Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Verletztenrente - vorläufige Rente - Abfindung - MdE - Verbrennungsfolgen...

Verletztenrente - vorläufige Rente - Abfindung - MdE - Verbrennungsfolgen - Hauttransplantation - multiple Narben


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 22.09.2011
Aktenzeichen L 3 U 88/07 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 581 RVO, § 1585 RVO

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. Februar 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 05. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2002 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. März 1980 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. ab dem 01. Dezember 1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines am 26. März 1980 erlittenen Arbeitsunfalls.

Der 1962 als zweitgeborener Zwilling und Frühgeburt in R geborene Kläger verblieb wegen einer schweren Ernährungsstörung zunächst im Krankenhaus, danach kam er ins staatliche Säuglingsheim und später ins Kinderheim in L. Vom ersten Lebensjahr an fiel bei ihm eine deutliche Retardierung der psychisch-geistigen und statisch-motorischen Entwicklung auf, im Dezember 1965 erfolgte zudem nach einer Masernpneumonie eine Lungenteilresektion in der Kinderklinik F. Die Einschulung wurde 1968 zurückgestellt, ab Oktober 1969 besuchte der Kläger die Heimsonderschule B. Der Dipl.-Psych. I. W von der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern W stellte nach einer entsprechenden Testung des Klägers vom 10. Februar 1975 (HAWIK) ein unausgeglichenes Intelligenzprofil, auch als Hinweis auf eine psychisch bedingte Lernstörung, jedoch eine für den Besuch der Sonderschule für Lernbehinderte noch ausreichende Gesamtintelligenz mit einem Intelligenz-Quotienten (I.Q.) von 80 Punkten fest (Bericht vom 17. Februar 1975). Nach Auflösung der Heimsonderschule B im Jahre 1975 lebte der Kläger in einer therapeutische Wohngemeinschaft in W und besuchte bis Sommer 1979 die Förderklassen für Lernbehinderte der M Schule in S (vgl. Entwicklungsbericht des Sonderheims der Arbeitsgemeinschaft für Sozialtherapeutische Hilfswerke e. V. W vom 12. Juni 1978, Schulbericht der M Schule vom 03. Februar 1979). Vom 11. September 1979 bis zum 01. August 1984 lebte der Kläger im Heilpädagogischen Jugendheim W e. V. Dort wurde er zum Zwecke der Berufsvorbereitung und Berufsausbildung bei „Retardierung mit Verdacht auf Hirnschädigung und starkem Hospitalismus“ zunächst in der Lampenwerkstatt und ab Februar 1980 in der Malerwerkstatt eingesetzt (vgl. Entwicklungsberichte von Dr. F vom Heilpädagogischen Jugendheim W vom 30. Oktober 1980 und vom 26. Mai 1981).

Am 26. März 1980 war der Kläger mit anderen Jugendlichen der Malerwerkstatt zum Grundieren von Nut- und Federbrettern eingesetzt. Als diese eine brennende Zigarettenkippe in eine Büchse mit Holzschutzgrund bzw. Nitroverdünnung warfen, kam es zu einem Brand, den der Kläger durch Austreten löschen wollte (so Bericht des Durchgangsarztes <DA> Dr. S vom 26. März 1980, Dr. F im Entwicklungsbericht vom 30. Oktober 1980). Hierbei zog sich der Kläger oberflächliche und tiefe Verbrennungen von etwa 6 bis 7 % Ausdehnung am rechten Unterschenkel unter Einbeziehung von Fußrücken und Knöchelgegend sowie Verbrennungen zweiten Grades am ersten bis vierten Finger links zu. Er befand sich vom 26. März bis zum 24. Dezember 1980 in stationärer Behandlung im Kreiskrankenhaus C, wo aufgrund rezidivierender Entzündungen wiederholt (ca. 20 Mal) Hauttransplantationen vorgenommen werden mussten (vgl. DA-Bericht des Dr. S vom 26. März 1980, Epikrise des Kreiskrankenhauses C vom 16. Februar 1981). Wegen einer zunehmenden depressiven Entwicklung aufgrund des langen stationären Aufenthaltes musste der Kläger zudem im Oktober 1980 mit Antidepressiva behandelt werden (vgl. Krankengeschichte des Kreiskrankenhauses C).

Im Auftrag der Beklagten wurde der Kläger am 04. Dezember 1981 von den Fachärzten für Chirurgie Dr. K und Dr. S untersucht. Hierbei klagte er u. a. darüber, dass er wegen der ausgedehnten Narben am gesamten Körper in der Öffentlichkeit von vielen gemieden und aus Schwimmbädern öfter verwiesen werde. In ihrem Gutachten vom 10. Februar 1982 beschrieben die Gutachter als Unfallfolgen

a) am rechten Bein:

-eine ausgedehnte narbige, rissige Oberfläche des Unterschenkels und Fußrückens mit in diesem Bereich erheblich herabgesetztem Berührungsempfinden,
-ausgedehnte Narbenfelder am Oberschenkel,
-eine Muskelabmagerung der Ober- und Unterschenkelmuskulatur,
-eine Kraftminderung des Beines,
-eine Bewegungseinschränkung im Knie- sowie im oberen und unteren Sprunggelenk sowie in den Zehengelenken.

b) in den Körperregionen, in denen Spalthaut entnommen worden war, d. h. an beiden Armen, der vorderen Bauchwand und am linken Bein:

-ausgedehnte streifige Narben mit etwas herabgesetztem Berührungsempfinden.

Die Gutachter führten aus, der Behandlungsverlauf der Verbrennungen im Bereich des rechten Unterschenkels und Fußes sei langwierig und kompliziert gewesen aufgrund mehrfachen Abstoßens von Hauttransplantaten und wiederholter Entzündungen - auch an den Entnahmestellen. Unfallfremd seien ein Zustand nach Lungenoperation rechts sowie nach Bruch des rechten Handgelenkes und eine geistige Behinderung. Die MdE schätzten sie für die Zeit vom 02. Februar bis zum 03. Dezember 1981 mit 20 v. H. und für die Zeit danach bis auf Weiteres mit 15 v. H. ein.

Daraufhin bewilligte die Beklagte mit dem „Bescheid über vorläufige Rente nach §§ 580, 581, 583 und 1585 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO)“ vom 19. Juli 1982 dem Kläger für die Zeit vom 02. Februar 1981 bis zum 31. Dezember 1981 Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. Als Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. März 1980 erkannte sie an:

„Ausgedehnte Narbenfelder am rechten Oberschenkel, ausgedehnte narbige rissige Oberfläche des rechten Unterschenkels und des Fußrückens mit in diesem Bereich erheblich herabgesetztem Berührungsempfinden, Verminderung der Ober- und Unterschenkelmuskulatur rechts, Kraftminderung des rechten Beines, Bewegungseinschränkung im Knie- und oberen und unteren Sprunggelenk sowie in den Zehengelenken rechts nach Verbrennung 2. und 3. Grades des rechten Unterschenkels und des rechten Fußrückens.

Die Verbrennungen des 1. und 2. Grades an den Fingern der linken Hand sind folgenlos verheilt.“

Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden nicht anerkannt: „Handgelenksbruch rechts.“

Vom 01. September 1981 bis zum 01. August 1984 absolvierte der Kläger in den Werkstätten des Heilpädagogischen Jugendheimes W eine Ausbildung zum Maler (vgl. Reha-Bericht der Abteilung Berufsberatung des Arbeitsamtes S vom 07. August 1981, Auskunft der Sozialtherapeutischen Gemeinschaften W e. V. vom 25. August 2010). Eine hierbei am 29. August 1982 beim Transportieren einer Waschmaschine erlittene Handgelenksverstauchung rechts, die Arbeitsunfähigkeit bis zum 12. September 1982 bedingte, heilte folgenlos aus (vgl. DA-Berichte des Dr. S vom 31. August 1982 und 09. September 1982).

Am 22. Januar 1991 erstellten Prof. Dr. W/Dr. V von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T im Auftrag der Beklagten ein unfallchirurgisches Gutachten. Bei der am 13. Dezember 1990 erfolgten Untersuchung des Klägers zeigte sich die Muskulatur an den Oberschenkeln annähernd seitengleich ausgeprägt, am rechten Unterschenkel fand sich jedoch im Vergleich zur Gegenseite eine deutliche Muskelminderung mit einer Umfangsminderung von bis zu 3,5 cm. Am rechten Unterschenkel sowie am rechten Fußrücken fanden sich reizlos eingeheilte Hauttransplantate mit etwas unregelmäßiger Oberfläche mit vermehrten Pigmentierungen, jedoch ohne Sekretabsonderungen bei multiplen Kratzspuren. Über der Schienbeinvorderkante fand sich vermehrt mit der Unterlage verbackene und verletzungsempfindliche transplantierte Haut. Am rechten Oberschenkel, am linken Unterschenkel sowie am rechten Unterarm fanden sich multiple, leicht keloidartige, im Übrigen reizlose Entnahmestellen nach Hauttransplantation. Im rechten oberen Sprunggelenk bestand im Vergleich zur Gegenseite eine leichte Bewegungseinschränkung (Heben/Senken des Fußes: 15/0/30), während die unteren Sprunggelenke sowie die Zehen seitengleich frei beweglich waren. Die Kniegelenke zeigten sich unauffällig mit freier Beweglichkeit. Verletzungsfolgen im Bereich der linken Hand waren nicht mehr nachweisbar. Die sich auf der Vorderseite des linken Oberschenkels im Bereich der Haut-Entnahmestellen zeigende ausgeprägte Krampfaderbildung werteten die Gutachter als unfallunabhängig, da kein Zusammenhang mit der erlittenen Verletzung bzw. der erfolgten Hautentnahme zu sehen sei. Die Gutachter stuften unter Dauerrentengesichtspunkten die MdE für die verbliebenen Unfallfolgen (Ausgedehnte, teilweise vermehrt mit der Unterlage verbackene und vermehrt verletzliche Narbenbildung am rechten Unterschenkel und am rechten Fußrücken; reizlose Narbenbildungen nach Hautentnahme am rechten Oberschenkel, am linken Unterschenkel sowie am rechten Unterarm; deutliche Muskelabschwächung der rechten Wade; leichte Bewegungseinschränkung im rechten oberen Sprunggelenk) ab dem 01. Januar 1982 mit 15 v. H. ein.

Der Kläger, der zwischenzeitlich als Maler sowie als Schreinerhelfer bei der Arbeitshilfe der Caritas tätig und im Jahr 1994 (erneut) für 6 Wochen wegen einer offenen Stelle am rechten Außenknöchel arbeitsunfähig war, wurde im Auftrag der Landesversicherungsanstalt (LVA) Württemberg durch die Internistin Dr. R untersucht. Hierbei berichtete der Kläger über eine seit Jahren andauernde Kopfschmerzproblematik und immer wieder offene Stellen am rechten Unterschenkel, insbesondere im Bereich des Innen- und Außenknöchels. Dr. R befundete u. a. im Bereich der Oberarme und des Rumpfes zahlreiche Narben, wobei der rechte Unterschenkel vollständig von Narbengewebe umgeben und gegenüber dem linken Unterschenkel um 4 cm im Umfang vermindert sei (Gutachten vom 10. November 1994).

In ihrem auf Veranlassung der Beklagten erstatten Zweiten Rentengutachten vom 10. Januar 1995 führten Prof. Dr. W / Dr. Vogt von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T nach Untersuchung des Klägers am 05. Januar 1995 aus, es bestehe nach wie vor eine deutliche Umfangsverminderung (- 4,5 cm) am rechten Unterschenkel im Vergleich zur Gegenseite. Diese sei zum großen Teil bedingt durch den Verlust des Unterhautfettgewebes, weniger stark jedoch durch eine Muskelminderung. Sensibilitätsstörungen im Bereich der unteren Extremitäten würden auch im Bereich der Narbenfelder verneint, motorisch-neurologische Ausfallerscheinungen seien nicht nachweisbar. Die Fußpulse seien an den typischen Stellen seitengleich gut tastbar. Es bestehe eine leichte Einschränkung des Fußhebens im rechten oberen Sprunggelenk (Heben/Senken des Fußes: 10/0/40) im Vergleich zur Gegenseite, bedingt durch die hier vorliegende Narbenbildung, weiterhin eine endgradige Einschränkung der Beweglichkeit des rechten unteren Sprunggelenks auf 4/5. Die Funktion der Zehen sei seitengleich ungestört. Vom Unfall unabhängige krankhafte Veränderungen seien der Zustand nach Lungenoperation, die deutliche Krampfaderbildung am linken Oberschenkel und etwas geringer ausgeprägt am linken Unterschenkel, der klinisch deutliche Knorpelschaden an den Kniescheibenrückenflächen beidseits (retropatellare Chondropathie, links stärker als rechts) sowie der bekannte Morbus Scheuermann der Lendenwirbelsäule (LWS). Die MdE aufgrund der Unfallfolgen werde weiterhin mit 15 v. H. eingeschätzt, es handele sich um einen Endzustand.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 1996 wandte sich der Kläger, damals vertreten durch den Sozialverband Reichsbund e. V., an die Beklagte und beantragte die Gewährung einer Verletztenrente sowie die Rücknahme der ersten bindenden Rentenfeststellung. Die MdE sei mit 15 v. H. für die ausgeprägten Vernarbungen zu niedrig angesetzt. Neben der Muskelminderung des rechten Beines und der unzureichenden Hautdeckung mit Pergamenthaut, die kälteempfindlich sei, bei Berührung leicht zerstört werde und zu Geschwüren neige, liege eine Schwellneigung des rechten Sprunggelenkes nebst Bewegungseinschränkung aufgrund der durch Hautspannung eingetretenen Versteifung vor. Schon 1980 habe sich im rechten Kniegelenk eine leichte Bewegungseinschränkung bei der Beugung gezeigt, so dass die Kniegelenksbeschwerden ebenfalls bei der MdE-Bildung zu berücksichtigen seien. Des Weiteren seien das Einschlafen beider Füße, die Durchblutungsstörungen und die Krampfaderbildung auf den Unfall zurückzuführen. Unberücksichtigt geblieben sei die entstellende Wirkung der über den ganzen Körper verteilten Narben. So sei er schon aus Badeanstalten hinaus geworfen worden, weil er „Ekel erregend aussehe“. Die Situation von Seiten der Knie- und Sprunggelenke habe sich zudem verschlimmert, so dass die MdE sicherlich nunmehr bei 30 v. H. liege.

Im Hinblick auf einen erneuten Rentenantrag erfolgte am 31. Januar 1997 auf Veranlassung der LVA Württemberg eine sozialmedizinische Begutachtung durch Dr. Doe. Hierbei schilderte der Kläger, dass er seit 1984 wiederholt kleine offene Hautstellen gehabt habe, die zum Teil stationär hätten behandelt werden müssen. Das Berührungsempfinden ventral an beiden Oberschenkeln sowie zirkulär am rechten Unterschenkel und Fuß sei herabgesetzt. Auf dem rechten Auge bestehe schon seit frühester Kindheit eine Visusminderung. Bei der Untersuchung zeigte sich eine diskrete Behinderung beim Hackengang rechts, eine Einschränkung der Plantarflexion am rechten oberen Sprunggelenk zu einem Viertel bei im Übrigen freier Gelenkbeweglichkeit und eine Verminderung der rechten Unterschenkelmuskulatur um ca. 4 cm gegenüber links. Des Weiteren fanden sich oberflächliche Schürf- und Kratzwunden am rechten Unterschenkel und Fußknöchel, ein diskretes retropatellares Reiben beidseits sowie eine oberschenkelbetonte Varikosis beider Beine (links größer als rechts). Die Psyche wurde als freundlich zugewandt, kooperativ, einfach strukturiert beschrieben (Gutachten vom 31. Januar 1997).

Am 15. August 1997 gegen ca. 23:00 Uhr erlitt der Kläger einen weiteren Unfall, den er dem aufnehmenden Unfallarzt wie folgt schilderte: In einem erheblich alkoholisierten Zustand sei er im Rahmen eines Handgemenges eine Treppe hinunter gefallen und habe sich hierbei die Nase und das Jochbein angeschlagen. Danach sei er aus ca. 4 m Höhe aus einem Fenster gesprungen (vgl. Berichte des Chefarztes der Abteilung für Unfallchirurgie im Kreiskrankenhaus H Dr. R vom 16. Oktober 1997 und 22. Januar 1998, Notarzteinsatzprotokoll vom 15. August 1997). Der Kläger wurde nach der Einlieferung mit dem Notarztwagen am 16. August 1997 (um 00:50 Uhr) bis zum 01. September 1997 im Kreiskrankenhaus He wegen einer Fersenbeintrümmerfraktur rechts, einer Schädelprellung, einer Nasenbeinrefraktur sowie einer Jochbeinprellung links stationär behandelt (Epikrise vom 01. September 1997). Die die Ermittlungen führende Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) lehnte mit bestandskräftigem Bescheid vom 09. Februar 1999 die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Ereignisses vom 15. August 1997 mit der Begründung ab, es lasse sich nicht feststellen, dass der Kläger die Verletzungen im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit bzw. eines versicherten Weges erlitten habe.

Im Rahmen einer zwischenzeitlich von der LVA Württemberg veranlassten stationären Begutachtung (vom 10. bis zum 11. März 1998) in der Sozialmedizinischen Klinik L erstatteten der Facharzt für Chirurgie /Unfallchirurgie Dr. G sowie der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S ein fachübergreifendes Gutachten. Als Diagnosen auf chirurgischem Gebiet wurden gestellt:

-Zustand nach zweit- bis drittgradigen Verbrennungen am rechten Unterschenkel und Fußrücken sowie erst- bis zweitgradigen Verbrennungen an der rechten Hand mit jetzt noch bestehender Muskelverschmächtigung und Gebrauchsminderung am rechten Bein.
-Zustand nach Fersenbeinfraktur 1997 mit posttraumatischer Arthrose des linken (gemeint wohl rechten) oberen und unteren Sprunggelenkes sowie der Fußwurzel und Funktionseinschränkung, geminderter Belastbarkeit des rechten Beines.
-Retropatellare Chondropathie bei Wiberg-Dysplasie der Patella.
-Rezidivierendes Dorsolumbalsyndrom mit endgradiger Funktionseinschränkung bei Fehlhaltung und geringgradigen degenerativen Veränderungen.

Die Muskelverschmächtigungen bezüglich der Verbrennungen und der Fersenbeinfraktur würden sich überlagern, so dass von einer deutlichen Gebrauchsminderung des rechten Beines auszugehen sei.

Bei der nervenärztlichen Begutachtung berichtete der Kläger, dass er sich noch sehr intensiv sowohl im Wachzustand als auch im Traum an den Verbrennungsunfall erinnere, den er dann wieder erlebe. Seit diesem Unfall leide er unter „Depressionen“, was sich dahingehend präzisieren lasse, er sei einmal aus dem „Schwimmbad rausgeworfen worden“, weil er infolge der Hauttransplantationen „Ekel erregend“ aussehe. Dies habe ihn depressiv gemacht, er habe zeitweise auch Suizidvorstellungen entwickelt. Er vergleiche sich immer wieder mit seinem Zwillingsbruder, der keinen Unfall erlitten habe und gut aussehe. Derzeit lebe er vom Sozialamt, was ihn zusätzlich deprimiere. Weiter berichtete der Kläger, dass er 1997 geheiratet habe, früher habe er immer wieder kurzfristige Partnerschaften unterhalten, er habe einfach „Hemmungen wegen der Narben“ gehabt. Der Gutachter Dr. S führte aus, die Beeinträchtigung bei den Geh- und Stehprüfungen seien in erster Linie auf die Fersenbeinfraktur zurückzuführen, nicht dagegen auf eine etwaige Polyneuropathie oder periphere neurologische Erkrankungen. In psychiatrischer Hinsicht falle eine relativ klassisch geschilderte posttraumatische Belastungsreaktion auf, welche auf den Arbeitsunfall als Lehrling mit erheblichen Verbrennungen und häufigen Hauttransplantationen zurückgehe. Als Diagnosen auf nervenärztlichem Gebiet wurden gestellt:

-derzeitig noch leichtgradig ausgeprägte posttraumatische Belastungsstörung nach Arbeitsunfall 1982 (gemeint 1980),
-einfach strukturierte selbstunsichere, intellektuell wenig belastbare Primärpersönlichkeit,
-anamnestisch zeitweise reaktiv-depressive Verstimmungszustände.

Die Beklagte zog zunächst die medizinischen Unterlagen aus den Verwaltungsverfahren der VBG sowie der LVA W bei und veranlasste eine Begutachtung durch die Fachärzte für Chirurgie Prof. Dr. G und Dr. K von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L, Abteilung für Verbrennungen, Hand- und plastische Chirurgie. Nach Untersuchung des Klägers am 23. Mai 2000 stellten die Gutachter in ihrem Gutachten vom 24. Mai 2000 nebst ergänzender Stellungnahme vom 25. April 2001 als Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. März 1980 fest: „Oberflächliche Narbenbildung beider oberer Extremitäten. Teils oberflächlich, teils tiefe Narbenbildung beider Oberschenkel sowie des rechten Unterschenkels. Zustand nach zweit- bis drittgradiger Verbrennung des rechten Unterschenkels mit partiellem Weichteilsubstanzdefekt sowie überwiegend tiefer Narbenbildung und instabile Narben, die bis auf den Fußrücken reichen“. Vom Unfall unabhängige krankhafte Veränderungen seien der Zustand nach Fersenbeinfraktur rechts mit Muskelverschmächtigung des rechten Oberschenkels, die Weichteilschwellungen im Bereich des rechten Sprunggelenkes, die Abflachung des Fußquer- und Längsgewölbes sowie die Einschränkung der oberen und unteren Sprunggelenksbeweglichkeit und der Zehenbeweglichkeit. Die unfallbedingte MdE betrage vom 01. Januar 1982 bis zum 22. Mai 2000 und auch weiterhin 10 v. H.

Im Einzelnen führten die Gutachter aus: Der Kläger habe bei der Untersuchung über eine Oberflächenempfindlichkeit mit vermehrter Schmerzempfindlichkeit sowie vermehrt auftretendem Juckreiz und Stechen bei Wetterumschlag sowie die Narbenbildung, die keine dauerhaft stabile Oberfläche hinterlassen habe und bei auch geringem Anstoßen zu einer oberflächlichen Hautläsion führe, geklagt. Im Bereich des rechten und linken Ober- und Unterarmes bestünden Pigmentierungsstörungen mit oberflächlichen Narbenbildungen der Haut, streifenförmig als Folge der Spalthautentnahme zur Deckung der Verletzung am rechten Unterschenkel. Die Verbrennungen beider Handflächen seien folgenlos abgeheilt. Im Bereich der Arme bestünden keine wesentlichen narbigen Verziehungen, die Haut sei seitengleich durchwärmt und nicht druckschmerzhaft. Im Bereich des Abdomens bestünde ein Zustand nach Spalthautentnahme, diese sei bis auf geringe Pigmentierungsstörungen reizlos abgeheilt. An beiden Oberschenkelvorderseiten bestünde ebenfalls der Zustand nach Spalthautentnahme, jedoch tiefer als an den Armen, sodass Niveauunterschiede der Haut mit teils oberflächlicher, teils tiefer Narbenbildung resultierten. Wesentliche Verziehungen der Haut oder Narbenkontrakturen seien hier jedoch nicht vorhanden. Im Bereich des rechten Unterschenkels sei es teilweise zu Einziehungen der Haut gekommen. Insbesondere im Bereich der Tibiakante, die unmittelbar unter der Spalthauttransplantation zu liegen komme, bestünden punktförmige, oberflächliche Verschorfungen i. S. von abheilenden Traumen mit Hautverletzungen. Diese seien ebenfalls im Bereich der Außenseite der distalen Hälfte des rechten Unterschenkels zu finden. Die Haut sei seitengleich durchwärmt, wesentliche Venenerweiterungen könnten nicht festgestellt werden. Die Oberflächenempfindlichkeit zeige eine deutliche herabgesetzte Spitz-/Stumpfdiskrimination rechts, wobei die grobe Berührungsempfindlichkeit erhalten sei. Die Narben des rechten Unterschenkels setzten sich auf dem Vorfuß und dem lateralen Fußrand fort. Hier bestehe eine unfallunabhängige narbige Einziehung nach Einbringung eines Steinmannnagels nach Calcaneusfraktur 1997. Das Fußgelenk- und Quergewölbe sei rechts deutlich abgeflacht, der Rückfuß deutlich verplumpt und das Sprunggelenk teigig geschwollen. Im Bereich der Zehen bestünden keine unfallabhängigen Veränderungen. Am linken Unterschenkel bestehe ein Zustand nach Spalthautentnahme mit oberflächlicher Narbenbildung, insbesondere außenseitig, jedoch ohne Instabilität. Es zeige sich eine deutliche Muskelverschmächtigung des rechten Fußes, wobei hier eine Minderbelastung durch die unfallunabhängige Calcaneusfraktur sowie ein Weichteilverlust nach Nekrotomie am rechten Unterschenkel beitragen würden. Die Einschränkung der Beweglichkeit des rechten oberen und unteren Sprunggelenkes sowie der Zehenbeweglichkeit rechts sei auf den Fersenbeintrümmerbruch zurückzuführen.

Mit zwei Bescheiden vom 05. Oktober 2000 lehnte die Beklagte zum einen die Rücknahme ihres Bescheides vom 19. Juli 1982 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und zum anderen die Gewährung einer Verletztenrente ab. Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen erweise sich der Bescheid vom 19. Juli 1982 als rechtmäßig, da unverändert wegen der Unfallfolgen eine MdE in rentenberechtigendem Grade nicht vorgelegen habe bzw. vorliege. Die aus dem Zustand nach Fersenbeinfraktur rechts resultierenden Einschränkungen und Beschwerden könnten, da unfallunabhängig, nicht in die Beurteilung einbezogen werden. Das von ihr veranlasste Gutachten zur Rentennachprüfung von Prof. Dr. G habe keine rentenberechtigende MdE für die Folgen des Unfalls vom 26. März 1980 ergeben.

Gegen beide Bescheide erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, der Gutachter Prof. Dr. G verkenne, dass nach den im Rentenverfahren eingeholten Gutachten bereits vor dem Fersenbeinbruch erhebliche Beeinträchtigungen des rechten Beines vorgelegen hätten, die allein Folge des Unfalls vom 26. März 1980 seien. Auch würde die bei ihm bestehende posttraumatische Belastungsstörung bei der Bewertung der MdE außer Acht gelassen. Von daher ergebe sich eine MdE von mindestens 30 v. H., so dass sowohl der Bescheid vom 19. Juli 1982 aufzuheben als auch eine Rente zu zahlen sei. Daraufhin zog die Beklagte weitere medizinische Unterlagen aus den Akten der LVA Württemberg sowie der Rentenstreitakte des Sozialgerichts (SG) Hamburg (S 16 RJ 842/98) bei und holte ergänzende Stellungnahmen von Prof. Dr. Gund Dr. K vom 25. April 2001 und von Prof. Dr. G, Dr. B und Dr. J vom 03. Juni 2002 ein. Zudem erfolgte am 16. Mai 2001 eine telefonische Rückfrage bei Dr. K, der zugab, dass es eine grenzwertige Entscheidung sei, jedoch nicht wegen der Muskelminderung, sondern wegen der instabilen Narben am Unterschenkel und wegen der Verbrennungszeichen am Unterschenkel mit Venenhervortreten (Telefonvermerk auf Bl. 183 der Verwaltungsakte <VA>).

Mit Widerspruchsbescheiden vom 08. Juli 2002 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 05. Oktober 2000 jeweils unter Hinweis auf das Ergebnis der weiteren medizinischen Ermittlungen zurück. Eine Begutachtung auf psychiatrischem Gebiet sei an der fehlenden Mitwirkung des Klägers gescheitert, der den jeweils vereinbarten Untersuchungsterminen ohne Rückmeldung ferngeblieben sei.

Mit der am 09. August 2002 beim SG Berlin eingegangenen Klage hat sich der zu diesem Zeitpunkt anwaltlich vertretene Kläger gegen den Bescheid vom 05. Oktober 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2002 gewandt, in dem die Feststellung eines Anspruchs auf Verletztenrente wegen der Folgen des Unfalls vom 26. März 1980 abgelehnt worden war. Unter Vorlage des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2002 hat der Kläger begehrt, die Beklagte zur Gewährung einer Verletztenrente zu verurteilen. In einem am 03. März 2003 beim SG eingegangenen Schriftsatz hat die damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers ausgeführt, die Klage richte sich auch gegen den die Rücknahme des Bescheides vom 19. Juli 1982 ablehnenden Bescheid vom 05. Oktober 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2002. Zur Begründung hat der Kläger sich im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren gestützt.

Das SG hat Befundberichte der den Kläger seit dem 13. April 2004 behandelnden Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. B vom 19. November 2005 („Verdacht auf Persönlichkeitsstörung, Verdacht auf Intelligenzminderung“) und des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. L vom 18. November 2005 („psychosomatische Störungen, im Vordergrund standen Ein- und Durchschlafstörungen“) eingeholt. Mit Beweisanordnung vom 25. Januar 2006 hat es den Arzt für Neurologie und Psychiatrie R mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt. Nachdem der Kläger den Einladungen des Sachverständigen zu Untersuchungsterminen nicht nachgekommen und auch bei einem schriftlich angekündigten Hausbesuch nicht zu Hause anzutreffen war, hat das SG die Akten vom Sachverständigen zurückgefordert.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG Berlin durch Gerichtsbescheid vom 23. Februar 2007 die Klage abgewiesen, die es allein als gegen den Bescheid vom 05. Oktober 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2002, mit dem die Neufeststellung einer Rente wegen Verschlimmerung der Unfallfolgen abgelehnt worden war, gerichtet angesehen hat. Die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide habe sich nicht feststellen lassen, da der Kläger die Mitwirkung an einer psychiatrischen Begutachtung im Gerichtsverfahren ebenso verweigert habe wie schon zuvor im Verwaltungsverfahren. Triftige Gründe für die Weigerung, sich durch einen Sachverständigen untersuchen zu lassen, seien für die Kammer nicht ersichtlich. Die Nichtfeststellbarkeit von unfallbedingten psychischen Störungen gehe daher zu Lasten des Klägers.

Gegen den ihm am 03. März 2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 03. April 2007 beim SG Berlin eingegangene Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren auf Gewährung einer Verletztenrente weiterverfolgt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. Februar 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 05. 0ktober 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 01. Dezember 1996 wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. März 1980 Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass die körperlichen Folgen des Unfalls vom 26. März 1980 keine höhere MdE als 10 v. H. bedingten und psychische Unfallfolgen nicht im Vollbeweis gesichert seien.

Hinsichtlich der vom Kläger begehrten Verletztenrente auf unbestimmte Dauer hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung des Senats am 22. September 2011 die Einrede der Verjährung erhoben.

Der Senat hat mit Beweisanordnung vom 18. Januar 2008 den Leitenden Oberarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, V Klinikum, Dr. B mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt, welches dieser nach Untersuchung des Klägers vom gleichen Tage am 15. Februar 2008 erstattet hat. Dr. B hat neben den, von ihm als nachvollziehbar bezeichneten im Gutachten des Prof. Dr. G vom Mai 2000 formulierten, körperlichen Unfallfolgen auf psychiatrischem Gebiet eine „chronifizierte Anpassungsstörung infolge des Unfalls vom 26. März 1980 mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten“ festgestellt. Die durch den Unfall vom 26. März 1980 hervorgerufenen Gesundheitsstörungen bedingten insgesamt eine MdE i. H. v. 20 v. H., diese sei bereits seit dem zuletzt bindend gewordenen Bescheid vom Juli 1982 anzunehmen. Tendenzwendende Befunde oder Gesichtspunkte seien mit der Antragstellung im Dezember 1996 nicht in Verbindung zu bringen. Eine posttraumatische Belastungsstörung, so wie in dem für die LVA im März 1998 erstellten nervenärztlichen Gutachten von Dr. S formuliert, sei nicht festzustellen. Hierfür fehle es an einer klinisch symptomatischen Ausgestaltung. Weder würden sich intrusive Erlebensweisen noch Meidungsverhalten oder Arousal-Phänomene finden. Beim Kläger liege vielmehr eine „Intelligenzminderung (F7)“ vor. So hätten sich bei der Untersuchung im psychopathologischen Befund im Querschnitt ein herabgesetztes Abstraktionsvermögen, unsichere Zeitgitter, pseudologische Ausgestaltung, altklug imponierende Redensarten und unscharf gesetzte Begriffe gezeigt. Anhaltspunkte für eine „Intelligenzminderung“ ergäben sich bereits aus dem Bericht der Kinderärztin Frau Dr. S aus dem Jahr 1969. Exakt quantifizieren lasse sich die „Intelligenzminderung“ ohne Kooperation des dies verleugnenden Klägers jedoch nicht. Ohne selbst als Unfallfolge, weder im Sinne der erstmaligen Entstehung noch der Verschlimmerung vorbestehender Einschränkungen, gewertet werden zu können, komme ihr in der Bewältigung der auf den Unfall zurückführenden körperlichen Stigmata erhebliche Bedeutung zu. Schließlich mache das Anpassungsvermögen einen wesentlichen Kern des Konstruktes „Intelligenz“ aus. Unfallbedingte Beeinträchtigungen forderten – neben der Überwindung einer (narzisstischen) Kränkung – solches Anpassungsvermögen in besonderer Weise. Inhaltlich sei es nicht weniger angemessen, in Anlehnung an die Kategorie der „neurotischen Belastungsstörungen (F4)“ von einer „anhaltenden und strukturell chronifizierten Anpassungsstörung mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten“ als einem Symptom der Intelligenzminderung angesichts des Unfalls vom 26. März 1980 zu sprechen.

Die Beklagte hat unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G vom 28. Juli 2008 Kritik an dem Gutachten geübt. So sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Anpassungsstörung, so sie denn nachgewiesen sei, ausgerechnet auf den Unfall vom 26. März 1980 zurückgeführt werde. Schließlich habe der Kläger einen weiteren – privaten – Unfall vom 15. August 1997 erlitten, der erhebliche körperliche Leistungseinschränkungen hinterlassen habe (Fersenbeintrümmerfraktur). Dr. G hat ausgeführt, nach dem 1975 durchgeführten Intelligenztest für Kinder habe der Kläger einen Gesamt-I.Q. von 80 Punkten erreicht und sich damit im unterdurchschnittlichen Bereich der normalen Intelligenzleistung (85 bis 114 Punkte) bewegt. Von einer manifesten Intelligenzminderung im Sinne der ICD 10 Kapitel F7, die erst ab einem I.Q.-Wert von 69 und weniger vorliege, sei der Kläger deutlich entfernt. Eine im psychiatrischen Sinne zu bewertende Intelligenzminderung könne daher nicht festgestellt werden, allenfalls eine so genannte Grenzbegabung, die im Regelfall auch mit einer deutlichen Beeinträchtigung der psychosozialen Kompetenz vergesellschaftet sei. Abgesehen von den bereits vor dem Unfall dokumentierten Beeinträchtigungen, habe der Kläger nach dem Unfallereignis von 1980 kein deutlich eingeschränktes Leistungsprofil geboten, schließlich habe er danach eine Ausbildung zum Maler/Lackierer gemacht. Langfristige Zeiten einer offensichtlich unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit oder sonstige Einschränkungen auf psychiatrischem Fachgebiet ließen sich nicht feststellen.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 03. September 2008 ist der Sachverständige Dr. B bei seiner Beurteilung geblieben. Er hat darauf hingewiesen, dass es sich bei Narben typischerweise um Stigmata handele, welche das Selbstbild erheblich tangierten. Diese Anpassung an die Unfallfolgen zu leisten, sei eine intelligente und emotionale Leistung, die durch die beim Kläger zweifellos vorliegende Intelligenzschwäche beeinträchtigt worden sei.

Der Senat hat noch eine Auskunft der Sozialtherapeutischen Gemeinschaft W e. V. vom 25. August 2010 eingeholt, der der Entwicklungsbericht vom 12. Juni 1978, der Bericht der MSchule vom 03. Februar 1979, die Entwicklungsberichte von Dr. F vom 30. Oktober 1980 und 26. Mai 1981 und der Reha-Bogen des Arbeitsamtes Schwäbisch Hall vom 07. August 1981 beigefügt waren. Sodann sind weitere medizinische Unterlagen aus dem Schwerbehindertenverfahren (Epikrise des V Klinikum H vom 17. Juni 2009 etc.), dem Streitverfahren des SG Hamburg S 16 RJ 842/98 (Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B vom 07. März 2005) und dem Rentenverfahren (Gutachten des Dr. Mvom Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit vom 27. Dezember 2008 – Diagnosen u. a. seelisches Leiden mit Schlafstörungen –, Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. D vom 01. März 2010) beigezogen worden.

Unter dem 07. Januar 2011 hat Dr. B hierzu ergänzend Stellung genommen. Er hat ausgeführt, betrachte man die aus der frühen Kinder- und Jugendzeit des Klägers vorliegenden medizinischen Unterlagen, so werde deutlich, dass die dort vorgenommenen Charakterisierungen unterhalb des Leistungsprofils lägen, welches für Menschen mit einem geringeren I.Q. z. B. im halbamtlichen DIMDI beschrieben würde. Insoweit sei im Abgleich mit dem Gutachten vom 18. Februar 2008 eine Akzentverschiebung dahingehend abzuleiten, dass die in der Lebensbewältigung schwachen intelligenten Möglichkeiten des Klägers aus einer Kombination aus unterdurchschnittlicher, aber für sich genommen noch nicht diagnosefähiger, intelligenter Ausstattung (I.Q. 80) und einem schweren Milieuschaden resultierten. Für letzteres spreche der Bericht des Sonderheims der Arbeitsgemeinschaft für die Sozialtherapeutischen Hilfswerke, in deren Obhut sich der Kläger seit seinem siebten Lebensjahr befunden habe. Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers zum Zeitpunkt in etwa des Verbrennungstraumas (ein Jahr vor dem Unfall) zeige zwanglos auf, dass der Kläger in der Kompensation des Traumas erheblich und anhaltend behindert gewesen sei. Das gelte insbesondere für die psychischen Folgen der Verbrennungen, der Zeichnung durch die Narben, einer Krankenhausbehandlung in der Akutklinik C von neun Monaten mit unzähligen plastisch-chirurgischen Eingriffen. Im besonderen Maße gelte es aber auch für den Selbstvertrauensverlust und letztlich nicht mehr auszugleichenden Beziehungsschaden, der zum „Rumtreiben“ – ab 1990 in B und zeitweise obdachlos – geführt habe. An dieser Entwicklung hätten sowohl die Intelligenzminderung als auch der Unfall vom 26. März 1980 im Sinne einer ergänzenden Kausalität ihren Anteil.

Die Beklagte hat ihre Kritik an dem Gutachten von Dr. B mit Schriftsätzen vom 21. März 2011 und 06. Juni 2011 aufrechterhalten. Der Sachverständige habe auch im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahmen die Anforderungen an den Vollbeweis verkannt. Für die Feststellung einer seit 1981 bestehenden psychischen Gesundheitsstörung, die kausal auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden könne, fehle es an belastbaren ärztlichen Befunden aus den Jahren nach dem Unfall.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist gemäß §§ 157, 95, 29 Sozialgerichstgesetz (SGG), worauf die Beteiligten im von der vormaligen Berichterstatterin des Senats durchgeführten Erörterungstermin vom 14. November 2007 hingewiesen worden sind, allein der Bescheid über die Ablehnung einer Verletztenrente vom 05. Oktober 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2002. Nur hierüber hat das SG Berlin mit dem vom Kläger angegriffenen Gerichtsbescheid vom 23. Februar 2007 entschieden. Der (bestandskräftig gewordene) Bescheid vom 05. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2002, in dem die Rücknahme des Bescheides vom 19. Juli 1982 nach § 44 SGB X abgelehnt worden war, ist dagegen nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden.

Auf die Berufung des Klägers war der Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 23. Februar 2007 wie auch der Bescheid der Beklagten über die Ablehnung einer Verletztenrente vom 05. Oktober 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2002 aufzuheben, denn der Kläger hat – wie von ihm beantragt - ab dem 01. Dezember 1996 wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. März 1980 Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente auf unbestimmte Dauer nach einer MdE von 20 v.H.

Vorliegend beurteilt sich der Sachverhalt noch nach den Vorschriften der RVO, da der Kläger ausgehend von seinem im Dezember 1996 bei der Beklagten gestellten Antrag einen Anspruch auf Verletztenrente auch für Zeiten vor In-Kraft-Treten des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01. Januar 1997 geltend macht (§ 214 Abs. 3 SGB VII).

Dem Anspruch auf Verletztenrente auf unbestimmte Dauer steht der bestandskräftige Bescheid vom 19. Juli 1982 nicht entgegen. Mit Bescheid vom 19. Juli 1982 hat die Beklagte dem Kläger eine vorläufige Entschädigung nach § 1585 Abs. 1 RVO als Abfindung gewährt. Zwar enthält der Bescheid keinen ausdrücklichen Hinweis auf § 603 Satz 1 RVO (Abfindung für vorläufige Renten – Gesamtvergütung -), jedoch wird im Hinblick auf die rückwirkende, zeitlich begrenzte Gewährung einer vorläufigen Rente der Abfindungscharakter hinreichend deutlich. Nach § 603 Satz 2 RVO ist nach Ablauf des Zeitraums, für den die Abfindung bestimmt war, auf Antrag Verletztenrente zu gewähren, wenn die Voraussetzungen des § 581 RVO vorliegen. Die Verletztenrente ist dann vom ersten Tag des Monats an zu gewähren, der auf den Monat folgt, an dessen letztem Tag der Zeitraum abläuft, für den die Gesamtvergütung bestimmt war (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, Stand Januar 1996, Anmerk. 9 b) zu § 603 RVO), es sei denn, der Unfallversicherungsträger erhebt – wie hier von Seiten der Beklagte geschehen – die Einrede der Verjährung gemäß § 45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Da es hier um die Feststellung einer Dauerrente nach einer vorläufigen Entschädigung geht, ist gemäß § 1585 Abs. 2 Satz 2 RVO allein eine Bewertung der tatsächlich festzustellenden Unfallfolgen vorzunehmen.

Nach § 581 Abs. 1 Zif. 1 RVO wird, solange infolge des Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um wenigsten ein Fünftel gemindert ist, der Teil der Vollrente als Verletzterente gewährt, der dem Grade der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit entspricht (Teilrente). Ist die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge mehrerer Arbeitsunfälle gemindert und erreichen die Hundertsätze der durch die einzelnen Arbeitsunfälle verursachten Minderung zusammen wenigstens die Zahl Zwanzig, so ist für jeden, auch einen früheren Arbeitsunfall Verletztenrente zu gewähren (§ 581 Abs. 3 Satz 1 RVO). Die Folgen eines Arbeitsunfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens zehn vom Hundert mindern (§ 581 Abs. 3 Satz 2 RVO). Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 548 RVO). Unter einem Unfall versteht man ein körperlich schädigendes, zeitlich eng begrenztes (plötzliches), von außen her auf den Körper einwirkendes Ereignis (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts <BSG>, vgl. BSGE 23, 139, 141, BSGE 46, 283 und BSGE 61, 127, 130).

Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität), und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern erst für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteile vom 12. Dezember 2006 – B 2 U 1/06 R - und 04. September 2007 - B 2 U 28/06 R -, jeweils in Juris und m. w. N.).

Alle rechtserheblichen Tatsachen bedürfen des vollen Beweises mit Ausnahme derjenigen, die einen Ursachenzusammenhang (Unfallkausalität, haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) ergeben; für diese genügt angesichts der hier typischen Beweisschwierigkeiten die hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG in SozR 2200 § 548 Nrn. 70 und 84). Voll bewiesen sein müssen aber auch hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs immer die Ursache selbst und der ihr zuzurechnende Erfolg; die hinreichende Wahrscheinlichkeit bezieht sich nur auf die kausalen Zwischenglieder. Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG in SozR 3-2200, § 551 RVO Nr. 16 m.w.N.). Anders als nach der im Zivilrecht geltenden Adäquanztheorie, nach der jedes Ereignis, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele, als Ursache des Erfolges gilt, erfolgt im Sozialrecht die Unterscheidung und Zurechnung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (vgl. u. a. BSG in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Da es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben kann, ist für die Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache allein relevant, dass das Unfallereignis wesentlich war. Ob es eine konkurrierende Ursache war, ist unerheblich. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte. Ein Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn bei Abwägung aller Umstände, die für den Zusammenhang sprechenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Überzeugung des Gerichts gegründet werden kann (vgl. BSG in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 m. w. N.).

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger am 26. März 1980 einen Arbeitsunfall (§ 548 Abs. 1 RVO) erlitt, als es bei seiner nach § 539 Abs.1 Nr. 14 c) RVO versicherten Tätigkeit (Berufsvorbereitung zum Maler) beim Grundieren von Nut- und Federbrettern zum Brand einer Büchse mit Nitroverdünnung kam, den der Kläger durch Austreten löschen wollte, und er sich hierbei oberflächliche und tiefe Verbrennungen von etwa 6 bis 7 % Ausdehnung am rechten Unterschenkel unter Einbeziehung von Fußrücken und Knöchelgegend sowie Verbrennungen zweiten Grades am ersten bis vierten Finger links zuzog.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 SGG), d.h. nach Auswertung der von der Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. K / Dr. S vom 10. Februar 1982, Prof. Dr. W / Dr. V vom 22. Januar 1991 und 10. Januar 1995 und Prof. Dr. G / Dr. K vom 24. Mai 2000 nebst ergänzender Stellungnahme vom 25. April 2001, der beigezogenen Gutachten aus den Erwerbsminderungsrenten(streit)verfahren von Dr. R vom 10. November 1994, Dr. D vom 31. Januar 1997 und Dr. G /Dr. S vom 10./11. März 1998 sowie des psychiatrischen Sachverständigengutachtens von Dr. B vom 15. Februar 2008 nebst ergänzenden Stellungnahmen vom 03. September 2008 und 07. Januar 2011, sind zur Überzeugung des Senats als bleibende Folgen des Arbeitsunfalls des Klägers vom 26. März 1980 erwiesen:

-ausgedehnte Vernarbungen nach Verbrennungen zweiten und dritten Grades mit mehrfachen Hauttansplantationen am rechten Unterschenkel und Fußrücken mit herabgesetztem Berührungsempfinden, erhöhter Verletzlichkeit, Juckreiz und wiederholt offenen Stellen,
-eine leichte Bewegungseinschränkung der Sprunggelenke rechts,
-eine Muskelverschmächtigung am rechten Unterschenkel (Umfangsminderung von ca. 4 cm gegenüber links),
-ausgedehnte Narbenfelder nach Spalthautentnahme am rechten Oberschenkel, am linken Ober- und Unterschenkel, am Bauch und an beiden Ober- und Unterarmen.

Die zunächst im Dezember 1981 bei der Untersuchung durch Dr. K / Dr. S am rechten Bein noch vorzufindende deutliche Verschmächtigung der Oberschenkelmuskulatur sowie die Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk und in den Zehengelenken haben sich in der Folgezeit zurückgebildet. Dies ist den im Dezember 1990 bei der Untersuchung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T durch Prof. Dr. W/ Dr. V erhobenen Befunden unzweifelhaft zu entnehmen. Zudem sind die Brandverletzungen an den Händen folgenlos ausgeheilt. Wie die von der Beklagten beauftragten Gutachter Prof. Dr. W/ Dr. Vin ihren Gutachten vom 22. Januar 1991 und 10. Januar 1995 und Prof. Dr. G / Dr. K im Gutachten vom 24. Mai 2000 nebst ergänzender Stellungnahmen vom 25. April 2001 und 03. Juni 202 nachvollziehbar dargelegt haben, kann die sich zeitweise wohl etwas ausgeprägter darstellende Varikosis (Venenerweiterungen) an beiden Ober- und Unterschenkeln nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die erlittenen Verbrennungen oder die Spalthautentnahmen zurückgeführt werden. Ebenso wenig ist nach Auffassung aller im Unfallverfahren gehörten chirurgischen Gutachter die beidseitige retropatellare Chondropathie, die sich ab Mitte der 90er Jahre beim Kläger auf dem Boden einer Wiberg-Dysplasie entwickelte, auf den Verbrennungsunfall zurückzuführen. Auch sind die aus der 1997 stattgehabten Fersenbeintrümmerfraktur rechts resultierenden körperlichen Einschränkungen von den Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. März 1980 abzugrenzen. So hatte sich bis zu dem – privaten - Unfallereignis vom 15. August 1997 beim Kläger ein körperlich weitgehend gleich bleibender Zustand der Verbrennungsfolgen entwickelt. Die Folgen der Fersenbeintrümmerfrakur, d.h. die Muskelverschmächtigung des rechten Oberschenkels, die Weichteilschwellungen im Bereich des rechten Sprunggelenkes, die Abflachung des Fußquer- und Längsgewölbes sowie die stärkere Einschränkung der oberen und unteren Sprunggelenksbeweglichkeit rechts wie auch die Einschränkung der Zehenbeweglichkeit rechts können, da nicht durch den Arbeitsunfall vom 26. März 1980 verursacht, bei der MdE-Bemessung nicht berücksichtigt werden.

Der Senat vermochte sich auch nicht davon zu überzeugen, dass beim Kläger eine (eigenständige) psychische Erkrankung vorliegt, die mit Wahrscheinlichkeit wesentlich durch das Unfallereignis vom 26. März 1980 verursacht worden ist. Zwar wird in dem für die LVA Württemberg im März 1998 erstellten nervenärztlichen Gutachten von Dr. S die Diagnose einer (leichtgradigen) posttraumatischen Belastungsstörung gestellt, jedoch lässt sich diese Diagnose anhand des erhobenen Befundes und dem Ergebnis der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. B nicht nachvollziehen. Wie Dr. B in seinem Gutachten vom 15. Februar 2008 zutreffend ausgeführt hat, sind die medizinischen Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht erfüllt. Hierfür fehlt es an einer klinisch symptomatischen Ausgestaltung. Weder lassen sich beim Kläger intrusive Erlebensweisen noch Meidungsverhalten oder Arousal-Phänomene finden. Soweit jedoch der Sachverständige Dr. B zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger liege eine „chronifizierte Anpassungsstörung mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten“ vor, an deren Entwicklung sowohl die beim Kläger seit früher Jugend bestehende Intelligenzminderung mit Milieuschaden als auch der Unfall vom 26. März 1980 im Sinne einer ergänzenden Kausalität ihren Anteil hätten, vermag der Senat dieser Einschätzung nicht zu folgen. Zu Recht rügt die Beklagte die nicht den Kriterien des ICD 10 entsprechende Diagnosestellung von Dr. B. Auch gehen die Ausführungen des Sachverständigen zur „ergänzenden Kausalität“ an den Anforderungen des unfallversicherungsrechtlichen Kausalitätsbegriffes vorbei. Zwar ist mit Dr. B beim Kläger eine schon vor dem Unfall bestehende Minderung der Intelligenz (Grenzbegabung i. S. des ICD 10) in Kombination mit einem Milieuschaden festzustellen, wovon auch Dr. G in seiner Stellungnahme vom 28. Juli 2008 ausgeht, die sich negativ auf das Anpassungsvermögen des Klägers auswirkt. Jedoch lässt sich mangels objektiver – zeitnaher - Befunde eine anhaltende Fehlverarbeitung des Unfalls gerade nicht feststellen. Nachvollziehbar ist in der Krankengeschichte des Kreiskrankenhaus C für Oktober 1980 eine reaktive Depression des Klägers wegen der langwierigen stationären Behandlung beschrieben worden, für eine fortdauernde depressive Erkrankung fehlt es in den späteren Gutachten wie auch den Berichten der Sozialtherapeutischen Gemeinschaften W an jeglichen Anhaltspunkten. Ebenso wenig lassen sich in den ersten Jahren nach dem Unfall aus dem Lebensweg des Klägers Anzeichen für eine Fehlverarbeitung des Unfalls entnehmen. Schließlich absolvierte er erfolgreich die Ausbildung zum Maler und ist danach auch in diesem Beruf tätig geworden. Ein sorgfältiger Abgleich der sich aus den Akten ergebenden lebensgeschichtlichen Fakten mit den Erzählungen des Klägers ist im Gutachten des Sachverständigen zu vermissen, und dies, obwohl Dr. B auf die pseudologische Ausgestaltung durch den Kläger hinweist. Eine nachvollziehbare Abgrenzung der - nach wie vor - bestehenden Minderung der Intelligenz wie auch der Milieuschädigung (Verstoßen von der Mutter, wechselnde Heime….), die in der Regel mit einer deutlichen Beeinträchtigung der psychosozialen Kompetenz vergesellschaftet ist - wie sie sich hier beim Kläger als entwurzelter bis teilweise verwahrloster Lebensstil (häufige Wohnungswechsel, Gefängnisaufenthalt, Obdachlosigkeit, immer wieder Arbeitslosigkeit, Unfallgeschehen vom August 1997) zeigt -, von der diagnostizierten „Anpassungsstörung“ wird ebenfalls nicht vorgenommen.

Die zuvor festgestellten bleibenden Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. März 1980 bedingen auch eine MdE von 20 v. H.

Die Bemessung des Grades der MdE im Rahmen des § 581 Abs. 1 RVO (bzw. § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) ist eine Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung unter Berücksichtigung der in Rechtsprechung und im einschlägigen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze (vgl. Urteile des BSG vom 18. März 2003 – B 2 U 31/02 R – in Breithaupt 2003, 565, vom 02. November 1999 – B 2 U 49/98 R – in SozR 3-2200 § 581 Nr. 6) trifft. Diese sind für die Entscheidung im Einzelfall zwar nicht bindend. Sie bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis. Die Bemessung der MdE hängt vom Umfang der verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und den dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten ab. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind.

Zwar haben die von der Beklagten beauftragten Gutachter Dr. K / Dr. S, Prof. Dr. W / Dr. V und Prof. Dr. G / Dr. K die MdE für die bleibenden Unfallfolgen ab Januar 1982 jeweils mit 15 v. H. bzw. 10 v. H. eingeschätzt, jedoch lassen sämtliche Gutachten eine nachvollziehbare Begründung unter Heranziehung der allgemeinen Erfahrungssätze für die Bewertung von Verbrennungsfolgen und von Narben vermissen. In ihrer Gesamtschau rechtfertigen die in den Gutachten von Dr. K / Dr. S vom 10. Februar 1982, Prof. Dr. W / Dr. V vom 22. Januar 1991 und 10. Januar 1995 und Prof. Dr. G / Dr. K vom 24. Mai 2000 wie auch in den Gutachten von Dr. R vom 10. November 1994, Dr. D vom 31. Januar 1997 und Dr. G / Dr. S vom 10./11. März 1998 sowie im psychiatrischen Sachverständigengutachten von Dr. B vom 15. Februar 2008 erhobenen Befunde betreffend die ausgeprägten unfallbedingten Narben nebst den daraus folgenden körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Klägers eine MdE von mindestens 20 v.H.

Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 837 ff (so auch Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 12. Aufl. 2009, S. 196) werden Verbrennungsnarben nach Ausdehnung, Qualität und Lokalisation bewertet. Zu berücksichtigen sind bei tieferen Brandverletzungen - wie hier am rechten Unterschenkel des Klägers – zudem flächige Narben im Bereich der Entnahmestellen von Spalthauttransplantaten, Narben im Bereich von Vollhautentnahmestellen sowie nach gestielten und freien Lappenplastiken. Schließlich stellt jedes transplantierte Hautareal, jede Narbenbildung eine Funktionseinbuße des Organs Haut dar und ist unter morphologischen und ästhetischen Gesichtspunkten zu berücksichtigen (Thomann/Schröter/Grosser, Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, 1. Aufl. 2009, S. 308). Im Rahmen der Begutachtung ist daher eine systematische Erfassung der Narbenareale – von Kopf bis Fuß – und Beschreibung der Transplantate/Narben bezüglich Aussehen, Ausdehnung und Qualität erforderlich (Thomann/Schröter/Grosser, a. a. O., S. 308), dies haben z. Bsp. die Gutachter Prof. Dr. W / Dr. V in ihren Gutachten vom 22. Januar 1991 und 10. Januar 1995 nicht beachtet, die die Spalthautentnahmestellen an beiden Ober- und Unterarmen sowie dem Bauch nicht untersucht und befundet haben.

Die Ausdehnung der Narbenbezirke wird in Prozentanteilen der Körperoberfläche (% KOF) angegeben, zu deren Einschätzung wird die Neunerregel nach Wallace (Wallace 1951) herangezogen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 835 bzw. 7. Aufl. 2003 S. 911 bzw. 5. Aufl. 1993 S. 723; Thomann/Schröter/Grosser, a. a. O., S. 304). Danach entspricht jeder Körperabschnitt 9 % der Körperoberfläche, d.h. es werden jeweils 9% KOF für jede Beinvorder- und Beinhinterseite, für jeden Arm, für die Bauch-, die Brust-. die obere Rücken-, die untere Rücken- und die Gesichtsfläche angesetzt sowie 1% für die Geschlechtsteilfläche.

Nach der älteren Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, 7. Aufl. 2003, S. 913 bzw. 5. Aufl. 1993, S. 730 f) ist die MdE abhängig von folgenden Faktoren: Funk-tionsausfälle infolge Schädigung der Haut, z. B. bei Narbenkontrakturen, Belastbarkeit der Haut, Muskelminderung der brandverletzten Gliedmaßen, z. B. nach schmerzbedingter Inaktivität, Nervenschäden, Entstellungen, Spätfolgen. Für Narbenbildungen ohne weitere Funktionsbehinderung von 20 % der KOF wird eine MdE von 10 v. H. und von 30 % der KOF eine MdE von 20 v. H. veranschlagt.

Nach Thomann/Schröter/Grosser, a. a. O., S. 309 werden nach Art und Ausprägung der Narben folgende MdE-Sätze empfohlen: unter 10 v. H. bei kleinen fleckförmigen Arealen am Rumpf und Gliedmaßen bis zu 5 % der KOF, 10 v. H. bei Arealen entsprechend 9 % der KOF (Ausdehnung ein Arm, ein halbes Bein), 20 v. H. bei Arealen 9 bis 18 % der KOF (beide Arme, ein Bein), 30 v. H. bei Arealen 18 bis 27 % der KOF (z. B. Rumpfvorderseite und ein Arm), 40 v. H. bei Arealen größer als 27 % der KOF.

In der neueren Literatur wird auf das MdE-Ermittlungsschema nach Bruck u. a., in Handbuch der Verbrennungstherapie 2002, S. 432 bis 433 (in Schönberger/Mehrtens/Valentin, 8. Aufl. 2010, S. 838 bis 840) bzw. nach Henckel v. Donnersmarck/Hörbrand: Jahrbuch der Verbrennungsmedizin 1995 (in Mehrhoff/Meindl/Muhr, a. a. O., S. 196 ) abgestellt. Danach ergibt sich die (Gesamt-)MdE aus der MdE [A] für die konkreten Funktionseinschränkungen, z. Bsp. nach der Neutral-Null-Methode, und der MdE, die unter Zugrundelegung eines Punkteschemas aus der Bewertung des Lokalbefundes [B] und der somatischen und vegetativen Beschwerden [C] folgt.

Bei der Bestimmung der MdE [A] für die Funktionseinschränkungen sind zu berücksichtigen: Beeinträchtigung der normalen Temperaturregulation von Haut und Unterhaut, Störung der Sensibilität, Reduzierung von Elastizität und Gleitfähigkeit auf Muskel- und Sehnengewebe, Fehlen von Hautanhangsgebilden – wie Schweiß- und Talgdrüsen -, funktionelle Auswirkungen von Narbenkontrakturen und –hypertrophien).

Die MdE [B] + [C] bestimmt sich nach der sich aus [B] und [C] ergebenden Punktzahl, d.h. die MdE beträgt 0 v. H. bei unter 20 Punkten, 10 v. H. bei 20 bis 40 Punkten, 20 v. H. bei über 40 bis 70 Punkten, 30 v. H. bei über 70 bis 100 Punkten bzw. 40 v. H. bei über 100 Punkten.

Im Einzelnen gilt Folgendes: Bei der Bewertung des Lokalbefundes [B] werden für die verschiedenen Narbenareale Punkte aus der Fläche (% der KOF) multipliziert mit einem Faktor von 1 bis 3 für den beschriebenen qualitativen Befund und einem Faktor für die Lokalisation (Multiplikator) ermittelt. Bei Bestimmung der Qualität der Narbe ist auf Pigment- oder Texturveränderungen zu achten; Narbenstränge, Instabilitäten, Atrophien und überschießendes Narbenwachstum (Hypertrophie) sind zu berücksichtigen. Für die Lokalisation gilt, dass Narbenbildungen im Gesichts-/Halsbereich und an den Händen (Mulitplikator 5) sowie an Armen und der Brust (Mulitplikator 2) schwerer wiegen als im Bereich der übrigen Körperregionen (Mulitplikator 1).

Bei [C] werden die somatischen und vegetativen Komponenten (Trockenheit der Haut, Kälte- oder Wärmeempfindlichkeit, Verletzlichkeit der Haut, Juckreiz, Taubheitsgefühl, Gelenk- und Gliederschmerzen, Spannungsgefühl, Schweißneigung) je nach Zahl der Nennungen mit 5 Punkten (1 bis 2 Komponenten), 10 Punkten (3 bis 5 Komponenten) und 20 Punkten (bei mehr als 5 Komponenten) berücksichtigt.

Aus der Zusammenschau der beim Kläger über die Jahre zum Unfallfolgenzustand erhobenen Befunde ergibt sich bei einer Anwendung der zuvor dargestellten Kriterien Folgendes:

a) Hinsichtlich des Lokalbefundes [B] ist bei einer sehr zurückhaltenden Bewertung eine Gesamtpunktzahl von ca. 56 zu berücksichtigen.

So ist bei den Vernarbungen am rechten Bein nach den diversen Beschreibungen von einer betroffenen KOF von mindestens 9 % auszugehen, der Mulitplikator mit 1 anzusetzen, jedoch für die Qualität der Narben am Unterschenkel (4,5 % KOF) ein Faktor von 3 (bei Pigmentveränderung, Instabilität oder Hypertrophie) und am Oberschenkel (4,5 % KOF) ein Faktor von 1,5 (ohne Pigmentveränderung, mit Texturveränderungen) zugrunde zu legen, so dass sich eine Punktzahl von 20,25 ergibt (4,5 x 3 x 1 + 4,5 x 1,5 x 1). Beim Kläger ist der gesamte rechte Unterschenkel zirkulär sowie der Fußrücken völlig narbig verändert (vgl. die Gutachten von Dr. K/Dr. S von Februar 1982, Dr. R von 1994, Dr. D von Januar 1997, Dr. G von März 1998¸ Prof. Dr. G/ Dr. K von Mai 2000). Es finden sich hier Pigmentveränderungen und überwiegend tiefe Narbenbildungen, wobei es im Bereich der Oberfläche teilweise zu Einziehungen der Haut kommt, insbesondere an der Schienbeinvorderkante ist die transplantierte Haut vermehrt mit der Unterlage verbacken und vermehrt verletzungsempfindlich; im Bereich der Transplantate besteht zudem eine Instabilität der Narben, die durch wiederholte behandlungsbedürftige Verletzungen – offene Stellen – gekennzeichnet ist (vgl. die Gutachten von Dr. K/ Dr. S von Februar 1982, Dr. R von 1994, Dr. D von Januar 1997, Dr. G von März 1998¸ Prof. Dr. G/ Dr. K von Mai 2000). Am rechten Oberschenkel des Klägers bestehen Narbenfelder in Form von ausgedehnten streifigen narbigen Veränderungen nach Spalthautentnahme an der Vorder-, Außen- und Innenseite (vgl. Gutachten von Dr. K/ Dr. S von Februar 1982, Dr. G von März 1998, Prof. Dr. G/ Dr. K von Mai 2000). Hier finden sich Niveauunterschiede der Haut mit teils oberflächlicher, teils tieferer Narbenbildung, bei zum Teil auch keloidartigen Veränderungen und verminderter Behaarung (vgl. die ausführlichen Beschreibungen in den Gutachten von Dr. K / Dr. S von Februar 1982 und Prof. Dr. G/ Dr. K von Mai 2000, siehe auch Prof. Dr. W/ Dr. V in den Gutachten von Januar 1991 und Januar 1995).

Für die Vernarbungen am linken Bein aufgrund der Spalthautentnahmen ist ebenfalls von einer betroffenen KOF von mindestens 9 % auszugehen, der Mulitplikator mit 1 anzusetzen, jedoch für die Qualität der Narben ein Faktor von 1,5 (ohne Pigmentveränderung, mit Texturveränderungen) zugrunde zu legen, so dass sich eine Punktzahl von 13,5 ergibt (9 x 1,5 x 1). So bestehen am linken Oberschenkel nach Spalthautentnahme innen-, außen- und streckseitig ausgedehnte Narben, teilweise auch an der Rückseite. Auch hier finden sich Niveauunterschiede der Haut mit teils oberflächlicher, teils tieferer Narbenbildung, bei zum Teil keloidartigen Veränderungen – jedoch geringer ausgeprägt als rechts - und verminderter Behaarung. Dies setzt sich am linken Unterschenkel fort, wo ausgedehnte streifige Narben an der Außen-, Innen- und Streckseite nach Spalthautentnahme bestehen (vgl. die ausführlichen Beschreibungen in den Gutachten von Dr. K / Dr. S von Februar 1982 und Prof. Dr. G/ Dr. K von Mai 2000; siehe auch die Gutachten von Prof. Dr. W/ Dr. V von Januar 1991 und Januar 1995 sowie von Dr. Gvon März 1998).

Hinsichtlich der Vernarbungen an beiden Armen aufgrund der Spalthautentnahmen ist ebenfalls von einer betroffenen KOF von mindestens 9 % (4,5 % für jeden Arm) auszugehen, der Mulitplikator hier mit 2 anzusetzen, jedoch für die Qualität der Narben ein Faktor von 1 (ohne Pigment – und wesentliche Texturveränderung) zugrunde zu legen, so dass sich eine Punktzahl von 18 ergibt (9 x 1 x 2). So finden sich nach Spalthautentnahme ausgedehnte Narben an den Beuge- und Streckseiten beider Ober- und Unterarme (vgl. die Beschreibungen in den Gutachten von Dr. K / Dr. S von Februar 1982 und Prof. Dr. G/ Dr. K von Mai 2000; siehe auch die Gutachten von Dr. D von Januar 1997 und Dr. G von März 1998). Zwar werden diese 1982 von Dr. K / Dr. S noch als zum Teil keloidartig verändert beschrieben, nach den Befundungen von Prof. Dr. G/ Dr. Kbestehen jedoch nur (noch) Pigmentierungsstörungen mit oberflächlichen Narbenbildungen. Dies mag einer weiteren Abheilung und dem Umstand geschuldet sein, dass an den Armen keine so tiefe Spalthautentnahme erfolgt war wie an den Beinen. Jedenfalls stellt sich die Struktur der Narben an den Armen besser dar als an den Beinen, so dass der Senat hierfür nur den Faktor 1 als gerechtfertigt ansieht.

Zudem sind die Vernarbungen an der vorderen Bauchwand aufgrund der Spalthautentnahmen zu berücksichtigen. Hier ist von einer betroffenen KOF von mindestens 4,5 % auszugehen, der Mulitplikator mit 1 anzusetzen, jedoch für die Qualität der Narben ein Faktor von 1 (ohne Pigment – und wesentliche Texturveränderung) zugrunde zu legen, so dass sich eine Punktzahl von 4,5 ergibt (4,5 x 1 x 1). Beim Kläger bestehen nach Spalthautentnahme streifige Narben auch im Bereich des rechten Oberbauches sowie des gesamten Unterbauches (vgl. die Beschreibungen in den Gutachten von Dr. K / Dr. S von Februar 1982 und Prof. Dr. G/ Dr. K von Mai 2000; siehe insbesondere auch die Gutachten von Dr. R von November 1994 und Dr. D von Januar 1997). Diese sind bis auf geringe Pigmentierungsstörungen reizlos abgeheilt (so Prof. Dr. G/ Dr. K), so dass hierfür nur der Faktor 1 anzusetzen war.

b) Hinsichtlich der somatischen und vegetativen Komponenten [C] ist eine Punktzahl von 10 zu berücksichtigen.

So hat der Kläger wiederholt und nachvollziehbar eine Berührungsempfindlichkeit der Hauttransplantate geschildert (vgl. Gutachten von Dr. D von Januar 1997 <“Bei bestimmten Hosenstoffen würde seine Haut aufscheuern“>, siehe auch Gutachten von Prof. Dr. G/ Dr. K Mai 2000). Des Weiteren wird von ihm über Juckreiz am rechten Unterschenkel und Fußrücken berichtet, der zu entsprechenden – entzündeten – Kratzwunden führte (vgl. die Gutachten von Dr. K/ Dr. S von Februar 1982, Dr. W / Dr. V von Januar 1991, Dr. D von Januar 1997 und Prof. Dr. G/ Dr. K von Mai 2000). Zudem besteht eine erhöhte Verletzlichkeit, insbesondere der Transplantate im Bereich der Tibiakante des rechten Unterschenkels, mit auch ohne Kratzen wiederholt auftretenden offenen Stellen (vgl. die Gutachten von Prof. Dr. W / Dr. V von Januar 1991, Dr. D von Januar 1997 und Prof. Dr. G/ Dr. K von Mai 2000). Bereits vor der Fersenbeintrümmerfraktur hat der Kläger über Schmerzen im rechten Sprunggelenk und Fuß bei bestimmten Bewegungen geklagt (vgl. Gutachten von Prof. Dr. Weller / Dr. V von Januar 1991). Hinzu kommen Klagen über ein Spannungsgefühl (Straffheit) der Haut am rechten Sprunggelenk (vgl. Gutachten von Dr. D von Januar 1997) sowie eine Trockenheit der Haut am rechten Bein (vgl. Gutachten von Dr. K/ Dr. S von Februar 1982).

Danach ist bei einer sich aus [B] und [C] ergebenden Punktzahl von rund 66 eine MdE von 20 v. H anzusetzen. Die aus den Vernarbungen resultierenden Funktionseinschränkungen bedingen keine MdE von mindestens 10 v.H. Für die beim Kläger wegen der Narben mit Einziehungen im rechten oberen Sprunggelenk bestehenden leichten Bewegungseinschränkungen (vgl. Gutachten von Prof. Dr. W / Dr. V: Heben/Senken des Fußes 15/0/30 <Januar 1991> bzw. 10/0/40 < Januar 1995 >) sowie die allenfalls leichtgradige Bewegungseinschränkung im unteren Sprunggelenk (Gutachten von Prof. Dr. Weller/Dr. V: freie Beweglichkeit <Januar 1991> bzw. Einschränkung um ¼ <Januar 1995>) ist eine MdE von deutlich unter 10 v. H. anzusetzen. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., 8. Aufl. 2010, S. 678 begründet erst eine Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenkes auf 0/0/30 eine MdE von 10 v. H.

Nichts anderes ergibt sich, wenn man bei der MdE-Bewertung auf die älteren unfallmedizinischen Kriterien abstellt, wie sie sich in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., 7. Aufl. 2003, S. 913 bzw. 5. Aufl. 1993, S. 730 (aber auch noch in Thomann/Schröter/Grosser, a. a. O., S. 309) finden. Danach ist aufgrund der zuvor beschriebenen Ausdehnung der Narben auf 31,5 % der KOF (bei vorsichtiger Schätzung) auch ohne Berücksichtigung von Funktionseinschränkungen und sonstigen Beschwerden eine MdE von 20 v. H. gerechtfertigt, zumal vor dem Hintergrund der ästhetischen Problematik derartig ausgedehnter Narbenfelder. Wie den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Bin seinem Gutachten vom 15. Februar 2008 nebst ergänzenden Stellungnahmen vom 03. September 2008 und 07. Januar 2011im Kern zu entnehmen ist, ist bei der MdE-Bildung (durch die unfallchirurgischen Gutachter) das Stigmata durch die multiplen Narben für den damals jungen Kläger nicht hinreichend berücksichtigt worden, d. h. die daraus resultierende – andauernde - seelische Belastung. Schließlich hat die entstellende Wirkung der Narben negative Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl des Klägers, wie aus seinen Angaben bei diversen Begutachtungen zu der erlebten Diskriminierung in Schwimmbädern, aber auch zu seinen Hemmungen in Bezug auf den intimen Umgang mit Frauen (vgl. die Angaben bei der Begutachtung durch Dr. K / Dr. S im Februar 1982; Dr. Weller /Dr. V im Januar 1991; Dr. Sch im März 1998) deutlich wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; sie folgt der Entscheidung in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.