gelungen. Der Geschäftsführer beurteile die Forderungen an die C… GmbH seit dem 07.09.2004 als nicht mehr voll durchsetzbar. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens vom 08.10.2004 wird auf die in der Haftungsakte befindliche Kopie, Blatt 3 bis 16 verwiesen.

Das Amtsgericht H… eröffnete mit Beschluss vom 11.10.2004 (35 IN …/04) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B… GmbH und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

Am 26.10.2004 stellte die C… GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Das Amtsgericht H… eröffnete mit Beschluss vom 01.12.2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der C… GmbH (35 IN …./04). Zu diesem Zeitpunkt hatte die B… GmbH noch Forderungen gegen die C… GmbH, die aus Leistungen der B… GmbH vor Eröffnung des sie betreffenden Insolvenzverfahrens herrührten.

Für die Monate August und September 2004 reichten weder der Kläger noch die B… GmbH Umsatzsteuer-Voranmeldungen ein. Deshalb schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen und erließ am 07.02.2005 für diese Monate Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide. Der Beklagte meldete diese mit Fälligkeit 11.10.2004 zur Tabelle an (siehe KStAkte Bl. 124). Die sich daraus ergebenden Beträge wurden nicht entrichtet.

Am 22.12.2005 reichte der Kläger eine Umsatzsteuererklärung 2003 für die B… GmbH ein. Danach betrugen die Umsätze einschließlich der Nettoumsätze gegenüber der C… GmbH in Höhe von 65.679,68 € insgesamt 1.264.463,00 €. Unter Anrechnung von geleisteten Vorauszahlungen ergab sich noch eine Umsatzsteuer-Zahllast in Höhe von 13.285,54 €, die der Kläger nicht entrichtete. Der Beklagte erstellte am 09.01.2006 eine Steuerberechnung, die er bekannt gab und meldete diesen Betrag zur Tabelle an (siehe KStAkte Blatt 122).

Ebenfalls am 22.12.2005 reichte der Kläger eine Umsatzsteuererklärung 2004 für die Zeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens (10.10.2004) ein. Danach beliefen sich die Erlöse auf 535.386,00 €. In diesen waren die Nettoforderungen gegenüber der C… GmbH in Höhe von 21.405,03 € enthalten. Ausgehend von diesen Angaben erstellte der Beklagte am 16.03.2006 eine Berechnung zur Umsatzsteuer für die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 10.11.2004 für die B… GmbH, in dem er die Umsatzsteuer mit 76.943,80 € berücksichtigte. Abzüglich der geleisteten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen ergab sich noch eine Zahllast in Höhe von 49.030,74 €. Auch diese beglich der Kläger nicht. Ob der Beklagte insoweit eine Änderung der für August bis Oktober 2004 zur Tabelle angemeldete Beträge vornahm, lässt sich nicht eindeutig aus den Akten entnehmen (siehe KStAkte Blatt 122).

Selbst nach der in diesem Verfahren streitigen Aufrechnung beträgt die rückständige Umsatzsteuer 2004 zurzeit noch 42.091,89 €.

Am 02.10.2006 reichte der Kläger für die B… GmbH unter der Massesteuernummer eine Umsatzsteuererklärung 2004 für den Zeitraum 11.10.2004 bis 31.12.2004 ein. Darin erklärte er negative Umsätze in Höhe von 126.941,00 € netto aus Umsatzsteuerkorrekturen aufgrund von uneinbringlich gewordenen Forderungen unter anderem gegenüber der C… GmbH gemäß § 17 Umsatzsteuergesetz -UStG-. Daraus ergab sich eine negative Umsatzsteuer in Höhe von 20.310,56 €. Hinzu kamen Vorsteuern in Höhe von 876,13 €, so dass sich eine negative Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 21.186,69 € ergab. Auf Nachfrage teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass es sich bei den negativen Umsätzen um Forderungsverluste gehandelt habe. Die entsprechenden Forderungen, die nunmehr uneinbringlich geworden seien, seien vor Insolvenzeröffnung entstanden, aber erst nach Insolvenzeröffnung uneinbringlich geworden.

Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung zu, die damit einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand. Da bereits vorher Umsatzsteuer 2004 in Höhe von -234,40 € festgesetzt war, ergab sich nach der Mitteilung vom 07.12.2006 noch ein Guthaben in Höhe von 20.952,29 €. Hinzu kamen 838,00 € Zinsen zur Umsatzsteuer 2004. In der Mitteilung ist erwähnt, dass über die Verwendung des Guthabens noch eine Mitteilung erfolgen werde. Diese Mitteilung findet sich nicht in den vom Beklagten überlassenen Akten, sie muss aber vom 05.01.2007 datieren, wie sich dem Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheides des Klägers entnehmen lässt. In der Folgezeit buchte der Beklagte 20.310,00 € Umsatzsteuer 2004 und 804,00 € Zinsen zur Umsatzsteuer 2004 auf die Steuernummer der B… GmbH vor Insolvenzeröffnung um, wobei nur 5.839,49 € auf rückständige, vorinsolvenzliche Umsatzsteuer 2004 entfielen. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf Blatt 12 f. Gerichtsakte Bezug. Über die restlichen 642,29 € Umsatzsteuer 2004 und 34,00 € Zinsen zur Umsatzsteuer 2004 stellte er zugunsten des Klägers am 13.12.2006 einen Verrechnungsscheck zur Masse aus.

Dagegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 07.05.2007. Er sei mit den Umbuchungen vom 05.01.2007 nicht einverstanden und beantrage einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Abgabenordnung -AO-.

Am 06.07.2007 erließ der Beklagte einen Abrechnungsbescheid, in dem er den Saldo aus Umsatzsteuer 2004 mit null Euro auswies. Hinsichtlich der Einzeldarstellung verwies er auf den beigefügten Kontoauszug, in dem auch die Zinsen gemäß „233a AO“ auf die Umsatzsteuer 2004 aufgeführt sind (Bl. 10 bis 13 GA). Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 27.07.2007 am 30.07.2007 Einspruch ein. Die Umsatzsteuerberichtigung gemäß § 17 UStG sei insolvenzrechtlich nicht dem Zeitraum zuzuordnen, in dem die Umsatzsteuer auf die zu berichtigende Forderung entstanden sei. Sie sei in dem Zeitraum zu berücksichtigen, in dem sich der die Änderungen begründende Sachverhalt ereignet habe. Die Vorschrift des § 17 UStG enthalte einen eigenständigen materiell-rechtlichen Berichtigungstatbestand gegenüber den Änderungsvorschriften der Abgabenordnung. Damit entstehe der Umsatzsteuerberichtigungsanspruch nicht nur insolvenzrechtlich, sondern auch steuerrechtlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, nämlich dann, wenn die Gründe für den Fortfall einer Forderung der Insolvenzschuldnerin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden seien. Die Umsatzsteuerberichtigung müsse zur Massesteuernummer vorgenommen werden, wenn sich das zum Wegfall der Forderung führende Ereignis erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergeben habe. Eine Aufrechnung mit Steuerforderungen, die bereits vor Insolvenzeröffnung bestanden haben, sei nicht möglich (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 Insolvenzordnung -InsO-). Zudem sei der Zinsbetrag in Höhe von 804,00 € im Laufe des Jahres 2006 entstanden. Dieser Zeitraum liege nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Zinsanspruch sei nicht bereits vor Verfahrenseröffnung begründet gewesen.

Der Beklagte wies den Einspruch mit seiner Einspruchsentscheidung vom 01.03.2010 als unbegründet zurück. Die Aufrechnung sei nicht ausgeschlossen gewesen, weil die Hauptforderung in ihrem Kern bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens angelegt gewesen sei.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter. Er führt ergänzend aus, dass der Bundesfinanzhof zur Umsatzsteuer entschieden habe, dass die Umsatzsteuer aus der Masse zu zahlen sei, wenn die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten erfolge, und zwar auch dann, wenn die Forderung, auf die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Zahlung vereinnahmt werde, bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und fällig gewesen sei (Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 29.01.2009 - V R 64/07, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 2009, 682 = Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 224, 24). Des Weiteren habe der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 13.07.2006 (V B 70/06, BStBl. II 2007, 415 = BFHE 214, 467) und seinem Urteil vom 22.10.2009 (V R 14/08, BStBl. II 2011, 988 = BFHE 227, 513) ausgeführt, dass § 17 UStG einen eigenständigen materiellrechtlichen Berichtigungstatbestand darstelle. Dem Beklagten folgend müsste die Zuordnung von Forderungen und Verbindlichkeiten zurzeit vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Lebenssachverhalt abstellen, der die Steuerverbindlichkeit oder den Steuererstattungsanspruch begründete. Dies sei vorliegend die Uneinbringlichkeit der Forderungen der B… GmbH gegen die C… GmbH, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren am 01.12.2004, und damit erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B… GmbH, eröffnet worden sei. Dies sei auch der steuerlich maßgebliche Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit der Forderungen gewesen. Das Insolvenzgutachten sei demgegenüber unergiebig. Es handele sich nicht um eine steuerliche Erklärung, sondern solle dem Insolvenzgericht die Einschätzung ermöglichen, ob das Insolvenzverfahren zu eröffnen sei oder nicht.

Das Urteil des Bundesfinanzhofes zum Aktenzeichen VII R 44/10 (vom 25.07.2012, BStBl. II 2013, 33 = BFHE 238, 302) sei nicht zur Frage der Aufrechnung gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO sondern zur Frage der Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ergangen. Für die Verrechnung nach § 16 UStG könne dem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 24.11.2011 (V R 13/11, BStBl. II 2012, 298 = BFHE 235, 137) nicht gefolgt werden. Denn der Bundesgerichtshof habe, was der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 25.07.2012 unbeachtet gelassen habe, entschieden, dass die Einzelposten des Kontokorrents sehr wohl anfechtungsrechtlich erheblich seien und Anfechtungsansprüche begründen könnten.

Der Kläger beantragt,

den Abrechnungsbescheid vom 06.07.2007 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 01.03.2010 dahingehend zu ändern, dass 21.114,00 € (20.310,00 € USt 2004 und 804,00 € Zinsen dazu) noch zur Insolvenzmasse auszukehren sind,
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist der Beklagte darauf, dass die streitige Umsatzsteuer aus Leistungen der Gemeinschuldnerin an die C… GmbH im Jahre 2003 bis September 2004 resultieren würde. Diese Rechnungen seien von der C… GmbH nicht beglichen worden. Die Vorsteuern habe sie jeweils angemeldet, erstattet bekommen und nicht zurückgezahlt.

Die Forderungen der B… GmbH gegenüber der C… GmbH seien bereits im September 2004, und damit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B… GmbH, uneinbringlich gewesen. Der Berichtigungstatbestand sei damit bereits vor Insolvenzeröffnung erfüllt gewesen. Damit hätte die Berichtigung in der ersten Umsatzsteuererklärung 2004 für die Zeit bis 10.10.2004 erfolgen müssen.

Zudem dürfe der Berichtigungsanspruch gemäß § 17 UStG nicht dazu führen, dass lediglich angemeldete aber nicht abgeführte Umsatzsteuer nicht nur berichtigt, sondern sogar erstattet werden würde. Ein Anspruch auf Erstattung von Umsatzsteuer sei nur durchsetzbar, wenn zuvor entsprechende Zahlungen an den Fiskus geleistet worden sein.

Nach der weiteren Rechtsprechung des VII. Senats des Bundesfinanzhofes sei eine Saldierung gemäß § 16 UStG vorzunehmen, wenn sowohl die Forderung als auch die Gegenforderung im selben Beteuerungszeitraum entstanden seien und deshalb nach der Rechtsprechung des V. Senats des Bundesfinanzhofes gegeneinander zu verrechnen seien. In diesem Fall seien die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO nicht zu beachten. Diese Verrechnung greife dann gleichsam automatisch, wenn eine Saldierung in einem Steuerfestsetzungsbescheid deshalb nicht mehr vorgenommen werden könne, weil vor Ablauf des Veranlagungszeitraumes das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Ein Streit über die Zulässigkeit einer zuvor vom Finanzamt erklärten Aufrechnung sei damit erledigt.

Auf den Stichtag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der C… GmbH am 01.12.2004 komme es daher nicht an.

Dem Gericht haben bei der Entscheidung sieben Bände Akten (Körperschaftsteuer Band I, Haftungsakte, Umsatzsteuer Band I, Bilanzen Band I und II, Betriebsprüfungsakte Veranlagungsstelle Band I, Vertragsakte) und eine Heftung mit Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheiden für August bis Oktober 2004 des Beklagten zur Steuernummer … vorgelegen, unter der die B… GmbH bei diesem geführt wird, sowie zwei Bände Akten (Umsatzsteuer Band I, Sonderakte) und ein Halbhefter Abrechnungsbescheid des Beklagten zur Steuernummer …, unter der dieser die Masse der B… GmbH führt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Abrechnungsbescheid vom 06.07.2007 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 01.03.2010 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-)

Der Abrechnungsbescheid vom 06.07.2007 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 01.03.2010 sind rechtswidrig, soweit in ihnen der Zinsanspruch aus Umsatzsteuer 2004 gemäß § 233a AO mit null Euro ausgewiesen ist. Der Beklagte durfte nicht mit den Zinsen zur Umsatzsteuer 2004 in Höhe von 804,00 € aufrechnen. Die Erstattungszinsen gehören zu den durch Zeitablauf sukzessive entstehenden Ansprüchen wie Erstattungszinsen und Eigenheimzulage. Insoweit entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, der sich der erkennende Senat anschließt, dass diese Ansprüche, soweit sie in Zeiträumen nach Insolvenzeröffnung entstehen, auch erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet sind (BFH, Urteil vom 31.05.2005 - VII R 71/04, zitiert nach juris; Beschluss vom 30.04.2007 - VII B 252/06, BStBl. II 2009, 624 = BFHE 217, 212 = Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 2007, 824 zu Erstattungszinsen; Urteil vom 17.04.2007 - VII R 34/06, BStBl. II 2008, 215 = BFHE 217, 14 = HFR 2007, 731 zur Eigenheimzulage). Überdies werden die Zinsen durch die nach der Verfahrenseröffnung erfolgende Überlassung der Kapitalnutzung wirtschaftlich begründet. Für die Eigenheimzulage gilt Entsprechendes im Hinblick auf die nach Verfahrenseröffnung erfolgende Selbstnutzung. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der Tatsache, dass im Streitfall der Zinslauf für die Umsatzsteuer 2004 gemäß § 233a AO erst mit dem 01.04.2006 begann und vollständig in dem Zeitraum des Insolvenzverfahrens liegt, gehören die auf die Umsatzsteuer 2004 entstandenen Erstattungszinsen vollständig zur Masse und hätten ebenso wie die Vorsteuer auf Leistungen, die der Kläger nach Insolvenzeröffnung bezogen hat, nicht aufgerechnet werden dürfen.

Der angefochten Bescheid ist auch hinsichtlich der abgerechneten Umsatzsteuer 2004 in Höhe von 20.310,00 € rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dem Kläger steht ein Erstattungsanspruch im Sinne des § 37 Abs. 2 AO in Höhe von 20.310,00 € aus Umsatzsteuer 2004 zu. Dieser Anspruch ist nicht gemäß §§ 47, 226 Abs. 2 AO in Verbindung mit § 389 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- durch die Aufrechnungserklärung des Beklagten vom 05.01.2007 erloschen. Denn insoweit steht das Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO einer Aufrechnung durch den Beklagten entgegen.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass am 05.01.2007 die nach § 226 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 387 BGB erforderliche Aufrechnungslage vorlag.

Der Aufrechnung stand ein Aufrechnungsverbot entgegen. Der Beklagte war nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO an der Aufrechnung gehindert. Nach dieser Vorschrift ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO wird die Aufrechnung jedoch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen noch aufschiebend bedingt oder noch nicht fällig sind. Daher reicht es aus, wenn die Gegenforderung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurde.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Beklagte ist - unabhängig von der Frage, wann die nach Insolvenzeröffnung ausgebuchten Forderungen tatsächlich uneinbringlich geworden sind - in jedem Fall erst nach Insolvenzeröffnung etwas zur Masse schuldig geworden.

Für den Fall, dass die Festsetzung des Erstattungsbetrages zur Umsatzsteuer 2004 deshalb rechtmäßig gewesen ist, weil die Forderungen der B… GmbH erst mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der C… GmbH, und damit nach Insolvenzeröffnung seitens der B… GmbH, uneinbringlich geworden sind, ist der Berichtigungsanspruch gemäß § 17 Abs. 2 UStG erst nach Insolvenzeröffnung entstanden. Nach Insolvenzeröffnung ist Uneinbringlichkeit der zu berichtigenden Forderungen als Voraussetzung für das Vorliegen des Berichtigungstatbestands eingetreten. Dieser Zeitpunkt ist auch maßgeblich. Denn nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, der sich der erkennende Senat anschließt, ist auch aus insolvenzrechtlicher Sicht zur Begründung eines Anspruchs auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des materiell-rechtlichen Berichtigungstatbestands des § 17 Abs. 2 UStG abzustellen. Der VII. Senat des Bundesfinanzhofes hat seine anders lautende Rechtsprechung, nach der es auf den Zeitpunkt der Begründung der später zu berichtigenden Forderung ankommt, nunmehr aufgegeben (siehe dazu BFH, Urteile vom 25.07.2012 - VII R 29/11, BStBl. II 2013, 36 = BFHE 238, 307; VII R 44/10, BStBl. II 2013, 33 = BFHE 238, 302; VII R 56/09, BFH/NV 2013, 413).

Für den Fall, dass die Festsetzung der negativen Umsatzsteuer 2004 rechtswidrig gewesen ist, weil die Forderungen der B… GmbH nicht erst mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der C… GmbH, sondern schon im September 2004 und damit vor Insolvenzeröffnung seitens der B… GmbH, uneinbringlich geworden sind, ist der Berichtigungsanspruch gemäß § 17 Abs. 2 UStG zwar schon vor Insolvenzeröffnung entstanden. Der Beklagte kann sich allerdings nicht mit Erfolg auf diesen Umstand berufen. Er ist mit dieser Einwendung im hiesigen Verfahren abgeschnitten. Denn im hiesigen Verfahren ist die Erhebung streitig, nicht aber die Festsetzung selbst. Wenn tatsächlich die Uneinbringlichkeit der Forderungen der B… GmbH gegenüber der C… GmbH schon vor dem 11.10.2004 bestand, wäre die Umsatzsteuer 2004 zur Massesteuernummer um den Berichtigungsbetrag nach § 17 UStG (rechtswidrig) zu niedrig festgesetzt. Der Beklagte hätte für diesen Fall bei der Festsetzung der Umsatzsteuer 2004 zur Massesteuernummer nicht die zutreffenden Konsequenzen gezogen, weil er der die Berichtigung nach § 17 Abs. 2 UStG erklärenden Umsatzsteuererklärung des Klägers (Zeitraum 11.10.2004 bis 31.12.2004) zugestimmt und damit eine Umsatzsteuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 168 Satz 1 und 2, 164 Abs. 1 AO herbeigeführt hat. Diese Festsetzung ist in dem hier streitigen Abrechnungsverfahren auch hinsichtlich der streitigen Zuordnung der Berichtigung nach § 17 Abs. 2 UStG zum Besteuerungszeitraum nach Insolvenzeröffnung bindend (BFH, Urteil vom 25.07.2012 - VII R 29/11, BStBl. II 2013, 36 = BFHE 238, 307, Rz. 19).

Ein solcher Fehler kann nur durch Änderung des betreffenden Umsatzsteuerbescheides für den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung beseitigt werden. Die Auszahlung der insoweit möglicherweise rechtswidrig festgesetzten Erstattungsbeträge für den Zeitraum nach Insolvenzeröffnung kann der Beklagte nicht mit Erfolg unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit verweigern. Bestandskräftige rechtswidrige Bescheide gelten auch zu Lasten der Finanzbehörde, solange sie nicht geändert sind. Allein aus der Tatsache der Rechtswidrigkeit ergibt sich auch keine Möglichkeit der Aufrechnung. Denn insoweit ist mit den nunmehr zur Erhebung der Umsatzsteuer ergangenen Urteilen des Bundesfinanzhofes vom 25.07.2012 der Berichtigungstatbestand des § 17 UStG zeitlich den Abschnitten vor und nach Insolvenzeröffnung zugewiesen. Eine Prüfung des einzelnen Berichtigungsanspruchs im Hinblick auf das Entstehen der einzelnen später uneinbringlich werdenden Forderung findet gerade nicht mehr statt.

Das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO greift auch ein. Es ist insbesondere nicht durch Auslegung / Umdeutung dahingehend einschränkend anzuwenden, dass eine Aufrechnung deshalb möglich sein müsse, weil es ungerecht sei, wenn ein Gläubiger des Gemeinschuldners mit seinen eigenen vor der Insolvenzeröffnung begründeten Forderungen ganz oder teilweise ausfalle, und er seinerseits nach Insolvenzeröffnung entstandene Verbindlichkeiten zur Masse vollständig erfüllen müsse. Denn dies ist gerade der Zweck des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Zum Schutz (aller) Gläubiger eines Gemeinschuldners soll ein einzelner Gläubiger gerade nicht die Möglichkeit haben, seine eigenen vorinsolvenzlich entstandenen Forderungen (zum Beispiel durch provozierte Verbindlichkeiten gegen die Masse, Schadensersatz oder ähnliches) zu befriedigen und gleichzeitig die Masse zu vermindern, mit Schaden für die verbliebenen Gläubiger (zum Beispiel Zerstörung von Gegenständen der Masse, Schadensersatzanspruch der Masse wird aufgerechnet mit Forderungen gegen den Gemeinschuldner, so dass die Gegenstände zerstört sind und der Geldwert zu Lasten der Gesamtheit der Gläubiger nicht in die Masse gelangt).

Dass der Kläger die Erstattung von nicht abgeführter Umsatzsteuer begehrt, führt ebenfalls nicht zur Zulässigkeit der Aufrechnung. Denn die Frage der Saldierung von Umsatzsteuer, Vorsteuer und gegebenenfalls Berichtigungsansprüchen ist im Festsetzungsverfahren vorzunehmen und kein geeigneter Gegenstand einer Entscheidung im Abrechnungsbescheid. Ein Abrechnungsbescheid zeigt nur auf, ob ein Anspruch erloschen ist. Das vom Beklagten angeführte Urteil des VII. Senats des Bundesfinanzhofes vom 17.04.2007 (VII R 27/06, BStBl. II 2009, 589 = BFHE 217,8) dürfte durch die Urteile vom 25.07.2012 überholt sein. Denn darin hat der VII. Senat des Bundesfinanzhofs seine Rechtsprechung gerade geändert. Nur bei der Frage, ob ein Berichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 UStG entstanden ist, der Tatbestand des Berichtigungsanspruchs also überhaupt erfüllt ist, ist zu berücksichtigen, ob der entsprechende Umsatz steuererhöhend zuvor in einer Steueranmeldung/-festsetzung berücksichtigt war (Finanzgericht -FG- Nürnberg, Urteil vom 08.06.2010 - 2 K 1121/2009, zitiert nach juris). Auf die Bezahlung einer aus dieser Steuererhöhung resultierenden Umsatzsteuerzahllast wird - soweit ersichtlich - nirgendwo abgestellt.

Des Weiteren ergibt sich auch aus einer nach § 16 UStG vorzunehmenden „Saldierung“ keine Befugnis zur Aufrechnung entgegen § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Der Beklagte hat schon keine solche „Saldierung“ vorgenommen. Denn er hat gerade die negative Umsatzsteuer für den Zeitraum nach Insolvenzeröffnung festgesetzt und danach erst aufgerechnet. Damit steht er auch nicht in Widerspruch zu dem Urteil des Bundesfinanzhofes in dem Verfahren VII R 44/10 (vom 25.07.2012, BStBl. II 2013, 33 = BFHE 238, 302). Denn dieser Fall betraf einen sich aus einer Voranmeldung ergebenden Erstattungsanspruch, einer im Anschluss daran von der Finanzbehörde erklärten Aufrechnung und einer später möglichen Saldierung für den gesamten vor Insolvenzeröffnung liegenden Zeitraum durch Berechnung der auf die Zeit vor Insolvenzeröffnung entfallenden Jahressteuer (01.01. des Jahres bis zur Insolvenzeröffnung). Im Streitfall liegt der Sachverhalt anders. Die Aufrechnung betrifft keine auch im Wege der Saldierung zusammenzufassenden Besteuerungsgrundlagen im Rahmen der Ermittlung der (Rumpf-)Jahressteuer für die Zeit vor der Insolvenzeröffnung, sondern gerade die Aufteilung des Jahres 2004 und eine Aufrechnung über die Insolvenzeröffnung hinweg. Eine solche „Saldierung“ ist nicht vorgesehen. Dies ist nur im Wege der Aufrechnung möglich, da die Umsatzsteuerfestsetzung für das gesamte Unternehmen im Jahr der Insolvenzeröffnung nicht einheitlich für das gesamte Jahr, sondern für die Zeit vor und nach Insolvenzeröffnung getrennt vorzunehmen ist. Eine Aufrechnung wird aber gerade durch § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO untersagt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären.

Das Gericht hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil es die Frage der Bindung an die getroffenen Festsetzungen im Abrechnungsverfahren noch nicht als abschließend geklärt ansieht.