Gericht | VG Potsdam 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 26.01.2011 | |
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Aktenzeichen | 3 K 623/07 | ECLI | ||
Dokumententyp | Gerichtsbescheid | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 45 Abs 2 Brand/KatSchG BB |
1. Die Kostenbescheide des Beklagten vom 15. Januar 2007, Kassenzeichen …, und vom 16. Januar 2007, Kassenzeichen … und … in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 7. März 2007 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klägerin ist die gemeinnützige Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Sie verwaltet die zum Weltkulturerbe der UNESCO zählenden Schlösser und Parks in Potsdam. Sie wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Kosten von Brandverhütungsschauen durch den Beklagten, den Träger des örtlichen Brandschutzes.
Am 26.04.2006, 31.05.2006 und am 29.11.2006 führte die Feuerwehr des Beklagten die Brandverhütungsschau in Objekten der Klägerin durch. Mit Bescheiden vom 15. und 16.01.2007 setzte sie gegen die Klägerin die Kosten hierfür fest mit 199,80 €, 166,50 € bzw. 183,15 €. Die Klägerin erhob Widerspruch unter Hinweis darauf, dass nach dem maßgeblichen § 45 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Brand- und Katastrophenschutzgesetz – BbgBKG) Kostenersatz nur verlangt werden könne für die Durchführung der Brandverhütungsschau in Gewerbe- und Industriebetrieben, zu denen sie nicht gehöre. Der Beklagte wies den Widerspruch zurück mit Bescheid vom 07.03.2007, der Klägerin zugestellt am 13.03.2007. Nach der angegebenen Vorschrift könne Kostenersatz verlangt werden für die Durchführung der Brandverhütungsschau und für den Einsatz von Sonderlöschmitteln bei Bränden in Gewerbe- und Industriebetrieben; der einschränkende Satzteil (in Gewerbe- und Industriebetrieben) beziehe sich allein auf den Einsatz von Sonderlöschmitteln bei Bränden. Das ergäbe auch die Gesetzesbegründung, wonach Kostenersatz verlangt werden könne für die Durchführung der Brandverhütungsschau oder die Verwendung von Sonderlöschmitteln in Anlagen mit besonderem Gefahrenpotential.
Die Klägerin wiederholt und vertieft in der am 28.03.2007 erhobenen Klage ihr Vorbringen aus dem Widerspruch. Der Beklagte habe zudem ermessensfehlerhaft nicht erwogen, von der Kostenerstattung abzusehen gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 BbgBKG. Es bestünde ein erhebliches öffentliches Interesse am Erhalt der Schlösser und Gärten der Klägerin.
Sie beantragt,
die Kostenbescheide des Beklagten vom 15. Januar 2007, Kassenzeichen …, und vom 16. Januar 2007, Kassenzeichen …und …in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 7. März 2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertieft die Begründung der angefochtenen Bescheide und macht geltend, mangels besonderer Anhaltspunkte dafür, von einer Kostenerstattung vorliegend abzusehen, seien die angegriffenen Bescheide ermessensfehlerfrei.
Die Entscheidung kann gemäß § 84 Abs. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid ergehen, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise angehört worden.
Die zulässige Klage ist begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage der angegriffenen Bescheide ist § 45 Abs. 2 in Verbindung mit Absatz 4 BbgBKG sowie § 1 Abs. 3 Satz 1 der Satzung über die Erhebung von Kostenersatz bei Leistungen der Feuerwehr der Landeshauptstadt Potsdam (Feuerwehrkostensatzung) vom 14.12.2004 (Amtsblatt für die Landeshauptstadt Potsdam Nr. 24/2004 vom 30. Dezember 2004, S. 24). Danach kann von dem Eigentümer, Besitzer oder sonstigen Nutzungsberechtigten von baulichen Anlagen Kostenersatz für die Durchführung der Brandverhütungsschau und den Einsatz von Sonderlöschmitteln bei Bränden in Gewerbe- und Industriebetrieben verlangt werden.
Die Vorschrift ermöglicht die Geltendmachung von Kostenersatz auch für die Durchführung der Brandverhütungsschau außerhalb von Gewerbe- und Industriebetrieben. Der einschränkende Satzteil „in Gewerbe- und Industriebetrieben“ bezieht sich lediglich auf „den Einsatz von Sonderlöschmitteln bei Bränden“.
Nach dem Wortlaut kommen zwar verschiedene Auslegungen in Betracht, nämlich dass Kostenersatz verlangt werden kann „für die Durchführung der Brandverhütungsschau […] in Gewerbe- und Industriebetrieben“, oder dass Kostenersatz verlangt werden kann „für die Durchführung der Brandverhütungsschau“ allgemein, d. h. ohne Einschränkung auf eine bestimmte Nutzung der baulichen Anlage. Der Brandverhütungsschau unterliegen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BbgBKG bauliche Anlagen, die eine erhöhte Brand- oder Explosionsgefährdung aufweisen oder in denen bei Ausbruch eines Brandes oder einer Explosion eine große Anzahl von Menschen oder erhebliche Sachwerte gefährdet wären. Das betrifft nicht nur Gewerbe- und Industriebetriebe, sondern auch die Klägerin als gemeinnützige Stiftung. Bei einem Brand in einem ihrer Schlösser wären eine große Anzahl von Menschen oder erhebliche Sachwerte gefährdet. Das betrifft auch die in § 45 Abs. 2 BbgBKG genannten Sonderlöschmittel, die nicht nur bei Bränden in Gewerbe- und Industriebetrieben zum Einsatz kommen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BbgBKG können die Eigentümer, Besitzer, sonstigen Nutzungsberechtigten und Betreiber von dem jeweiligen Träger des Brandschutzes unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet werden, für die Bereitstellung von unter anderem Sonderlöschmitteln zu sorgen. Der Kreis der „Eigentümer, Besitzer, sonstigen Nutzungsberechtigten“ erschließt sich aus Satz 1 der Vorschrift, in denen die jeweils Nutzungsberechtigten (i. w. S.) näher bestimmt werden von Grundstücken und baulichen Anlagen mit einer besonderen Brand- oder Explosionsgefährdung oder von Grundstücken und baulichen Anlagen, von denen im Falle eines sonstigen gefahrbringenden Ereignisses Gefahren für die Gesundheit oder das Leben einer größeren Zahl von Menschen, Gefahren für erhebliche Sachwerte oder akute Umweltgefahren ausgehen können. Das betrifft wiederum nicht nur Gewerbe- und Industriebetriebe, sondern allgemein alle baulichen Anlagen mit erhöhtem Gefahrenpotential (z. B. Gewerbebetriebe, Krankenhäuser, Pflegeheime), wie die Gesetzesbegründung erläutert (LT-Drs. 3/6938, 53).
Auch die Gesetzesbegründung ermöglicht keine eindeutige Auslegung. Nach den vom Beklagten zutreffend zitierten Gesetzesmaterialien kann Kostenersatz für die Durchführung der Brandverhütungsschau oder die Verwendung von Sonderlöschmitteln in Anlagen mit besonderem Gefahrenpotential verlangt werden (LT-Drs. 3/6938, 80). Das lässt ebenso eine Auslegung zu, dass Kostenersatz verlangt werden kann für die Durchführung der Brandverhütungsschau […] in Anlagen mit besonderem Gefahrenpotential, wie die, dass Kostenersatz verlangt werden kann für die Durchführung der Brandverhütungsschau allgemein oder [für] die Verwendung von Sonderlöschmitteln in Anlagen mit besonderem Gefahrenpotential.
Gegen die Auffassung der Klägerin spricht indes, dass der Satzteil „in Gewerbe- und Industriebetrieben“ nicht losgelöst vom Satzteil „bei Bränden“ verstanden werden kann. Denn dann lautete der Satz insoweit: „Für […] den Einsatz von Sonderlöschmitteln bei Bränden […] kann Kostenersatz verlangt werden.“ Eine solche Formulierung aber wäre unnötig tautologisch. Sonderlöschmittel können ihrer Natur nach nur bei Bränden zum Einsatz kommen. Die Wörter „bei Bränden“ und „in Gewerbe- und Industriebetrieben“ sind daher dergestalt aufeinander bezogen, dass auch die Einschränkung „in Gewerbe- und Industriebetrieben“ sich lediglich auf die „Brände“ und damit auf den Einsatz von Sonderlöschmitteln bei diesen Bränden bezieht.
Dieses Ergebnis wird gestützt durch eine rechtsvergleichende Übersicht über das Landesrecht betreffend die Brandverhütungsschau in den übrigen Bundesländern. Dieses sieht entweder einheitlich eine Kostenerstattung oder einen Verzicht hierauf vor, unabhängig davon, ob sie in Gewerbe- und Industriebetrieben oder in sonstigen gefährdeten Einrichtungen durchgeführt wird: Die Brandschau ist generell kostenfrei in Bayern (§ 8 FBV BY) sowie in Rheinland-Pfalz (§ 34 Abs. 1 LBKG RP) und in Hamburg (§ 6 FwG HH). Sie ist demgegenüber kostenpflichtig in Baden-Württemberg und Berlin gemäß der jeweiligen Landesbauordnung (§ 1 BauGebO BE). Sie ist ferner gebührenpflichtig in Bremen (§ 57 Abs. 1 Satz 2 HiLG HB), Hessen (§ 15 Abs. 7 HBKG), in Mecklenburg-Vorpommern (§ 26 Abs. 3 BrSchG MV), in Niedersachsen (§ 26 Abs. 2 NBrandSchG), in NRW (§ 41 Abs. 4 FSHG NRW), dem Saarland (§ 25 Abs. 2 Nr. 7 BSG SL), in Sachsen (§ 17 SächsFwVO), in Sachsen-Anhalt (§ 22 Abs. 3 BrSchG ST), in Schleswig-Holstein (§ 29 BrSchG SH) und in Thüringen (§ 21 Abs. 7 ThürBKG).
Der Gesetzgeber beschränkte folglich lediglich den Kostenersatz bei Sonderlöschmitteln aus dem Kreis der zur Vorhaltung Verpflichteten auf die wirtschaftlich interessierten Betreiber und sonstigen Nutzungsberechtigten von Gewerbe- und Industriebetrieben. Sein Wille, diese Einschränkung auch auf die Brandverhütungsschau zu beziehen, kommt nach dem Gesagten jedenfalls nicht im Gesetz zum Ausdruck.
Dementsprechend liegen die Voraussetzungen der Vorschrift vor. Die Klägerin ist Nutzungsberechtigte der in den Bescheiden genannten baulichen Anlagen im Sinne des § 1 Abs. 3 Feuerwehrkostensatzung. Diese unterliegen als historisch bedeutsame Stätten mit erheblichem Publikumsverkehr der Brandschau. Bei Ausbruch eines Brandes oder einer Explosion wären sowohl eine große Anzahl von Menschen wie erhebliche Sachwerte gefährdet.
Der Beklagte hat jedoch von dem ihm eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht. Anders als in § 45 Abs. 1 BbgBKG („Zum Ersatz der durch Einsätze entstandenen Kosten ist dem Aufgabenträger gegenüber verpflichtet, wer…“) sieht Absatz 2 der Vorschrift vor, dass für die Durchführung der Brandverhütungsschau Kostenersatz verlangt werden kann. Hier kann dahinstehen, ob diese Vorschrift wie Absatz 4 Satz 1 der Vorschrift dem Satzungsgeber (gesetzgeberisches) Ermessen eröffnet, der generell die Kostentragungspflicht für diese Leistung der Feuerwehr bestimmen kann (so zum § 45 Abs. 1 BbgBKG entsprechenden § 36 Abs. 2 BSchG VG Potsdam, Urt. v. 18.04.2000 - 3 K 1186/99 -; Urt. v, 02.07.2002 – 3 K 632/01 –, LKV 2003, 195). Denn der Satzungsgeber hat hier ebenfalls bestimmt, dass für die Durchführung der Brandschau Kostenersatz verlangt werden kann, § 1 Abs. 3 Satz 1 Feuerwehrkostensatzung. Mit dieser ersichtlichen Abweichung im Wortlaut von der Bestimmung zum generellen Kostenersatz in den Fällen des § 1 Abs. 2 Feuerwehrkostensatzung („Zum Ersatz der durch Einsätze der Feuerwehren entstandenen Kosten ist gemäß § 45 Abs. 1 BbgBKG verpflichtet, wer …“) hat er dem Feuerwehrträger für die in Absatz 3 genannten Fälle Ermessen eröffnet. Hiervon hat der Beklagte jedoch in den angefochtenen Bescheiden keinen Gebrauch gemacht. Insoweit liegt ein Ermessensausfall vor, der auch durch den Vortrag des Beklagten im Klageverfahren, wonach grundsätzlich die Kosten von Brandverhütungsschauen den Eigentümern baulicher Anlagen aufzuerlegen sind, nicht nach § 114 Satz 2 VwGO geheilt werden kann. Diese Vorschrift sieht nur eine Ergänzung von Ermessenserwägungen, nicht aber die erstmalige Betätigung des Ermessens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung der Kammer ein eventuelles Absehen vom Kostenersatz wegen unbilliger Härte gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 BbgBKG in einem gesonderten Verfahren zu klären wäre (VG Potsdam, Urteil vom 02.07.2002 - 3 K 632/01 -, LKV 2003, 195; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.09.2000 - 12 A 10497/00 -, NVwZ-RR 2001, 382).
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1 und 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2 sowie 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 549,45 € festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung entspricht dem streitbefangenen Geldbetrag, § 52 Abs. 3 GKG.