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Entscheidung 9 UF 120/15


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 11.07.2016
Aktenzeichen 9 UF 120/15 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 28. Mai 2015 – Az. 38 F 354/13 – teilweise abgeändert und insoweit insgesamt wie folgt neu gefasst:

1.

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Bundesfinanzdirektion … (Personalnummer …; Az. VA …) zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 55,13 EUR monatlich, bezogen auf den 30. April 2003, übertragen.

2.

Der Ausgleich des Anrechts des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung … (Versicherungskonto …) findet nicht statt.

II. Es bleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz.

Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren tragen die Beteiligten je zur Hälfte; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

III. Der Beschwerdewert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1.

Die Beteiligten streiten über die Regelung des im Scheidungsverfahren nach § 2 VAÜG ausgesetzten Versorgungsausgleichs.

Die Beteiligten haben am 29. April 1998 die Ehe geschlossen, die kinderlos geblieben ist. Die Trennung erfolgte 17. September 2001. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist am 8. Mai 2003 zugestellt worden.

Mit Urteil vom 7. November 2006 – Az. 33 F 40/03 - hat das Amtsgericht Oranienburg die Ehe der Beteiligten geschieden und mit Beschluss vom selben Tage den Versorgungsausgleich abgetrennt. Mit weiterem Beschluss vom 11. März 2008 hat das Amtsgericht Oranienburg entschieden, dass der Versorgungsausgleich gemäß § 1587 c Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht stattfindet, weil sich der Antragsgegner in der Ehezeit nicht um ausreichende eigene Versorgungsanwartschaften bemüht und zudem nicht ausreichend zu der Aufklärung seines weit reichend und unter anderem nahezu die gesamte Ehezeit erfassenden offenen Versicherungsverlaufs mitgewirkt habe (Bl. 242 ff der Beiakte mit dem Az. 33 F 40/03). Im Beschwerdeverfahren hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 15. Juli 2008 - Az. 9 UF 37/08 – das Versorgungsausgleichsverfahren nach § 2 VAÜG ausgesetzt (Bl. 313 ff. der Beiakte). Die von der Antragstellerin angeführten Gründe rechtfertigten nicht einen vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 1587c BGB, der allein die Aussetzung nach § 2 VAÜG hindere. Die – sich mit Blick auf das wechselseitige Vorbringen der Beteiligten – eher aufdrängende Frage eines teil- bzw. zeitweisen Ausschlusses des Versorgungsausgleichs für die Zeit ab Juni 2001, spätestens ab der Trennung im September 2001 sei vorerst nicht zu entscheiden, weil in jedem Falle die Voraussetzungen für eine – deshalb vorzunehmende – Aussetzung nach § 2 VAÜG vorlägen.

Im Mai 2013 hat das Amtsgericht das Versorgungsausgleichsverfahren von Amts wegen wieder aufgenommen und neue Auskünfte der Versorgungsträger für die gesamte Ehezeit und später gesondert den auf die Zeit vom 1. Juni 2001 bis zum Ende der Ehezeit am 30. April 2003 entfallenden Ehezeitanteil erfragt. Auf die Auskünfte der weiteren Beteiligten zu 1. vom 9. September 2013 (Bl. 19 ff. GA) und vom 12. November 2014 (Bl. 114 ff. GA) sowie der weiteren Beteiligten zu 2. vom 19. März 2014 (Bl. 30 ff. GA) und vom 18. Februar 2015 (Bl. 124 ff. GA) wird Bezug genommen.

Die Antragstellerin hat unter Wiederholung und Vertiefung der bereits im ursprünglichen Scheidungsverbundverfahren zweitinstanzlich vorgetragenen Gründe den vollständigen, hilfsweise den teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs für die Zeit seit dem 1. Juni 2001 begehrt. Der Antragsgegner ist diesem tatsächlichen Vorbringen erneut teilweise entgegen getreten und hat die uneingeschränkte Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs nach Maßgabe der §§ 9 ff. VersAusglG erstrebt.

Mit Beschluss vom 28. Mai 2015 (Bl. 153 ff GA) hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, dass die Anrechte der Antragstellerin bei der weiteren Beteiligten zu 1. im Wege interner Teilung zum Ausgleich gebracht wurden, während das bei der weiteren Beteiligten zu 2. bestehende Anrecht des Antragsgegners wegen Geringfügigkeit vom Ausgleich ausgenommen wurde. Gründe für einen auch nur teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs lägen nicht vor. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsgegner sich bis Mai 2001 am Familienunterhalt beteiligt hat; so habe er nicht unerhebliche Leistungen im Zusammenhang mit Ausbau/Renovierung der im Miteigentum der Antragstellerin stehenden Immobilie erbracht und sich – etwa durch Einkäufe – an der allgemeinen Haushalts- und Lebensführung beteiligt. Auch der Umstand, dass der Antragsgegner seit Mai 2001 keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen sei, rechtfertige keinen Ausschluss, weil unzureichende Bemühungen insoweit nicht festzustellen seien bzw. diese an der fehlenden Fahrerlaubnis scheiterte; im Zusammenhang mit der Alkoholsucht des Antragsgegners fehle es an der erforderlichen besonderen Rücksichtslosigkeit. Zudem sei die Familie durch etwaige Versäumnisse des Antragsgegners zu keiner Zeit in eine Notlage geraten. Dass der Antragsgegner mit seiner Alkoholsucht eine schwere Erkrankung der Antragstellerin verursacht habe, lasse sich nicht feststellen. Auch die Zuwendung zu einer anderen Partnerin und der behauptete einmalige körperliche Übergriff ließen die gesetzmäßige Durchführung des Versorgungsausgleichs noch nicht unbillig erscheinen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens vor dem Familiengericht weiterhin den vollständigen, hilfsweise den teil-/zeitweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen Unbilligkeit erstrebt.

Der Antragsgegner verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung.

Der Senat hat – einer entsprechenden Ankündigung folgend – im schriftlichen Verfahren gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG entschieden.

2.

Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und form- und fristgerecht gemäß §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 und 2 FamFG eingelegte und begründete Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig.

In der Sache selbst hat das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg. Der mit dem Hauptantrag erstrebte vollständige Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen Unbilligkeit ist nicht gerechtfertigt; allerdings ist der Antragsgegner an der ehezeitlich erworbenen Versorgungsanwartschaft der Antragstellerin in Anwendung des § 27 VersAusglG nur eingeschränkt, nämlich unter Ausschluss der weitergehend seit dem 1. Juni 2001 erwirtschafteten Anrechte zu beteiligen.

Der Versorgungsausgleich ist grundsätzlich durchzuführen; ein vollständiger Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen Unbilligkeit kommt nicht in Betracht.

Nach § 27 VersAusglG findet der Versorgungsausgleich dann ausnahmsweise nicht statt, wenn und soweit er grob unbillig wäre. Eine grobe Unbilligkeit liegt nur dann vor, wenn im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände die rein schematische Durchführung des Ausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten zu gewähren, dem Gerechtigkeitsgedanken in unerträglicher Weise widersprechen würde (BGH FamRZ 2015, 1004 – Rdnr. 6 bei juris; FamRZ 2013, 106 – Rdnr. 19 bei juris und jeweils mit weiteren Nachweisen). Die Härteklausel ermöglicht keine generelle Korrektur des nach den Vorschriften durchgeführten Versorgungsausgleichs, sondern greift nur im Einzelfall ein, wenn nach Abwägung sämtlicher Lebensumstände der Ehegatten ein Ausgleich oder eine Beschränkung des Ausgleichs geboten ist. Im Rahmen dieser erforderlichen umfassenden Härtefallprüfung sind insbesondere die wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten sowie auch persönliche Lebensumstände mit nur mittelbarem wirtschaftlichem Bezug zu berücksichtigen. Abzuwägen sind insbesondere die Umstände, die zu diesen Lebensverhältnissen geführt haben, ferner die beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse einschließlich der Möglichkeit zum Aufbau weiterer Versorgungsanwartschaften. Bereits aus dem Wortlaut des § 27 VersAusglG ergibt sich, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs der Regelfall und ein - selbst teilweiser - Ausschluss des Ausgleichs die Ausnahme ist (BGH a.a.O.; NK-Götsche, Versorgungsausgleichsrecht, 2. Aufl., § 27 Rdnr. 18).

Der Antragstellerin macht mit näherer Darlegung geltend, dass sich der – im Übermaß dem Alkohol zusprechende - Antragsgegner in der Ehezeit nahezu überhaupt nicht, jedenfalls nur höchst unzureichend am Familienunterhalt beteiligt und damit die Ursache für eine schwer wiegende Erkrankung der Antragstellerin gesetzt habe, fast keine eigene Altersvorsorge betrieben und lang andauernd eine ehewidrige Beziehung geführt habe und zudem gegen sie tätlich geworden sei.

Anknüpfend an die Ausführungen des Senates in der vorangegangenen Entscheidung vom 15. Juli 2008 bleibt - bei weitestgehend unveränderter Ausgangslage in tatsächlicher Hinsicht - festzustellen, dass die angeführten Umstände, soweit sie unstreitig sind bzw. im Ergebnis hierzu unterbreiteter Nachweise festgestellt werden können, unter Abwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten weder jeweils für sich betrachtet noch in ihrer Gesamtschau den begehrten vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs rechtfertigen können.

Richtig ist, dass die Ehegatten in der Ehezeit sehr unterschiedlich zum Familienunterhalt beigetragen und nicht minder unterschiedlich hohe Versorgungsanrechte erworben haben.

Die heute 52-jährige Antragstellerin ist - wie auch in der Zeit vor der Eheschließung - einer abhängigen Erwerbstätigkeit in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis nachgegangen. Sie hat nach der Auskunft der weiteren Beteiligten zu 1. aus dem Amtsverhältnis im mittleren Dienst ehezeitanteilig eine Versorgungsanwartschaft im Umfang von 177,27 EUR monatlich, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 30. April 2003, erworben. Sie hat für Zwecke des Antragsgegners vor und während der Ehe erhebliche finanzielle Zahlungen erbracht.

Der heute ebenfalls knapp 52-jährige Antragsgegner hat die allgemeine Schulbildung mit einem sehr mäßigen erweiterten Hauptschulabschluss beendet (Bl. 239 der Beiakte), verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung, allerdings über einiges handwerkliches Geschick, das er seit Beendigung der Schulzeit in verschiedene meist eher kurzzeitige unselbständige Beschäftigungsverhältnisse, zeitweise in selbständige Erwerbstätigkeit eingebracht hat, immer wieder jedoch unterbrochen durch Arbeitslosigkeit, nicht selten dabei ohne Leistungsbezug (vgl. den Schriftsatz des Antragsgegners im Scheidungsverfahren vom 7. August 2007, Bl. 213 ff. Beiakte, sowie den Versicherungsverlauf in der Auskunft der weiteren Beteiligten zu 2.). Vor und nach der Eheschließung im April 1998 war er – mit bescheidenen Erträgen und zuletzt mit Verlusten (vgl. dazu die Steuerbescheide der Beteiligten aus den Jahren 1998 – 2000, Bl. 296 ff. der Beiakte) – selbständig; er hatte im Dezember 1996 ein handwerksähnliches Gewerbe für Bodenlegearbeiten, den Einbau genormter Fertigteile und im Holz- und Bautenschutzgewerbe zunächst in B… angemeldet, das er wegen des Einzuges in das - im Miteigentum der Antragstellerin und zwei ihrer Familienangehörigen zu je einem Drittel stehende neue - Familienheim in V… im Januar 1999 nach … verlegt und zum 6. Oktober 2000 abgemeldet hat (Bl. 179-181, 189 der Beiakte). In dieser Zeit hat er sich in einem im Einzelnen umstrittenen Umfang an den umfangreichen Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten an dem 1997 erworbenen Familienheim beteiligt. Im Frühjahr 2001 war er bis zur arbeitgeberseitigen Kündigung wegen Alkoholkonsums kurzzeitig abhängig beschäftigt und hat daraus die in der Auskunft der weiteren Beteiligten zu 2. mitgeteilten Versorgungsanrechte im Umfang einer Monatsrente von 3,47 EUR, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 30. April 2003, erworben.

In Ansehung der vorgeschilderten sehr unterschiedlichen schulischen und beruflichen Entwicklung und der (zeitweise auch gemeinsamen) vorehelichen Lebensgestaltung der Beteiligten war – auch für die Antragstellerin bei Eheschließung erkennbar – tatsächlich zu erwarten, dass der Antragsgegner in deutlich geringerem Umfang und auch eher nicht stetig mit Erwerbseinkünften zum Familienunterhalt beitragen würde; korrespondierend dazu war auch mit entsprechend niedrigen Beiträgen zur eigenen Altersvorsorge zu rechnen.

Es kommt hinzu, dass die ersten Jahre (bis gegen Ende des Jahres 2000) ganz wesentlich auch dadurch geprägt waren, dass das von der Antragstellerin und zwei ihrer Familienangehörigen 1997 erworbene (künftige) Familienheim mit einem großen Kosten- und Arbeitsaufwand umgebaut und modernisiert wurde. Hierzu hat der Antragsgegner nicht unerhebliche Beiträge geleistet; auf die Darstellung der Arbeiten im Einzelnen in dem Beschluss des Senates vom 15. Juli 2008 (dort S. 6 f.) wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen. Auch darin liegt ein Beitrag zum Familienunterhalt. Im Jahr 2001 hat auch der Antragsgegner sodann eine nichtselbständige Erwerbstätigkeit aufgenommen (dazu später gesondert).

Mittelbare Folge der (faktischen) Alleinverdienerehe war allerdings der – auch bereits im ursprünglichen Scheidungsverfahren – angesprochene und im Rahmen der Billigkeitsabwägung bedeutsame Umstand, dass nicht unerhebliche steuerliche Vorteile erzielt wurden, nämlich Steuerrückerstattungen von knapp 10.000 DM geflossen sind.

Unbestreitbar ist, dass der Beitrag des Antragsgegners zum Familienunterhalt nach Aktenlage deutlich hinter demjenigen der Antragstellerin zurückgeblieben ist, die neben der Erwerbstätigkeit die Doppel- bzw. Dreifachbelastung aus Haushaltsführung und eigener kräftezehrender Mitarbeit an dem Bauvorhaben zu tragen hatte. Wesentliche eigene Beiträge zur Haushaltsführung behauptet der Antragsgegner, der lediglich manchmal Einkäufe erledigt hat, selbst nicht. Die gesetzmäßige Durchführung des Versorgungsausgleichs setzt allerdings auch nicht voraus, dass die Beteiligten in gleicher oder zumindest in vergleichbar intensiver Weise zum Familienunterhalt oder Vermögensaufbau beigetragen haben. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Ehegatten die Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse im Rahmen zulässiger Grenzen frei vereinbaren können, so dass auch atypische Rollenverteilungen nicht zur Anwendung von § 27 VersAusglG führen. Das Gericht hat vielmehr derartige von den Ehegatten gewählte Gestaltungen zu respektieren und darf diese nicht durch eigene Wertungen ersetzen. Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs kommt in diesen Fällen nur in Betracht, wenn neben die objektiv ungleiche Pflichtenverteilung ein Element der Vorwerfbarkeit hinzutritt. Dafür gibt es im Streitfall – jedenfalls bis zum Frühsommer 2001 – keine hinreichend belastbaren Anknüpfungstatsachen. Die ersichtlich finanziell unabhängige Antragstellerin, die sich jeder (seelisch-moralischen) Unterstützung durch ihre Familienangehörigen sicher sein konnte, hat diese Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse ganz offenkundig jedenfalls bis gegen Ende des Jahres 2000 mitgetragen. Sie hat insbesondere auch über die Dauer der zum Jahresende 1998 aufgetretenen längeren stressbedingten Erkrankung, die sie (heute) allein dem Antragsgegner anlastet, ohne dass es dafür – wie das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat - ausreichend tragfähige Belege gibt, an der ehelichen Lebens- und eben auch Versorgungsgemeinschaft in der bis dato gelebten Form ungleicher Pflichtenverteilung festgehalten. Ferner war zu berücksichtigen, dass die unzureichenden finanziellen Beiträge des Antragstellers jedenfalls nicht dazu geführt haben, dass die Eheleute in eine finanzielle Notlage geraten wären. Trotz der nicht unerheblichen Fixkosten aus der Immobilienfinanzierung konnten jedenfalls immer wieder auch Mittel für (gemeinsame) Reisen (etwa im April 1999) und besondere Belastungen aufgebracht werden (vgl. dazu etwa Auflistung der „Zahlungen für F…“, Bl. 150 f. GA, sowie die „Einnahmen-/ AusgabenTabellen 1998-2001, Bl. 110 ff. GA).

Soweit die Antragstellerin erneut behauptet, der Antragsgegner habe eine langjährige ehewidrige Beziehung unterhalten, fehlt es nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin weiterhin an besonderen Umständen, die die Durchführung des Versorgungsausgleichs unbillig erscheinen ließen. Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG hat keinen Sanktionscharakter. Dieses angebliche außereheliche Lebensverhältnis war auch nicht etwa Grund, nicht einmal mitursächlich für die Trennung der Beteiligten; es gibt auch keine Hinweise darauf, dass die Antragstellerin insoweit schwer wiegende Kränkungen und Verletzungen davongetragen hätte.

Fehlt es nach alledem an ausreichenden Gründen für einen vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs, war jedoch im hier vorliegenden Fall der Versorgungsausgleich auf die Zeit bis einschließlich Mai 2001 zu beschränken.

Im Streitfall ist davon auszugehen, dass jedenfalls um den Jahreswechsel 2000/01 herum die gemeinsamen Vorstellungen zur ehelichen Lebensführung eine wesentliche Veränderung erfahren haben. Entweder auf Drängen der Antragstellerin oder jedenfalls aufgrund eines gemeinschaftlichen Entschlusses beider Beteiligter hat der Antragsgegner seine selbständige handwerkliche Tätigkeit zugunsten der Aufnahme einer – deutlich einträglicheren und insbesondere auch rentenversicherungspflichtigen – abhängigen Erwerbstätigkeit aufgegeben. Die Beteiligten haben damit die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer Lebens- und Versorgungsgemeinschaft grundlegend neu definiert. Der Antragsteller indes hat bereits nach nur drei Monaten diesen Arbeitsplatz aufgrund eigenen groben Fehlverhaltens verloren und in der Folgezeit keine nachhaltigen Bemühungen erkennen lassen, einen anderen Arbeitsplatz zu finden. Der Antragsteller hat diesen Arbeitsplatz (auf dem Bau) verloren, weil er (wiederholt) alkoholisiert war. Der – übermäßige – Alkoholgenuss des Antragsgegners prägte und belastete ohnehin schon zuvor die Ehe. Der Antragsgegner hat unstreitig wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einem BAK-Wert von 2,8 Promille seine Fahrerlaubnis verloren; dieser hohe Wert rechtfertigt für sich den sicheren Schluss auf eine erhebliche Alkoholgewöhnung, die die Antragstellerin – das ist nicht ernstlich bestritten – schon über längere Zeit vor der Trennung wiederholt nachdrücklich kritisiert hat, ohne dass sich der Antragsgegner davon irgendwie hätte spürbar beeindrucken lassen. Ebenso unumstritten ist, dass der Antragsgegner nach der Kündigung zum 1. Juni 2001 zahlreichen durch die Antragstellerin und das Arbeitsamt nachgewiesenen Stellenangeboten nicht mit dem gebotenen Nachdruck nachgegangen und keine ernsthaften Bemühungen um die Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes unternommen hat. Soweit der Antragsgegner hierzu im Termin vor dem Amtsgericht am 16. Oktober 2014 ausgeführt hat, die Aufnahme einer neuen Beschäftigung sei „immer daran gescheitert, dass er nicht in der Lage gewesen sei, ein Fahrzeug zu führen“, überzeugt das nicht. Der Antragsteller lebte im Großraum bzw. – nach der Trennung – in B…, so dass er zwanglos auf den gut ausgebauten öffentlichen Personennahverkehr zurückgreifen hätte können; für Hilfsarbeiten auf dem Bau oder sonstige Hilfstätigkeiten in anderen Branchen ist eine Fahrerlaubnis nicht zwingend notwendig. Der Antragsgegner ist, obwohl die – kinderlose und mit einem Heim ausgestattete - eheliche Lebensgemeinschaft jedenfalls seit dem Frühjahr 2001 als Doppelverdienerehe geführt werden sollte, seinen Beitrag hierzu schlicht gänzlich schuldig geblieben und hat sich ersichtlich weiter auf die Gutmütigkeit seiner Frau verlassen. Dies stellt sich angesichts der zuvor schon getragenen besonderen Lasten durch die Antragstellerin als gröblichst schuldhafte Verletzung ehelicher Unterhalts- und Versorgungspflichten dar. In diesem Zusammenhang fällt auch ins Gewicht, dass der Antragsteller unbestritten – wiederum massiv alkoholisiert – gegen die Antragstellerin gewalttätig geworden ist, sie nämlich im Zuge einer zunächst verbalen Auseinandersetzung am 17. September 2001 so heftig gewürgt hat, dass bei der Antragstellerin tagelang Würgemale zu sehen waren.

Bei dieser Sachlage ist es gerechtfertigt, den Antragsgegner seit dem 1. Juni 2001 nicht mehr an den von der Antragstellerin erwirtschafteten Versorgungsanrechten partizipieren zu lassen, also den Versorgungsausgleich auf die Zeit bis zum 1. Juni 2001 zu beschränken.

Der 1964 geborene Antragsteller war bei der Trennung im Jahr 2001 und zum Ende der Ehezeit noch keine 40 Jahre alt. Entsprechende Bemühungen vorausgesetzt, ist zu erwarten, dass er auf die hier in Rede stehenden (anteiligen) Versorgungsanrechte, die die Antragstellerin zwischen dem 1. Juni 2001 und dem 30. April 2003 erwirtschaftet hat, nicht dringend angewiesen ist, weil er selbst bis zum Eintritt der Regelaltersgrenze noch ausreichende eigene Anwartschaften erarbeiten kann. Auch schon die Renteninformation der weiteren Beteiligten zu 2. vom 7. Oktober 2005 (Bl. 96 GA) streitet für diese Annahme. Danach konnte der Antragsgegner eigene Rentenansprüche von 505,69 EUR schon für den Fall erwarten, dass er bis zur Regelaltersgrenze „Beiträge wie im Durchschnitt der letzten fünf Kalenderjahre gezahlt hat“. In diesem 5-Jahres-Zeitraum aber sind für den Antragsteller (erneut) nur in äußerst bescheidenem Umfang Beiträge gezahlt worden. Den – unter versorgungsrechtlichen Billigkeitsgesichtspunkten indes – zu erwartenden Ehrgeiz bezüglich des Ausbaus eigener Rentenansprüche vorausgesetzt, ist danach nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner dringend auf die vollständige Teilhabe an den ehezeitlich erworbenen Anrechten der Antragstellerin angewiesen ist.

Umgekehrt ist auch nicht etwa festzustellen, dass die Antragstellerin ihrerseits ohnehin „ausgesorgt“ hätte. Auch sie kann – zumal in einem gesicherten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis – natürlich bis zum Eintritt in das Rentenalter noch erhebliche eigene Versorgungsanwartschaften erwirtschaften. Es bleibt aber festzuhalten, dass die Pensionsansprüche aus der Besoldungsgruppe A 8 auch eher bescheidener Natur sind. Zwar ist sie Miteigentümerin einer Immobilie; diese ist aber bis heute hoch belastet und muss jenseits der noch lange anhaltenden Kreditverpflichtungen mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand unterhalten werden.

In der Abwägung aller Umstände ist es deshalb veranlasst, die Durchführung des Versorgungsausgleichs auf den Zeitraum von der Eheschließung bis zum 31. Mai 2001 zu beschränken.

Die ab dem 1. Juni 2001 beiderseits bzw. hier letztlich allein von der Antragstellerin erworbenen Anrechte sind mithin nicht in den Versorgungsausgleich einzubeziehen. Dies ist dadurch zu verwirklichen, dass die auf die gesamte Ehezeit entfallenden Anrechte um diejenigen bereinigt werden, die die Ehegatten bzw. hier ausschließlich die Antragstellerin in der Zeit vom 1. Juni 2001 bis zum Ehezeitende am 30. April 2003 erlangt haben.

Dafür sind die auszugleichenden Anrechte unter Anwendung der zum Ehezeitende – hier also zum 30. April 2003 – maßgeblichen Berechnungsgrundlagen zu ermitteln. Von den danach insgesamt erworbenen Anwartschaften ist der Anteil abzurechnen, der in dem Zeitraum erworben worden ist, für den ein Versorgungsausgleich nicht erfolgen soll (vgl. BGH FamRZ 2004, 256 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 18. August 2011, Az. 6 UF 62/11 – zitiert nach juris; erkennender Senat, Beschluss vom 20. Dezember 2012, Az. 9 UF 184/12).

Nach der die gesamte Ehezeit betreffenden Auskunft der weiteren Beteiligten zu 1. (Bl. 19 ff. GA) hat die Antragstellerin ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 177,27 EUR monatlich erworben. Als Ausgleichswert hat die weitere Beteiligte zu 1. monatlich 88,64 EUR vorgeschlagen, was einen korrespondierenden Kapitalwert von 19.537,38 EUR ergibt. Davon entfallen auf die im Versorgungsausgleich außer Acht zu lassende Zeit vom 1. Juni 2001 bis zum 30. April 2003 insgesamt 67,01 EUR monatlich mit einem Ausgleichswert von 33,51 EUR monatlich (Bl. 114 ff. GA). Auszugleichen sind versorgungsrechtlich demzufolge (88,64 EUR – 33,51 EUR =) 55,13 EUR monatlich. Dies ergibt einen korrespondierenden Kapitalwert von 12.151,51 EUR (= 55,13 EUR : 25,86 EUR [Rentenwert zum Ehezeitende] = 2,1319 Entgeltpunkte x Umrechnungsfaktor 5.699,8500).

In diesem Umfang ist das bei der weiteren Beteiligten zu 1. bestehende Anrecht der Antragstellerin zugunsten des Antragsgegners im Wege der internen Teilung zum Ausgleich zu bringen.

Der Antragsgegner hat nach der Auskunft der weiteren Beteiligten zu 2. (Bl. 30 ff. GA) in der gesamten Ehezeit 0,1495 Entgeltpunkte (Ost) erworben. Insoweit hat die weitere Beteiligte zu 2. einen Ausgleichswert von 0,0748 Entgeltpunkte (Ost) vorgeschlagen. Der korrespondierende Kapitalwert beträgt 356,81 EUR. Diese Versorgungsanrechte sind im Übrigen insgesamt in der Zeit vor dem 1. Juni 2001 erworben worden (vgl. Bl. 124 GA).

Dieses Anrecht des Antragsgegners hat das Amtsgericht zu Recht und im Übrigen auch von keinem der Beteiligten beanstandet in Anwendung von § 18 Abs. 2 VersAusglG von dem Ausgleich ausgenommen.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 2 FamGKG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.