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Entscheidung 13 UF 84/15


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 08.09.2016
Aktenzeichen 13 UF 84/15 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

1. Begehrt der Unterhaltspflichtige die Herabsetzung von einseitig tituliertem Unterhalts, muss er neben seinen aktuellen Einkommensverhältnissen auch diejenigen nach Grund und Höhe darlegen (§ 239 Abs. 1 Satz 2 FamFG), die ihn zur Errichtung der vollstreckbaren Urkunde veranlasst hatten, wie auch die Gründe dafür, dass der Unterhaltsberechtigte die Einkommensminderung durch Unterhaltskürzungen nunmehr nach § 242 BGB mittragen soll. Die Grundsätze des Fehlens oder der Änderung der Geschäftsgrundlage sind hier, da es an einer solchen fehlt, weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar (vgl. Wendl/Schmitz, Unter-haltsrecht, 9. Aufl., § 10, Rn. 280; Bömelburg in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 239, Rn. 26 b, jeweils m.w.N.).

2. Ein etwaiger Verstoß eines Bevollmächtigten gegen § 43 a Abs. 4 BRAO, § 3 BORA lässt die Wirksamkeit seiner Rechtshandlungen (vgl. §§ 114 Abs. 1 FamFG, 78 ZPO) unberührt (vgl. Zuck in: Gaier/Wolf/Göcken, anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 3 BORA BORA, Rn. 36). Die Erteilung der Prozessvollmacht ist als abstrakte Prozesshandlung im weiteren Sinne grundsätzlich nicht abhängig vom Bestand eines (wirksamen) Grundverhältnisses (vgl. BGH NJW 1993, 1926; OLG Hamm NJW 1992, 1174 (1175)). Daher berührt ein Verstoß des Rechtsanwalts gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43 a Abs. 4 BRAO) oder selbst die Versagung der Berufstätigkeit (§ 45 BRAO) weder die Wirksamkeit der Prozessvollmacht noch - entsprechend §§ 114 a Abs. 2, 155 Abs. 5 BRAO - der vom Bevollmächtigten namens der Partei vorgenommenen Prozess- oder Verfahrenshandlungen (vgl. BeckOK ZPO/Piekenbrock, ZPO, § 80 Rn. 8 m.w.N.).

3. Fortbildungen und Umschulungen eines Unterhaltspflichtigen, die mit verringerten Einkünften oder einem Wegfall der Leistungsfähigkeit verbunden sind, sind vom volljährigen Kind regelmäßig hinzunehmen, wenn die Arbeitsagentur die Fortbildung oder Umschulung zur Vermeidung des Verlustes des Arbeitsplatzes oder bei Arbeitslosigkeit empfiehlt und finanziert (vgl. Ehinger in: Ehinger/Griesche/Rasch, Handbuch Unterhaltsrecht, 7. Aufl., B, Rn. 48).

4. Während einer laufenden Umschulungsmaßnahme besteht regelmäßig keine Pflicht zur weiteren Erwerbstätigkeit, etwa durch Nebentätigkeit (vgl. Viefhues in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 1603 BGB, Rn. 291 m.w.N.).

5. Ein Zusammenleben der Eltern nach Titulierung von Kindesunterhalt nimmt dem in die Zukunft gerichteten Titel weder seine Vollstreckbarkeit, noch lässt es den titulierten Unterhaltsanspruch für die Zukunft entfallen (vgl. BGH FamRZ 1997, 281 Rn. 14).

6. In Ansehung weiterer Unterhaltsberechtigter muss der Unterhaltspflichtige darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er tatsächlich an vor- oder gleichrangige Berechtigte leistet und er deshalb nicht mehr ausreichend leistungsfähig ist (vgl. Viefhues in: Herberger/Martinek/Rüßmann u. a., jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 1609 BGB, Rn. 74 m.w.N.).

Tenor

I. Dem Beschwerdeführer wird Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 24.02.2015 - 20 F 129/14 - gewährt.

II. Auf die Beschwerde des Antragstellers und unter Zurückweisung seiner weitergehenden Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 24.02.2015 - 20 F 129/14 - abgeändert:

Die Jugendamtsurkunde des Jugendamts des Landkreises Potsdam-Mittelmark zum Aktenzeichen 512103.180897.Fü - Urkunden-Nr. W 279/2000 - vom 03.08.2000 wird dahin abgeändert, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin für die Zeit von Februar 2015 bis Januar 2016 keinen Unterhalt, für die Zeit Februar 2016 bis Juli 2016 einen Unterhalt in Höhe von monatlich 49 € und ab August 2016 keinen Unterhalt mehr schuldet.

Der weitergehende Antrag wird abgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.

Wert der Beschwerde: bis 6.000 €.

III. Der Beschwerdegegnerin wird mit Wirkung ab dem 12.10.2015 Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 24.02.2015 - 20 F 129/14 - unter Beiordnung von Rechtsanwältin Barsch aus Brandenburg bewilligt.

Gründe

I.

Der beschwerdeführende Antragsteller begehrt gegenüber der Antragsgegnerin, seiner am 18.08.1997 geborenen Tochter, die Streichung einer titulierten Unterhaltspflicht.

Mit Jugendamtsurkunde vom 03.08.2000 (vgl. 64) verpflichtete er sich, an die Antragsgegnerin 186,4 % des jeweiligen Regelbetrages abzgl. des hälftigen Kindergeldes zu zahlen. Am 01.12.2000 wurde eine Schwester der Antragsgegnerin geboren, deren Vater der Antragsteller ebenfalls ist.

Im Jahre 2014 trennte er sich von der Kindesmutter und zog aus der bisher gemeinsamen Wohnung aus.

Der Antragsteller verdiente bei Titulierung im Jahre 2000 als Bauingenieur 5.500 DM. Nach einer betriebsbedingten Kündigung zum 31.12.2000 und erfolglosen bundesweiten Bewerbungen verdiente er im Versicherungsgewerbe bis Mitte 2007 ein vergleichbares Einkommen in verschiedenen selbständigen Tätigkeiten, die jeweils wegen unzureichenden Provisionsaufkommens gekündigt wurden. In der Folgezeit arbeitete er bis Oktober 2009 in einem Callcenter, sodann bis Juli 2011 wiederum als selbständiger Verkaufsberater, von August 2011 bis August 2013 erneut in einem Callcenter, bis er von September 2013 bis Dezember 2013 arbeitslos war und in dieser Zeit als Pizzafahrer arbeitete. Im April 2014 war er kurzfristig als Bauleiter beschäftigt, wobei das Beschäftigungsverhältnis noch im ersten Probemonat gekündigt wurde. Im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrages erzielte er von Oktober bis Dezember 2014 bei der Firma Amazon ein Nettoeinkommen von monatlich 1.002,14 €. Auf Vermittlung des Jobcenters schloss er am 14.01.2015 mit einem Berufsfortbildungswerk eine Vereinbarung über die Teilnahme an einer Aktivierungsmaßnahme gemäß § 45 SGB III und begann am 16.01.2015 eine von der Arbeitsagentur finanzierte Umschulung zum Lokführer.

Der Antragsteller hat gemeint, aufgrund veränderter Umstände nicht mehr leistungsfähig zu sein.

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen. Den Antragsteller treffe eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB und er habe die Erfüllung hinreichender Erwerbsobliegenheiten nicht dargetan.

Der Antragsteller hat gegen den ihm am 19.03.2015 zugestellten Beschluss am 21.04.2015 beim Amtsgericht Beschwerde eingelegt, nach Hinweis des Vorsitzenden vom 29.04.2015, ihm zugegangen am 07.05.2015, dass beabsichtigt sei, die Beschwerde wegen Nichteinhaltung der Beschwerdefrist als unzulässig zu verwerfen, am 07.05.2015 Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist erbeten und am 11.05.2015 die Beschwerde erneut beim Amtsgericht eingelegt.

Mit seiner gegen den angefochtenen Beschluss gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsteller die Streichung seiner Unterhaltspflicht uneingeschränkt weiter. Das Amtsgericht habe zu Unrecht einen Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit angenommen. In Ansehung ihrer während des Beschwerdeverfahrens eingetretenen Volljährigkeit habe die Antragsgegnerin überdies unzureichend zu den Haftungsverhältnissen ihrer Eltern vorgetragen.

Der Antragsteller beantragt der Sache nach,

die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist

und in der Sache,

unter Abänderung der Jugendamtsurkunde vom 03.08.2000 vor dem Jugendamt des Landkreises Potsdam-Mittelmark zum Aktenzeichen 512103.180897.Fü, UR: W 279/2000, wird der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin auf 0 gestellt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Wiedereinsetzungsantrag abzulehnen und

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und trägt nach Eintritt ihrer Volljährigkeit zu den Einkommensverhältnissen ihrer Mutter vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den Schriftsatzwechsel im Beschwerderechtszug. Er entscheidet, wie angekündigt (208) ohne mündliche Verhandlung, von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war.

II.

1. Der nach §§ 113 Abs. 1 Satz 1, 117 Abs. 5 FamFG, 233 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung ist begründet, da den Antragsteller an der Versäumung der Beschwerdefrist kein Verschulden trifft, § 233 Satz 1 ZPO. Die Kausalität eines etwaigen Organisationsmangels der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers für die Versäumung der Beschwerdefrist lässt sich nicht feststellen.

2. Die statthafte (§§ 58 ff. FamFG) und nach dem Vorstehenden auch im Übrigen zulässige (§ 117 FamFG) Beschwerde hat überwiegend Erfolg.

a) Der Abänderungsantrag ist zulässig, § 239 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Weil die einseitig erstellte Jugendamtsurkunde regelmäßig zugleich ein Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB beinhaltet, muss eine spätere Herabsetzung der Unterhaltspflicht die Bindungswirkung dieses Schuldanerkenntnisses beachten (vgl. BGH FamRZ 2011, 1041, Rn. 26 m.w.N.). Der Unterhaltspflichtige, der eine Herabsetzung des einseitig titulierten Unterhalts begehrt, muss deshalb neben den aktuellen Einkommensverhältnissen auch diejenigen nach Grund und Höhe darlegen (§ 239 Abs. 1 Satz 2 FamFG), die ihn zur Errichtung der vollstreckbaren Urkunde veranlasst hatten, wie auch die Gründe dafür, dass der Unterhaltsberechtigte die Einkommensminderung durch Unterhaltskürzungen nunmehr nach § 242 BGB mittragen soll. Die Grundsätze des Fehlens oder der Änderung der Geschäftsgrundlage sind hier, da es an einer solchen fehlt, weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar (vgl. Wendl/Schmitz, Unterhaltsrecht, 9. Aufl., § 10, Rn. 280; Bömelburg in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 239, Rn. 26 b, jeweils m.w.N.). Diesen Anforderungen ist der Antragsteller nachgekommen.

Entgegen seiner Ansicht ist die Antragsgegnerin im Übrigen durch ihre Verfahrensbevollmächtigte auch wirksam vertreten, §§ 114 Abs. 1 FamFG, 78 ZPO. Ein etwaiger Verstoß eines Bevollmächtigten gegen § 43 a Abs. 4 BRAO, § 3 BORA lässt die Wirksamkeit seiner Rechtshandlungen unberührt (vgl. Zuck in: Gaier/Wolf/Göcken, anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 3 BORA BORA, Rn. 36). Die Erteilung der Prozessvollmacht ist als abstrakte Prozesshandlung im weiteren Sinne grundsätzlich nicht abhängig vom Bestand eines (wirksamen) Grundverhältnisses (vgl. BGH NJW 1993, 1926; OLG Hamm NJW 1992, 1174 (1175)). Daher berührt ein Verstoß des Rechtsanwalts gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43 a Abs. 4 BRAO) oder selbst die Versagung der Berufstätigkeit (§ 45 BRAO) weder die Wirksamkeit der Prozessvollmacht noch – entsprechend §§ 114 a Abs. 2, 155 Abs. 5 BRAO – der vom Bevollmächtigten namens der Partei vorgenommenen Prozess- oder Verfahrenshandlungen (vgl. BeckOK ZPO/Piekenbrock, ZPO, § 80 Rn. 8 m.w.N.).

b) Der Abänderungsantrag ist weitgehend begründet, §§ 239 Abs. 2 FamFG, 242 BGB.

aa) Für die Monate Februar 2015 bis Januar 2016 muss sich der Antragsteller an seinem Schuldanerkenntnis, das im Zweifel begrenzt ist auf die Verpflichtung, den gesetzlich geschuldeten Unterhalt zu leisten, nach § 242 BGB nicht mehr festhalten lassen.

Ein tatsächliches Einkommen des Antragstellers unterhalb seines Selbstbehaltes in den mit Rechtshängigkeit maßgeblichen Monaten ab Februar 2015 (vgl. 124 a) ist unstreitig. Bis Februar 2016 ist ihm auch kein fiktives Einkommen zuzurechnen (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB). Fortbildungen und Umschulungen eines Unterhaltspflichtigen, die mit verringerten Einkünften oder einem Wegfall der Leistungsfähigkeit verbunden sind, sind vom volljährigen Kind regelmäßig hinzunehmen, wenn die Arbeitsagentur die Fortbildung oder Umschulung zur Vermeidung des Verlustes des Arbeitsplatzes oder bei Arbeitslosigkeit empfiehlt und finanziert, wie hier (vgl. Ehinger in: Ehinger/Griesche/Rasch, Handbuch Unterhaltsrecht, 7. Aufl., B, Rn. 48). Das gilt aufgrund der vorliegenden besonderen Umstände auch gegenüber der Antragsgegnerin als zunächst noch Minderjährige und sodann privilegierte Volljährige.

Die Aufgabe seiner Tätigkeit als Ingenieur und sein beruflicher Wechsel 2001 in die Selbständigkeit im Versicherungswesen ist dem Antragsteller nicht als leichtfertig vorzuhalten, da sie unwidersprochen im Einvernehmen mit der Kindesmutter und innerhalb einer insoweit gemeinsamen Lebensplanung erfolgt sind. Das Gleiche gilt in Ansehung seines sich nach Jahren wegen fehlender Verkaufserfolge abzeichnenden beruflichen Niedergangs als Selbständiger und seinen anschließenden abhängigen Tätigkeiten in verschiedenen Callcentern, zuletzt schließlich als Pizzabote und Lagerarbeiter. Reale Erwerbschancen als Ingenieur waren dem 1963 geborenen Antragsteller nach 14 Jahren beruflicher Untätigkeit im Bausektor inzwischen verschlossen, unter anderem wegen veralteten Wissens, vorangeschrittener Bautechnik und neueren Materialentwicklungen, wie sich aus dem unwidersprochen vorgebrachten Gründen zur Kündigung vom 30.04.2014 ergibt, sowie daraus, dass das Jobcenter ihn lediglich als vermittelbar für Callcenter und Lagerarbeiter eingestuft hat. In Ansehung seiner hier erzielten Einkommen, seiner sozialmedizinischen Epikrise im ärztlichen Entlassungsbericht nach seiner Reha vom 14.01.2013 (vgl. 75) und bei einer Arbeitsperspektive im Niedriglohnbereich, der bei einem Mindestlohn von 8,50 €/pro Stunde und 40 Wochenstunden bei der Steuerklasse 1 dem Antragsteller nicht einmal ein Nettoeinkommen oberhalb seines notwendigen Selbstbehaltes ermöglicht, war dem Antragsteller, nachdem er abermals ohne Arbeitsstelle war, zuzubilligen, wenn nicht sogar abzuverlangen, berufsfördernde Maßnahmen mitzumachen und an der ihm nach § 45 SGB III offenstehenden Maßnahme teilzunehmen. Der Arbeitslose muss auch seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt aktiv steigern (vgl. Viefhues in: Herberger/Martinek/Rüßmann, u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 1603, Rn. 691 m.w.N.). Hier tritt hinzu, dass die Ausbildung zum Trieblokführer für den Antragsteller prognostisch in nur neun Monaten zu bewerkstelligen war und erhebliche und nachhaltig verbesserte Einkommensperspektiven mit sich brachte, von denen auch die Antragsgegnerin deutlich profitieren würde.

Während einer laufenden Umschulungsmaßnahme besteht regelmäßig keine Pflicht zur weiteren Erwerbstätigkeit, etwa durch Nebentätigkeit (vgl. Viefhues in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 1603 BGB, Rn. 291 m.w.N.). Das gilt hier umso mehr in Ansehung des vom Antragstellers substantiiert vorgebrachten zusätzlichen erheblichen Lernaufwandes außerhalb der regulären Unterrichtszeiten.

Dass dieser Ausbildungsversuch letztlich mit dem Nichtbestehen einer Wiederholungsprüfung im Januar 2016 scheiterte, begründet noch keine rückwirkende fiktive Leistungsfähigkeit. Wird auch diese Ausbildung nicht erfolgreich abgeschlossen, kann das dem Unterhaltsschuldner nicht rückwirkend zum Nachteil gereichen, wenn Teile, wie hier, erfolgreich absolviert wurden, und sein Versuch einer beruflichen Qualifikation deshalb nicht etwa von vornherein zum Scheitern verurteilt war, wofür hier im Übrigen auch nichts ersichtlich ist.

bb) Ab Februar 2016 ist der Antragsteller der Antragsgegnerin mit einem Haftungsanteil (vgl. Nr. 13.3 Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (LL)) von 49 € barunterhaltspflichtig. Er hat am 29.10.2015 die Prüfung zum Rangierbegleiter bestanden (268) und als solcher könnte er monatlich brutto 2.118,56 € erzielen (vgl. http://www.tarifregisternrw.de/pdf/RepTVVO/2-06-FGr-2-2015.pdf), was bei Steuerklasse 1 ohne Kirchensteuer einen Nettobetrag von 1.445,03 € entspricht, bereinigt mithin 1.373 €.

Das Fehlen einer Beschäftigungschance des Antragstellers, den bereits während seiner Umschulung und erst recht nach seinem ersten Nichtbestehen der Prüfung zum Trieblokführer die Obliegenheit trifft, sich um einen Arbeitsplatz zu bemühen (vgl. Viefhues in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 1603 BGB, Rn. 691 m.w.N.), lässt sich mangels hinreichender Bewerbungsbemühungen nicht feststellen.

Das Einkommen ihrer Mutter hat die Antragstellerin, die sich einen etwaigen Verstoß ihrer Mutter gegen eine Erwerbsobliegenheit, die hier in Ansehung ihrer Betreuung eines weiteren minderjährigen Kindes ohnehin eher fernliegt, nicht entgegenhalten lassen müsste, mit monatsdurchschnittlich 2.030,38 €, bereinigt 1.929 € substantiiert vorgebracht und durch Vorlage der entsprechenden Gehaltsbescheinigungen dokumentiert. Das zusammengerechnete Einkommen der Eltern beträgt somit 3.302 € und führt nach DT 6/4 zu einem Bedarf von 471 €. Vermindert um einen Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Eigenbedarfs (vgl. Wendl/Klinkhammer, Unterhaltsrecht, 9. Aufl., § 2, Rn. 595 m.w.N.) von 1.300 €, ergeben sich bei einem Einsatzbetrag von 73 € beim Antragsteller und von 629 € bei der Mutter der Antragsgegnerin Haftungsanteile von 49 € und 422 €.

Seiner Unterhaltspflicht kann der Antragsteller weder ein vorübergehendes Zusammenleben mit der Antragsgegnerin und deren Mutter entgegenhalten, noch die Geburt eines weiteren Unterhaltsberechtigten.

Ein Zusammenleben der Eltern nach Titulierung von Kindesunterhalt nimmt dem in die Zukunft gerichteten Titel weder seine Vollstreckbarkeit, die der Antragsteller ohnedies ausdrücklich nicht zur Überprüfung stellt, noch lässt es den titulierten Unterhaltsanspruch für die Zukunft entfallen (vgl. BGH FamRZ 1997, 281 Rn. 14).

In Ansehung eines weiteren Unterhaltsberechtigten muss der Unterhaltspflichtige darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er tatsächlich an vor- oder gleichrangige Berechtigte leistet und er deshalb nicht mehr ausreichend leistungsfähig ist (vgl. Viefhues in: Herberger/Martinek/Rüßmann u. a., jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 1609 BGB, Rn. 74 m.w.N.). Derartigen Vortrag hat der Antragsteller nicht erhoben.

cc) Für die Zeit ab August 2016 lässt sich ein Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin nicht feststellen. Volljährige Kinder, die sich keiner Berufsausbildung unterziehen, sind grundsätzlich nicht unterhaltsbedürftig (vgl. Wendl/Klinkhammer, Unterhaltsrecht, 9. Aufl., § 2, Rn. 55 m.w.N.). Zu einer beabsichtigten Berufsausbildung nach Schulabschluss oder zu ihren sonstigen Lebensumständen hat die dafür darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegnerin nichts dargelegt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG. Das Unterliegen des Antragstellers betrifft einen Zeitraum nach den Monaten, die für die Wertfestsetzung relevant sind. Berücksichtigt man für das Unterliegen nur diese wertrelevanten Monate, so fehlt es an einem Unterliegen. Berücksichtigt man für die Kostenentscheidung auch spätere Zeiträume, so stellt sich das Unterliegen als geringfügig dar.

Die Wertfestsetzung folgt aus den §§ 55 Abs. 2, 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG (12 x 467 €, vgl. 65).

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG), besteht nicht.