Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 20 C 421/09


Metadaten

Gericht AG Lübben Entscheidungsdatum 19.02.2010
Aktenzeichen 20 C 421/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Mietwagenkosten des Autohauses O. in Höhe von 335,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 11. Juni 2006 freizustellen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Auf das Absetzen eines Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die grundsätzliche Haftung der Beklagten gemäß § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG ist zwischen den Parteien unstreitig. Streitig sind indes restliche Mietwagenkosten in Höhe von 335,58 EUR.

Die Klägerin ist berechtigt, von den Beklagten die Freistellung für die Differenz zwischen der bislang von der Beklagten erbrachten Zahlung in Höhe von 430,78 EUR zu der von der Klägerin begehrten Zahlung in Höhe von 766,36 EUR, in Höhe der geltend gemachten Klageforderung zu verlangen. Im Einzelnen:

Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Geschädigte kann gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Kosten verlangen. Was insoweit erforderlich ist, richtet sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Fahrzeugeigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte.

Hieran gemessen, kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, die Klägerin sei verpflichtet gewesen, aufgrund des Umstandes, dass ihr verunfalltes Fahrzeug das 11. Zulassungsjahr aufwies, ein klassentieferes Fahrzeug anzumieten. Das erkennende Gericht schließlich sich insoweit der Rechtsprechung des OLG Hamm (Urteil vom 26. Januar 2000, NZV 2001, 217) und nicht der des LG Mainz (Urteil vom 18. 3. 1998 (NZV 1999, 250) an, wonach allein das Alters des Fahrzeugs nicht die Annahme rechtfertigt, der Geschädigte müsse ein klassentieferes Fahrzeug anmieten. Das Alter eines Pkw mindert nicht ohne weiteres dessen Gebrauchswert, sondern allenfalls den Komfort und auch die Sicherheit (beispielsweise durch fehlende Airbags). Durch einen solchen Abzug würde indes die Haftpflichtversicherung ohne zwingenden Grund zu Lasten des Geschädigten entlastet. Auch ist die Beklagte nicht berechtigt, die Klägerin darauf zu verweisen, der Abschluss einer Vollkaskoversicherung sei vorliegend nicht ersatzfähig. Unabhängig davon, ob das verunfallte Fahrzeug der Klägerin, wie diese behauptet, vollkaskoversichert war, ist sie als Geschädigte grundsätzlich berechtigt, für das gemietete Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung abzuschließen (vgl. insoweit auch BGH, Urteil vom 15.2.2005, NJW 2005, 1041). Dies erscheint bereits deshalb angemessen, da für den Fahrer unbekannter Fahrzeuge ein erhöhtes Unfallrisiko besteht, das der Geschädigte nicht selbst zu tragen braucht (vgl. insoweit auch OLG Hamm, Urteil vom 9.12.1963, NZV 1994, 188). Schließlich kann die Beklagte die Klägerin auch nicht darauf verweisen, diese hätte zuvor andere Angebote einholen müssen, da sie vorliegend nur den ersatzfähigen Normaltarif und nicht einen erhöhten Unfallersatztarif geltend macht.

Des Weiteren dringt die Beklagte nicht mit dem Argument durch, erforderlichen Mietwagenkosten könnten nicht anhand der Schwacke-Automietpreisliste berechnet werden. Das Gericht geht nach seinem pflichtgemäß ausgeübten Ermessen davon aus, dass der sogenannte gewichtete Normaltarif nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel für das jeweilige Postleitzahlengebiet des Geschädigten einen geeigneten Anknüpfungspunkt für die Berechnung der Mietwagenkosten darstellt. Es verkennt insoweit nicht, dass nicht alle Gerichte die Schwacke-Automietpreisspiegel als Schätzgrundlage anwenden, sondern dass sich andere Gerichte – wie von der Beklagten dargetan – auf die Schätzung der Mietpreisermittlung durch das Fraunhofer Instituts stützen. Das Gericht hat sich insoweit im Rahmen seines tatrichterlichen Ermessens zu bewegen (vgl. BGH, Urteil vom 11.3.2008, NJW 2008, 1519). Zuzugeben ist der Beklagten, dass die Durchschnittspreise der Tarife des Fraunhofer Instituts unter den sich aus dem Schwacke-Mietpreisspiegel errechnenden Normaltarifen liegen. Zudem beruhen die Ergebnisse dieser Studie auf einer anonymen Befragung, während die Tarife der Schwacke-Liste aufgrund einer Selbstauskunft der Vermieter in Kenntnis dessen, dass die Angaben zur Grundlage einer Marktuntersuchung gemacht werden, zustande gekommen sind. Auch unter Berücksichtigung dieser Umstände, geht das erkennende Gericht indes nicht davon aus, der Marktpreisspiegel des Fraunhofer-Instituts sei der Schwacke-Liste überlegen. So ist nämlich auch diese Tabelle nicht unumstritten.Es bestehen hinsichtlich der Tabelle des Fraunhofer Instituts ebenfalls Bedenken, ob nicht ein zu kleines Marktsegment abgefragt worden ist (vgl. insoweit auch LG Düsseldorf, Urteil vom 5.11.2009, BeckRS 2009 87703). Das Gericht schließt sich insoweit den Erwägungen des OLG Köln in seinem Urteil vom 3. März 2009 (NZV 2009, 447) an: Grundlage des vom Fraunhofer- Instituts erstellten Marktpreisspiegel ist eine Erhebung von Daten über Telefon und Internet in der Zeit vom 19. Februar bis 16. April 2008. Die Datenerfassung hat sich auf Situationen beschränkt, in denen ein Mietwagen per Telefon oder über das Internet gebucht wird. Ermittelt worden sind die Preise ausschließlich auf der Grundlage einer einwöchigen Vorbuchfrist. Zudem ist die Recherche auf eine zweistellige Zuordnung von Postleitzahlen bezogen. Dem Vorteil, den die Anonymität der der Anfragen bieten mag, steht das im Verhältnis zur Schwacke-Automietpreisliste geringere Ausmaß der Datenerfassung gegenüber. Im Ergebnis bestehen daher keine durchgreifenden Bedenken gegen die Ermittlung der erforderlichen Mietwagenkosten anhand der Schwacke-Automietpreisliste.

Schließlich greift auch der Einwand der Beklagten nicht durch, die Klägerin habe mit der Autovermietung vereinbart, „dass sie selbst nichts zu zahlen haben werde und die Vermieterin ihrerseits versuchen werde, von der eintrittspflichtigen Versicherung soviel auf die Mietwagenkostenrechnung zu erhalten, wie gerade möglich ist.“ Für diese Mutmaßung der Beklagten gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Zumal insoweit auch zu berücksichtigen war, dass die Klägerin die an sie gerichtete Rechnung zu den Akten reichte und das Gericht entgegen dem von der Beklagten zitierten Entscheidung (AG Salzgitter, Urteil vom 12.11.2009, 23 C 316/09) über keinerlei Erfahrungssätze verfügt, nach denen die von der Klägerin in Anspruch genommene Autovermietung ihren Kunden regelmäßig suggeriert, die gegnerische Versicherung werde alle Kosten tragen.

Zu gering bemessen hat die Klägerin bei ihrer Berechnung indes den Abzug für die Eigenersparnis in Höhe von 3%. Das Gericht schließt sich insoweit der Rechtsprechung des OLG Hamm (Urteil vom 20.3.2000 VersR 2001, 206) an, wonach der Abzug bei den Mietwagenkosten für ersparte Eigenaufwendungen 10% beträgt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Eigenersparnis 15-20% gemäß der früher herrschenden Meinung betrage (vgl. insoweit Grüneberg, in Palandt, 69. Auflage 2010, § 249 Rn. 36), ergibt sich bei 20% ein Abzugsposten von 233,34 EUR. Damit verbleibt ein Anspruch in Höhe von 1.105,71 EUR, der noch über dem von der Klägerin geltend gemachten Betrag in Höhe von insgesamt 766,36 EUR liegt.

Die Zinsentscheidung beruht auf § 286 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit in §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert wird auf 335,58 EUR festgesetzt.