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Entscheidung VK 12/11


Metadaten

Gericht Vergabekammer Potsdam Entscheidungsdatum 13.05.2011
Aktenzeichen VK 12/11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Nachprüfungsantrag wird verworfen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Auftraggeberin.

3. Die Gebühr für das Verfahren wird auf X.XXX,XX EUR festgesetzt und mit dem eingezahlten Kostenvorschuss verrechnet.

4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Auftraggeberin wird für notwendig erklärt.

Gründe

I.

Die Auftraggeberin schloss mit der …, mit Datum vom … 2011/… 2011 einen Kooperationsvertrag zur Verbesserung des Entlassungsmanagements/ Einsatz von Hilfsmittelkoordinatoren. Vereinbart ist hier u. a. Folgendes:

Der Kooperationspartner der Auftraggeberin übernimmt die Koordination der Versorgung von Patienten mit Heil- und Hilfsmitteln. Soweit die Versorgung nicht zum Kerngeschäft gehört bzw. diese nicht erbracht werden kann, erfolgt eine enge Abstimmung zwischen den Partnern, um eine qualitative sektorenübergreifende Versorgung zu gewährleisten. Er erbringt – unter Einhaltung des Patientenwahlrechts und der Therapiehoheit des behandelnden Arztes – Dienst- und Beratungsleistungen, wie z.B. auf Wunsch der aus der Klinik zu entlassenden Patienten bzw. ihrer Betreuer, die Versorgung im außer-/innerklinischen Bereich mit den notwendigen medizinischen Produkten und Dienstleistungen im Rahmen der ärztlichen Vorgaben, Kontaktaufnahme mit den Patienten und/ oder Angehörigen in der Klinik zur Vorbereitung der Versorgung, auf Wunsch der Patienten die Kontaktaufnahme mit Angehörigen, Ärzten, Kostenträgern und Pflegeeinrichtungen, die zeitnahe und umfassende Organisation der Übernahme der Patienten in die außerklinische Versorgung am Wohnsitz der Patienten oder die weiterbehandelnde Einrichtung, die umfassende schriftliche Dokumentation der Versorgung und deren Weiterleitung an den internen Casemanager der Klinik und die Beratung über bestehende Abrechnungsmöglichkeiten mit dem jeweiligen Sozialleistungsträger.

Der Kooperationspartner unterstützt das Entlassungsmanagement mit qualifiziertem Personal in Form von Hilfsmittelkoordinatoren. Hierzu werden arbeitstäglich zwei Hilfsmittelkoordinatoren mit acht Stunden vor Ort tätig sein. Als Grundlage der Koordination und Dokumentation bringt der Kooperationspartner seine firmeneigene Software ein, stellt diese der Auftraggeberin zur Verfügung und schult deren Mitarbeiter.

Der Kooperationspartner kann und wird die an die Patienten gerichteten Leistungen in der Klinik erst dann erbringen, wenn die Patienten und/ oder ihre Angehörigen bzw. gesetzlichen Vertreter sich damit einverstanden erklärt haben.

Die … wird zur berechtigten Abgabe von Hilfsmitteln im Krankenhaus eine Zulassung nach § 126 SGB V beantragen und entsprechende Versorgungsverträge mit den Krankenkassen schließen. Die Auftraggeberin wird dafür Räumlichkeiten, die den Kriterien der Krankenkassen entsprechen, im Krankenhaus auf Basis eines Mietvertrages mit der … zur Verfügung stellen.

Eine Vergütung ist zwischen den Beteiligten nicht vereinbart. Zu den Leistungen der Auftraggeberin gehört u. a. die Aufklärung der Patienten über die freie Wahl des Leistungserbringers und die Vorstellung der Versorgungsmöglichkeiten, die Information der Patienten bzw. deren Angehöriger oder Betreuer über die Dienstleistung des Kooperationspartners sowie die Beratung in organisatorischen Fachfragen und in Fragen zu den Anforderungen der Kliniken an das Überleitungsmanagement.

Der Antragsteller – Hersteller von und Lieferant für Hilfsmittel im Sinne von § 33 SGB V – hat am … 2011 bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg einen Nachprüfungsantrag gestellt.

Er verzeichne seit dem … 2011 einen Rückgang von Hilfsmittelaufträgen aus dem Klinikum gleichsam auf „0“. Seit dem … 2011 habe er lediglich zwei Aufträge für Hilfsmittelgestellungen erhalten, die zudem beide aus seinen eigenen Verträgen nach § 127 Abs. 1 SGB V herrührten. Aus diesem Grund habe er um einen Besprechungstermin bei dem Pflegedienstleiter der Auftraggeberin ersucht, der am … 2011 stattgefunden habe. Im Rahmen dieses Gespräches sei bestätigt worden, dass ein Kooperationsvertrag mit der ... abgeschlossen worden und dem Vertragsabschluss keine Ausschreibung vorweg gegangen sei. Der Antragsteller sei nicht darüber informiert worden, dass die … offenbar eine exklusive Position für die Ermittlung des Bedarfs an und die Vermittlung bzw. Lieferung von Hilfsmitteln erhalten solle. Vielmehr habe man auf Nachfrage ausdrücklich gegenteilig informiert.

Die … erwerbe eine einzigartig exklusive und jeden Wettbewerb ausschließende Stellung in Bezug auf die Bedarfsabfrage für Hilfsmittel bei der Auftraggeberin. Denn den Patienten werde nicht eröffnet, welche anderen Hilfsmittelhersteller bzw. -lieferanten für die benötigten Hilfsmittel in Betracht kommen. Sie erwerbe so die Möglichkeit, als Monopolistin alle Hilfsmittelbedarfe der Patienten der Auftraggeberin abzufragen und zu bearbeiten bzw. nach Gutdünken an Dritte zu verteilen, ohne hierbei ein finanzielles Risiko zu tragen. Denn die Hilfsmittellieferungen würden stets von den gesetzlichen oder privaten Krankenkassen, in Ausnahmefällen auch von den Patienten selbst gezahlt.

Für die Schätzung des Wertes der jährlich für die Patienten der Auftraggeberin erbrachten Lieferleistungen gehe der Antragsteller von einer Multiplikation seiner Umsätze mit insgesamt … Hilfsmittelherstellern aus. Danach würde sich bereits für ein Jahr ein Volumen von ca. XXX.XXX EUR ergeben.

Einer Rüge nach § 107 Abs. 3 GWB habe es nicht bedurft. Nach § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB sei dann, wenn die Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages gemäß § 101 b Abs. 1 Nr. 2 GWB beantragt werde, eine Rüge überflüssig. Der Abschluss des Kooperationsvertrages und damit der Zuschlag auf ein nicht erfolgtes Vergabeverfahren seien für die Antragstellung und die Antragsbefugnis des Antragstellers unschädlich. Denn nach § 101 b Abs. 1 Nr. 2 GWB sei der abgeschlossene Vertrag unwirksam. Er habe erst in der Besprechung vom … 2011 davon erfahren, dass ohne Ausschreibung ein Kooperationsvertrag tatsächlich abgeschlossen worden sei.

Bei der an die … vergebenen Leistung handele es sich im Wesentlichen um eine Lieferleistung. In einigen wenigen Ausnahmefällen müssten die Hilfsmittel an die Patienten angepasst werden – sie nehme aber nur einen ganz zurücktretenden Umfang der gesamt zu erbringenden Leistung ein. Selbst wenn es sich um Dienstleistungen handeln solle, sei eine Dienstleistungskonzession nicht anzunehmen. Denn die … trage kein Betriebsrisiko.

Der Antragsteller beantragt,

1. festzustellen, dass der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist,

2. festzustellen, dass der zwischen der Auftraggeberin und der … geschlossene Kooperationsvertrag unwirksam ist,

3. die Auftraggeberin wird verpflichtet, bei Fortbestehen der Absicht, die Ermittlung des Bedarfs an Hilfsmitteln, die Koordination der und die Durchführung von Hilfsmittellieferungen nach den Vorschriften des SGB V an Dritte zu beauftragen, diese Beauftragung im Rahmen eines förmlichen, gemeinschaftskonformen Vergabeverfahrens durchzuführen,

4. die Auftraggeberin trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragstellers,

5. es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers durch den Antragsteller notwendig war.

Die Auftraggeberin beantragt,

1. die Anträge des Antragstellers werden zurückgewiesen,

2. der Antragsteller trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen des Verfahrens) sowie die zum Zweck entsprechender Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Auftraggeberin.

3. es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Auftraggeberin notwendig war.

Die Auftraggeberin habe im Jahr … eine Umstrukturierung auch hinsichtlich ihres Sozialdienstes beschlossen, verbunden mit der Diskussion um die Einführung des Konzeptes Casemanagement. Nachdem sie die Entscheidung getroffen habe, als ein Teilprojekt der Casemanagement-Einführung eine Kooperation mit dem Bereich des Entlassungsmanagements im Zusammenhang mit Hilfsmitteln durchzuführen, habe die Auftraggeberin mit diversen Anbietern Kontakt aufgenommen, um ein eventuelles Interesse im Rahmen einer Kooperation zu diskutieren. Der Antragsteller habe dabei um einen Gesprächstermin gebeten, der für den … 2010 organisiert und in dem das gesamte Konzept der Umstrukturierung dargestellt wurde. Er habe insoweit Interesse gezeigt, als Hilfsmittelkoordinator tätig zu werden. In einem zeitlichen Zusammenhang seien dann die Vertragsverhandlungen mit der … aufgenommen worden. Diese hätten zu dem streitgegenständlichen Kooperationsvertrag geführt. An den Antragsteller seien seit dem … über … Hilfsmittelaufträge weitergeleitet worden.

Der Nachprüfungsantrag sei verfristet. Aufgrund der Tatsache, dass sich der Antragsteller bereits am … bzw. am … 2011 bei der Aufsichtsratsvorsitzenden bzw. bei der Abteilungsleiterin Finanzen der Auftraggeberin wegen des Vertrages beschwert habe, dass ohne Ausschreibung ein Hilfsmittellieferantenvertrag abgeschlossen worden sei, habe die Frist des § 101b Abs. 2 Satz 1 GWB am … 2011 bzw. am … 2011 zu laufen begonnen. Auf das Gespräch am … 2011 komme es nicht an, weil der Antragsteller schon vorher Kenntnis von dem Gesamtvorgang erhalten habe.

Der Schwellenwert sei nicht überschritten. Die Auftraggeberin gebe keinerlei Hilfsmittel ab und beziehe in diesem Zusammenhang auch keinerlei Hilfsmittel von der … für die ambulante Versorgung. Inhalt des Kooperationsvertrages sei nur die im Servicebereich der Auftraggeberin einzuordnende Koordinierung der Abgabe eines Hilfsmittels durch einen Hilfsmittellieferanten, der von den Krankenkassen zugelassen sei. Durch den Kooperationsvertrag habe die Auftraggeberin auch keinerlei Kosten erspart, insbesondere finde eine Kostenreduzierung im Personalbereich nicht statt. Insoweit sei im Rahmen einer Schätzung der Frage nachzugehen, welchen qualitativen Wert die Tätigkeit der Koordination für die Auftraggeberin auch im überobligatorischen Bereich der Versorgung der Versicherten haben könne. Wenn man in diesem Zusammenhang schätzungsweise eine Kalkulation vornehmen wolle, so gelange man nicht zu einem Schwellenwert von 193.000 EUR.

Unabhängig davon handele es sich um eine Dienstleistungskonzession. Die Auftraggeberin sei nicht verpflichtet, die Versorgung der Patienten/ Versicherten mit Hilfsmitteln für den ambulanten Bereich vorzunehmen. Sie habe auch in diesem Zusammenhang keinerlei Verpflichtung, den Patienten nachstationär mit Hilfsmitteln zu versorgen. Die Tatsache, dass die Auftraggeberin freiwillig und überobligatorisch für den Patienten die Organisation mit der Hilfsmittelversorgung vornehme, führe nicht dazu, dass ein Dienstleistungsvertrag existiere. Das wirtschaftliche Risiko des Erzielens eines Gewinns aus der Tätigkeit obliege letztlich ausschließlich der … . Diese erziele eine Vergütung der Krankenkasse, sofern sie Vertragspartner nach den §§ 126, 127 SGB V sei. Tatsächlich trage die … das Betriebsrisiko für die Lieferleistungen, denn sie habe zu prüfen, ob sie überhaupt berechtigt sei, unter Beachtung der Verträge nach § 127 SGB V diese Hilfsmittel abzugeben oder ob eine Berechtigung dafür nicht existiere. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass ausweislich des Vertrages die … nicht die Möglichkeit habe, sämtliche Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, sie habe auch unter Berücksichtigung der freien Hilfsmittelwahl die Wünsche der Versicherten zu beachten, einen bestimmten Hilfsmittellieferanten auszuwählen. Auch in diesem Falle sei sie verpflichtet, diese Hilfsmittelverordnung an den entsprechenden Hilfsmittellieferanten weiterzuleiten.

Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom … 2011 zum Vorbringen der Auftraggeberin ausführlich Stellung genommen. Neben weiteren Ausführungen meint er, entgegen der Einschätzung der Auftraggeberin handele es sich weder um eine Dienstleistungs- noch um eine Lieferkonzession. Nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 17. Januar 2008 sei insofern von Bedeutung, dass der Vertragspartner, hier die …, zur Lieferung der Hilfsmittel … verpflichtet sei, der geschlossene Vertrag insofern der „Beschaffung von Waren“ im Sinne des § 99 Abs. 2 GWB diene. Die … sei nach dem von der Auftraggeberin dargestellten Inhalt des Kooperationsvertrages verpflichtet, Hilfsmittel jedenfalls dann, wenn diese zum Gegenstand ihrer Produktpalette gehören, an die Patienten des Klinikums zu liefern. Nur dann, wenn die Produkte nicht von der … geliefert werden können, sollen diese über weitere Hilfsmittellieferanten – etwa den Antragsteller – beschafft werden. Die … sei darüber hinaus vertraglich verpflichtet, das Entlassungsmanagement für die Auftraggeberin zu betreiben, indem sie die Bedarfsabfrage nach Hilfsmitteln für die Ärzte der Auftraggeberin übernehme und die für den speziellen Patienten erforderlichen Hilfsmittel aus den einschlägigen Produktgruppen für die Ärzte der Auftraggeberin auswähle. Insofern regele der Kooperationsvertrag die Ware/Leistung und den Preis. Dass der Preis nur indirekt, nämlich durch Ersparnis der Aufwendungen und Rückvergütung durch die Krankenkassen, geregelt sei, sei ebenso unerheblich wie die Frage, wer die Ware körperlich liefere und aushändige und wie, wann und an wen das Eigentum an den Hilfsmitteln übergehe. Das für eine Konzession maßgebliche Kriterium des eigenen wirtschaftlichen (Betriebs-) Risikos der … sei nicht gegeben. Denn die Auftraggeberin habe es versäumt, die Abrechnungspraxis für die Hilfsmittellieferungen nach § 127 Abs. 1 und 2 SGB V darzulegen. Nach dieser Praxis bestehe aber kein wirtschaftliches Risiko für die Hilfsmittellieferanten, weil die Lieferung auf Basis einer vertraglichen Vereinbarung mit der betreffenden Krankenkasse durch eine reine Versorgungsanzeige erfolge, die dann auch ohne Ausnahme vergütungspflichtig sei und von den Kassen vergütet werde.

Mit Verfügung des Vorsitzenden vom … 2011 wurde die Entscheidungsfrist bis zum … 2011 verlängert.

Auf die Vergabeakte sowie die eingereichten Schriftsätze der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig.

Die angerufene Vergabekammer ist für die Entscheidung über den Nachprüfungsantrag zuständig, da die verfahrensgegenständliche Leistungsvergabe dem Land Brandenburg zuzurechnen ist, § 104 Abs. 1 GWB.

Der Nachprüfungsantrag richtet sich gegen die …, die in der Rechtsform einer gemeinnützigen privaten Kapitalgesellschaft als öffentliche Auftraggeberin nach § 98 Nr. 2 GWB zu qualifizieren ist (OLG Naumburg, Beschluss vom 17. Februar 2004 – 1 Verg 15/03, IBR 2004, 335).

Die zur Nachprüfung durch die Vergabekammer gestellte Vergabe unterliegt nicht dem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, § 102 GWB. Der Nachprüfung durch die Vergabekammer unterliegt danach nur die Vergabe öffentlicher Aufträge. Das Nachprüfungsverfahren betreffend den Abschluss eines Kooperationsvertrages zur Verbesserung des Entlassungsmanagements/ Einsatz von Hilfsmittelkoordinatoren bezieht sich nicht auf einen öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1, 4 GWB. Vielmehr ist die Leistungserbringung als den Nachprüfungsinstanzen entzogene Dienstleistungskonzession einzuordnen.

Nach § 99 Abs. 1 GWB sind öffentliche Aufträge entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, Baukonzessionen und Auslobungsverfahren, die zu Dienstleistungsaufträgen führen sollen (vgl. Art. 1 Abs. 2 Buchst. a), d) der Richtlinien RL 2004/17/EG und RL 2004/18/EG).

Der Begriff der Dienstleistungskonzession wird zwar nicht vom Bundesgesetzgeber, aber in den Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG (Art. 1 Abs. 3 Buchst. b) bzw. Art. 1 Abs. 4) definiert als „ein Vertrag, der von einem Dienstleistungsauftrag nur insoweit abweicht, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.“

In seinen Urteilen vom 10. September 2009 und 10. März 2011 vergleicht der EuGH (Rs. C-206/08, Rn. 51 ff.; Rs. C-274/09, Rn. 24ff.) die beiden Definitionen und verweist auf den sich aus der Art der Gegenleistung ergebenden Unterschied zwischen Auftrag und Konzession und stellt fest, dass der Unterschied zwischen einem Dienstleistungsauftrag und einer Dienstleistungskonzession in der Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen liegt. Der Dienstleistungsauftrag umfasst eine Gegenleistung, die vom öffentlichen Auftraggeber unmittelbar an den Dienstleistungserbringer gezahlt wird, während im Fall einer Dienstleistungskonzession die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung besteht, sei es ohne oder zuzüglich der Zahlung eines Preises. Im Fall eines Vertrages über Dienstleistungen genügt der Umstand, dass eine unmittelbare Entgeltzahlung des öffentlichen Auftraggebers an den Auftragnehmer nicht erfolgt, sondern der Auftragnehmer das Recht erhält, Entgelte von Dritten zu erheben, dem Erfordernis einer Gegenleistung.

Ferner stellt der EuGH darauf ab, dass bei einer Dienstleistungskonzession der Konzessionär das Betriebsrisiko der fraglichen Dienstleistungen übernimmt und dass die fehlende Übertragung des mit der Erbringung der Dienstleistungen verbundenen Risikos auf den Dienstleistungserbringer darauf hinweist, dass es sich bei dem betreffenden Vorgang um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag handelt und nicht um eine Dienstleistungskonzession (EuGH, Urt. v. 10. März 2011, a.a.O.).

Soweit der Dienstleistungserbringer ausschließlich von Dritten vergütet wird, genügt die Übertragung eines „erheblich eingeschränkten“ Betriebsrisikos durch den öffentlichen Auftraggeber für die Annahme einer Dienstleistungskonzession. Begründet wird dies u. a. damit, dass – insbesondere in Bereichen, die die öffentliche Daseinsvorsorge betreffen – öffentliche Auftraggeber keinen Einfluss auf die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der Dienstleistung und damit auf die Größe des zu übertragenden Risikos haben (EuGH, Urt. v. 10. März 2011, a.a.O.).

Das wirtschaftliche Betriebsrisiko der Dienstleistung ist dabei als das Risiko zu verstehen, den Unwägbarkeiten des Marktes ausgesetzt zu sein, das sich im Risiko der Konkurrenz durch andere Wirtschaftsteilnehmer, dem Risiko eines Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage, dem Risiko der Zahlungsunfähigkeit derjenigen, die die Bezahlung der erbrachten Dienstleistungen schulden, das Risiko einer nicht vollständigen Deckung der Betriebsausgaben durch die Einnahmen oder dem Risiko der Haftung für einen Schaden im Zusammenhang mit einem Fehlverhalten bei der Erbringung der Dienstleistung äußern kann (EuGH, Urt. v. 10. März 2011, a.a.O.).

Eine Dienstleistungskonzession liegt somit vor, wenn es sich um einen Dienstleistungsauftrag handelt, dem Auftragnehmer das Recht zur Nutzung dieser Dienstleistung übertragen wird und der Auftragnehmer sein Entgelt von Dritten erhält und in irgendeiner Art und Weise ein wirtschaftliches Risiko trägt.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die hier vom Kooperationspartner geschuldete Leistung ist als Dienstleistungsauftrag zu qualifizieren, da im vorliegenden Fall nicht der Einkauf von Waren (vgl. § 99 Abs. 2 GWB) sondern andere Leistungen überwiegen (§ 99 Abs. 7 GWB). Für die vergaberechtliche Einordnung als Dienst- oder Lieferleistung kommt es darauf an, wie das Auftragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zu qualifizieren ist. Denn nur dieses Vertragsverhältnis bildet den öffentlichen Auftrag. Maßgeblich ist mithin ausschließlich die aufgrund des Kooperationsvertrages durch den Auftragnehmer konkret geschuldete Leistung, die hier im Wesentlichen in kooperativen Koordinierungs- Organisations- und Beratungsleistungen im Rahmen der Optimierung des Überleitungs-/ Entlassungsmanagements der Auftraggeberin besteht. Die Belieferung der Patienten mit Hilfsmitteln im Falle einer Ausübung des Patientenwahlrechts zugunsten des Kooperationspartners ist nicht konkret gegenüber der Auftraggeberin geschuldete Leistung und losgelöst vom Beschaffungsbedarf der Auftraggeberin zu betrachten.

Der Kooperationspartner erhält von Seiten der Auftraggeberin keine Vergütung. Eine solche erfolgt ausschließlich von Seiten Dritter, nämlich der Sozialversicherungsträger, Privatversicherten oder – im Falle von Zuzahlungen, Aufzahlungen oder sonstigen Aufträgen von Seiten der Patienten selbst. Der Partner hat insoweit das Recht, seine erbrachten Leistungen wirtschaftlich zu verwerten.

Er trägt auch – gemessen an den o. g. Kriterien – ein wirtschaftliches Risiko. Die Nachfrage nach Leistungen des Kooperationspartners kann Schwankungen unterliegen, resultierend aus dem Wahlrecht des Patienten sowie aus einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Kooperationspartners. Ob und in welchem Umfang das Patientenwahlrecht, dessen Beachtung auch in der Kooperationsvereinbarung ausdrücklich niedergelegt ist (ebenso wie die Aufklärung der Patienten über die freie Wahl des Leistungserbringers und die Vorstellung der Versorgungsmöglichkeiten von Seiten der Auftraggeberin), zugunsten des Kooperationspartners überhaupt ausgeübt wird, ist ungewiss und fällt in seinen Risikobereich. Eine feste Anzahl der jeweiligen Hilfsmittel ist ihm nicht garantiert. Ihn trifft das damit verbundene finanzielle Wagnis der hinreichenden Auslastung, zumal er nach der Kooperationsvereinbarung mit zwei sog. Hilfsmittelkoordinatoren täglich acht Stunden vor Ort tätig ist, er für die Dauer des Vertrages die firmeneigene Software und Auftragsverwaltung mit einbringt, diese der Auftraggeberin zur Verfügung stellt und deren Mitarbeiter in diesen EDV-Programmen schult. Darüber hinaus hat der Kooperationspartner Räumlichkeiten des Krankenhauses anzumieten. Unschädlich ist dabei, dass überwiegend eine Abrechnung über die Sozialversicherungsträger oder privaten Krankenkassen erfolgt, da eine Kostenübernahme erst zum Tragen kommt, wenn eine Leistung tatsächlich in Anspruch genommen worden ist und dies nicht dazu führt, dass der Kooperationspartner kein wirtschaftliches Risiko mehr zu tragen hat.

Das Risiko des Kooperationspartners kann entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht im Rahmen der Regelungen des § 127 SGB V vollständig ausgeglichen werden, weil das nach § 33 Abs. 6 SGB V garantierte Versichertenwahlrecht fortbesteht bzw. nicht zugunsten des Kooperationspartners beschränkt ist. Zwar ist nach § 127 Abs. 1 und 2 SGB V vorgesehen, dass Krankenkassen, ihre Landesverbände und Arbeitsgemeinschaften unter bestimmten Bedingungen im Wege der Ausschreibung Verträge mit Leistungserbringern über die Hilfsmittelversorgung schließen können (§ 127 Abs. 1 SGB V) und im Übrigen Verträge über die Hilfsmittelversorgung ohne Ausschreibung geschlossen werden dürfen (§ 127 Abs. 2 SGB V). Aber in Anbetracht der Tatsache, dass sich das Vertragssystem im Spannungsfeld von wirtschaftlicher, insbesondere sparsamer Versorgung angesichts steigender Kosten innerhalb des Hilfsmittelbereichs einerseits und bedarfs- bzw. qualitätsgerechter Versorgung unter Aufrechterhaltung entsprechender Wahlmöglichkeiten der Versicherten andererseits bewegt, läuft der Dienstleistungserbringer im Hinblick auf die Konkurrenz mit anderen ausgewählten Leistungserbringern Gefahr, dass die vereinbarten Entgelte/ Pauschalen nicht ausreichen, um seine gesamten Betriebsausgaben zu decken. Darüber hinaus ist der ausgewählte Leistungserbringer in einem bestimmten Maß dem Risiko des Ausfalls der Leistungsempfänger ausgesetzt, denn ein nicht unerheblicher Teil der Patienten der Auftraggeberin sind Privatversicherte und in Ausnahmefällen Nichtversicherte.

Für die Überprüfung der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen ist der Rechtsweg zu den Nachprüfungsinstanzen nicht gegeben. Aus dem Gebot der Beachtung der allgemeinen Grundsätze wie dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Transparenzgebot folgt nicht zwangsläufig die Verpflichtung, einen Primärrechtsschutz zu gewähren (OLG München, Beschluss v. 25. März 2011 – Verg 4/11).

Gemäß § 112 Abs. 1 Satz 3 GWB konnte die Vergabekammer aufgrund der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrages ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

III.

Der Antrag auf Akteneinsicht durch den Antragsteller gemäß § 111 Abs. 1 GWB ist abzulehnen. Das Akteneinsichtsrecht ist nur in dem Umfang gegeben, in dem es zur Durchsetzung der Rechte des Antragstellers aus § 97 Abs. 7 GWB erforderlich ist. Das ist bei einem unzulässigen Nachprüfungsantrag nicht der Fall (VK Brandenburg, Beschluss vom 19. März 2003 – VK 5/03; Beschluss vom 25. Februar 2005 – VK 4/05). Dies gilt auch und insbesondere im Hinblick auf das Begehren des Antragstellers auf Einsichtnahme in den zwischen der Auftraggeberin und der … abgeschlossenen Kooperationsvertrag. Ein Akteneinsichtsrecht besteht darüber hinaus lediglich bezüglich entscheidungsrelevanter Aktenbestandteile (OLG Brandenburg, Beschluss v. 7. Oktober 2010 – Verg W 12/10). Wesentliche Aspekte für die Annahme einer Dienstleistungskonzession und damit ausschlaggebend für die Entscheidung sind das Patientenwahlrecht und die damit verbundenen Risiken für den Kooperationspartner, die dem Antragsteller als Hersteller von und Lieferant für Hilfsmittel bekannt sind.

IV.

Die Vergabekammer hält die Festsetzung der Mindestgebühr von X.XXX,XX EUR gemäß § 128 Abs. 2 Satz 1 GWB bei Abwägung des Aufwandes einerseits und der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes des Nachprüfungsverfahrens andererseits für angemessen, zumal keine Beiladung erfolgt ist und eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat.

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Auftraggeberin war notwendig. Mit dem Nachprüfungsverfahren stellten sich für die Auftraggeberin Rechtsfragen, deren Schwierigkeiten anwaltliche Vertretung erforderlich gemacht haben, § 128 Abs. 4 S. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, 3 Satz 2 VwVfG.

V.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Brandenburgischen Oberlandesgericht, Gertrud-Piter-Platz 11, 14770 Brandenburg, einzulegen.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 117 Abs. 3 GWB).

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten (§ 117 Abs. 4 GWB).

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern (§ 118 Abs. 1 GWB).

Gemäß § 6 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Vergabekammern des Landes Brandenburg vom 26. Mai 2009, Amtsblatt für Brandenburg S. 1225, ist die Unter-zeichnung des Beschlusses durch den ehrenamtlichen Beisitzer nicht erforderlich.